13. Sonntag nach Trinitatis, 1. Kor. 11, 23-26,
Einführung der neuen Abendmahlskelche in den gottesdienstlichen Gebrauch
Begrüßung und Liturgie zur Einführung der neuen Kelche:
Liebe Gemeinde! In diesem Gottesdienst wollen wir zwei Abendmahlskelche, die unserer Gemeinde gespendet wurden, voller Freude und Dankbarkeit ihrem Dienst in unserer Mitte übergeben. An einem Festtag, wie diesem, geht es nicht darum, über die tiefen, immer auch noch trennenden Fragen des Abendmahles zu diskutieren, sondern darum, es miteinander voller Freude zu feiern. Kaum etwas verbindet uns – recht verstanden - untereinander so sehr, wie gerade das Mahl des Herrn. Es ist der eine Kelch aus dem wir trinken, weil es der eine Herr war, der sein Leben für uns einsetzte. Sein Leiden und Sterben lässt uns an seinem guten Geist für die Welt teilhaben und vereint uns miteinander in unseren Kirchen. Dies ist der Tag, lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein!
Liebe Gemeinde! Im Abendmahl bekennt sich Jesus Christus zu uns, der weltweiten Christenheit, so, wie wir uns im Mahl des Herrn zu ihm, als dem Herrn der Kirche bekennen. Mit ihm und untereinander sind wir so im Glauben verbunden. Wir sind daran erinnert, was Jesus von Nazareth lehrte und bis in seinen Tod hinein lebte. Aus seinem Geist heraus dürfen wir leben.
Herr, großer Gott, du Schöpfer der Welt und allen Lebens in ihr. Wir danken dir für diese beiden neuen Kelche, die wir heute ihrem Dienst übergeben. Lass sie zu einem Segen, zum Trost, zur Freude, zur Bekräftigung und zur Stärkung des Glaubens werden, für alle, die daraus trinken, durch Jesus Christus unseren Bruder und Herrn.
Wir haben nun Gottes Wort gehört und ihm für all das gedankt, was uns mit unserem Leben geschenkt ist, so übergeben wir nun diese beiden Kelche ihrem Dienst in der Mitte unserer Gemeinde. Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes (+) und des Heiligen Geistes.
Gebet:
Herr, guter Gott! Wir danken dir für dein Wort, für das Brot und den Wein als Zeichen deiner Gegenwart in unserer Mitte. Wir danken dir für die beiden neuen Kelche, die von nun an für eine unabsehbare Zeit das Leben in unserer Gemeinde begleiten. Lass uns auch durch sie in unserem Glauben gestärkt und zu einer Gemeinschaft aus deinem Geist heraus werden, - uns allen zu einem geist- und kraftvollen Zeichen der Hoffnung.
Wir danken dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, die St. Laurentiuspfarrei, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.
Ich nämlich habe als Überlieferung, die vom Herrn kommt, empfangen, was ich euch weitergegeben habe:
In der Nacht, in der Jesus, der Herr, ausgeliefert wurde, nahm er Brot, sprach darüber das Dankgebet, brach es in Stücke und sagte: »Das ist mein Leib, der für euch geopfert wird. Tut das immer wieder, damit unter euch gegenwärtig ist, was ich für euch getan habe!« Ebenso nahm er nach dem Essen den Becher und sagte: »Dieser Becher ist Gottes neuer Bund, der durch mein Blut in Kraft gesetzt wird. Tut das, sooft ihr von ihm trinkt, damit unter euch gegenwärtig ist, was ich für euch getan habe!« Jedes Mal also, wenn ihr dieses Brot esst und von diesem Becher trinkt, verkündet ihr damit die Rettung, die durch den Tod des Herrn geschehen ist, bis er wiederkommt.
Liebe Gemeinde!
Es gibt Dinge im Leben, die fast alle Menschen innerlich berühren. Im Bereich unseres Glaubens ist es auf alle Fälle das Abendmahl, von dem niemand unberührt bleibt, der es sein Leben hindurch feiert. Es begleitet uns an den erlebbaren Schwellen vom jungen bis zum alten Menschen, durch Höhen und Tiefen, angesichts von Gelingen oder Misslingen, Glück oder Leid, von Schuld und Versagen. Im Abendmahl erfahren wir in einer ganz besonderen Weise die zugesagte Nähe Gottes in Jesus Christus, wie die Gemeinschaft aller, mit denen wir das Mahl des Herrn und unseren Glauben in einer ganz konkreten Gemeinde und Gemeinschaft teilen.
Menschen, die einerseits den Tod und das Abschiednehmen in ihrem Leben erfahren haben, andererseits das Geschenk vielfachen Glücks, haben unserer Gemeinde aus diesen Gründen einen Abendmahlskelch gestiftet. Kelche, die wir heute voller Freude und Dankbarkeit mit der Feier des Abendmahles ihrem besonderen Dienst in unserer Mitte übergeben wollen. Gerade der Kelch hat im Abendmahl seine ganz besondere Bedeutung.
Wir wissen heute nicht mehr, mit was für einem Kelch oder Becher Jesus selbst das Abendmahl einsetzte. Historisch gehen wir aber davon aus, dass Jesus es natürlich vor seinem Tod und möglicher Weise wohl im Zusammenhang eines Passahmahles einsetzte. Noch heute hat das Pessach-Fest im Judentum seine herausragende Bedeutung in der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Es ist ein Fest der Freude, das in der Familie gefeiert wird in dem Bewusstsein von Gott selbst geschenkter Freiheit. Mit der Erinnerung an die Schöpfung und der Heiligung des siebten Tages beginnt die Pessach-Feier zumindest am Sabbath, nachdem der erste Becher eingeschenkt wurde. Es folgt ein erstes Kelchwort:
„Gepriesen seist Du Ewiger, unser Gott, Herr der Welt, der die Frucht des Weinstocks erschaffen...“ Während der ganzen Feier, die der Hausherr vollzieht, steht ein gefüllter Becher mit Wein auf dem festlich gedeckten Tisch, der unberührt bleibt und symbolisch für den Propheten Elia bestimmt ist. Es ist ein rituelles Festmahl der ganzen Familie. Beginnt die Feier mit der Erinnerung an die Schöpfung und der Erlösung Israels aus der Knechtschaft Ägyptens, so endet sie mit dem Ausblick auf das Reich Gottes, in dem die Welt von Leid und Tod befreit sein wird. [1]
Wir können uns vorstellen, dass Jesus und seine Jünger das Pessach, wenn auch nicht genau so, so doch vergleichbar gefeiert haben. In der jungen Christen-Gemeinde wurde das Abendmahl nach Jesu Tod täglich gefeiert, und es war für die Reformatoren, nachzulesen in allen Bekenntnisschriften bis in die Neuzeit hinein selbstverständlich, dass es zumindest in jedem Gottesdienst zu feiern ist.
Sehr bewusst hat Paulus die Einsetzungsworte zum Abendmahl, wie wir sie heute in der Abendmahlsliturgie hören, in einen ganz bestimmten Zusammenhang gestellt: Da geht es um Konflikte in der Gemeinde, sittliche Fragen, es geht um die Ehe und um die Schwachen in der Gemeinde, um Fragen des Gottesdienstes und der Liebe, so wie dann am Ende um die Auferstehung der Christen. Die Stellung der Einsetzungsworte im ersten Korintherbrief bedeutet, dass das Mahl des Herrn nicht ohne die Gemeinschaft mit Christus und ebenso nicht ohne die Geringen in der Gemeinde gefeiert werden kann, wer immer sie sein mögen. [2]
Schon bald gab es die größten Auseinandersetzungen um das Verständnis des Abendmahles von Ambrosius zu Augustin, innerhalb verschiedenster Konzilien bis hin zu Luther und Zwingli und in die Neuzeit hinein. Wo theologische Bescheidenheit angesagt gewesen wäre, da wir nicht wissen können, ob Jesus damals sagte, dies „ist“ oder dies „bedeutet“ mein Leib, mein Blut, da er ja hebräisch sprach, haben sich die Christen nun in ihren jeweiligen Bekenntnispositionen festgebissen. Was wir wissen ist, dass Jesus im Blick auf seinen Tod seinen Jüngern angesichts von Brot und Wein sagt: „Für euch gegeben...“, und „das tut zu meinem Gedächtnis...!“ Doch wofür steht nun der Kelch oder der Becher? Ich möchte das an einer berühmten Erzählung aus der Kulturgeschichte des Abendlandes ein wenig verdeutlichen:
Es ist die Geschichte von Parzival. Parzival ist nach der Sage von Wolfram von Eschenbach der mittelalterliche Held, der als Jugendlicher Ritter aufbricht, die Welt zu erobern. Er verlässt sein Elternhaus, nicht ohne seiner Mutter das Herz zu brechen. Er hat weniger als nichts, er ist unerfahren, aber sein Selbstbewusstsein ist das größte, durch nichts zu überbieten. Kurzum er startet so, wie die meisten von uns einmal ins Leben gestartet sind. Nach einigen Irrungen, Wirrungen und Prügeleien mit den Größen seiner Zeit, gesellt er sich zu den besseren Kreisen. Er wird Mitglied an der Tafelrunde von König Arthus. Später verlässt er den trinkfesten Männerbund. Er entdeckt etwas, wofür er glaubt, sich einsetzen zu können, und wonach auch nur wenige von uns nicht Ausschau halten. Parzival marschiert mit all seiner Kraft und Aufmerksamkeit in Richtung auf ein Ziel zu. Er strebt nun das eine Ziel an, das in dieser Geschichte als der „Gral“ bezeichnet wird. Im Text heißt es: „Er irrte umher“. Er hat sein Ziel vor Augen und irrt weiter. Kommt uns das irgendwie bekannt vor?
Eines Tages, mehr träumerisch zufällig als durch Berechnung, gelangt Parzival in eine Burg. Es ist die gesuchte Gralsburg. Die Burg hat einen Raum, einen geweihten Raum, eine Kirche vielleicht. In diesem Raum steht ein Altar, daneben ein Katafalk. Kerzen brennen. Stille herrscht. Auf dem Altar steht ein verschlossener Schrein. Auf einem Krankenlager links vom Altar liegt Amfortas bleich und schweigend. Der Schrein auf dem Altar umschließt ein Gefäß, das Gefäß ist gefüllt. Amfortas blutet aus einer Wunde. Die herumstehenden Knappen können nicht helfen.
Erschüttert geht Parzifal vor dem Altar auf die Knie, senkt den Kopf und schweigt. Er schweigt zu Amfortas hinauf und fragt nicht: „Woran leidest Du“? Der Schrein bleibt verschlossen. Ein leiser Wind geht durch den Raum, die Burg versinkt, der Gral mit ihr, sein Ziel ist weg, im Nichts versinkt auch die Chance, Mitleid zu zeigen. Parzival befindet sich wieder allein im Dickicht seiner Unzulänglichkeiten. Soweit Wolfram von Eschenbach.
Doch welches Geheimnis verbirgt der Gral? Schon die Form, in der der Gral erscheint bzw vorenthalten wird, hat die Phantasie immer wieder zu neuem Nachdenken über ihn angeregt. Der Gral in der Geschichte Parzivals ist vordergründig der durch das christliche Abendland geprägte Kelch. Es gibt verschiedene Deutungen, so sah man in der Kelchform die nach oben geöffneten Hände oder sogar bei aller gebotenen Vorsicht ein Stundenglas, eine Sanduhr? Es ist in dieser Deutung die Zeit, die uns als der zugeteilte oder vorenthaltene Gral oder Kelch sehr subjektiv entgegen tritt. Von Anfang an war der Kelch ein Symbol des Leidens Jesu, doch auch ein Sinnbild der Gemeinschaft derer, die daraus trinken.
Die Parzival Geschichte lehrt uns, im Leben ja keine Zeit des fürsorglichen Mitleids auszulassen. Parzival verpasst nicht nur die Kommunikation zum Mitmenschen, er verpasst sich selber als der Gral ins Nichts versinkt. Er hat seine Chancen und die ihm geschenkte Zeit vertan. Die Parsifalsage erzählt, und greift damit einen Kerngedanken des Glaubens, zugespitzt im Mahl des Herrn auf, dass durch Mitleid der Mensch zu dem wird, was er mehr sein kann, als das Tier. [3]
Nirgendwo wird das Zusammenstehen unter Christen so deutlich, wie im Abendmahl, wo eben alle unteilbar, die Großen und Starken, wie die Armen und Schwachen aus diesem einen Kelch trinken, ihn teilen in der Erinnerung und Vergegenwärtigung des einen Herrn der Kirche, der sich mit der gefallenen Welt solidarisiert. Somit ist der Kelch ein Symbol der geteilten Gemeinschaft unter Christen und mit ihm, dem Herrn der Kirche. „Es ist ein typischer und wesentlicher Zug der von Jesus gebrachten Erfüllung des Passahmahls, dass aus einem einzigen Kelch getrunken wird...“ [4] Aus einer tiefen inneren Ehrfurcht kam es dann im 12./13. Jahrhundert dazu, dass die römisch katholischen Christen nicht mehr den Kelch gereicht bekamen, sondern nur noch der Priester aus ihm trank.
Es gab unterschiedliche Formen, die Gemeinde auch mit dem Kelch kommunizieren zu lassen. Man benutzte Trinkröhrchen oder goss aus dem geweihten Kelch Wein in einen ungeweihten, so dass die Gemeinde dann aus diesem kommunizieren konnte. In der orthodoxen Kirche wurde nach und nach die Intinktion gebräuchlich, wobei die Hostie in den Kelch getaucht und so befeuchtet gegessen wird. [5] Die Ehrfurcht vor einem Kelch ging so weit, dass dieser von einem Bischof oder Abt vor seiner Benutzung geweiht wurde.
Kelche oder Becher konnten ursprünglich unterschiedliche Formen haben und aus Zinn, Blei, Holz oder Glas, später, seit dem 9. Jahrhundert, dann aber immer aus Silber oder Gold kunstvoll gefertigt sein. Es waren, bis zu ihrer sakralen Nutzung im Gottesdienst die ganz normalen Trinkgefäße einer Familie, so dass sogar Abendmahlskelche oder Becher früher oft einen Henkel hatten.
Der Wein symbolisiert im Abendmahl das Blut Jesu. Wir wiederholen kein Opfer, das er allein einmal stellvertretend für uns vollbracht hat. Aber wir sind eingeladen, uns mit dem, was wir aus dem Kelch trinken, an das Leben und an das Opfer Jesu für uns erinnern zu lassen. In der Zeit Jesu sah man im Blut eines Menschen den Sitz des Lebens überhaupt. Wenn Jesus also sagt: „Das ist mein Blut“, so denken wir demnach nicht nur an den Tod, als vielmehr auch an das geschenkte Leben.
Wie Israel sein Pessach voller Freude und Dankbarkeit feiert, so dürfen wir unser Abendmahl feiern. Aus diesem guten Grund feiern katholische Christen mit dem Abendmahl die Feier der Eucharistie. Sie sagen – mit dem, was sie feiern - Gott Dank. Und anders werden Christen es wohl nie feiern können, jenseits von allen offenen Fragen und theologischen Diskussionen. Letztendlich ist und bleibt für uns das Mahl des Herrn ein „Geheimnis des Glaubens“. Voller Dankbarkeit nehmen wir nun unsere beiden neuen Kelche in den Dienst unserer Gemeinde, unserer Abendmahlsfeiern. So feiern wir das Mahl des Herrn als unser Bekenntnis zu ihm, der uns versprochen hat, dort zu sein, wo wir in seinem Namen miteinander versammelt sind und bekennen uns voller Freude und Dankbarkeit aus der Gemeinschaft der Glaubenden zu ihm, als dem Herrn der Kirche. Amen.
Literatur:
1) Schlesinger, Ph., Die Pessach-Haggadah, Sinai Publishing, Tel Aviv
2) Schneider, H.-H., aus unveröffentlichten Vorträgen und Referaten zum Thema
3) Schneider, J.-H., aus einem unveröffentlichten Vortrag
4) Barth, M., Das Mahl des Herrn, Neukirchen, 1987, S. 48
5) Adam, Berger, Pastoral Liturgisches Handlexikon, Freiburg, S. 243
Barth, H.-M., Dogmatik im Kontext der Weltreligionen, Gütersloh, 20012, S. 637 ff
Jentsch, W., u.a., Evangelischer Erwachsenenkatechismus, S. 1104 ff
Müller, U., Richard-Wagner Handbuch, Stuttgart, 1986, Parsival, S. 50
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