Okuli, Lukas 9. 51, 57-62
Begrüßung:
Wir alle kennen Abschiede aus unserem Leben, traurige, wie fröhliche. Abschiede, die etwas Neues beginnen lassen, Abschiede aber auch, die uns dort lassen, wo wir gerade sind, um bewusst auf etwas anderes zu verzichten. So oder so, jeder Abschied stellt uns vor Entscheidungen und das gilt gerade auch für unseren Glauben, denn:
»Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, den kann Gott nicht gebrauchen, wenn er jetzt seine Herrschaft aufrichten will.«
Gebet:
Herr, guter Gott! Wir sagen dir Dank, dass wir miteinander Gottesdienst feiern durften, Gemeinschaft erfuhren im gemeinsamen Singen, Beten und Hören auf dein gutes Wort. Wieder hat es uns herausgefordert, unser Leben, unseren Glauben hinterfragt. So bitten wir nun, nimm uns mit auf deinen Weg, das wir Abschied zu nehmen lernen, wo immer es uns weiterführt, dass wir aber auch zu bleiben lernen, wo es sinnvoll und notwendig ist. Wo es um unseren Glauben und unser Leben geht, da sind Entscheidungen gefragt, so lass sie uns treffen, bedacht und wohl überlegt, aber ohne sie mit Ausreden und Ausflüchten auf die lange Bank zu schieben. Herr, so bitten wir: Nimm uns mit auf deinen Weg, damit wir mit dir in der Welt ankommen, in der Welt, die uns und unseren Glauben braucht.
So danken wir dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für alle katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.
Als die von Gott bestimmte Zeit da war und der Tag näher kam, an dem Jesus in den Himmel aufgenommen werden sollte, machte er sich stark und fasste den Entschluss, nach Jerusalem zu gehen.
Unterwegs sagte jemand zu Jesus: »Ich bin bereit, dir zu folgen, ganz gleich, wohin du gehst!« Jesus antwortete ihm: »Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihr Nest; aber der Menschensohn hat keinen Platz, wo er sich hinlegen und ausruhen kann.« Zu einem anderen sagte Jesus: »Komm, folge mir!« Er aber antwortete: »Herr, erlaube mir, dass ich erst noch hingehe und meinen Vater begrabe.« Jesus sagte zu ihm: »Überlass es den Toten, ihre Toten zu begraben! Du aber geh hin und verkünde, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichten will!« Ein anderer sagte: »Herr, ich will ja gerne mit dir gehen, aber lass mich erst noch von meiner Familie Abschied nehmen!« Jesus sagte zu ihm: »Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, den kann Gott nicht gebrauchen, wenn er jetzt seine Herrschaft aufrichten will.«
Liebe Gemeinde!
Wir alle wissen darum, viele von uns kennen es ebenso leid-, wie lustvoll, das Abschiednehmen. Der Abschied gehört zu unserem Leben dazu, ohne ihn gibt es keinen Anfang und kein Ende, kein Aufstehen nach einer guten erholsamen Nacht oder kein zu Bettgehen nach einem erfüllten oder belasteten Tag. Ohne den Abschied können wir andere, uns vertraute Menschen, nicht zurücklassen, um in die Schule oder zur Arbeit zu gehen, wir könnten unsere Hobbys nicht ausüben, weil wir immer dort blieben, wo wir schon immer waren. Ohne Abschiede keine neuen Erfahrungen, ohne sie bleiben wir unerfahren wie ein kleines Kind. So erleben wir sie als notwendig, bereichernd und schön, wenn alles gut geht im Leben und umgekehrt als das Drama unseres Lebens schlechthin, wenn ein Abschied uns von einem Menschen trennt, der uns vertraut war, den wir liebten. Doch jede Abschiedserfahrung lässt uns unser Menschsein mit all seinen Möglichkeiten, Chancen, aber auch Grenzen spüren und macht uns reifer.
Unser Predigtabschnitt ist wohl nur zu verstehen, wenn man einen der vorangegangenen Verse hinzunimmt, in dem gesagt wird, dass, als die Zeit da war, Jesus sich stark machte und den Entschluss fasste, nach Jerusalem zu gehen (Lk 9,51). Jesus entscheidet sich diesen Weg zu gehen, wohl wissend, was ihn in Jerusalem erwarten würde. Und auf diesem Weg wird er nun auf die Nachfolge angesprochen, worauf Jesus mit dem Hinweis antwortet, dass die Füchse ihren Bau und die Vögel ihr Nest haben, der Menschensohn aber keinen Ort hat, wo er sich hinlegen und ausruhen könnte. Albert Schweitzer hat vermutet, dass Jesus wohl so davon überzeugt war, dass das Ende der Welt nun bald kommen würde, so dass all das, was uns Menschen für unser Leben notwendig scheint, unwichtig geworden ist.
Das Leben Jesu spitzt sich nun so zu, dass selbst seine Jünger und Freunde diese Zeit als eine End-scheidungszeit erleben werden: „Letzte Dinge werden bald geschehen – letzte Dinge müssen alsbald geklärt werden...“ 1)
Und in eben diese offene Situation hinein wünscht ein Mensch ihm nachzufolgen. Von einer Reaktion dieses Menschen auf den Hinweis Jesu hören wir nichts. Nun aber spricht Jesus selbst einen anderen an: „Komm, folge mir!“ der aber zunächst seinen Vater beerdigen will, - ein anderer von seiner Familie Abschied nehmen möchte.
Aus Sicht Jesu geht das so nicht. Nachfolge kann nicht an Bedingungen oder Voraussetzungen geknüpft werden, da gibt es ein Jetzt und eben leider immer auch ein zu spät. Natürlich gehört es zu unserem Leben dazu, unsere Toten zu bestatten, aber Jesus sieht eben, dass wir uns nur allzu oft von Gräbern gefangen nehmen lassen und damit an unsere Vergangenheit gefesselt bleiben. Der Tod beherrscht unser Leben und macht uns unfrei für die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. So bleiben wir im Abschied stecken, ohne Neues erfahren zu dürfen. Schroff, ja fast unverständlich ist die Antwort Jesu in unseren Augen, doch gut zu verstehen aus der Dringlichkeit der Situation heraus, in der Jesus sich selbst befindet und sieht, dass sich die Menschen nun über ihren Weg des Glaubens Klarheit verschaffen müssen, jetzt – und nicht irgendwann.
Der andere Mensch möchte zunächst Abschied von seiner Familie nehmen, ein Akt der Liebe, nicht nur der Höflichkeit. Doch auch er hört eine Antwort, die im Moment ratlos machen kann: „Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, den kann Gott nicht gebrauchen, wenn er jetzt seine Herrschaft aufrichtet!“ Die Radikalität der Reaktion Jesu ist nur zu verstehen, wenn wir dieses „Jetzt“ verstehen, diesen Augenblick, in dem es kein Ausweichen mehr gibt und vor allem Gott gegenüber keine Bedingungen nach dem Motto: Ich möchte ja ganz gern glauben, aber bitte im Rahmen meiner Lebensbedingungen, schließlich bin ich ein Kind meiner Eltern, ich bin selbst Vater oder Mutter, woraus sich Verpflichtungen ableiten: Ich habe meinen Beruf, was Konsequenzen hat, habe eine politische Meinung, die ich einbringen möchte. Mein ganzes Leben ist eingebunden in Sachzwänge über die ich oft gar keine eigene Entscheidungsmöglichkeit habe, sondern andere Menschen, mit denen ich mein Leben teile.
Unbemerkt berufen wir uns damit auf all das in unserem Leben, was uns Gefahr laufen lässt, Gott in die zweite Reihe zu schieben, anderes ist wichtiger. Und das kann dazu führen, einer Grundsatzentscheidung über den Glauben überhaupt auszuweichen, um sie so ganz bewusst oder aber unbewusst abzulehnen. An der Radikalität der Forderung Jesu scheitern wir alle. Wir sind schließlich Menschen, die der Erde, ihrer Welt mit all ihren Voraussetzungen und Bindungen, verbunden sind, weil wir ja eben nicht in einem luftleeren Raum leben. Aber das sind in den Augen Jesu keine Entschuldigungen, die Forderungen Jesu stehen im Raum und wir sind gefragt, wie wir dazu stehen.
Glaubensnachfolge heißt nun einmal auch mit Bindungen zu brechen, wenn sie hinderlich sind. Da gibt es kein „Das war schon immer so!“ Oder: „Das ist heute eben so!“, was bindet und fesselt, ohne es zwingend zu müssen. Ich denke dabei an die immer wieder aufgekommene Diskussion um die Herausnahme der Trennwand zwischen unserer Kirche und dem alten Hochaltar der Kirche, der heutigen Spitalkapelle in Kenzingen. Dieser Frage möchte der Pfarrgemeinderat St. Laurentius nun erst einmal nicht mehr nachgehen.
Sachliche Argumente scheint es für diese Entscheidung keine zu geben, dafür eine ganze Reihe emotionaler. Hier wurde eine Chance vertan – gerade heute – ein ökumenisches Signal zu setzen. Es geht hier nicht um eine Glaubensfrage, aber es hätte darum gehen können, den unzähligen sachlichen Argumenten zu folgen und einen Weg zu finden, dieser letzten franziskanischen Klosterkirche in Süddeutschland ihr ursprüngliches Gesicht zurück zu geben, um damit die sichtbaren und spürbaren Wunden der Trennung unserer Konfessionen eine Perspektive der Offenheit, einer neuen Gemeinsamkeit zu schenken. Was für ein Signal in der derzeitigen Situation der Katholischen Kirche! So bleibt diese Aufgabe zunächst offen, was wir zu respektieren haben ohne es gut heißen zu müssen.
Abschiede im Sinne Jesu können Signale für die Zukunft werden. Wo Jesus den Abschied fordert, will er die Offenheit für ein anderes Leben, auch da, wo der Abschied einlädt zum Bleiben, „ - bei der Familie, beim Partner, bei den Kindern, bei den Alten.“ 2). Ganz in diesem Sinne schreibt André Gide einmal: „Erst in der Entsagung vollendet sich jede Bejahung. All das, auf was du verzichtest, gewinnt in dir Leben. All das, was sich bejahen möchte, verneint sich; all das, was sich entsagt, bejaht sich. Der vollkommene Besitz erweist sich erst durch das Geschenk. Alles, was du nicht verschenken magst, besitzt dich. Ohne Opfer gibt es keine Auferstehung. Nur was du hingibst, wird sich entwickeln. Was du dir zu sichern versuchst, verkümmert. Woran erkennst du, dass die Frucht reif ist? – Daran, dass sie sich löst vom Zweig. Alles reift, um Gabe zu werden, und erfüllt sich im Opfer...“ 3)
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, ihm bleibt nicht mehr viel Zeit. Drängend werden die Fragen nach dem Weg des Glaubens in der Welt, wozu er in seinen Predigten und mit seinen Taten eingeladen hat. Nun müssen sich die Freunde, aber auch seine Gegner entscheiden und mit ihnen auch wir, jeden Tag neu, unser ganzes Leben lang. Was Jesus, der Herr, für uns tun konnte, hat er getan. Für ihn jedenfalls gilt: “Alles reift, um Gabe zu werden, und erfüllt sich im Opfer...“, was aber gilt für uns und unser Leben? Amen.
Literatur:
1) Leicht, R., Göttinger Predigtmeditationen, 2009, 63. Jhrg., Heft 2,
Göttingen, S. 180
2) Le Coutre, E., in: Assoziationen, Hrsg. Walter Jens, Stuttgart, Bd. 1, 1978, S. 69
3) Gide, A., in: Alles reift um Gabe zu werden, Hrsg., Wolfgang Erk, Stuttgart,
1994, S. 8
Okuli, Dietrich Hombeck, Ungeteilter Blick nach vorn, in:
www.pfarrverband.de/pfarrerblatt
Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Zweiter Teil, Düsseldorf, 1994, S. 80
Schweitzer, A., Predigten 1898-1948, München, 2001, S. 603ff
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