Ostersonntag 2006, 1.Sam 2,1-2, 6-8a

 

 

Hanna betete:

 

 

»Herr, du hast mich fröhlich gemacht, du hast mich wieder aufgerichtet und mich gestärkt! Jetzt kann ich über meine Feinde lachen. Ich bin voller Freude, weil du mir geholfen hast. Der Herr allein ist heilig; es gibt keinen Gott außer ihm. Auf nichts ist so felsenfest Verlass wie auf ihn.

 

Der Herr tötet und macht lebendig, er verbannt in die Totenwelt, und er ruft aus dem Tod ins Leben zurück. Er macht arm, und er macht reich, er bringt die einen zu Fall, und andere erhöht er. Die Armen holt er aus der Not, die Hilflosen heraus aus ihrem Elend ...

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

„Es gibt Dinge, die so ärgerlich sind, dass sie schon wieder interessant sind, so wahnwitzig, dass doch vielleicht etwas dahinterstecken könnte, so absurd, wie es aber doch eben oft im Leben und in der Geschichte zugeht. Wie wäre es also, wenn tot nicht tot, verwest nicht verwest sein und bleiben müsste, wenn nicht Staub das Allerletzte, sondern wenn Verwandlung, Verheißung, Freude und Licht das Letzte wären? Die Bibel sagt ja gar nicht mehr als dieses: Denen, die an dich glauben, Herr, wird das Leben verwandelt, nicht genommen...“ [1] so schreibt es der umstrittene Heidelberger Theologieprofessor Klaus Berger in seinem Buch „Jesus“. Und weiter: „Ostern ist nicht eine paradoxe Behauptung gegen alle Wirklichkeit, sondern eine Erfahrung des in Jesus lebendigen und siegreichen Gottes. Ostern ist als ansteckende Erfahrung weiterzugeben.“ [2]

 

Wo wären wir heute, wir Christen mit unserem Glauben, unserer Kirche, wenn sich nicht seit Zweijahrtausenden Menschen diesen einen, ganz und gar entscheidenden Satz des Glaubens zugerufen hätten: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Diese ansteckende Erfahrung im Glauben lebt jenseits aller Beweisbarkeit. Denn wer Ostern anfängt danach zu fragen, ob die Auferstehung Jesu denn nun wirklich geschehen und ein historisch nachweisbares Ereignis ist oder eben doch nicht, der stellt sich vor eine für uns unlösliche Schwierigkeit. Hier soll etwas Beweiskraft erhalten, was durch den Glauben zum Ausdruck kommt. Darum geht es Ostern also gerade nicht um Beweise, sondern um unseren Glauben.

 

Mich interessiert heute wirklich nicht, was damals geschah oder auch nicht geschah, interessant für mich ist allein die Frage, wie sich die Ostererfahrung der Männer und Frauen um Jesus herum in meinem eigenen Leben widerspiegelt, wie tot oder lebendig mein Gott ist, wie tot oder lebendig mein Glaube, wie tot oder lebendig meine Kirche und damit: Wie tot oder lebendig wir alle zusammen unseren Glauben in unserer Gesellschaft leben? Darin zeigt sich doch, ob wir einen lebendigen Gott haben, oder ob er in Jesus am Kreuz hängen geblieben und gestorben ist. An einen toten Gott muss man nicht glauben, ein toter Gott muss nicht verkündigt werden.

Erst mit den sich wandelnden Gottesvorstellungen im Alten Testament kommt es auch dazu, dass Menschen glauben lernen, dass es gar keine Lebensräume gibt, über die Gott keine Verfügungsgewalt hätte. Der Tod trennte von Gott und so sollten die Menschen Gott aus ihrem Leben heraus loben und danken. Erst nach und nach kommt es zu der Überzeugung, dass die Gottesherrschaft weiterreicht als das menschliche Leben und vor allem, dass Gott ein grenzenloser, ja grenzensprengender Gott ist.

 

Und davon singt diese biblische Frau Hanna. Sie erfährt die Todesstrukturen ihrer Umwelt, denn sie kann keine Kinder bekommen. Auch heute leiden Partner darunter, keine Kinder bekommen zu können, wenn sie sich sehnlichst welche wünschen. Oft ist es ein langer Leidens- und Schmerzensweg bis dann endlich eine Schwangerschaft möglich werden kann. Umgekehrt ist es modern geworden, überhaupt keine Kinder haben zu wollen. Die Berufstätigkeit beider Partner, Karrierehoffnungen, die weitaus größere persönliche Entfaltungsmöglichkeit im Freizeitverhalten spielen da eine große Rolle und – man wird es so sagen dürfen – oft ganz einfach auch eine große Portion Egoismus. Es ist ja ganz praktisch kein Kind zu haben, weil ich damit auch keine Verantwortung dafür übernehmen muss. Frei kann ich über meine Zeit, mein Geld, meinen Wohn- und Lebensraum verfügen. Wer dann aber einmal die Renten und Pensionen im Rahmen eines Generationsvertrages bezahlt, wird bei dieser Entscheidung ausgeblendet.

 

Die diesbezüglich aktuellen Fragen mit weitreichenden Konsequenzen für die ganze Gesellschaft stellen eine fast nicht zu lösende Herausforderung für die Politik dar. Und wenn man in einer Gesellschaft keine oder nur noch zu wenig Kinder bekommt, dann muss man es, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen zulassen, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen, hier arbeiten und leben können. All diese Sorgen hatte Hanna nicht.

 

Sie leidet unter dem Gefühl keinen richtigen Wert zu haben, weil eine Frau sich in jener Zeit über ihre Mutterschaft definierte. Sie war aber dennoch eine von ihrem Mann geliebte Frau, musste aber zusehen, wie die andere Frau ihres Mannes Kinder zur Welt brachte und dadurch eine besondere Stellung einnehmen konnte. Kinderlosigkeit war ein Makel, war es doch das Größte und Schönste dem Mann - vor allem natürlich Söhne - schenken zu können. Und so geht Hanna hinauf nach Jerusalem und betet um ein Kind, das ihr schließlich zugesagt wird. Diesen Sohn, so verspricht sie es, wird sie Gott weihen und so geschieht es.

 

Als Samuel geboren ist, zieht sie nach einer Weile noch einmal zum Tempel hinauf und singt das Lied, das wir eben hörten: „Herr, du hast mich fröhlich gemacht...!“ Trunken vor Freude und überschwänglich dankt sie Gott für das Geschenk dieses Lebens. Es ist ein altes psalmähnliches Gebet, das sie hier anstimmt, in dem Gott im Zentrum steht. Alles Leben verdankt sich ihm. Fast hören wir das vorweihnachtliche Magnifikat, den Lobgesang der Maria, in dem ja ebenfalls die Gottheit Gottes angebetet wird.

 

Hanna erfährt, dass ihr in den Tiefen ihrer Existenz, chancenlos und ohne Zukunft ein neues unbegreifliches Lebensglück geschenkt wird, ein kaum fassbares Wunder in ihren Augen. Es ist wie die Osterbotschaft selbst eine „Verwandlung des Lebens“, eine „ansteckende Erfahrung“, über die gar nicht genug geredet und gesungen werden kann. Das Leben wird ganz neu erfahren.

Und immer sind es, ebenfalls wie in den Osterberichten, die Frauen, denen dieses Geschenk zuteil wird. Gerade sie erfahren neues Leben, nehmen neues Leben wahr, wo andere, oft eben auch wir Männer, noch blind und taub für eine solche Nachricht sind.

 

Mit der Osterbotschaft stehen wir also Jahr für Jahr vor der entscheidenden Frage unseres Glaubens, unseres Vertrauens in die Lebenskraft Gottes in uns, mit all seinen Auswirkungen für unser Leben und dem Leben anderer Menschen. Das muss sich niederschlagen und wiederfinden lassen in allen Diskussionen um Orientierung und Werte bis in die tagespolitischen Entscheidungen hinein. Weder im persönlichen Leben, noch in der Wirtschaft oder in der Politik kann ich menschenverachtend agieren, dann aber von anderen die Einhaltung und Beachtung von Grundwerten fordern und dies gilt in gleicher Weise für den Umgang mit anderen Religionen, Konfessionen und Kulturen. Erst so und in der Überwindung des eigenen Egoismusses in allen gesellschaftlichen Gruppen kann Leben dem Tod entwachsen, kann neues Leben und Zusammenleben möglich werden.

 

Wo die Osterbotschaft nicht auch tief in politisches Denken und Handeln umgesetzt wird, dort wird dem Schöpfungshandeln Gottes, nämlich Gottes Ja zum Leben und zu einem lebensstiftenden Handeln in den Arm gefallen. So gesehen kann der Glaube, als christlicher Glaube eben auch keine Privatangelegenheit mehr sein.

 

Wenn der Fernsehsender MTV bis vor wenigen Tagen mit einer Anzeige geworben hat, die „Jesus vor dem leeren Kreuz im Fernsehsessel zeigt“ unterschrieben mit den Worten: „Lachen statt rumhängen..“ [3] dann ist dies „Blasphemie“ und eine dreiste Rücksichtslosigkeit, wie es Kardinal Lehmann mit Recht sagte. Was soll denn schon an einer solchen Anzeige einladend sein, die so abstoßend ist, dass man nun wirklich keine Lust mehr hat, sich die angezeigte Sendung anzuschauen. Geistloser geht es nicht, aber es zeigt, welcher Geist zum Teil in unserer Gesellschaft herrscht. Es ist genau der Geist, der eben keine konstruktiven Werte und Orientierungen schafft – und dann wundern wir uns über das Verhalten Jugendlicher an unseren Schulen?

 

Die Botschaft von der Auferstehung Jesu war und bleibt immer eine Provokation, ein Störfall, weil sie unser Denken sprengt. Aber die Provokation besteht ja vor allem gerade darin, weil sie dem Tod als einer letzten Wirklichkeit widerspricht. Wir erleben den Tod hautnah und persönlich; faktisch und in einem übertragenen Sinne, wo Leben durch tötende Erfahrungen unmöglich gemacht wird; wir erfahren ihn in den Medien als Realität oder Fiktion. Und eben angesichts dieser Welterfahrung wagt es der Glaube – als Osterglaube – zu widersprechen. Nicht der Tod und die Todesstrukturen in der Welt haben das letzte Wort über unser Leben und über die Zukunft unserer Welt, sondern Gott. Und Gott sagt Ja zum Leben. Das ist der Kern der Osterbotschaft und darum dürfen wir gerade dieses Fest unseres Glaubens so unbeschwert und fröhlich feiern.

 

Die Osterbotschaft führt uns gedanklich aus den immer wiederkehrenden Engpässen unseres Denkens und Handelns heraus und lässt hoffnungsvolle Neuanfänge gelingen, wo scheinbar keine Hoffnung, keine Zukunft und kein gelingendes Leben mehr erkennbar ist. Darum wollen auch wir uns fröhlich und befreit zum Glauben zurufen: „„Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Berger, K., Jesus, München, 2004, S. 629

2) Berger, K., a.a.O., S. 621

3) DER SPEGEL, Nr. 16/15.4.06, S. 99

 

 

Drewermann, E., Das Königreich Gottes in unserer Seele, München, 1996

Drewermann, E., Leben, das dem Tod entwächst, Düsseldorf, 19932

Beste, H., Deutsches Pfarrerblatt, Ostersonntag 2006, in:

                http://www.deutsches-pfarrerblatt.de

Klaer, I., Calwer Predigthilfen, 1999/2000, Stuttgart, 1999, S. 195 ff

 

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)