Ostersonntag, Markus 16,1-8

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Ostern – Aufstand des Lebens gegen den Tod, auch wenn wir den Tod in unserem Leben und im Leben der Welt noch erfahren. Ostern – Aufstand der Freude gegen das Leid, auch wenn unser Leben immer noch Leid erleben und aushalten muss. Lasst uns einstimmen in den Osterjubel der weltweiten Kirche:

 

„Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

 

 

 

Gebet:

 

Du bist unser Gott, der Ewige, mütterlich, wie väterlich! Du schenkst uns diesen neuen Tag der Schöpfung mitten in unsere altgewordene Welt und unser kleines, großes Leben hinein. Ostern! Das ist dein Nein zum Tod, dein Ja zum Leben. Ostern! Das sprengt unseren Verstand und reizt uns zum Zweifel. So bitten wir dich, schenke uns Erfahrungen die uns das Leben sehen lernen, wo wir scheinbar nur den Tod erkennen können. Lass auch uns auf unseren oft dunklen, unverstehbaren Wegen die Sonne aufgehen und die Steine von unseren Herzen weggerollt sein, eine österliche Erfahrung, damit uns unser Glaube, die Hoffnung und die Liebe auf unserem Weg durchs Leben begleiten – gegen allen Zweifel, die Resignation und alle Lieblosigkeit.

 

So danken wir dir gerade heute dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für unsere katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.

 

 

Am Abend, als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um den Toten damit zu salben. Ganz früh am Sonntagmorgen, als die Sonne gerade aufging, kamen sie zum Grab. Unterwegs hatten sie noch zueinander gesagt: »Wer wird uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?« Denn der Stein war sehr groß. Aber als sie hinsahen, bemerkten sie, dass er schon weggerollt worden war. Sie gingen in die Grabkammer hinein und sahen dort auf der rechten Seite einen jungen Mann in einem weißen Gewand sitzen. Sie erschraken sehr. Er aber sagte zu ihnen: »Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der ans Kreuz genagelt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Hier seht ihr die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten. Und nun geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: `Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, genau, wie er es euch gesagt hat.« Da verließen die Frauen die Grabkammer und flohen. Sie zitterten vor Entsetzen und sagten niemand ein Wort. Solche Angst hatten sie.

 

 


Liebe Gemeinde!

 

„Natürlich ist die Sache zu groß. Viel zu groß. Auch wer dem Christentum keine Wahrheit zubilligen mag, der wird ihm seine ungeheure Wirkmächtigkeit nicht absprechen können. Zweitausend Jahre lang ist so viel Menschheitsgeschichte durch das Christentum hindurchgegangen, so viel Musik, Malerei, Ökonomie, Philosophie, Psychologie, dass man nicht weiß, wo anfangen. Diese Geschichte ist zugleich von großer Schönheit und enttäuschender Hässlichkeit, sie ist krumm und schief und erhaben, von welcher Seite soll man sich ihr nähern?“ [1], so konnte man es kürzlich unter der Überschrift „Die christliche Revolution“ in der ZEIT lesen.

 

Will man sich dem christlichen Glauben nähern, ihn verstehen, erahnen, worum es im Kern geht, dann müssen wir es von den neutestamentlichen Texten her tun, die uns vom Osterglauben der Freundinnen und Freunde Jesu erzählen. Würden wir einen anderen Ausgangspunkt suchen, blieben wir gedanklich bei einem sehr menschlichen Jesus stehen. Er wäre der gute Mann aus Nazaret, der in der Ahnengalerie der Humanität neben Größen wir Mahatma Gandhi, Albert Einstein, Martin Luther King oder Albert Schweitzer hängen würde. Da gäbe es dann zwar die Erinnerung an einen tollen Menschen, doch mit dem christlichen Glauben hätte das noch lange nichts zu tun.

 

Das müssen wir uns vorstellen: Da laufen diese drei Frauen, Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome zum Grab Jesu, um ihn zu salben. Es ist so früh am Morgen, dass gerade die Sonne aufgeht und sie noch von niemandem gesehen werden können. „Von ferne“ (Markus 15,40) hatten sie zugeschaut, wie ihr Freund Jesus hingerichtet wurde. Unerkannt musste man bleiben und man durfte sich nicht als Sympathisant eines Gehängten erweisen, denn sonst hätte die Staatsmacht schnell dafür gesorgt, dass man selbst am Kreuz endete. Das galt auch für Frauen und Kinder, wie sogar für die Gräber am Kreuz Hingerichteter. Man fürchtete, dass sie zu Wallfahrtsorten der Anhänger würden, und so war auch dieses Unternehmen überaus gefährlich. Wären sie auf ihrem Weg zu diesem Grab entdeckt worden, sie wären schnell in einem römischen Gefängnis, vielleicht sogar am Galgen gelandet.

 

Diese Frauen wagen es, sie wagen es zuerst, sich zu Zeugen dieser brutalen Hinrichtung und dann, sich auf den Weg zu machen – trotz aller Gefahren – um nun, der guten Sitte folgend, den toten Freund zu salben. Die Männer um Jesus sitzen zu dieser Zeit hinter verschlossenen Türen, sie haben sich selbst und auch ihr Vertrauen in die Worte und Taten Jesu von ihrer nackten Angst gefangen nehmen lassen. Da ist im Augenblick kein Vertrauen, keine Hoffnung, sie leiden und trauern um den toten Freund. Das jüdische Establishment und römische Interessen haben in diesem Augenblick gesiegt. Der Plan ist aufgegangen, der Jubel beim Einzug Jesu in die Stadt Jerusalem ist verstummt, mundtot gemacht.

 

Nur auf diesem Hintergrund versteht man, was die Frauen wagen, die sich auf ihrem Weg zum Grab besorgt fragen: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“, doch als sie am Grab ankommen, sehen sie, dass er schon weggerollt ist. Wir alle kennen diese Felsblöcke, die unser Leben beschweren und belasten können, die sich bewusst oder unbewusst zwischen Menschen schieben und jede Kommunikation verhindern.

Wir fühlen uns von ihnen erdrückt, wenn wir traurig sind oder mit einer Krankheit fertig werden müssen, dem Alter oder dem Tod eines vertrauten Menschen. Felsen liegen überall auf unseren Wegen, die uns und anderen das Leben schwer machen und so können wir uns gut vorstellen, wie erleichtert die Frauen waren, dass es wenigstens dieses Hindernis nicht mehr gab. Es war, als würde ihnen „ein Stein vom Herzen fallen.“

 

Als sie in das Grab hinein gehen, werden sie angesprochen. Mit den oft von Jesus selbst gehörten Worten: „Habt keine Angst!“, „Fürchtet euch nicht!“ Und nun erfahren sie, dass der, der „gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes“ war, nicht mehr dort lag, wo man ihn nach der Kreuzigung begraben hatte. In diese Gefühlsmischung aus großer Angst, hier an dem Ort des Todes, von den falschen Leuten erwischt zu werden und der großen Freude, dass der Stein, dieses fast unüberwindbare Hindernis für drei Frauen, nicht mehr vor dem Grab lag, kommt nun das blanke Entsetzen. Sie werden aufgefordert, sich auf den Weg nach Galiläa zu machen, wo sie dem Auferstanden begegnen werden, und dass sie den Freunden und Petrus das Erlebte berichten sollen.

 

Doch erst nach und nach erfahren auch die Jünger, was da am Grab Jesu geschehen war und so dauert es eine Weile, bis alle begreifen, was das für sie heißt, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Auch das können wir nachvollziehen. Die Auferstehung von den Toten ist ja nicht beweisbar, der Stein war weg, der Freund war weg, doch kein offenes Grab ist ein Beweis für eine Auferstehung. Das ist ja auch der Grund, warum selbst die Freunde Jesu so lange zweifeln bis hin zu Thomas, der das nicht eher glauben will, bis er seine Hände in die Hände Jesu gelegt hat. Sollten wir mit unserem Glauben heute stärker sein? Wie den Frauen am Grab und den Freunden Jesu sind auch wir auf das Vertrauen verwiesen, dass Gott möglich ist, was menschlicher Logik unmöglich erscheint. Erst als die Jünger die Felsbrocken ihrer Angst und ihres Zweifels zur Seite geräumt bekommen, können sie glauben, was sie sehen und hören. Ja, das ist die „christliche Revolution“ von der der ZEIT- Artikel redet, aber es ist eine Revolution von Gott her, nicht von uns Menschen.

 

In allem, was uns die Evangelien über die Auferstehung berichten, geht es um Gott. Musste Jesus sein Leiden und Sterben, von seinen besten Freunden und Freundinnen verlassen, selbst tragen, so handelt nun Gott. Das die Kernbotschaft des christlichen Glaubens, dass das Kreuz und der Tod nicht gesiegt haben, sondern, dass der Auferstandene auch unserem Leben immer vorausgeht und sagt: „Fürchtet euch nicht!“, nicht einmal vor dem Tod. Dass ist es doch, was uns bei jedem Gang auf den Friedhof – bei aller menschlicher Trauer – dennoch getrost macht, dass “Gräber eben keine Gräber mehr sind, sondern Brücken in die Unendlichkeit, Orte sind sie, einen Dialog zu beginnen mit dem ewigen Leben...“ So beschreibt „das Evangelium von Ostermorgen beim Gang der Frauen zum Grab Auferstehung als die Fähigkeit, Gräber geöffnet zu sehen und an der Stelle des Todes das Leben zu erblicken...“ [2], wie es Eugen Drewermann einmal formulierte.

 

Wenn ich am Karfreitag sagte: „Dass wir alle unsere Verstorbenen nun wirklich auch in uns sterben lassen, damit wir auch innerlich nicht an den Gräbern unserer Toten leben...“, so bedeutet das, sie in uns frei zu lassen, denn erst so kommen wir vom Karfreitag zum Ostertag, von der Trauer um den Tod eines Mitmenschen und der Gefangennahme durch ein Grab zur Auferstehungshoffnung.

Auch die Felsen unserer eigenen Trauer, unserer Abschiede im Leben müssen gedanklich in uns zur Seite geräumt werden, damit der Osterglaube nicht versperrt bleibt. Vergessen ist damit natürlich niemand, mit dem wir das Leben teilten.

 

Und noch einmal begegnet uns in der Bibel der Hinweis darauf, dass Menschen in einer bedrängten und bedrängenden Lebenssituation „die Sonne aufgeht!“, wie bei Jakobs Kampf am Jabbok (1. Mose 32, 23f). Da kämpft Jakob einen Kampf auf Leben und Tod mit einem ihm nicht erkennbaren Gegner, er wird verletzt, er hinkt, aber er kann zu seiner Familie heimkehren. Er ist angeschlagen, aber ihm geht die Sonne auf, wie auch den Frauen auf ihrem angstvollen Weg zum Grab.Für mich sind das traumhafte Bilder, wie Gott selbst immer wieder in das Dunkel menschlicher Erfahrungen hineinbricht. Wo wir uns verletzt und angeschlagen fühlen, wo uns das Leben oft dunkel und bedrohlich erscheint, da kommt uns Gott mit seinem Sonnenlicht entgegen und erinnert uns daran, dass wir leben und dennoch eine Zukunft haben. So bedeutet Ostern, dass eben nicht der Tod, den wir immer noch so schmerzhaft erleben, das letzte Wort in der Welt hat, sondern Gott.

 

Dorothee Sölle beschreibt, wie sie einige Tage lang ihre Mutter in den Tod begleitete: Sie betete, sang Lieder oder las ihr biblische Texte vor. „... Ich hatte die Hand auf ihre gelegt, ihr Gesicht war ganz entspannt. Der letzte Seufzer war leicht, wie ein entspanntes „Ach“. Einen Augenblick zweifelte ich an der Präsenz des lang Erwarteten. Aber er war schon ins Zimmer getreten.“ [3]

 

Gott ist der Herr über den Tod, denn mit der Auferstehung Jesu wird dem Tod der Tod ansagt. Natürlich, auch unser Leben wird einmal gelebt sein, es wird ganz natürlich enden, wie alles, was wir einmal mit unserem Leben geschenkt bekamen. Aber dann wird der Auferstandene auch bei uns ins Zimmer treten und wir werden, so Gott will, erkennen, wie es sein wird, in der Gegenwart Gottes leben zu dürfen, wenn er, der Ewige, sein Ja zu uns sagt und wir den Tod hinter uns lassen. „Natürlich ist die Sache zu groß. Viel zu groß,“ darum können wir die Auferstehung Jesu rational nicht verstehen, aber weil sie geglaubt, ihr vertraut wurde, darum begrüßte man sich schon früh im Christentum am Ostermorgen mit dem Ruf: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

 

Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest, denn „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Amen.


 

 

Literatur

 

1) Ulrich, B., DIE ZEIT, Nr. 7, 8. Februar 2007, S. 17

2) Drewermann, E., Leben, das dem Tod entwächst, Düsseldorf, 19932, S. 196/197

3) Sölle, D., Den Rhythmus des Lebens spüren, Freiburg, 2001, S. 206

 

Berger, K., Jesus, München, 2004, S. 640 ff

Drewermann, E., Das Markusevangelium, Zweiter Teil, Freiburg, 19914, S. 684ff

 

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