Begrüßung:
Liebe Gemeinde! Wenn wir heute wieder einmal über einen verwundernden Text der Bibel nachdenken, so darum, weil jedes Wunder Jesu uns Auswege weist. In einer Welt, die sich weit von den Ursprüngen ihrer „guten“ Schöpfung entfernt hat, brauchen wir diese Hinweise, um Gegenwart und Zukunft nicht nur dunkel zu sehen, vom Gegenwind behindert zu werden und in einem Meer von Sorgen und Problemen unterzugehen. Gott helfe uns, in unserem Vertrauen bestärkt, aus diesem Gottesdienst in unser Leben zurück zu gehen.
Dein Wort, Herr, bleibt für alle Zeit bestehen, bei dir im Himmel ist sein fester Platz. Auch deine Treue bleibt für alle Zukunft, denn du hast die Erde dauerhaft gegründet (Ps. 119,89-90).
Herr wir wissen: Es gibt einen Glauben, der trennt und einen, der zusammenführt. Es gibt einen Glauben, der zum Verständnis befreit und einen, der Intoleranz fördert. Es gibt einen Glauben, der Gott ins Leben holt und einen, der von ihm ablenkt. Es gibt einen Glauben, der sich an die Seite Trauernder stellt und einen, der hartherzig macht. Es gibt einen Glauben, der Tote zum Leben erweckt und einen, der Leben verhindert. Es gibt einen Glauben, der uns Hoffnung schenkt und Mut macht zum Leben und einen, der hoffnungs- und perspektivlos bleibt. Herr, darum bitten wir dich in unser Leben. Amen.
Liebe Gemeinde!
Heute vor 60 Jahren wurde der 2. Weltkrieg beendet. In einem Wort der christlichen Kirchen zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges heißt es: „Zum sechzigsten Mal jährt sich am 08. Mai das Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Völker Europas und der Welt und mit ihnen wir Deutschen waren mit diesem Tag endgültig von der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft befreit. Die Leiden des Krieges wirkten noch lange nach. Die Botschaft von der Versöhnung fand nur zögernd Gehör. Und doch ging von diesem Datum eine Epoche aus, in welcher der Frieden in Europa Gestalt gewinnen konnte. Botschafter der Versöhnung und des Friedens wollen wir als Kirchen auch heute, sechzig Jahre nach Kriegsende, sein...“ [1]
Unzählige Menschen werden sich bis in unsere Gemeinde hinein der Schrecken des Krieges erinnern, dem Hunger, den Gefahren durch Luftangriffe, denen ja auch unsere Kirche zum Opfer fiel, der Angst um Väter, Brüder Verwandte und Freunde an der Front, dem Verlust von Menschen und unzähligen Kriegsversehrten, Flucht und Heimatlosigkeit. Das nationalsozialistische Deutschland hatte einen weltweiten Sturm ausgelöst und fand sich nun mit dem 8. Mai als Ertrinkender wieder, dem das Wasser bis zum Hals stand. Bertold Brecht schreibt in seinem Gedicht an die „Nachgeborenen“:
„Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid...
Dabei wissen wir doch:
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es so weit sein wird
Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unser
Mit Nachsicht. [2]
Sechzig Jahre nach Kriegsende können wir eigentlich nur noch dankbar dafür sein, dass wir so lange von Krieg und Kriegsgefahren verschont blieben und allem Leid und Elend, das sich mit einem jedem Krieg unlöslich verbindet. Und doch spüre ich, wie kaum je zuvor, dass unendlich viele Menschen heute wieder besorgt ihre Gegenwart sehen und in die Zukunft schauen. Kein Krieg bedroht uns, aber die wirtschaftliche Situation, die Angst vor dem Verlust von Arbeit, verbreiten eine spürbare Unsicherheit.
Wir alle sind wohl bewegt von der derzeitigen Diskussion um die Deutsche Wirtschaft und die Kapitalismus-Debatte. Ohne Zweifel sind manche Managergehälter und Handlungsweisen von Unternehmern nicht mehr nachvollziehbar. Umgekehrt sehen wir Deutschen aber noch zu wenig, wie international vernetzt das Kapital heute ist. Kapital und Arbeit sind so eng miteinander verknüpft, wie ein Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern. Ohne motivierte Menschen gibt es schließlich keine Gewinne und ohne Gewinne keine Arbeitsplätze. Gegenseitige Beschuldigungen schaffen aber mit Sicherheit keine neuen Arbeitsplätze, sie sichern nicht einmal die alten. Aber ein jeder, ganz gleich, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, sollte an seinem Ort die ihm zukommende Verantwortung tragen.
Oft verrät uns ja schon unsere Sprache wie wir übereinander reden, doch so wird auf keiner Seite Vertrauen geschaffen und das Wasser steigt uns unnötiger Weise höher und höher an den Hals. Wie können wir hinsichtlich bestehender Ängste um Gegenwart und Zukunft – und das ist ja gerade angesichts der Taufen in unserer Mitte zu fragen – unseren inneren Frieden wieder finden, wo uns der äußere Friede geschenkt ist? Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen ihre Zukunft nur noch dunkel sehen, sich ins Wasser geworfen fühlen und in Stürmen unterzugehen drohen, bietet sich unser heutiger Predigttext ja geradezu an. In den vielen Bildern dieser biblischen Geschichte finden wir unser ganzes Leben abgebildet, vielleicht können sie uns helfen, ein wenig Mut und Zuversicht in stürmischer Zeit zu finden.
Jesus drängt seine Jünger ins Boot zu steigen, um schon einmal voraus zu fahren. Das Boot wurde schon sehr früh zum Symbol für die Kirche. Einem Boot muss man sich anvertrauen, will man sein Ziel erreichen und ohne Bewegung bleibt jedes Boot im Hafen liegen. Da fragt es sich schon, ob wir uns mit unserem Leben und dem, was wir an Glauben haben, unserer Kirche anvertrauen und wohin sie sich auch in stürmischer Zeit bewegt? Reisen wir mit oder reist dieses Boot „Kirche“ ohne uns durch die Zeit?
Jesus selbst geht, während sich seine Jünger auf den Weg machen, auf einen Berg, um zu beten. Er steigt buchstäblich aber auch gedanklich seinem Gott entgegen. Er sucht die Nähe Gottes aus dem Trubel der unzähligen Begegnungen und Erfahrungen. So zeigt er uns, dass seine Gottes-Nachfolge eben nicht nur in seiner Ethik besteht, seinem Tun und Handeln in seiner Zeit und Umwelt, sondern auch in der Spiritualität mit der er Gott nahe sein möchte. Wie steht es um uns und was leben wir selbst unseren Kindern, der Familie, den Freunden vor? Wie sieht unser Christ sein in beidem, im Glauben und im Tun aus? Sehr schnell verwechseln wir heute gern die gute Tat und einen gelebten Glauben, in seiner auch inneren Beziehung mit Gott. Unsere Humanität hat zunächst ja noch wenig mit unserem Glauben zu tun, wenn die Spiritualität fehlt.
Und während Jesus betet und sein Leben vor Gott bringt, sind die Jünger in ihrem Boot unterwegs. Sie bekommen Gegenwind, ein Sturm kommt auf, der ihnen zu schaffen macht. Ihr Wagnis sich auf diesen Weg einzulassen, führt scheinbar in die Katastrophe. Sie haben Angst, das Vertrauen ist ihnen angesichts des Sturmes abhanden gekommen. Sie sind Menschen wie wir, sie reagieren so, wie wir es auch tun würden. Es wird der Unterschied deutlich zwischen Vertrautem und Vertrauen. Wir alle kennen die Stürme unseres eigenen Lebens, die uns gelegentlich das Gefühl geben, zu scheitern, mitten im Leben zu kentern und unterzugehen.
Jesus war ihnen vertraut, - in ihrem Glauben waren sie durchaus zu Hause, aber ihr Vertrauen geht in stürmischer See unter. Wie bekannt uns das doch vorkommen muss. Da nisten wir uns in unserem Leben ein, wagen uns sogar hier und da an die eine oder andere Herausforderung heran – und dann geht uns alles Vertrauen im Dunkel und im Gegenwind unserer Fragen und Ängste, Sorgen und Unsicherheiten unter. Auch die Kirche, unsere Gemeinde muss sich fragen lassen, wohin wir uns auf den Weg machen und mit welchem Vertrauen wir unterwegs zu unseren Zielen sind?
Wo ist es richtig, uns mutig einzumischen, wo heißt es Zurückhaltung zu üben, wie politisch darf eine Predigt, ein Prediger sein? Seit Luther können wir wissen, dass wer von Gott reden will, von der Welt sprechen muss, denn von ihr, von unserem Alltag, unseren Ängsten und Sorgen, unseren Hoffnungen und Wünschen, von Gelingen und Misslingen lässt Gott sich eben nicht trennen. Er ist auf der Fahrt durch das Meer der Zeit und unserer Lebenserfahrungen dabei. Jesus selbst mischte sich ein, war unbequem, forderte in die Auseinandersetzung, gerade auch mit der Scheinheiligkeit der Frommen. Er redete vom Kaiser und von Gott, vom Geld und den Motten. Und dieses Reden kostete ihn sein Leben, aber in eben dieser Nachfolge stehen wir, ohne dass es uns viel mehr kosten würde, als ein paar Anfeindungen. Also: Wohin führen wir Christen unsere Kirche, gerade auch in stürmischer Zeit? Wohin erziehen wir unsere Kinder, wenn ihnen noch Hoffnung geschenkt sein soll?
Dann ist Jesus da, mitten in der dunklen Nacht, bei stürmischer See und verlorengegangenen Hoffnungen – unvermutet - wie ein Gespenst. Wir spüren, wie großartig es sein kann, Vertrauen zu wagen. Jesus wagt sich in den Sturm, sein Vertauen wankt nicht. Und so begrüßt er seine Freunde mit dem bekannten Wort: „Fürchtet euch nicht!“ Was mag in Petrus vorgegangen sein, dass er Jesus in dieser Situation entgegen gehen will? Petrus ist hier kein Vorbild, er ist und bleibt ein Einzelner. Dennoch finden wir uns gelegentlich in einer solchen Situation wieder, sie ist uns gar nicht so fremd: Da wollen wir Vertrauen wagen, unseren Glauben leben und aus dem Boot aussteigen, die anderen einfach hinter uns lassen und bleiben dann doch zwischen dem Mut zur Nachfolge und unserem Kleinglauben stecken.
Petrus geht auf Jesus zu, doch mit jedem Schritt, den er geht, verliert er mehr den Mut und das Vertrauen, das ein solches Wagnis mit sich bringt. Und in dem Moment, wo er das Vertrauen ganz verliert, mutlos wird in seinem großen Schritt, sinkt er. Für die Kühnheit des Vertrauens, gibt es keine Sicherheit. Wir bleiben unterwegs, auch in den dunklen Nächten, dem Gegenwind und den Stürmen unseres Lebens. Doch die Hand Jesu ist da. Für uns, die wir keine Hand mehr fassen können, ist es das Wort, das wir haben und in diesem Wort auch die Gegenwart Gottes. Wir sind nicht alleingelassen, sogar dann nicht, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht.
Dann legt sich plötzlich der Wind, der Sturm ist vorüber, so wie es am See Genezareth oft zu erleben ist. Der Sturm kommt plötzlich und unerwartet und ebenso schnell ist er wieder vorüber und der See liegt glatt und ruhig da. Das Handeln Jesu ist ein Zeichen der Hoffnung über die Zeit hinweg. Und diese Hoffnung gilt uns, unseren Kindern, wie aber auch unserer Kirche in den Dunkelheiten und Stürmen des Lebens und der uns geschenkten Zeit. Der Krieg ist 60 Jahre vorüber, wir haben gelernt, uns nicht mehr auf Waffengänge zu verlassen, wie werden wir nun mit den derzeitigen Herausforderungen fertig?
Wir können in unserem Zweifel und unserer Mutlosigkeit untergehen, doch wir müssen es nicht. Lernen wir mit Vertrauen unseren Glauben zu leben, denn dann wird es immer eine Hand geben, die uns festhält und ein Wort, das uns trägt, dennoch und trotz allem, so dass wir unseren Kindern und Kindeskindern nicht auch betroffen und schuldig geworden zurufen müssen:
„...Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid...“
Es liegt an uns, wie wir leben und was wir glauben, mit welchem Vertrauen wir in unsere Zukunft gehen und welche Hoffnungen uns leiten. Es liegt an uns, was wir unseren Kindern und der Welt, die uns umgibt, vorleben.
Amen.
Literatur:
1) EKD, Pressemitteilung, 75, 2005, Ev. Kirche in Deutschland (EKD),
„Wer das Gedächtnis verliert, verliert die Orientierung...“, www.ekd.de
2) Brecht, B., Gesammelte Werke 9, Gedichte 2, Frankfurt a.M., 1967, S. 724
Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Zweiter Teil, Düsseldorf, 1994, S. 332 ff
Jens, W., in: Republikanische Reden,
„Die christliche Predigt: Manipulation oder Verkündigung?“, München, 1976, S. 11 ff
Strunk, R., auf der 17. Karl Barth Tagung, 1986, „Die Gemeinde des Vertauens“,
Leuenberg, Schweiz
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