Gebet:
Herr, guter Gott! Wir haben dich in der Ferne gesucht, doch du bist uns durch deinen guten Geist ganz nah. Wir versuchen immer wieder einmal uns selbst zu Göttern zu machen, wollen den Himmel stürmen, doch du kommst geistvoll in unser Leben hinein, damit wir unsere Möglichkeiten und Grenzen erkennen. Durch deinen Geist schenkst du den Schwachen Kraft. Durch ihn tröstest du die Traurigen und ermutigst den Mutlosen. Dein Geist schafft Verständigung und Vertrauen über vielerlei Grenzen hinweg. So lass uns zu geistesgegenwärtigen Menschen werden, welche gelernt haben, die Sprache des Glaubens zu sprechen.
So danken wir dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, unsere katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.
Text:
Die Bibel ist Weltliteratur und das aus gutem Grund! Nicht, dass sie in Worte zu fassen vermag, was eigentlich nicht in Worte zu fassen ist, sondern, dass sie dem Menschen, wie kaum ein anderes Werk der Literatur zeigt, woher er kommt, wer er ist und wohin er geht. Hier geht es um die Gottheit Gottes und die Menschlichkeit des Menschen, die er so oft und immer wieder verliert, es geht um das Paradies, als dem Ort ewigen Friedens in der Gegenwart Gottes, dem Verlust des Paradieses und dem mühevollen Weg der Freiheit, immer auf der Suche nach Heimat, nach Geborgenheit und innerem Frieden. Doch dieser Weg ist eben auch ein Weg des Verlustes, des Schmerzes, des Scheiterns.
In nur wenigen Worten wird in unserer biblischen Urgeschichte brillant erzählt, wie der Mensch vom Osten aufbrechend – der Osten steht hier für das verlorene Paradies – eine neue Heimat sucht, wo man leben und arbeiten kann. Und kaum ist man irgendwo in der Welt, doch weit vom Paradies entfernt, angekommen, da überfällt den Menschen schon die Hybris, die Vermessenheit. Arthur Schopenhauer, ein bekannter deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts beginnt sein Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819) mit den Worten: „Die Welt ist meine Vorstellung!“ Für ihn gilt, „dass er keine Sonne kennt und keine Erde, sondern immer nur ein Auge, das die Sonne sieht, eine Hand, die eine Erde fühlt...“ [1]
Mit einer so losgelösten Sicht der Welt, die keinen Gott braucht, sondern nur die Welt, wird er von einem „unbewussten Willen zum Leben“ getrieben. Der Mensch baut sich seine Stadt, er baut sich mit den modernsten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, eine Zitadelle, einen Turm, der „bis an den Himmel reicht!“ Die von ihrem Gott emanzipierten Menschen demonstrieren ihre Mündigkeit. Sie bauen ihr Werk, sie arbeiten an ihren Vorstellungen von ihrer eigenen Welt. Die Menschen sind sich einig, darin verstehen sie sich, denn die Erinnerung an das Paradies ist fern und Gott weit weg. Ihr Bauwerk wird zum Symbol ihrer Freiheit, ihrer Unabhängigkeit Gott gegenüber, zugleich aber für den Rest der Welt zu einem Beweis von Macht und Ruhm.
„Ans Werk! Wir bauen uns eine Stadt mit einem Turm, der bis an den Himmel reicht...“ Man will sich über die Mitwelt erheben, größer und stärker sein. Wir sind an Albert Speer erinnert, der seinem Führer ein „Germania“ im Weltmaßstab erbauen will. „Bauwerke für Massen, nicht für Menschen“, [2] allein dem Zweck der Führerverherrlichung dienend, dem neuen Gott des Dritten Reiches und der Einschüchterung anderer. So baut man an der Welt nach seinen eigenen Vorstellungen, größer, weiter und höher. Es ist der gleiche Geist, der solche Bauherren eint, die gleiche Sprache, die ein jeder von ihnen versteht. Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sagt: „Die Sprache ist ein Spiegelbild des Geistes... in dem sich die Überzeugung des Sprechenden nach außen kehrt. Die Sprache hat so nicht nur einen kommunikativen Aspekt, sondern sie ist auch ein Selbstausdruck des Sprechenden, in dem dieser nicht nur etwas mitteilt, sondern sich selbst ins Spiel bringt...“ [3]
Selbstbetrug und Lüge sind in diesen vorgeschichtlichen Berichten, wie bei Speer und Hitler mit allen Konsequenzen die Folge. Es sind in Stein gehauener Geist, bzw. Ungeist, Dokumente der Entfremdung des Menschen von seinem Gott, wie von seiner schöpfungsgemäßen Humanität und das bis auf den heutigen Tag.
Dabei geht es aber nicht allein um das gesprochene Wort, denn auch Taten sprechen. Nicht umsonst reden wir von „Tätern“, wenn durch aktive oder passive Untaten Unrecht geschieht. Auch in meinem praktischen Tun drückt sich also beredt aus, was ich denke und fühle.
Das Höher, Weiter, Schneller, das möglichst konkurrenzlose Bessersein als andere, das ständige, unersättliche Mehr und Mehr ist ja auch uns allen gut bekannt. Und bekannt ist uns auch, wohin uns das geführt hat. Und Gott? Schaut Gott tatenlos, vielleicht sogar alt und kraftlos geworden einfach nur noch zu? Nein, denn die alte Menschheitsgeschichte wird mit Witz weiter erzählt, so ernst die Lage auch ist, denn Gott muss erst einmal vom Himmel herabkommen, um sich das größenwahnsinnige, himmelwärts strebende Bauwerk der Menschen anzusehen. Sein Eingreifen durchkreuzt alle menschlichen Allmachtsansprüche – es ist damit ein erster Versuch Gottes, sich dem Menschen hilfreich an die Seite zu stellen. Nur so und erst jetzt kann der Mensch im Gegenüber zu Gott seine menschlichen Grenzen erkennen. Und wo er sie verletzt, verkehrt sich sein Tun in Unmenschlichkeit.
Der Turm bleibt ein Fragment, die Menschen verstehen einander nicht mehr, sie reden in unterschiedlichen Sprachen, Verständigung wird schwerer. So erklärt die Urgeschichte die Sprachenvielfalt in der Welt. Und wenn wir den Bogen nun weiterschlagen bis hin zu jenem Morgen an dem die verängstigten Jünger Jesu geistvoll aus ihrer besorgten Isolation befreit wurden und die Menschen in einer Sprache anredeten, die alle verstehen konnten, so erleben wir hier die Umkehrung dieser uralten Geschichte. Ging es beim „Turmbau“ um des Menschen Hochmut, der zu Fall gebracht werden musste, um die Menschheit vor noch größerem Schaden zu bewahren, so geht es nun um das Versöhnungshandeln Gottes, uns seinen Geist so zur Seite zu stellen, dass wir uns jetzt über vielerlei Grenzen hinweg verständigen können. Sprache ist hier kein Machtmittel mehr, mit denen wir weiter an den Türmen unserer Träume arbeiten, sondern sie wird zu einem machtvollen Instrument der Verständigung, der Versöhnung, letztendlich einer grenzensprengenden Liebe.
Ja, Gott sprengt Grenzen! Mit Gott können wir hier und da über Mauern springen (Ps.18,30), wo wir uns ab und zu bedrängt fühlen, - er zerreißt die Netze, in denen wir uns immer wieder einmal verheddern und gefangen sind (Ps. 124,7). Mit ihm kommen wir über den einen oder anderen Berg hinweg (Ps. 121) und aus finsteren Tälern heraus (Ps. 23,[4], wenn uns gelegentlich die Weitsicht oder der Durchblick fehlen. Natürlich ist Gott kein Trostpflästerchen für das eine oder andere Problem im Leben, aber immerhin ist Gott mit seinem guten Geist da, da wo Menschen sein Wort hören wollen, da, wo sie es für sich selbst zulassen, dass ihnen Gott nahe ist. So mögen Christen die verschiedensten Sprachen sprechen, es mag dogmatische – durchaus auch noch kirchentrennende Auffassungen zwischen unterschiedlichen Konfessionen geben - aber die Sprache des Glaubens wird auf der ganzen Welt verstanden. Und wo man sie nicht hören kann, wo sie verdunkelt bleibt, da sind wir Christen gefragt, was wir aus unserem Glauben machen.
Wer gedanklich den Bogen vom Turmbau zu Babel bis hinüber zum Pfingstfest nachwandert, ist eingeladen über eine ganz neue Sprache des Glaubens nachzudenken, eine Sprache, die über Barrieren unterschiedlicher Religionen, der Generationen, Geschlechter, Nationen, der Herkunft oder Hautfarbe hinweg verstanden wird.
Tief beeindruckt durch den Nationalsozialismus und die Konsequenzen des Krieges, der inzwischen auch Berlin erreicht hatte, forderte Dietrich Bonhoeffer im Mai 1944 aus dem Gefängnis heraus in einer Taufpredigt eine ganz neue, kraftvolle religiöse Sprache, die „aber befreiend und erlösend...“ sein müsste. 4) Diese Aufgabe begleitet einen jeden Christen, der seinen Glauben nicht verstecken, sondern leben will. Diese Aufgabe ist für alle Christen ein bleibender Auftrag, denn entweder man versteht die Sprache des Glaubens, als eine Sprache der Hoffnung und der Liebe für die ganze Welt, die hinter meiner eigenen Hautür beginnt oder es ist immer noch eine unverständliche und unverstandene Fremdsprache.
Dort, wo wir nicht mehr an den falschen Paradiesen mitbauen wollen, deren geistige und praktische Lügengebäude bis an den Himmel reichen, dort dürfen wir zu Botschaftern Gottes in der Welt werden, zu Übersetzern des Wortes Gottes und seines guten Geistes ins Leben hinein. Diese Sprache wird ganz sicher weltweit, zu aller erst aber bei uns zu Hause verstanden werden. Amen.
Literatur:
1) Schopenhauer, A., Sämtliche Werke, Band I, Die Welt als Wille und Vorstellung,
Stuttgart, 19873, S. 31
2) DER SPIEGEL, Nr. 18/2.5.05, Der charmante Verbrecher, S. 83
3) Schockenhhoff, E., Zur Lüge verdammt, Freiburg 2000, S. 73
4) Bonhoeffer, D., Widerstand und Ergebung, München, 195113, S. 206 f
Drewermann, E., Ich lasse dich nicht, Du segnest mich denn,
Düsseldorf, 1994, S. 167 ff
Ittmann, N., Calwer Predigthilfen, 1998/1999, Reihe III/2, Stuttgart, 1999, S. 26 ff
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