Osternacht 2009, Markus 16, 1-8
Am Abend, als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um den Toten damit zu salben. Ganz früh am Sonntagmorgen, als die Sonne gerade aufging, kamen sie zum Grab. Unterwegs hatten sie noch zueinander gesagt: »Wer wird uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?« Denn der Stein war sehr groß. Aber als sie hinsahen, bemerkten sie, dass er schon weggerollt worden war. Sie gingen in die Grabkammer hinein und sahen dort auf der rechten Seite einen jungen Mann in einem weißen Gewand sitzen. Er aber sagte zu ihnen: »Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der ans Kreuz genagelt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Hier seht ihr die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten. Und nun geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: 'Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, genau, wie er es euch gesagt hat.'« Da verließen die Frauen die Grabkammer und flohen. Sie zitterten vor Entsetzen und sagten niemand ein Wort. Solche Angst hatten sie.
Liebe ökumenische Gemeinde,
vor allem aber, liebe Kommunionkinder und Firmanden!
„Zwielicht und Dämmerung – und – der Aufstand Gottes“, so überschreibt unser früherer Pfarrer hier in Kenzingen Professor Norbert Schuster eine Ostermeditation und er fährt fort: „So schnell aufersteht man nicht. In Windeseile ist noch keiner aus der Grube gefahren – hinein schon, aber nicht heraus. Das Halleluja mitsingen ist das eine, es anzustimmen, das andere. Freudentrunkenes Taumeln – ich weiß nicht so recht, eher verhalten, noch ein bisschen vom Karfreitagsschatten her, dieses Halleluja. Nein, so schnell aufersteht man wirklich nicht. In unserer Mitte, da sind noch Nicht-Auferstandene, deren Nöte, Sorgen, Zweifel sind nicht auferweckt worden zum Leben – um deretwillen: Bitte nicht so laut, das Halleluja...“ 1)
Wir haben uns an diesem vorösterlichen Abend auf den Weg gemacht. Der Karfreitag und Karsamstag liegen hinter uns, der Ostertag vor uns. Aus dem vergehenden Tag gehen wir in diese Nacht hinein, die sich für uns Christen so sehr von den vielen anderen Nächten eines Jahres, ja unseres Lebens unterscheidet, aber mit welchen Gefühlen, Erwartungen, Hoffnungen, Sorgen oder Ängsten? Was sind das für Fragen, die uns noch beschäftigen, die uns unseren Alltag und all das Alltägliche hierher mitbringen ließen? Angekommen sind wir hier schon in der St. Laurentiuskirche, gedanklich sind aber wohl viele von uns noch unterwegs. Oder bereits dabei, wie sie den Stress beim morgigen Osterbrunch oder das Ostereiersuchen mit den Kindern am besten bewältigen .....
Die Osternacht dieses Jahres liegt in einer Zeit, die viele von uns als sehr belastend und sorgenvoll empfinden: Da ist die Bankenkrise, die sich unweigerlich ausgewirkt hat und zu einer tief greifenden Wirtschaftskrise wurde. Viele Menschen, auch in unserer Mitte, sehen ihren Arbeitsplatz real bedroht. Menschen, die für ihr Alter verantwortungsbewusst Vorsorge trugen, müssen sehen, wie sehr die materielle Sicherheit in Frage steht.
Viele unter uns leiden unter dem Ansehen ihrer Kirche und sind ratlos. Man leidet darunter, dass Rom zur Zeit nicht die Kraft hat, noch ganz andere Brücken in die Christenheit hinein zu schlagen. Und dennoch: Ich war kürzlich auf einer Tagung der Polizeiseelsorge in Nürnberg, wo ich erlebt habe, dass der bayrische Innenminister, Joachim Herrmann, in einer evangelischen Großstadtkirche in Gegenwart eines evangelischen Landsbischofs für die Ökumene betete, ein katholischer Christ und ein Politiker betet für unsere Kirchen, für die Ökumene 2). Wo das in unserer Mitte möglich ist, da sollten wir nicht resignieren, sondern ermutigt sein.
Natürlich gibt für einen jeden von uns offene Fragen und es gibt für einen jeden von uns diesen Weg in die Nacht. Und doch: Können wir uns vorstellen, wie diese drei Frauen, die sich zum Grab Jesu aufmachen, sich gefühlt haben mögen? Sie wollen unter den Augen der Besatzungsmacht ja nicht irgend einen Toten aufsuchen, sondern einen Hingerichteten. Voller Sorgen machen sie sich auf den Weg, gerade als ihnen die Sonne aufgeht. Für die Schönheit eines solchen Sonnen-aufgangs über Jerusalem haben sie aber jetzt keine Augen, sie fragen sich, wer ihnen wohl den schweren Stein vom Grab wegwälzen wird, der sie von dem Toten, den sie salben möchten, trennt. Es gibt diese schier unüberwindbare Hürde zwischen den Lebenden und den Toten. Und wir alle kennen die Steine, die unser Herz belasten. Doch als sie ankommen, ist der Stein weg, das Grab ist offen.
Ihnen wird kein Stein vom Herzen gefallen sein, denn viel größer war wohl der Schrecken und das Entsetzen über das offene Grab. Das ist für sie kein Beweis der Auferstehung, sie sehen nur, dass ihr Freund Jesus nicht mehr da ist, wo er bestattet wurde. Und sie hören sich angesprochen: „Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazareth, der gekreuzigt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt... Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen...“ Auch die Frauen damals hören nichts anderes, als wir heute, auch ihnen wird Ostern verkündigt, auch sie müssen diesem Wort erst noch vertrauen lernen.
Wer auf einen Friedhof geht, besucht Gräber. Er möchte einem oder einer Verstorbenen nahe sein. Hier ist ein Ort für die eigene Trauer. Niemand kommt auf die Idee in einem Grab das Leben zu suchen. Aber gerade der Friedhof, angesichts der unzähligen Gräber, ist der Ort danach zu fragen, was wir dort zu finden hoffen. Wer sich mit dem Tod abfindet, kann am Leben vorbei leben. Was wir mit den Frauen von damals teilen dürfen ist die Erkenntnis, dass „die Einmaligkeit des Todes Jesu darin besteht, dass dieser Tod statt Trauer Hoffnung weckt, statt Verzweiflung Freude...“, denn „Gottes Liebe ist nicht zu töten, aber sie tötet den Tod. Jesu Grab ist leer. Die Liebe hat überlebt. Sie ist stärker als der Tod. Sie ist ihm voraus...“ 3)
Gerade in der katholischen Aufteilung des Bestattungsrituales von Beerdigung und Seelenamt wird das sehr praktisch deutlich: Hier die Bestattung, die den Toten einem Grab überlässt und dort die Auferstehungsfeier, die zu dem Glauben ermutigt, die Toten eben nicht bei den Toten zu belassen, sondern der Gegenwart Gottes anzuvertrauen. Für uns evangelische Christen ist es vor allem das zugesprochene Wort bei einer Trauerfeier, das etwas von der Osterbotschaft aufleuchten lässt: „Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazareth, der gekreuzigt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt..“. Hier hören wir nicht irgendein Wort, sondern wir hören das Widerwort gegen den Tod schlechthin.
Immer bleiben wir auf dem Weg, unterwegs, oft sogar in einem scheinbar verdunkelten Leben und immer wieder müssen wir aufzubrechen lernen, um so der Sonne entgegen zu leben. Alle, die aufbrechen, wie wir es heute Nacht tun, werden die Osterbotschaft hören und mit ihr können wir gar nicht anders leben, als unterwegs zu bleiben. So, wie den Frauen gesagt wird: „Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen...“, so werden auch wir auf den Weg geschickt. Galiläa wird für uns so zu einem Bild, zu einem Ort, zu einer Zeit im Leben, wo unser Glaube sich bewährt, unser Vertrauen stärker ist, als der Tod und wo uns nicht mehr das Dunkel einer Nacht festhalten kann, sondern auch wir der Sonne eines neuen Tages entgegen gehen dürfen.
Ganz in diesem Sinne sagte Martin Luther in einer Predigt 1529 über die Frauen am Grab Jesu: „Nicht für die frommen Weiber wurde der Grabstein weggewälzt, denn das ist nicht Gottes Ostertat, dass wir ins Grab hineinkommen, um den Tod zu pflegen, sondern sich selbst zulieb hat er´s getan, ganz eins mit seinem auferweckten Sohne hat seine Liebe das Grab von innen aufgerissen. Darum merke: Nicht, wie du Gott im Tode findest, sondern wie er dich ins Leben zurück jagt, das macht das rechte Osterfest...“ 4)
Galiläa, das ist in einem schönen Bild der Ort oder die Zeit in unserem Leben, wo wir nicht mehr auf der Suche sind, sondern wo Gott uns gefunden hat. Galiläa, das ist Kenzingen, das ist hier die St. Laurentiuskirche oder drüben unsere alte franziskanische Klosterkirche in der wir nun seit über einhundert Jahren unseren evangelischen Gottesdienst feiern. Galiläa, das ist jetzt diese ökumenische und österliche Gemeinschaft in der es keine Trennung mehr gibt, sondern die erlebbare Gemeinschaft im Glauben an diesen Herrn, im Vertrauen darauf, dass er auch uns in unserem Leben findet, in all dem, was uns an Fragen und Sorgen beschäftigt. Galiläa das ist dann schließlich auch der Ort, an dem die ganze Christenheit der Welt ankommen darf, um ihren Glauben zu leben.
In dieser Gemeinschaft gehen wir miteinander aus dieser Nacht dem Ostertag entgegen. Lasst uns das dann in unserem Leben und Zusammenleben nicht vergessen, denn wir bleiben in diesem Glauben miteinander vereint und unterwegs. Und so beendet Norbert Schuster seine Meditation mit den Worten: „...Der Tag bricht an, und einer ist schon auferstanden. Stehen Sie im Namen Gottes mit auf! Halleluja.“ Stimmen wir so ruhig mit ein in den Jubel dieser Nacht, denn für uns alle gilt: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“. Halleluja!
Literatur:
1) Schuster, N., 40 Tage, Waldkirch, 1988, S. 90ff
2) Gottesdienst in St. Sebald, Nürnberg, 03. März 2009,
Konferenz Evangelischer Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer (KEPP)
3) Knigge, H.-D., in: Ostern, Gottesdienstpraxis, Hrsg. H. Nitschke,
Gütersloh, 1986; S. 32
4) Leopold, W., Predigt zu Markus 16, 1-8, in: H. Nitschke, Hrsg., a.a.O., S. 17
Drewermann, E., Das Markusevangelium, Zweiter Teil, Olten, 19914, S. 684ff
Mühlhaupt, E., D. Martin Luthers Evangelien-Auslegung, Göttingen, 19694, S. 272ff
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