Pfingsten, Epheser 4,11-16

 

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Auf die Frage „Was halten Sie vom Christentum“, antwortete Heinrich Böll einmal: „Ich weiß: Die Geschichte der Kirchen ist voller Greuel; Mord, Unterdrückung, Terror wurden ausgeübt und vollzogen, aber es gab auch Franziskus, Vincent, Katharina ... Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab, für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für sie Liebe, für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen...“

 

Sagen wir Gott mit diesem Gottesdienst Dank, dass er der Welt die Kirchen geschenkt hat, aber lassen wir uns zugleich daran erinnern, dass diese für einen jeden Christen immer eine Aufgabe und ein Auftrag bleiben. Mit den weltweiten Kirchen bleibt auch der Glaube unterwegs und offen für die Zukunft.

           

Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Wir danken dir für dieses Pfingstfest, das uns daran erinnert, dass wir mit deinem Geist in unserem Leben rechnen dürfen. Nichts muss bleiben, wie es immer war, denn unser Glaube kann die Welt sehen, wie sie ist; unser Mund kann eine Sprache finden, die dem Frieden dient; unsere Hände können sich öffnen, um zu helfen und zu heilen, wo andere sie zur Faust ballen; unsere Füße können Wege zueinander finden, wo Trennendes nur Leid und Unglück fördern. Herr, so schenke uns allen und deiner weltweiten Kirche deinen guten Geist.

 

Wir danken dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, für unsere Gemeinde, für alle unsere katholischen Mitchristen, für unsere kleine Stadt und für die ganze Welt.

Amen.

 

 

 

Und auch die versprochenen Gaben hat er ausgeteilt: Er hat die einen zu Aposteln gemacht, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, wieder andere zu Hirten und Lehrern der Gemeinde. Deren Aufgabe ist es, die Glaubenden zum Dienst bereitzumachen, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut wird. So soll es dahin kommen, dass wir alle die einende Kraft des einen Glaubens und der einen Erkenntnis des Sohnes Gottes an uns zur Wirkung kommen lassen und darin eins werden - dass wir alle zusammen den vollkommenen Menschen bilden, der Christus ist, und hineinwachsen in die ganze Fülle, die Christus in sich umfasst. Wir sind dann nicht mehr wie unmündige Kinder, die kein festes Urteil haben und auf dem Meer der Meinungen umhergetrieben werden wie ein Schiff von den Winden. Wir fallen nicht auf das falsche Spiel herein, mit dem betrügerische Menschen andere zum Irrtum verführen. Vielmehr stehen wir fest zu der Wahrheit, die Gott uns bekannt gemacht hat, und halten in Liebe zusammen. So wachsen wir in allem zu Christus empor, der unser Haupt ist. Von ihm her wird der ganze Leib zu einer Einheit zusammengefügt und durch verbindende Glieder zusammen gehalten und versorgt. Jeder einzelne Teil erfüllt seine Aufgabe, und so wächst der ganze Leib und baut sich durch die Liebe auf.

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

„Eine arabische Geschichte erzählt von einem reichen Mann, der seinem Sohn nichts weiter hinterließ als einen Esel; den Rest seines Vermögens schenkte er den Armen. Der Sohn war selbst schon zu Reichtum gekommen und nicht auf noch mehr Geld angewiesen, trotzdem war er enttäuscht und wütend. Den Esel jagte er mit einem Tritt davon; er wollte das Ärgernis nicht auch noch ständig vor Augen haben. Einen Tag später kommt er am Markt vorbei und sieht, dass sich ein Händler den verschmähten Esel angeeignet hat und zum Verkauf anbietet. Der Händler preist die Vorzüge des Esels in allen Farben, der enttäuschte Sohn hört längere Zeit zu und wird allmählich stutzig. Tatsächlich, das ist kein schlechter Esel. Schließlich fragt er, was der Esel kostet. Der Händler nennt einen horrenden Preis – und der Sohn kauft den Esel. Erst jetzt sieht er in dem Esel einen wahren Schatz, den er nie mehr hergeben möchte.

 

Der Esel bleibt gleich; alles, was sich ändert, ist seine Wahrnehmung... Wahrnehmung des eigenen Lebens suchen Menschen nach großen Momenten, nach Ekstasen, nach Außergewöhnlichem, nach Ergriffenwerden. ...!“ [1] Die Spatzen pfeifen es ja von den Dächern, wir alle leben an unseren Möglichkeiten vorbei, was Resignation, Unlust und Verweigerung zur Folge hat. Fragen wir uns doch einmal, was uns unser Glaube noch Wert ist, unsere kirchlichen Feste und Feien, die das Leben einmal strukturierten und den Menschen Halt gaben?  Wir konnten es ja gerade in der Zeitung lesen: „Mehr als die Hälfte der Deutschen weiß nicht, welches religiöse Fest an Pfingsten gefeiert wird. Fast jeder sechste glaubte, dass an Pfingsten Jesus auferstanden sei. Rund 12 % meinten, es werde Mariä Himmelfahrt gefeiert. Weitere 4% waren laut Umfrage der Ansicht, dass am Pfingstfest die Kreuzigung Jesu stattfand...“ [2]

 

Wer heute Pfingsten also mit Bedacht feiern will wird es daher nur mit der Bitte tun können: „Komm, Schöpfer Geist!“ Die Apostel waren begeistert, die junge Gemeinde war es. Begeisterung hat ja etwas mit Geist zu tun. Ich kann mich für eine Sache nur begeistern, wenn ich von einem bestimmten Geist erfüllt bin. Nehmen wir die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft „Zu Gast bei Freunden“: Wer in der weiten Welt Fußball spielt, spielt, wenn er die Regeln beachtet, mit 22 Spielern nach einer ganz bestimmten, festgelegten Ordnung auf zwei Tore. Niemand käme auf die Idee, sich durch sie eingeengt zu fühlen und sich nun über sie zu beschweren. Doch alle Regeln, die ein Fußballspiel begleiten, und da gibt es nun wirklich auch ganz komplizierte, werden der Spielfreude und Begeisterung keinen Abbruch tun.

 

Ohne die persönliche Begeisterung wird niemand mit 21 anderen Spielern zusammen einem Ball nachlaufen, nur um diesen in einen rechteckigen Kasten, mit Millimeter genauen Maßen, hinein zu schießen. Und je begabter ein Spieler ist, desto besser wird es ihm gelingen, den Ball möglichst oft im Tor unterzubringen.

 

Paulus geht es um die Gaben. Jeder Mensch hat seine eigenen, ganz persönlichen. Niemand von uns läuft unbegabt durch sein Leben. Wir können vielleicht nicht alle Fußballspielen, aber wir können dafür viele andere Dinge, mit denen wir unser Leben meistern. Die Vielfalt unserer Begabungen - gepaart mit den Begabungen anderer Menschen - macht unser Leben farbig und reich an Eindrücken und Erfahrungen. Jede konstruktive Begabung ist ein Nein zum Grau und Einerlei unseres Lebens.

Jedes Brachliegenlassen unserer Begabungen führt dazu, uns der großartigen Fülle und dem bunten Reichtum des Lebens zu verweigern. Damit aber verweigern wir zugleich auch, Gott die Ehre zu geben, dem wir mit unserem Leben auch unseren Geist, unsere vielfältigen Gaben und Begabungen verdanken.

 

So sind wir heute in unserer Gesellschaft diesem arabischen Sohn vergleichbar, der das Erbe seines Vaters ärgerlich missachtet, um dann erst mühsam darauf gebracht zu werden, was er damit verloren hat. Erst nach dem er einen horrenden Preis bezahlt, schätzt er den hohen Wert seines Erbes richtig ein. So fragt es sich ja: Was, liebe Gemeinde, ist uns unser Glaube wert? Und seien wir einmal ehrlich, denn steckt hinter dem Ruf nach einer Besinnung auf die alten Werte, nicht das Gespür dafür, dass wir etwas verloren haben, was wir nie hätten verlieren dürfen?

 

Auch der Glaube braucht Regeln, anders wird es keine Einheit im Glauben geben, weder in unseren Gemeinden, noch in der weltweiten Kirche. Ohne diese Regeln werden sich Menschen immer wieder ihren eigenen Glauben zurecht legen, wie wir es von Sekten hier kennen. Man macht sich selbst zum Maßstab, eine persönliche Idee, die dann zur Richtschnur auch für andere Menschen gemacht wird. Im Vordergrund steht dabei die eigene Bedeutung, nicht aber die oft schwere Auseinandersetzung um die Wahrheitsfragen im Glauben. Darum beruft sich Paulus auf die uns von Gott verliehenen Gaben. Bei diesen geht um die Zurüstung zu einem Leben jenseits des Paradieses. Auch wir Christen haben es ja längst verloren und so müssen wir jeden Tag neu lernen, uns in einer Welt einzurichten, die nur noch eine ferne Ahnung davon hat, was ihr verloren gegangen ist.

 

In der Vielfalt der Gaben geht es nun darum, unserem Auftrag als „Christen“ die Welt gestalten zu helfen, gerecht zu werden. Und zuletzt geht es um diesen einen, einenden und ermutigenden Geist. Er vereint alle Christen im Glauben an den einen Christus. Er vereint uns so, wie – im Bild gesprochen - alle Glieder eines Körpers, mit ihren je eigenen Funktionen, dennoch Teile eines einzigen Körpers sind und bleiben.

 

Und in all diesen Formen der Zurüstung durch die Gaben dürfen wir wachsen und reifen. Begeisterung, gerade auch die Begeisterung für den Glauben, die Begeisterung im Glauben an den dreieinigen Gott kann man ja nicht befehlen, aber ohne eine geistvolle Auseinandersetzung mit dem Glauben werde ich umgekehrt niemals so etwas wie eine Begeisterung empfinden können. Die Spielregeln im Fußball verhindern die Begeisterung ja auch nicht, wir werden es erleben. So heißt das Gebot der Stunde wohl zunächst einmal wieder anzufangen, sich mit dem Glauben, ja mit Gott auseinander zu setzen. Papst Benedikt XVI. beschreibt diesen Wachstumsprozess in fast poetischer Weise in seiner Enzyklika: „Deus caritas est“ (Gott ist die Liebe), er sagt dort.

 

„Die Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch besteht eben darin, dass diese Willensgemeinschaft in der Gemeinschaft des Denkens und Fühlens wächst und so unser Wollen und Gottes Wille immer mehr ineinander fallen: Der Wille Gottes nicht mehr ein Fremdwille ist für mich, den mir Gebote von außen auferlegen, sondern mein eigener Wille aus der Erfahrung heraus, dass in der Tat Gott mir innerlicher ist als ich mir selbst. Dann wächst Hingabe an Gott. Dann wird Gott unser Glück...“ [3] Wo uns unser Glaube so verinnerlicht wird, da wird es dann auch nicht mehr an der Begeisterung fehlen. Unser Glaube wird die Welt - und unsere Kirchen und Gemeinden in ihr - geistvoll gestalten helfen.

Früher sprachen wir einmal von der „Frömmigkeit“ des Menschen, wenn wir an seinen Glauben dachten. Er war geprägt durch die Frömmigkeit des 19. Jahrhunderts, die sofort auch das soziale Handeln des Christen mit einschloss,

 

Heute sprechen wir viel eher von der notwendigen „Spiritualität“ unseres Christseins, was uns den Blick weitet und über unsere eigene Frömmigkeit hinaus die Ökumene in den Blick nehmen lässt. Kirchen und Konfessionen müssen so nicht mehr als Trennendes und Geschiedenes angesehen werden, sondern im Geist der Ökumene als Glieder an dem einen Leib Christi. Diese Einheit im Glauben, ja die Begeisterung für den Glauben beginnt in der eigenen Gemeinde. Hier soll jeder seinen Gaben entsprechend seinen Glauben leben und einbringen dürfen, ohne zu meinen, alles allein besser zu wissen und zu können.

 

Manchmal spüre ich, wie sehr haupt-, neben- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen darunter leiden, dass andere meinen, alles viel besser zu können. Egoismus ist ja auch unseren Gemeinden nicht fremd, hier sollten wir uns vielleicht dann und wann an den Sport erinnern, wo Spiele nur dort gewonnen werden, wo man an einem Strick zieht und nicht gegeneinander arbeitet. Ein neben- oder ehrenamtlicher Mitarbeiter muss ja nicht besser sein, als ein hauptamtlicher, und nur wo wir alle aufeinander acht haben, wird das Zusammenleben in unseren Gemeinden Freude machen und jene Begeisterung ermöglichen, die unseren Glauben überzeugend und ansteckend macht.

 

In der Pfingstbotschaft 2006 des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf heißt es: „ ... Dieses neue Leben in Gemeinschaft bewegt uns wie ein Wind des Wandels, verändert unsere Sprache, verändert die Art und Weise, wie wir miteinander und mit der Welt kommunizieren und umgehen. Möge das Pfingstfest in diesem Jahr eine Zeit des Neuanfangs für uns sein: eine Zeit der Erneuerung unserer Bindung an Gott und aneinander, eine Zeit der Stärkung unseres gemeinsamen Zeugnisses...“ [4]

 

Das einende Band des Glaubens sind also nicht so sehr wir selbst mit all unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten, unseren Gemeindefesten und besonderen Projekten, Kirchentagen und Papstbesuchen, sondern es ist der Glaube an Jesus Christus. „Von ihm her“, so sagt es Paulus, „wird der ganze Leib zu einer Einheit zusammengeführt und durch verbindende Glieder zusammen gehalten und versorgt...“ Helfen wir einander in unseren Kirchen und Gemeinden, dass „Gott unser Glück wird!“, dann werden sich viele andere Fragen – persönlich wie gesellschaftlich – geistvoll lösen lassen. Dies wird ein immerwährender Prozess von „Kirchwerdung“ und „Kirche-Sein im Wandel der Zeiten“ [5] bleiben, doch nur so werden wir überhaupt „Kirche“ sein. Gott schenke uns seinen guten Geist für alle unsere Wege und für den Weg der Kirche in der Welt. Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Schulze, G., Die Sünde. Das schöne Leben und seine Feinde,

                  München, 2006, S., 193

2) Badische Zeitung, Samstag, 3. Juli 2006, S. 14

3) Benedikt XVI., Die Enzyklika „Deus caritas est“, Freiburg, 2006, S. S. 41

4) Pfingstbotschaft des ÖRK, http://www.predigten.de

5) Preuß, H.-J., Deutsches Pfarrerblatt, Heft 4/2006, www.deutsches-pfarrerblatt.de

 

 

Werner, M., Gut aufgestellt, Zeitschrift für Gottesdienst & Predigt, 2/2006, S. 30

Grümbel, U., Calwer Predigthilfen, 1999/2000, IV/2, Stuttgart, 2000. S. 26 ff

 

 

 

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