4. Sonntag nach Trin., 2. Kor. 4, 6 - 10

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Wir alle wissen es, das Leben ist nicht immer nur hell und schön, sondern wir kennen ja immer auch die Schattenseiten des Lebens. So ist immer wieder danach zu fragen, woher nehmen wir den Mut und die Hoffnung zu einem Leben, das sich so oft in Frage gestellt sieht, gerade auch im Blick auf unsere Kinder und die Zukunft unserer Kinder? Was geben wir ihnen mit, um sie zukunftsfähig zu machen, was, womit auch die Krisen des Lebens tragbar bleiben? Lassen wir uns vom guten Wort unseres Gottes in unser Leben hinein begleiten und wieder einmal nachdenklich werden, kritisch auch uns selbst und unseren Verhaltensweisen gegenüber, letztendlich auch unserer Glaubensarmut.

 

Auf, mein Herz, preise den Herrn! Alles in mir soll den heiligen Gott rühmen! Auf, mein Herz, preise den Herrn und vergiss nie, was er für mich getan hat! (Psalm 103,1-2).

 

 

Gebet:

 

Was immer wir einbringen auf dem Weg zum Leben, Herr, unser Gott, es ist brüchig und bedroht durch die Zeit, durch eigene Fehler und fremde Schuld. Worauf immer wir verweisen, wenn man uns danach fragt, wer wir sind, Herr, unser Gott, wir stehen ja selbst vor Rätseln. Worauf wir vertrauen, ist dies, Herr unseres Lebens, dass du auch die Bruchstücke liebst, die Reste – und den guten Willen. Du meinst uns, so, wie wir sind und das macht Mut. Amen.

 

Gott hat einst gesagt: „Aus der Dunkelheit soll Licht ausleuchten!" So hat er jetzt sein Licht in meinem Herzen aufleuchten lassen, damit die Menschen die göttliche Herrlichkeit erkennen, die Jesus Christus ausstrahlt. Ich bin nur ein zerbrechliches Gefäß für einen so kostbaren Inhalt. Denn man soll ganz deutlich sehen, dass die übermenschliche Kraft von Gott kommt und nicht von mir. Obwohl ich von allen Seiten bedrängt bin, werde ich nicht erdrückt. Obwohl ich oft nicht mehr weiter weiß, verliere ich nicht den Mut. Ich werde verfolgt, aber Gott verlässt mich nicht. Ich werde niedergeworfen, aber ich werde nicht vernichtet. Ich erleide fortwährend das Sterben Jesu an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus erweckt wurde, an mir sichtbar werden kann.

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Dennoch! Trotz aller gegenteiliger Lebenserfahrung beginnt Paulus unseren kleinen Text aus einem längeren Brief an die Gemeinde in Korinth mit der guten Schöpfung Gottes. Nicht das erfahrbare Dunkel soll am Anfang stehen, nicht Not und Verletzung, nicht Aggression und Verdrängung, nicht Schuld und Versagen, sondern gerade umgekehrt: Das Licht! Gott hat einst gesagt: „Aus der Dunkelheit soll Licht aufleuchten...“

 

In das verwirrende Chaos des Ursprungs, in dieses ungeordnete Dunkel der Vorzeit dieser Welt, mit dem selbst Gott nichts anfangen konnte, erschafft er das Licht. Alles, was nun in der Schöpfung folgt, folgt diesem Licht. Und nur von diesem Licht her hat dann auch das Dunkel, die Nacht ihr Recht, ihre Aufgabe und Funktion. Bei keinem einzelnen weiteren Schöpfungswerk sagt Gott, dass es „gut“ ist, außer hier beim Licht des Anfangs, des Ursprungs der Schöpfung. Gut findet Gott dann am Ende die ganze Schöpfung, weil sie zu dem fähig und in der Lage ist, wozu er sie erschaffen hat und wollte. Doch das Licht benennt er ausdrücklich.

 

Und so beginnt Paulus ganz bewusst - mitten in seinem Tränenbrief - mit diesem Licht. Jeder Mensch soll sehen können, und sich immer wieder einmal daran erinnern, wie gut doch letztendlich für alles gesorgt ist, was wir Menschen für unser Leben brauchen. Haben wir denn nicht wirklich viel mehr, als zum Leben notwendig wäre? Aber wer denkt noch daran und ist dankbar für das Geschenk alles Lebens und aller Lebendigkeit, die uns umgibt? Doch hat sich der Mensch die Sonne erst einmal verdunkelt, so ist dann auch bald vom Licht der guten Schöpfung Gottes nicht mehr viel zu sehen und das langweilige Grau und Einerlei beherrscht das Leben. Dunkelheit verdrängt das Leuchten aller Phantasie. Schuld und Versagen machen sich breit, und so bestimmt dann der Tod über das Leben, die Verzweiflung über allen Lebensmut, die Resignation über die Hoffnung, der Zweifel an Gott über ein fröhliches Vertrauen.

 

Paulus beruft sich darauf, dass nicht er selbst sich dieses Licht immer wieder angezündet hat, dass er es sich hell und klar macht, um nun von sich aus anderen in seiner Umwelt heimzuleuchten, sondern gerade umgekehrt.

Es ist sein Gott, der in ihm dieses Licht aufleuchten lässt gegen alle erfahrbare Dunkelheit und Schuld, die ihn tatsächlich umgibt. Dieser Teil des 2. Korintherbriefes, den wir den „Tränenbrief“ nennen, setzt sich mit dem Apostelamt des Paulus auseinander. Paulus hat wirklich Furchtbares erlitten: Er ist mehrfach so zusammengeschlagen worden, dass er nun die Narben an seinem Körper trägt, er hat Steinigungen überlebt, musste in Gefängnissen darben und war immer wieder auf der Flucht. Stellen wir uns einmal vor, wie es wohl in uns aussähe, wenn wir in einem riesigen Theater vor johlender Menschenmenge vorgeführt würden? Das Holz für Kreuze lag ja griffbereit und hungrige Löwen für Menschenopfer gab es überall. Der Tod begleitete das Leben eines engagierten Christen hautnah. Doch der zerschlagene Paulus klagt nicht, sondern er spricht vom Licht, das Gott ihm immer wieder schenkt.

 

Paulus hat viele treue Gegner, mit denen er sich hier herumschlagen muss. Es sind vor allem religiöse Erfolgsredner, welche die Korinther zu begeistern verstehen. Sie kommen an, denn sie haben Antworten parat für alle existentiellen Fragen, für den Sinn des Lebens, sie bieten scheinbar mehr, als „das Wort vom Kreuz“, mit dem sich Paulus herumquält und was ihm so viel Gegnerschaft einträgt. Sie stellen den philosophisch geschulten Mitmenschen einen Glauben vor, der perfekt ist, strahlend, wo alle Probleme, die das Leben mit sich bringt, ausgespart bleiben und setzen Paulus damit unter Druck. Sie machen das Christsein billig und erzeugen damit eine Spaltung und tief greifende Auseinandersetzungen in der jungen Christengemeinde. Paulus muss eingreifen, er kann hier nicht schweigen, weil es im Kern um die Sache selbst geht, um Jesus Christus.

 

Es ist so, wie es Sören Kierkegaard einmal erzählt hat: In einem Theater tritt der Clown auf die Bühne und sagt dem Publikum, dass das Theater brennt. Man freut sich, klatscht und lacht. Der Clown verschwindet für einen Augenblick hinter dem Vorhang und tritt noch einmal auf. Sehr ernst und eindringlich sagt er den Zuschauern: „Das Theater brennt!“ Und das Publikum applaudiert noch begeisterter. Und die Balken werden darüber einstürzen unter dem johlenden Gelächter aller, die da dachten, dies sei nur ein Witz.

 

Die Menschen halten sich an einem religiösen Strohhalm fest, anstatt sich mit dem wirklich tragenden Grund ihres Lebens auseinander zu setzen. Das ist die Erfahrung von Paulus, und hiergegen muss er ankämpfen und anleben - bis hin zu seinem Tod. Er, der unattraktive Apostel, geschlagen und vernarbt, steht Erfolgspredigern gegenüber, gegen die er alt und hilflos aussieht. Doch er resigniert nun keineswegs, sondern er predigt das Wort vom Kreuz, und zeigt damit, wie angefochten und angeschlagen auch Christen mitten in der Welt leben müssen. Er stellt sich der Wirklichkeit, wie sie nun einmal ist, ohne sie zu beschönigen, ohne sich und anderen etwas vorzumachen.

 

Er benutzt das Bild eines zerbrechlichen Gefäßes mit einem kostbaren Inhalt. „Obwohl ich von allen Seiten bedrängt bin, werde ich nicht erdrückt. Obwohl ich oft nicht mehr weiter weiß, verliere ich nicht den Mut. Ich werde verfolgt, aber Gott verlässt mich nicht. Ich werde niedergeworfen, aber ich stehe wieder auf. Ich erleide immer wieder das Sterben Jesu an meinem eigenen Leib, aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt wurde, an mir sichtbar werden kann...“ Die Zerbrechlichkeit des Gefäßes zeigt, wo Gott zu suchen und zu finden ist: Er ist in der Tiefe, er ist bei seinem Geschöpf, das das Licht sucht und dennoch von so viel Dunkel umgeben ist.

Paulus scheint fast ein wenig fröhlich in allem Trotz, wenn er anders ausgedrückt, kategorisch feststellt: Nicht erdrückt, nicht verzweifelt, nicht alleingelassen, nicht zugrunde gerichtet! - Nicht! Nicht! Nicht! Wie eine Wand steht dieses Nicht, gegen alle bedrohliche Welterfahrung, - unerschütterlich auf der Seite Gottes und des Menschen, der nach Gott fragt.

 

„Immer denken wir, das Wesentliche müsse durch unsere Hände gemacht werden, wenn etwas Entscheidendes in unserem Leben sich ereignen solle, müssten wir etwas tun... Von früh auf bis spät sind wir bemüht, uns wichtig zu nehmen, immer angehalten von dem Glauben, dass es auf uns ankomme und dass wir Wesentliches verpassen würden, täten wir dieses oder jenes nicht. So geht der Alltag dahin, so verrinnen die Tage, so entschwinden die Jahre. Aber wer eigentlich sind wir? Wie viel Schönheit wird überlagert durch all das, was wir glauben, an Pflichten erledigen zu müssen! Wie viel von der Zauberkraft unseres Herzens geht zugrunde an all dem Gestampfe, Gerenne, Getrete und Gelaufe in unserem Leben, am Platzbehaupten, Hinterherlaufen, Sich-selber-vorweg-Sein! Wär es nicht möglich, es reifte das, was wir sind, in unserer Tiefe?“ [1]

 

Das Zeugnis von der guten Schöpfung Gottes, ja auch das Zeugnis Jesu, bleibt ein „Zeugnis im Widerspruch.“ Gar nichts anderes kann Paulus seinen Zuhörern in Korinth verkündigen, ja zumuten. Und er meint damit auch uns, vielleicht gerade uns hier in unserer Zeit und in unserem Leben. Sparen wir denn den Glauben nicht auch oft genug einfach aus, weil wir meinen, dass er so gar nichts mehr mit unserem wirklichen Leben, mit Arbeit und Freizeit, mit Kampf und Sorge zu tun hat? Versuchen wir denn nicht laufend, uns einen einfachen Glauben einreden zu lassen, der uns die Auseinandersetzung erspart, uns unsere Ruhe lässt, wo es vielleicht unsere Aufgabe wäre, zu beunruhigen - wie der Clown im Theater? Was sagen wir unseren Kindern, was wirklich trägt, was geben wir ihnen mit, auch wenn wir dadurch gefordert wären? Wir tragen doch nicht nur die Verantwortung für unseren Glauben, sondern zunächst ja auch für den unserer Kinder.

 

Unser Glaube, der ja auf das Wort hört, lebt so gerade nicht an den Dunkelheiten des Lebens vorbei, macht sich hier gar nichts vor, sondern er stellt sich der Wirklichkeit, wie sie nun einmal ist. Doch wir dürfen uns mit unserem Glauben so in die Welt einleben, dass es deutlich wird, wes Geistes Kinder wir sind. Damit wird sichtbar, was das Evangelium meint: Aus der Tiefe, die uns alle immer wieder einmal umfängt, wird es hell. Und dort, wo andere nur noch das Dunkel wahrnehmen, Tod und Verzweiflung leuchtet es oft unbegreiflich in unser Leben hinein, so dass dem Leben Hoffnung und damit auch Zukunft geschenkt ist. Wir leben in dem Vertrauen, dass Gott sein Schöpfungswerk auch heute noch und mit uns allen zusammen fortführt. Er ist mit uns gerade noch nicht am Ende, wo wir es vielleicht schon lange sind.

 

In Mozarts Zauberflöte heißt es am Schluss: „Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht...“ Ja, ich glaube, dass wir das alle miteinander - wie ja auch Paulus - immer wieder erfahren dürfen, wo wir uns auf das Wagnis des Glaubens einlassen. „Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht...“ Wir dürfen leben, ohne uns etwas vormachen zu müssen, auch dann noch, wenn wir einmal Wege geführt werden, die wir gar nicht gehen wollen und Erfahrungen zu machen haben, die wir viel lieber aussparen würden, doch: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Gott allein hat es. Er setzt das Licht gegen die Finsternis, die Hoffnung gegen die Verzweiflung, die Liebe gegen den Hass, den Glauben gegen den Tod. So schenkt Gott uns das Leben. Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Drewermann, E., Der offene Himmel, Patmos, 1990, S. 93

 

 

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