Begrüßung:
Liebe Gemeinde! Sind Sie schon einmal zu einem Fest eingeladen worden, zum Beispiel zu einer Hochzeit? Wie wurden Sie eingeladen und was haben Sie damals angezogen? So merkwürdig es klingen mag, heute werden wir mit einer außergewöhnlichen Hochzeit konfrontiert, einem zunächst rätselhaften Gastgeber und seltsamen Gästen. So fröhlich wir unsere Feste feiern möchten, so ernst sind wir dabei oft gefordert. Lassen wir uns heute einmal dazu einladen, das Evangelium selbst aus einer ungewöhnlichen Situation heraus zu hören.
Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen (Psalm 36).
Gebet:
Herr, guter Gott! Wir danken dir für dein gutes Wort, für die Gemeinschaft im Glauben. Natürlich wissen auch wir um die Grenzen unseres Glaubens, wir wissen um die Flecken auf unseren Westen, die Unmöglichkeit, Dir angemessen begegnen zu können. So fühlen auch wir uns immer wieder von dir eingeladen, und bleiben dir dennoch fern und fremd, reden uns heraus und schieben Gründe vor, dich aus unserem Leben rauszuhalten. Herr, lass die Türen dennoch für uns offen und bleibe uns ein freundlicher Gastgeber für ein Leben in der uns geschenkten Zeit und Welt.
So danken wir dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, unsere katholischen Mitchristen, unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.
Liebe Gemeinde!
Ein Desaster! Eine Hochzeit soll gefeiert werden, dazu noch in einem Königshaus und keiner geht hin, armer Charles, arme Camilla. Eine Hochzeit ohne Glanz und Gloria, dazu noch bei einem Kronprinzen, dem sich die Gäste verweigern. Dieser König sollte abtreten, der Kronprinz seine Apanage kassieren und sich mit seiner Frau an einen sonnigen Strand in der Südsee zurück ziehen, denn in seiner Heimat hat er ganz offensichtlich keinen monarchistischen Fanclub mehr, der seine königliche Existenz rechtfertigen könnte. Dazu noch der gewalttätige Herrscher-Vater, der das Militär ausrücken lässt, um eine blutige Strafaktion durchzuführen. Ich möchte so eigentlich nicht heiraten, weder gefällt mir dieser Vater, noch gefallen mir diese Gäste. Die Gleichnis-Geschichte Jesu mutet seinen Hörern einiges zu, sie hat Generationen von Lesern und Hörern verstört.
So kennen wir diesen Jesus eigentlich gar nicht, der uns ja von frühester Kindheit an immer als der „liebe“ Herr Jesus vor Augen geführt wurde, als ein guter Hirte, der sein Schäfchen auf dem Arm trägt, über dem Bett der Großeltern hing und aufpasste, dass nichts passierte. Zu sehen gab es alternativ natürlich auch Jesus, den Kinderfreund, der blondgelockt ebenso blondgelockten Kindern über das Haar streichelt. Ja, dieser Text provoziert uns, wir würden ihn nur allzu gern aus der Bibel heraus streichen, weil wir die Zumutung spüren, mit der Jesus hier auf seine Zuhörer und Leser zugeht, ganz offensichtlich wird es ungemütlich.
Es gibt kein Wenn und Aber, dieser Text meint es ernst und auch wenn wir heute, wie natürlich auch die Menschen damals, bei solchen Texten gern weghören, es gibt sie eben im Alten und im Neuen Testament. Wir wollen gern die schönen Worte hören, möglichst Worte, die unsere eigenen moralischen Vorstellungen bestätigen und bestärken, doch Worte des Gerichts passen nicht in eine Zeit der Verdrängung. Was schwer zu verstehen ist, und selbst wir Pfarrer verstehen es oft ein ganzes Pfarrerleben nicht, ist, dass zum Evangelium eben auch das Gesetz gehört: Zur Freude am Glauben, zum dankbaren Gotteslob eben auch der Ernst, der Anspruch an einen Glauben, der Glaubwürdigkeit verlangt. Es geht um das Erlebbarmachen des Glaubens, gerade auch in einer Zeit, in der man es sich mit dem Glauben oft zu leicht macht. Jeder kann glauben, was er mag, solange er nur ein anständiger Kerl ist.
Heute wird zu schnell Glaube mit Moral verwechselt. Dabei ist uns der Glaube durch das biblische Wort vorgegeben und daraus hören wir unseren Gott. Die Moral verändert sich dagegen laufend, bewusst und gezielt zu Zwecken der Manipulation der Massen und durch gesellschaftliche Strömungen. Der Glaube hat es mit Gott und der Welt zu tun, die Moral mit Meinungen und Moden der Welt, die zu vermarkten sind und damit, so bald als möglich, herrschende Meinung werden sollen. Der Glaube kommt heute der Moral nicht sauertöpfisch, grau in grau und mit antiquierten Vorstellungen darüber in die Quere, was man alles nicht tun darf, sondern er setzt Maßstäbe, wo die Meinungsmacher einen Absatzmarkt im Blick haben.
So pointiert unser Text klingt – und er hat es wirklich in sich – so sehr spiegelt er dennoch das Evangelium wieder.
Karl Barth hatte ja Recht, als er das große protestantische Thema von „Gesetz und Evangelium“, also der Weltlichkeit der Welt mit Schuld und Versagen und der Welt des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung auf den Kopf stellte und sehr bewusst von „Evangelium und Gesetz“ sprach. Bei allem, was in der Welt passiert, bei alledem, was wir selbst in unserer Welt an Schuld, Versagen und Unsinn anstellen, dürfen wir wissen, dass Gott schon vor uns und allen unseren Misslichkeiten unser Gott war, ist und blieben wird. Das ist das Evangelium und erst danach bekommen wir es mit der Welt und ihrer Gesetzlichkeit zu tun.
So tiefernst unser Text klingt, so sehr bleibt es auch als ein kritisches Mahnwort an seine Hörer, an uns, ein Wort des Evangeliums. Das Evangelium will uns darauf aufmerksam machen, wie verkehrt wir in vielerlei Hinsicht leben, wie gleichgültig wir Gott und der Welt gegenüberstehen, wie lieb- und gedankenlos wir leben und uns dabei schuldig machen, oft ohne es überhaupt noch zu merken.
Wir können die Gleichnisrede Jesu verstehen, wenn wir uns die historische Situation dieses Textes einmal vor Augen führen: Jesus war zunächst einmal zum Volk Israel gekommen, in der Mitte seines Volkes lebte, lehrte und handelte er. Doch so viele Menschen er auch erreichte, seine Botschaft kam bei vielen Menschen nicht an. Er wurde zu einem Störfall des Glaubens, zu einem Supergau für all das, was dem Volk Gottes von seinen Priestern und Gelehrten als Glaubenswahrheit gelehrt wurde. Wie anders sollten sie sich wehren, als diesen Mann loszuwerden, möglichst schnell und vor allem, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen?
Matthäus schaut zurück. Er weiß, wie sehr Gott um sein Volk geworben hat, wie ein festlich gestimmter Gastgeber, der zur Hochzeit seines Sohnes einlädt und der nun die Ablehnung seiner Gäste erlebt. Die Zerstörung der Stadt, es wird an Jerusalem gedacht, erscheint der jungen Kirche als Strafe Gottes für die Ablehnung und den Tod Jesu durch sein eigenes Volk. Aber auch das ist nicht das Ende der Geschichte, Gott sei Dank auch nicht das Ende der Geschichte Gottes mit seinem Volk und mit uns. Gott wirbt weiter. Und nun ist es eben nicht mehr Israel, die zuerst geladenen Gäste, sondern es sind alle, die – im Bild der Hochzeit gesprochen – eingeladen sind.
Die junge Kirche wusste ja, was mit den Propheten Gottes, mit Jesus von Nazareth, mit den Jüngern Jesu und vielen Christen der ersten Stunde der Kirche geschah und begriff: „Gott ist für jeden Menschen, den er gemacht hat, als Erfüllung seiner Sehnsucht, als Grund seines Vertrauens, als Ziel seines Suchens und als Freude seiner Liebe gegenwärtig, und es hat endgültig keinen Sinn mehr, die Weite Gottes an die Gesetze einer bestimmten Kultur, eines bestimmten Landes und eines bestimmten Volkes zu binden...“ 1)
Es ist klar, zu einem Fest ziehe ich mich festlich an. Da gibt es den dunklen Anzug, zur Hochzeit, das Brautkleid, das heute oft länger ausgesucht und anprobiert wird, als manche Ehen überhaupt halten. Der Hochzeitssaal füllt sich langsam, weil nun alle eingeladen sind und kommen dürfen, wo immer man Menschen irgendwo antrifft. So sitzt dann auch ein Gast zwischen den mancherlei guten und schlechten Leuten, der ohne eine Entschuldigung dafür zu haben, keinen anständigen Anzug anhat.
Hart und unerbittlich wird er zur Rede gestellt und fliegt im hohen Bogen aus dem Festsaal, schlimmer: Er wird in die „Finsternis“ verbannt, dorthin, wo „Heulen und Zähneklappern“ sein wird. Wir spüren es noch einmal, unser Text hat es wirklich in sich, denn da sträubt sich ja schon wieder alles in uns, es mit einem solchen Gastgeber zu tun haben zu wollen. Die Zeiten sind doch wirklich vorbei, wo es enge Kleidervorschriften gab, möglichst noch solche, an denen man den gesellschaftlichen Stand ersehen konnte. Aber ebenso gilt es hier, den Text richtig zu verstehen. Matthäus will in diesem weiteren Bild – wieder in aller Ernsthaftigkeit – deutlich machen, dass sogar diese vielen Geladenen, also mit den Juden nun auch wir Christen, nicht einfach zum Volk Gottes gehören, weil wir nun einmal Juden oder Christen sind.
So, wie ich mich für ein Fest nett anziehe, so gilt für den Glauben ein dementsprechendes Verhalten. Nicht umsonst wird im Glaubensbekenntnis bekannt: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen...“ Nicht also unsere Kirchenmitgliedschaft reicht einfach so aus, um uns darauf auszuruhen und uns unserer Gottesbeziehung sicher zu sein, sondern, dass unser Glaube bekannt und gelebt wird, das ist das alles Entscheidende. Wird in unserem Text das „hochzeitliche“ Gewand auch nicht weiter beschrieben, so doch ein paar Kapitel weiter, wenn es dort heißt:
„Kommt her! Euch hat mein Vater gesegnet. Nehmt Gottes neue Welt in Besitz, die er euch von allem Anfang an zugedacht hat. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd, und ihr habt mich bei euch aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir etwas anzuziehen gegeben; ich war krank, und ihr habt mich versorgt; ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.... Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“(Mt 25,34-40).
Es geht im Ernst also nicht um eine bessere Moral, um ein ethischeres Verhalten in unserer Gesellschaft, das darf, ja das muss man von einem jeden von uns erwarten dürfen, sondern es geht um die Wiederentdeckung der Ernsthaftigkeit des Anspruches Gottes auf unser ganzes Leben. Das aber ist Evangelium pur – und wo wir das wieder ganz neu hören lernen, da müssen wir uns über „drinnen“ und „draußen“ keine Gedanken machen. Den „Himmel“ werden wir, wenn auch nicht in seiner Endgültigkeit, so wie die „Dunkelheit“ der Gottesferne schon hier und jetzt mitten im Leben erleben.
Lassen wir uns von Gott selbst einladen, jeden Tag neu, um teilzuhaben an den vielfachen Festen des Glaubens, wo immer wir ihn aneinander und füreinander leben. Und es wird ein fröhliches, buntes, ermutigendes Fest sein, wenn wir Gott und den Menschen anders zu begegnen lernten. Mitten im Ernst unsers Lebens, in den vielen schweren und dunklen Erfahrungen, den ungelösten Problemen, unserem tagtäglichen Scheitern an unseren eigenen Ansprüchen an unsere Menschlichkeit, dürfen wir also das Evangelium hören – und leben. Dazu sind und bleiben wir eingeladen, werden wir dabei sein? Amen.
Literatur:
1) Drewermann, E., Wenn der Himmel die Erde berührt, Düsseldorf, 19932, S. 84
Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Dritter Teil, Düsseldorf, 1995, S. 73 ff
Korsch, D., Calwer Predigthilfen, 1998/1999, Reihe III/2, Stuttgart, 1999, S. 48 ff
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http://www.evang-kirche-kenzingen.de und
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