Konfirmation I + II, 16. und 17. Mai 2009, Psalm 36,10

 

 

 

            Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

Eltern, Familien und Gäste, liebe Gemeinde!

 

Sehr herzlich möchte ich Euch und Sie alle hier in der St. Laurentiuskirche zu unserem Konfirmationsgottesdienst begrüßen. Wir alle, die wir die KonfirmandInnen auf welche Weise auch immer durch das vergangene Konfirmandenjahr hindurch begleitet haben, freuen uns mit Euch, mit Euren Familien.

 

Der Schriftsteller Bert Brecht fragt in seiner Dreigroschenoper: „Denn wovon lebt der Mensch?“ Vielleicht kann uns dieser besondere Gottesdienst in Eurem und unserem Leben darauf eine Antwort geben. Sicher wird sie anders ausfallen, als die des Dichters. Aber wir feiern ja das Fest der Konfirmation, um uns einerseits noch einmal in unserem Glauben bestärken zu lassen, andererseits aber sehr bewusst Ja zu sagen, zu unserer eigenen Taufe und zu unserem Weg in Kirche und Gemeinde. So ist es hilfreich für ein bedachtes Leben, immer wieder einmal danach zu fragen: „Denn wovon lebt ein Mensch?“

 

Ihr habt Euch einen Konfirmationsspruch gewählt, der Euch jeden Tag neu daran erinnern kann, wovon der Mensch lebt. Denn für uns alle gilt:

           

 

Du bist die Quelle, die uns Leben schenkt. Deine Liebe ist die Sonne, von der wir leben

 

 

 

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

Eltern, Familien und Gäste, liebe Gemeinde!

 

„Was ich mir wünsche? Eine schöne geschmückte Kirche und eine schöne Musik mit der Orgel und ein schönes Kleid an meiner Konfirmation – und ein Lächeln von Herrn Pfarrer Schneider!“, so schrieb es uns eine Konfirmandin als Wunsch zur Konfirmation.

 

Ja, der Tag der Konfirmation lädt ein zu Wünschen, gerade auch zu guten Wünschen - und mein Lächeln sollt Ihr heute natürlich ganz besonders herzlich bekommen, denn ich freue mich mit Euch, mit Euren Familien und Freunden über den Tag Eurer Konfirmation. Aber Ihr habt für diese Stunde und Eure Zukunft ja auch noch weitere Wünsche genannt z.B.: „Dass ich mich immer gern an die wunderbare Konfi-Zeit erinnere (selbst auch an die Gottesdienste), ... dass ich meinen Glauben nicht verliere, egal in welcher Lebenslage, ... dass ich meine Fehler erkenne ... dass ich mich für andere Menschen einsetze ..., dass niemand scheinheilig ist und trotzdem immer in die Kirche geht, ... dass die Kirche weiterhin ein Treffpunkt ist, ... dass der Glaube mir und anderen Leuten im Leben weiter hilft, ... dass mich der Konfirmationsspruch in meinem Leben begleitet...!“

 

Und für diesen Gottesdienst habt Ihr Euch u.a. gewünscht: „nicht zu feierlich, ... mit der Familie zusammen zu sein, ... nicht länger als 1,5 Stunden, ... eine interessante Predigt, ... tolle Deko, ... ich will nicht, dass die Konfirmation gestört wird, dass alles ohne Stress geht!“ Wir spüren es also alle, dass sich mit einem Tag wie diesem, Wünsche verbinden, Hoffnungen und Erwartungen, die Zukunft betreffend.

 

In der berühmten „Dreigroschenoper“ von Bert Brecht wird gleich mehrfach gefragt: „Denn wovon lebt der Mensch?“ Euer Konfirmationsspruch aus dem 36. Psalm, den Ihr Euch für den Tag Eurer Konfirmation, für Euren Lebensweg gewünscht habt, bietet Euch darauf folgende Antwort an. Er lautet:

 

„Du bist die Quelle, die uns Leben schenkt. Deine Liebe ist die Sonne, von der wir leben.“

 

Ganz offensichtlich braucht der Mensch Quellen, um zu leben, aber was für eine Quelle? In einem Werbeprospekt des Versandhauses Quelle heißt es: „Hier werden ihre Träume wahr. Tausend Wünsche. Eine Quelle!“ Das Leben, wie aus einem Katalog: Wir blättern uns durch die bunten Seiten eines dicken, farbigen Buches, das so gut wie alles bietet, was ein Mensch zum Leben braucht und dann bestellen wir uns unser Leben, damit unsere Träume erfüllt und die unzähligen Wünsche wahr werden.

 

Schaut man unter dem Stichwort „Quelle“ im Internet nach, so stößt man gleich auf viele Hinweise: „karstadt quelle – quelle reisen – quelle gutschein – quelle haus – quelle marketschwaben quelle usw..“ 1)

 

„Denn wovon lebt der Mensch?“ Eine ganz andere Antwort versucht Bert Brecht auf seine eigene Frage. Er sagt: „Indem er stündlich den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst. Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist!“ 1) Wir spüren eine riesenweite Bandbreite möglicher Antworten in Bezug auf die Frage, was unserem Leben Sinn schenken oder aber auch verweigern kann, einerseits von der Erfüllung unserer Träume bis andererseits zu einer abgrundtiefen Skepsis in Bezug auf unser Menschsein überhaupt. Ganz anders sehen mögliche Antworten aus, die der alte durch und durch menschliche Psalmbeter in seiner Weisheit versucht.

 

Hier ist gleich in zwei Bildern von einer Quelle die Rede, aus der Menschen leben können: Gott selbst ist die Quelle, die dem Menschen das Leben schenkt und die Liebe Gottes ist die Sonne, von der wir leben. Symbolisch sehen wir hier eine Sonne mit ihren Strahlen und das Wasser, das uns an unsere eigene Taufe erinnern mag. Martin Luther sagt in seiner Psalmenauslegung zu unserem Psalmwort: „Denn bei dir, d.h. bei dem Vater... ist die Quelle alles Lebens, nämlich der Sohn. Und in deinem Lichte, d.h. in deinem Sohn, ... sehen wir das Licht, d.h. den Vater...“ 2) Die Quelle des Lebens, so sagt es das biblische Wort, ist also Gott.

 

Das ist dann schon eine andere Antwort auf die aufgeworfene Frage: Das Leben ist nicht wie aus einem Katalog heraus zu leben, wo wir uns aus einer Reihe bunter Bilder und zu erschwinglichen Preisen das Leben wählen könnten, das uns gefällt und sollte es uns dann nicht gefallen, tauschen wir es gegen ein anderes Leben um. Aber auch die Resignation verbietet sich, da mag die Wirklichkeit unseres Lebens in bestimmten Phasen und Situationen noch so dunkel aussehen. Resignation fällt allen unseren Träumen von einem gelingenden Leben in den Rücken, sie hemmt und hindert uns daran, nach anderen Wegen und neuen Möglichkeiten zu suchen, wenn es einmal nicht mehr weiter zu gehen scheint. Da hat sich die Kraft einer Leben spendenden Sonne verfinstert und es ist scheinbar dunkel im Leben geworden, so dass man kaum noch gangbare Wege und Auswege sieht.

 

So stehen wir mit unserem Leben immer wieder einmal vor der Frage, aus welcher Quelle heraus wir leben möchten, um in einem Leben anzukommen, das für uns und für die Menschen, mit denen wir das Leben teilen, lebens- und liebenswert ist. Und immer wieder werden wir uns entscheiden müssen. Heute am Tag Eurer Konfirmation scheint die Antwort leicht und klar: Natürlich soll der Glaube eine Rolle in Eurem Leben spielen, natürlich wollt Ihr, dass Gott Euren Lebensweg begleitet. Aber ist das auf lange Sicht denn wirklich so klar?

 

Die bekannte Fachzeitschrift „Psychologie Heute“ hat gerade eine Ausgabe mit dem Titel „Glaubenssachen“ herausgegeben. Dort wird gesagt: „Die Bertelsmann-Stiftung hat ihren Religionsmonitor, die erste internationale Umfrage zur Religiosität, vorgelegt und meldet, dass es überraschend viele religiöse Menschen in Deutschland gibt. 70% seien religiös, 28% sogar `hochreligiös´, was schon fast ein wenig gefährlich klingt. Und nur 28% weisen in ihrer persönlichen Identität keinerlei religiöse Dimensionen auf...

Fraglich ist freilich, wie viele der `Religiösen´ solche Menschen sind, die zwar Gott oder an was auch immer sie glauben mögen, nicht leugnen wollen, aber aus ihrem Glauben auch keine größeren Konsequenzen ziehen...“ 4)

 

Es gibt eine „neue, bunte Vielfalt“ religiöser Strömungen und Richtungen in Deutschland, die zumindest deutlich machen, dass es zu dem immer wieder behaupteten „Aussterben der Religion“ in Deutschland nicht kommen wird. Aber ist das hilfreich? Wenn Ihr Euch heute konfirmieren lasst, dann bestätigt Ihr selbst ja das, was Eure Eltern bei Eurer Taufe einmal versprachen, nämlich aus dem christlichen Glauben heraus zu leben. Da geht es – und das wird heute vielfach verkannt – eben nicht um ein bisschen Religion für besondere Anlässe im Leben, sondern es geht tatsächlich darum, aus der Quelle heraus zu leben, die in Eurem Konfirmationsspruch benannt ist: Gott. Viele Menschen in Deutschland sind religiös, unbestreitbar, doch es ist oft eine Religiosität des Gefühls, des Scheins, der Unverbindlichkeit. Der Glaube darf uns nichts kosten, nicht materiell, nichts an Zeit, nichts an Inanspruchnahme.

 

Es ist gut, den Pfarrer in der Stadt zu wissen und die Glocken läuten zu hören, aber man will doch lieber selbst entscheiden, wann mich der Pfarrer zu Gesicht bekommt und ich in einen Gottesdienst gehe. Der Glaube darf meinen Way of Life nicht stören, dann zahle ich die Kirchensteuer gern. Das alles hat durchaus mit Religion zu tun, aber nicht mehr viel mit einem Glauben, der sich aus dem Wort und Geist Gottes heraus speist. Diese Quelle wird so vom Alltag mit all seinen Herausforderungen überwuchert.

 

Ihr seht, es gibt da durchaus einen Unterschied zwischen Glaube und Glaube, zwischen Religion und der Verbindlichkeit des christlichen Glaubens, der keine andere Quelle kennt, als Gott. Martin Luther hat dies als Pointe des Ersten Gebotes: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir so festgehalten.“ „... `Gott zu haben´, das kannst Du wohl erkennen, ist nicht so, dass man ihn mit (den) Fingern ergreifen und fassen oder in (einen) Beutel oder Kasten stecken und schließen kann...“ Denn: „Das, woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott...“ 5)

 

Ja, liebe KonfirmandInnen, so bleiben wir mit unserem Glauben, zu dem Ihr heute Euer eigenes Ja sagt, ein Leben lang unterwegs. Allerdings nur dann, wenn unser eigenes Wort wirklich ernst gemeint ist. Schließlich ist die ganze Welt voller Götter, aber unser Gott ist und bleibt Gott, er ist der Gott unseres Glaubens auch für die Zukunft Eures Lebens. Es wird ja immer wieder um Entscheidungen gehen, um das Suchen und Finden gangbarer Wege durch alle Lebenssituationen und Phasen des Lebens hindurch. Nie werden wir damit fertig werden. In all diesen Situationen wird sich zeigen, aus welchen der unendlich vielen Quellen, die es in der Welt gibt, Ihr Euer Leben speist. So wünschen wir Euch zu all dem, was Ihr Euch für diesen Tag und für Eure Zukunft wünscht, dass Ihr Euch immer wieder an diese eine Quelle erinnert und aus ihr lebt, die in Eurem Konfirmationsspruch angesprochen ist:

 

Du (Gott) bist die Quelle, die uns Leben schenkt. (Und) Deine Liebe ist die Sonne, von der wir leben

 

Da mag es dann immer wieder einmal mancherlei Schatten im Leben geben, der weitere Lebensweg vielleicht von vielen Fragen gepflastert und der Sinn des Lebens in Frage stehen, aber wir wünschen Euch, dass Ihr aus Eurer Quelle schöpfen könnt. Gottes Segen für Euren Weg. Amen.


 

 

Literatur:

 

1) Quelle in: http://www.google.de

2) Brecht, B., Dreigroschenoper, Gesammelte Werke 2, Frankfurt, 1967, S. 458

3) Luther, M., D Martin Luthers Psalmenauslegung, 2. Band,

    Hrsg. E. Mühlhaupt, Göttingen, 1962, S. 73

4) Rötzer, F., Gibt es eine Renaissance der Religion? In: Glaubenssachen,

    Psychologie Heute, 2008, Heft 19, S. 9

5) Luther, M., Großer Katechismus, Gütersloh, 1951, S. 19 und 17

 

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