3. Sonntag nach Trinitatis, 1.Joh 1,5-2,6

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Wir kennen das: Unser Leben ist nicht immer leuchtend, hell und unproblematisch weder für uns selbst, noch für unsere Mitmenschen; wir erleben ja auch die dunklen Stunden, die schattenhaften Seiten des Lebens – und dies bis in unseren Glauben oder Unglauben hinein, unserer Treue zu Gott oder unserer Abkehr von ihm. Was uns als Evangelium mit seinem Wort geschenkt ist, verkehren wir zu einem Gesetz, zu schlichter Moral. Lassen wir uns mit diesem Gottesdienst wieder einmal einladen, unseren Glauben neu zu bedenken und damit unser Verhältnis zu Gott und unser Verhältnis zur Welt, weil es einen weltlosen Glauben nicht geben kann.

           

Auf, mein Herz, preise den Herrn und vergiss nie, was er für mich getan hat!

(Ps 103,2)

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Manchmal sehen wir uns einfach zu unkritisch. Wir machen uns in Bezug auf den Glauben einiges vor und suchen uns dabei ja doch nur unsere eigenen Wege. Dein Wort darf uns nicht stören, dein Geist uns nicht in die Quere kommen und so haben wir selbst aus dem Glauben eine billige und beliebige Moral gemacht. So hilf uns, unseren Glauben neu zu bedenken und ihm Leben zu schenken: Wir brauchen ihn, unsere Welt braucht ihn. Da ist es gut, dass wir auf dein Wort zurück greifen dürfen, um aus deinem guten Geist heraus leben zu lernen. Es ist gut, weil dein Wort uns Orientierungen für ein sinnerfülltes Leben schenkt, es wertvoll macht für uns und unsere Mitmenschen. Lass es uns hören, wie Jesus Christus es gehört und dann gelebt hat. Amen.

 

 

Von ihm, dem offenbar gewordenen Wort, haben wir die Botschaft gehört, die wir euch weitersagen: Gott ist Licht, in ihm gibt es keine Spur von Finsternis. Wenn wir behaupten, Gemeinschaft mit Gott zu haben, und gleichzeitig im Dunkeln leben, dann lügen wir und tun nicht, was der Wahrheit entspricht. Leben wir aber im Licht, so wie Gott im Licht ist, dann haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut, das sein Sohn Jesus für uns vergossen hat, reinigt uns von jeder Schuld. Wenn wir behaupten, ohne Schuld zu sein, betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit lebt nicht in uns. Wenn wir aber unsere Verfehlungen eingestehen, können wir damit rechnen, dass Gott treu und gerecht ist: Er wird uns dann unsere Verfehlungen vergeben und uns von aller Schuld reinigen, die wir auf uns geladen haben. Wenn wir behaupten, nie Unrecht getan zu haben, machen wir Gott zum Lügner, und sein Wort lebt nicht in uns.

 

Meine lieben Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr kein Unrecht tut. Sollte aber jemand schuldig werden, so haben wir einen, der beim Vater für uns eintritt: Jesus Christus, den Gerechten, der ohne Schuld ist. Durch seinen Tod hat er Sühne für unsere Schuld geleistet, ja sogar für die Schuld der ganzen Welt. Ob wir Gott wirklich kennen, erkennen wir daran, dass wir auf seine Gebote hören. Wer behauptet, ihn zu kennen, ihm aber nicht gehorcht, ist ein Lügner, und die Wahrheit lebt nicht in ihm. Wer aber Gottes Wort befolgt, bei dem hat die göttliche Liebe ihr Ziel erreicht. Und daran erkennen wir, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben. Wer behauptet, ständig Gemeinschaft mit ihm zu haben, muss so leben, wie Jesus gelebt hat.

 

 

 


Liebe Gemeinde!

 

Unser ganzes Leben besteht aus dem Wechsel von Tag und Nacht in einem beständigen Wandel. Ganz gleich was die Tage unseres Lebens bringen, was wir erleben, was uns fordert, worüber wir uns freuen oder was uns belastet, die nächste Nacht kommt. Und so ist es auch mit den Nächten: Da können wir tief, ruhig und fest schlafen oder wach im Bett liegen, uns hin und her wälzen, weil uns etwas bedrückt und uns nicht aus dem Kopf geht, aber der nächste Morgen kommt, der uns in den angehenden Tag hinein begleitet. Wir können bis in die Nacht hinein arbeiten oder umgekehrt die Nacht zum Tage machen. Dabei sind der Tag und die Nacht „Naturgegebenheiten“, Licht und Finsternis aber „Existenzgegebenheiten“ [1]

 

So kann es mitten am Tag sehr finster um uns herum werden und umgekehrt eine Nacht sehr hell für uns sein. Immer dort, wo es in uns licht wird, verändert sich alle erfahrene Finsternis. Dafür gibt es in der Bibel das wunderschöne Beispiel von Jakobs existentiellem Kampf am Jabock, wo er eine ganze Nacht lang mit einem unbekannten Gegner kämpft, um dann schließlich gesegnet, mit einem neuen Namen versehen in den Tag und zu seiner Familie zurückgeht. Er ist an seiner Hüfte verletzt, aber, so wird es gesagt, ihm geht die Sonne auf (1. Mose 32, 23 – 32).

 

Wie oft erleben wir das in unserem Leben, dass wir – wie auch immer - verletzt werden und uns dennoch die Sonne aufgeht, als Symbol des Lebens und einer hoffnungsvollen Zukunft. Immer wieder geht es in der Bibel von den ersten Schöpfungsberichten an um das „Licht“ und die „Finsternis“, so auch in unserem Text aus dem 1. Johannesbrief. Junge Gemeinden erfahren in ihren eigenen Reihen die ersten Irrlehren und müssen nun lernen, sich dagegen abzugrenzen. Schon an ihrer Sprache sind sie zu erkennen.

 

In diesen Lehren geht es darum, dass gesagt wird, dass der Lebensalltag auch ohne Gott zu bewältigen ist, es gibt andere Möglichkeiten, Orientierung und Sinn zu erfahren. Die Einmütigkeit im Glauben ist nicht so wichtig, jeder kann nach seiner Facon selig werden. Das Thema „Schuld“ vor Gott und Mensch ist unwichtig und damit auch die Gebote Gottes. Ja, selbst der Glaube an Christus rückt an den Rand. Diese Irrlehren sind darum ebenso gefährlich, wie modern, weil sie sich hier mit einem „fortschrittlichen“ Christentum tarnen. [2]  Der Glaube der Einen ist scheinbar überholt und altmodisch, der der Anderen dagegen aufgeschlossen und modern. Diese Spannung wird in den Bildern von „Licht“ und „Finsternis“ deutlich gemacht.

 

Auffallend ist, wie modern solche Meinungen daherkommen. Aber: „Wenn wir behaupten, Gemeinschaft mit Gott zu haben, und gleichzeitig im Dunkeln leben, dann lügen wir... Wenn wir behaupten, nie Unrecht getan zu haben, machen wir Gott zum Lügner... Wer behauptet, ihn zu kennen, ihm aber nicht gehorcht, ist ein Lügner...“ So kennen wir uns: Ein jeder glaubt irgendwie an Gott; ein jeder von uns nimmt für sich in Anspruch, ein guter Mensch und damit ohne Fehl zu sein; wir geben vor, Gott zu kennen, hören aber nicht mehr auf sein Wort.

 

Schon 1855 schrieb der große und scharfsinnige dänische Denker Sören Kierkegaard in seinem Werk „Der Augenblick“:

 

„... Anstatt die Ideale zu verkündigen, bringt man an, was die Erfahrung aller Jahrhunderte gelehrt habe: dass die Millionen es bloß zur Mittelmäßigkeit bringen. Dann bringt man das Christentum an: als Beruhigungsmittel. Niederträchtige Pfaffenlüge, die sich aber bezahlt macht, dass man das Christentum beruhigend anbringt, anstatt dass es im tiefsten Grunde erweckend, beunruhigend ist! ...

 

Sei nur ruhig, Du bist völlig genauso wie die Millionen; und die Erfahrung aller Jahrhunderte hat gelehrt, dass man es weiter nicht bringt! Sei nur ruhig, Du bist wie die Anderen, wirst selig genau wie die anderen... Auf diese Weise hat man die Christenheit demoralisiert, in dem man nicht die Ideale verkündigt, sondern das Gegenteil tut. Doch was hilft es, was hilft es, dass man sich unter Beistand der Pfaffenlüge, dieses Leben leicht und bequem macht? Die Ewigkeit hält man nicht zum Narren...“ [3]

 

Immer mehr wurde der Glaube mit Humanismus verwechselt, die „christliche“ Erziehung, die wir bei der Taufe unserer Kinder versprechen, mit einer Erziehung zu einem guten Menschen. Goethe lässt grüßen, wenn er in seinen großen Weltanschauungshymnen wie „Das Göttliche“ sagt: „Edel sei der Mensch, Hilfreich und gut!“ [4] Aber was hat so ein durchaus richtig formulierter Satz mit dem Glauben zu tun? Mit dem Christentum eben nur so viel, dass auch Christen edel sein können, hilfreich und sogar gut.

 

Es geht in dieser Auseinandersetzung der jungen Kirche um Lüge und Selbstbetrug und diese Auseinandersetzung wird fortgeführt bis auf den heutigen Tag. Wir spüren, dass der moderne Mensch nicht sehr weit von der Auffassung entfernt ist, wie sie die Philosophie aus dem Umfeld der jungen Kirche formuliert hat. So setzt der Schreiber des 1. Johannesbriefes diesen fragwürdigen Auffassungen zeitgenössischer Philosophie, die sich als Christentum ausgeben möchten, nun umgekehrt seine Auffassung vom „christlichen“ Glauben entgegen: Gott ist Licht. Der Alltag ohne ihn ist nur mit einer menschlichen Finsternis zu vergleichen. Die Sünde ist eine Wirklichkeit, die nicht wegdiskutiert werden kann, schauen wir uns doch nur einmal in der Welt um. Versöhnung und Vergebung wird uns durch den Glauben und nicht durch unsere Selbstrechtfertigung zuteil. Wer meint, Gott zu kennen, muss die Gebote Gottes achten und leben. Der christliche Glaube kann nur in der Gemeinschaft mit anderen Christen und mit Christus erfahren und gelebt werden. [5]

 

Die junge Kirche muss sich abgrenzen, soll sie nicht schon an ihrem Anfang zu einer Art Sekte werden und in einem Meer von unterschiedlichsten Religionen untergehen. So wird nun einerseits ganz konsequent auf Irrtümer hingewiesen, andererseits aber das Wesen des christlichen Glaubens hervorgehoben. Prüfstein ist die Aussage: „Ob wir Gott wirklich kennen, erkennen wir daran, dass wir auf seine Gebote hören...“

 

Ohne das Hören auf das Wort Gottes und die Auseinandersetzung mit ihm geht es also nicht, weil ich ja nicht wissen kann, worum es meinem Glauben geht, wenn mir der Umgang und die Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes und den Mitchristen fehlen. Wir hören es heute ja gar nicht so gern, wenn christliche Glaubenssätze so steil in die Welt hinein formuliert werden. Denn: Klingt das nicht wirklich mehr nach Gesetz, als nach Evangelium? Aber, woher nehmen wir denn den Maßstab für unseren Glauben und woher geben wir ihm seine Orientierung, wenn wir am Glauben der Kirche vorbei leben, weil uns das Wort Gottes fremd bleibt?

Die weltweiten christlichen Konfessionen sind heute von unzähligen Sekten umgeben, die sich alle einmal dadurch trennten, weil man an der einen oder anderen Stelle der Bibel einer anderen Meinung war. Und immer waren es Einzelne, die Sekten begründeten. Die ganze Reformationsgeschichte zeigt uns, wie sehr Glaubens- als Wahrheitsfragen in die Mitte der Gemeinde, der Kirche, gehören. Um die Wahrheit des Glaubens muss immer wieder einmal gekämpft werden, so, wie man manchmal auch an ihr leiden wird. Nie können wir theologische Fragen für uns selbst entscheiden, wir werden immer darauf angewiesen bleiben, was andere Menschen mit uns glauben, wie sie das Wort Gottes verstehen, auslegen und leben. Nicht umsonst bekennen wir im Glaubensbekenntnis die „Gemeinschaft der Heiligen“

 

Es ist ja das traurige Merkmal der Volkskirchen, dass man die Mitgliedschaft in einer Kirche mit dem „Christsein“ verwechselt.

Hier wird der Glaube, wie Kierkegaard es ganz richtig sagt, zum Beruhigungsmittel. Nein, zum christlichen Glauben gehört die Auseinandersetzung mit dem Glauben und das Hören des biblischen Wortes, als des Wortes Gottes an uns. Der katholische Theologe Hans Küng fasst einmal sehr verständlich zusammen, was eigentlich das Besondere des Christentums ist. Er sagt:

 

„Christlich ist nicht alles, was gut, wahr, schön und menschlich ist. Wahrheit, Gutheit, Schönheit und Menschlichkeit gibt es auch außerhalb des Christentums. Christlich ist alles, was in Theorie und Praxis einen wirklich positiven Bezug zu Jesus Christus hat.

 

Christ ist nicht jeder Mensch echter Überzeugung, ehrlichen Glaubens und guten Willens. Echte Überzeugung, ehrlichen Glauben und guten Willen gibt es auch außerhalb des Christentums, Christen sind diejenigen, für die Jesus Christus letztendlich ausschlaggebend ist.

 

Christliche Kirche ist nicht jede Meditations- oder Aktionsgruppe, nicht jede Gemeinschaft engagierter Menschen, die sich zu ihrem Heil um ein anständiges Leben bemühen. Engagement, Aktion, Meditation, anständiges Leben und Heil kann es auch in anderen Gruppen außerhalb der Kirche geben. Christliche Kirche ist jede größere oder kleinere Gemeinde von Menschen, für die Christus letztendlich entscheidend ist.

 

Christentum ist nicht überall dort, wo man Unmenschlichkeit bekämpft und Humanität verwirklicht. Unmenschlichkeit bekämpft man und Humanität verwirklicht man auch außerhalb des Christentums - unter Juden, Moslems und Buddhisten, unter nachchristlichen Humanisten und ausgesprochenen Atheisten. Christentum ist dort, wo die Erinnerung an Jesus Christus in Theorie und Praxis belebt wird...“ [6]

 

Darum geht es, wollen wir unseren Glauben wirklich als christlichen Glauben leben und damit werden wir unser ganzes Leben herausgefordert und auf dem Weg bleiben. Amen.


 

 

Literatur:

 

1) Früchtel, U., Mit der Bibel Symbole entdecken, Göttingen, 1991, S. 42 ff

2) Schall´, T., Deutsches Pfarrerblatt, 3. Sonntag nach Trinitatis,

Heft 5/2006, www.deutsches-pfarrerblatt.de

3) Kierkegaard, S., Der Augenblick, Düsseldorf, 1959, S. 306

4) Böttcher, K., Geflügelte Worte, Leipzig, 19854, S. 312

5 Schall, T., a.a.O.,

6) Küng, Hans, Christ-sein, München, 1974, S. 117

 

 

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