Himmelfahrt, Lukas 24, 44-53

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Himmelfahrt oder Vatertag, was feiern wir, was erwarten wir von diesem Tag im Jahr, im Kirchenjahr, wohin lassen wir uns von Gott und Menschen leiten und begleiten? Sperrig ist dieser Festtag unter den Festen der Kirche und dennoch richtet er unseren Blick in die richtige Richtung und lässt uns allen Vatertagsspaziergängern und Waldläufern zum Trotz ein Fest des Glaubens feiern:

 

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. (Hebräer 13,8)

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Hab Dank für diesem Himmelfahrtstag. Wir bitten, lass den Himmel aufgehen über uns und allen, denen die Sicht durch dichte, dunkle Wolken ihrer Sorgen und Ängste verstellt ist und all jenen, die den Wald vor Bäumen nicht sehen. Lass uns dich nicht in der Ferne über den Wolken glauben, sondern hier in unserer Mitte, mitten in unserem Leben.

 

Schenke uns allen die Erfahrungen mit Vätern und Müttern, dass wir auch dich als einen ebenso väterlichen wie mütterlichen Gott zu glauben lernen, einen Gott, der sich unserem Leben zuwendet, sich in unserem Leben finden lässt. Herr, lass auch uns gesegnet in den Tag, die Zeit, die du uns schenkst, zurück gehen und fröhlich unseren Glauben leben. So werden wir dann verstanden haben, was Himmelfahrt heißt.

 

So danken wir dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für unsere katholischen Mitchristen, für unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.

 

 

Dann sagte er zu ihnen: »Als ich noch mit euch zusammen war, habe ich euch gesagt: 'Alles, was im Gesetz, in den Schriften der Propheten und in den Psalmen über mich steht, muss in Erfüllung gehen.'« Und er half ihnen, die Heiligen Schriften richtig zu verstehen. »Hier steht es geschrieben«, erklärte er ihnen: »Der versprochene Retter muss leiden und sterben und am dritten Tag vom Tod auferstehen. Und den Menschen aller Völker muss verkündet werden, dass ihnen um seinetwillen Umkehr zu Gott und Vergebung der Schuld angeboten wird. In Jerusalem muss der Anfang gemacht werden. Ihr seid Zeugen geworden von allem, was geschehen ist, und sollt es überall bezeugen! Ich aber werde den Geist, den mein Vater versprochen hat, zu euch herab senden. Wartet hier in der Stadt, bis das eintritt und ihr mit der Kraft von oben gestärkt werdet.«

 

Darauf führte Jesus sie aus der Stadt hinaus nach Betanien. Dort erhob er die Hände, um sie zu segnen. Und während er sie segnete, entfernte er sich von ihnen und wurde zum Himmel emporgehoben. Sie aber warfen sich vor ihm nieder. Dann kehrten sie voller Freude nach Jerusalem zurück. Sie verbrachten ihre ganze Zeit im Tempel und priesen Gott.


 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Was für ein Fest – Himmelfahrt? Vatertag! Was feiern wir an einem Tag wie diesem und warum gehen wir gerade mit diesem Fest der Kirche so stiefmütterlich um? Ich glaube, dass die Antwort ganz einfach, das Fest aber in seiner Tiefgründigkeit zu verstehen, viel schwieriger ist. Für den modernen Menschen ist der Himmel oben und Gott weit weg, was soll da die unwirkliche Rede von einer Himmelfahrt? Viel konkreter, fassbarer ist da schon der Vatertag. Gibt es nun schon einmal einen Muttertag, so soll es auch einen Vatertag geben, sind die Väter, als greifbare Väter, heute ja ohnehin oft ungreifbarer für ihre Kinder geworden.

 

Dabei könnte uns ja gerade der unselige „Vatertag“ einmal in besonderer Weise nach dem väterlichen Gott fragen lassen. Ihn finden wir – aber nicht wie unsere konkreten Väter mehr oder weniger alkoholisiert und berauscht im Wald und auf der Heide. Niemals habe ich davon gehört, dass ein Mann von seinem Vatertagsausflug geistlich verwandelter in seine Familie und in seinen Lebensalltag heimgekehrt sei. Also muss da etwas falsch verstanden worden sein.

 

Bereits 1963 beklagt der große Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich in seinem Buch „Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft“ 1), dass unsere Gesellschaft Abschied nimmt von symbolischen Vorbildern und Idealen und damit den Verfall der Vaterrolle und prägender Vorbilder. Wo sie fehlen, erkrankt eine Gesellschaft. Hat sich genau das nicht ganz offensichtlich bestätigt? Wo unseren Kindern die Väter abhanden kommen, wie soll man da an einen Gott glauben können, den wir Vater nennen? Und heute muss gleiches wohl sogar oft auch schon für die Mütter gesagt werden, die immer weniger greifbar sind, denken wir doch nur an das Heer allein erziehender, arbeitstätiger Mütter. Am Himmelfahrtstag mit einem väterlichen Gott auch die Väter als Väter neu zu suchen und zu entdecken, das gäbe diesem Tag einen Sinn weit über seine theologische Bedeutung hinaus!

 

Die Entstehung dieses Festes der Kirche liegt im Dunkeln, es ist keine „Erfindung“ eines Konzils. Wir dürfen vermuten, dass es aus der Gemeinde heraus geboren wurde und damit in der Welt war. Der große griechische Theologe Origenes, er starb 253 n. Chr., kennt dieses Fest noch nicht, dafür finden wir dann schon bei Chrysostomus, der 344 n. Chr. geboren wurde, eine Himmelfahrtspredigt. Er war einer der frühen Patriarchen Konstantinopels. Bereits die frühe Kirche kennt also dieses Fest und feiert es.

 

Wer von der Himmelfahrt redet, muss auch über den Himmel reden. Entscheidend ist, dass wir nicht darüber spekulieren, was damals mit dem auferstandenen Herrn geschehen ist. Die Evangelien selbst sind hier sehr zurückhaltend und Lukas ist der einzige Evangelist, der überhaupt bei der Himmelfahrt als einer Erhöhung Jesu spricht. Zu begreifen ist, dass uns mit der Botschaft dieses Tages eine neue, andere Sicht des Himmels selbst geschenkt wird. Wer von uns sehnte sich denn nicht nach einem Himmel auf Erden, nach himmlischen Zuständen und Zeiten im Leben? Wer von uns leidet denn nicht oft genug darunter, dass der Himmel so fern, die Höllen schwieriger Lebenserfahrungen und Lebenssituationen aber näher zu sein scheinen? Die Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz berichtete eines Tages über ihren Schock, als ihr ein Lehrer ihren Himmel raubte:

„Der Lehrer (...) erklärte uns (...) einmal die Himmelsgeographie, Fixsterne und Planeten, alles einfach, für Achtjährige, ohne Himmelsglobus und Karten, nur was es da gibt und wie sich das Vorhandene untereinander bewegt. (...) Und was ist über den Sternen, fragte ich, als der Lehrer seine (...) Himmelskunde schon abgeschlossen hatte und nach dem Rechenbuch griff. Da sind, sagte er etwas ungeduldig, auch noch andere Sterne, ganze Sternsysteme, Sternennebel, das versteht ihr noch nicht. (...) Und darüber? fragte ich zitternd. Darüber ist nichts, sagte der Lehrer, nur eben der Weltraum, also nichts. Bei diesen Worten sah er mich böse an, er machte auch eine Bewegung mit der Hand, vielleicht tat er das ganz bewusst, und es war ihm auch bewusst, was er da wegfegte, nämlich einen ganzen Kinderhimmel, ein dickes Wolkenpodest, auf dem die Heilige Dreifaltigkeit, die Engel und die Heiligen saßen. Wir rechnen jetzt, sagte er, du kannst anfangen, und ich nahm mich zusammen...“ 2)

 

Auch so kann man den Glauben an den Himmel verlieren und damit den Glauben an Gott, aber dieser Tag bezeugt uns sprachlich, dass der Himmel nicht allein diese unbegreifliche, unendliche Weite über uns ist, sondern gerade auch der Raum, in dem uns Gott nahe ist, gerade in Jesus Christus, seinem Sohn. „Jesus ist“, so wird es einmal sehr treffend und schön gesagt, „das menschliche Gesicht des Himmels.“ 3) Der Himmel kommt uns so nah, wie der Mensch Jesus dem Menschen nahe kommen kann, der den himmlischen Gott auf die Erde geholt hat, um hier seine Spuren zu hinterlassen. So bleiben wir Menschen mit unserem Leben immer der Erde verbunden, auf der wir stehen, auf der wir leben, aber wir dürfen diesen Blick darüber hinaus haben und darum noch ein wenig mehr sehen, als all das, was uns hier gefangen hält. Himmelfahrt kann uns daher wie ein „erhobener Finger, ein aufgerichtetes Zeichen“ (H.-J. Iwand) sein gegen all unsere menschlichen Wünsche nach Anschaulichkeit und Greifbarkeit Gottes.

 

Und so gibt es dann gedanklich auch keine Möglichkeit mehr, Gott irgendwohin abzuschieben, weder in einen jenseitigen Himmel über uns, noch in einen Wald voller Bäume. Der je nach Wetterlage blau-graue Himmel über uns und die Bäume im Wald um uns herum versperren uns oft genug den Blick für den Ort Gottes in uns und in seiner ganzen Schöpfung. Der Himmel des Glaubens ist da wo unser Gott ist und nirgendwo anders. Dadurch wird unserem „Schauenwollen eine Grenze gesetzt, auch unserem „frommen“ Schauen-Wollen. Himmelfahrt heißt also: Dort ist nicht hier! 4) Und so bleiben auch wir, wie das durch die Wüste wandernde Gottesvolk unterwegs, immer aber auf den Himmel verwiesen und den Gott, der uns in unserem Leben mit all seinen Erfahrungen begleitet.

 

Aber stellen wir uns die Situation einmal konkret vor: Jesus stirbt seinen qualvollen Tod am Kreuz, dann wird er als der Auferstandene bezeugt, um schließlich nun doch den Kreis seiner Jünger und Freunde zu verlassen. Es führt kein Weg daran vorbei: Es muss Abschied genommen werden. Und wer von uns Abschiede, endgültige Abschiede kennt, weiß darum, wie schmerzhaft und leidvoll sie sind. Da kommt es zu einer Trennung ohne Heimkehr, da müssen wir hergeben und loslassen, was zu uns und unserem Leben scheinbar unverbrüchlich dazu gehörte.

 

Und doch ist dieser Abschied anders: Jesus erinnert noch einmal an all das, was er seinen Zuhörern als Botschaft des Glaubens gesagt hatte und beruft sie nun ganz nachdrücklich zum Zeugendienst. Dann segnet er sie und so dürfen sie als Gesegnete in ihr Leben heimkehren - und tun es nun auch voller Freude und Dankbarkeit. In seinem Geist, den er ihnen verspricht, werden sie in die Welt hinein gehen und ihren Glauben verkündigen. Aus seinem Geist heraus werden sich Gemeinden gründen, die im Laufe der Zeit zur Kirche Jesu Christi heranreifen. Erst so verstanden ist die Himmelfahrt dann kein abgehobenes Ereignis mehr, sondern es bewegt Menschen aus ihrem Glauben heraus in die Welt, um ihnen den Himmel nahe zu bringen, den Himmel, den sie so unendlich nötig haben, nötiger als alles andere.

 

Weil auch wir immer wieder als gesegnete Menschen in unser Leben gehen, darum dürfen auch wir uns freuen, Sonntag für Sonntag nach jedem Gottesdienst den wir feiern. Und mit dem Segen werden wir zugleich ja an unseren Auftrag erinnert, das gute Wort Gottes als Evangelium in unserer Welt in Worten und mit Taten zu bezeugen.

 

Was für ein Fest – Himmelfahrt? Vatertag! Was feiern wir an einem Tag, wie diesem, so fragten wir eingangs. Wie schön wäre es, wenn künftig mehr Väter ihren Vatertag in der Kirche beginnen würden, um dann gesegnet ein Stück Himmel mit in ihre Familien und dann zusammen mit der ganzen Familie in den Wald zu nehmen. So könnte dann sogar im Wald einmal der Himmel zu finden sein. Denn wenn uns unsere kirchlichen Feste und Feiertage lieb sind, dann sollten wir sie auch pflegen und feiern, denn sonst werden auch sie einmal mit gutem Recht in Frage gestellt sein. Nehmen wir ihn mit, den Himmel unseres Glaubens aus diesem Gottesdienst heraus und gehen dann auch wir als gesegnete und wo immer es uns möglich ist auch als fröhliche Menschen in die Herausforderungen unseres Lebens hinein. Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Mitscherlich, A., Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft, München, 1963

2) Hauck, B., An Himmelfahrt vom Himmel reden, in Göttinger Predigtmeditationen,

    2009, 63. Jhrg., Heft 2, Göttingen, S. 266

3) Hauck, B., a,.a.O., S. 266

4) Iwand, H.-J., Predigt-Meditationen, Himmelfahrt 1956, S. 495

 

Schnell, D., Der Himmel kommt der Erde nah, in: http://www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/predigthilfen.html

Barth, K., Credo, München, 19351, S. 94ff

 

 

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