Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Septuagesimae, 1.Kor 9,24-27

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! In der Auseinandersetzung im Alltag kommt Gott oft zu kurz, wir werden von einem Termin zum anderen gehetzt, jagen einem Erfolg nach dem anderen hinterher, doch der Glaube bleibt dabei auf der Strecke, da fehlt uns die Zeit, die Ruhe, die Kraft oder der Mut zur Auseinandersetzung. Paulus spricht in Bildern vom Wettlauf und Wettkampf, ja sogar vom Faustkampf, wenn es um das große Ziel geht. Auch wir sind immer wieder gefragt, was unsere Ziele sind, wofür es zu kämpfen lohnt, gerade, wenn es um unseren Glauben, um Gott geht.

 

Alle, die auf den Herrn vertrauen, bekommen immer wieder neue Kraft, es wachsen ihnen Flügel wie dem Adler. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und brechen nicht zusammen (Jes. 40,31).

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Schenke uns deinen guten Geist, dass wir unser Leben nicht allein an Äußerlichkeiten festmachen: unserem Aussehen, den Pfunden, die wir zu viel wiegen, unserer körperlichen Kraft oder Ausdauer. So schön das alles ist, es bestimmt eben nicht über den Sinn unseres Lebens.

 

Herr, wir müssen uns so oft durch unser Leben kämpfen, so lass uns in all den tagtäglichen Herausforderungen unseres Lebens einen guten Kampf kämpfen, der deutlich werden lässt, dass wir um den tieferen Sinn unserer einmaligen Existenz wissen und unser Glaube nicht aus leeren Worten und Gesten besteht. Wir bitten dich um offene Augen, Ohren und Hände, um eine Sprache, die dem Frieden dient, damit unser Glaube in der Welt besteht und wir das eine große Ziel unseres Lebens auch wirklich erreichen: Gott! Amen.

 


 

Ihr wisst doch, dass an einem Wettlauf viele teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis, den Siegeskranz. Darum lauft so, dass ihr den Kranz gewinnt! Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist. Darum laufe ich wie einer, der das Ziel erreichen will. Darum kämpfe ich wie ein Faustkämpfer, der nicht daneben schlägt. Ich trainiere den eigenen Körper, so dass ich ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich will nicht anderen predigen und selbst versagen.

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Vermutlich wird der eine oder die andere von Ihnen beim Hören unseres Predigttextes still geseufzt haben, geht es nun ja auch noch in der Bibel um den Leistungsdruck, möglichst in der ersten Liga mitzuspielen, ganz gleich auf welchen Feldern wir gefordert sind. Andere werden sich vielleicht – sportbegeistert – gefreut haben, einen solches Wort ausgerechnet aus der Bibel zu hören.

 

Wer hätte noch vor gar nicht allzu langer Zeit gedacht, dass unzählige Menschen sich freiwillig bis zur Erschöpfung in Fitnesszentren quälen, um ihren Körper in Form zu halten. Da stemmt man Gewichte, hängt sich an Apparaten auf, rennt auf Laufbändern, dehnt, dreht und streckt sich, so dass es keinen Zentimeter am Körper mehr gibt, der nicht gefordert ist. Ein Selbstopfer, über das viele nur milde lächeln können, das andere aber als hilfreich und durchaus sinnvoll empfinden. Längst haben wir es ja angesichts völlig veränderter Arbeitsbedingungen nötig, unseren Körper gezielten Anstrengungen auszusetzen, da wir ja kaum noch körperlich gefordert sind.

 

Paulus hatte die Isthmischen Spiele im Sinn, die natürlich mit ihren Wettkämpfen, Pferderennen und später dann auch körperlichen Wettbewerben ein großes Ereignis waren. Man widmete sie Poseidon, dem Gott des Meeres und aller Gewässer, ein Konkurrenzunternehmen zu den schon damals bekannten Olympischen Spielen. [1] Damit greift er auf aktuelle Ereignisse zurück, die in Korinth, einer Regionalhauptstadt, natürlich bekannt waren und um die kein Mensch herum kam. Dabei werden es sich die relativ wenigen Christen in Korinth, die zunächst alle der Unterschicht angehörten, kaum geleistet haben, zu solchen Wettspielen zu gehen. Ganz abgesehen davon, dass sie damit fremden Göttern gehuldigt hätten.

 

Dennoch greift Paulus dieses – wir spüren es – nicht ganz unproblematische Bild auf, um darüber zu reden, wie er sich bis an die Schmerzgrenze um seinen Glauben müht, sowie die Glaubensvermittlung in dieser problematischen Großstadt, die ebenso „anziehend und abstoßend, faszinierend und ernüchternd zugleich“ ist. Ihm geht es mit seinem Bild darum, dass sich Christen in all dem bunten Treiben, den vielfachen Angeboten, den großen Herausforderungen ihrer Zeit und Welt auf das Wesentliche konzentrieren und sich nicht davon ablenken lassen. Dabei sind wir an das Märchen vom Hasen und dem Igel erinnert:

An einem Sonntagmorgen steht der Igel vor der Haustür und denkt sich: “Ach, es ist so schönes Wetter, ich kann noch mal ins Feld gehen. Dort trifft er auf den Hasen. Dieser - etwas hochnäsig: “Wie kann das angehen, das Du hier im Feld rumläufst. Du hast doch nur so krumme Beine.” Schließlich sagt der Igel: ”Wollen wir wetten, dass ich schneller bin als Du?” Was der Hase nicht weiß: Am Ende des Ackers steht die Frau des Igels, die beim Anblick des Hasen ruft: “Ich bin schon da.” Der Hase denkt, er hat das Rennen verloren. Er startet wieder und wieder - bis er schließlich tot umfällt. [2]

 

Gerade so sollen wir nicht leben: getrieben, gehetzt, gejagt, auch wenn wir uns manchmal durch unser Leben buchstäblich durchboxen müssen. Selbst der Glaube ist ja oft eine solche Herausforderung, der wir uns stellen oder der wir nur allzu gern ausweichen. Für Paulus ist er ein unglaubliches Geschenk der Freiheit, denn durch ihn werden die Menschen frei von den vielen angstmachenden Göttern und Götzen, Zwängen und fraglichen Bindungen. Zum Glauben an Gott, der sich durch Jesus Christus ganz und gar menschlich in der Welt bezeugen ließ, wird niemand von uns gezwungen, und dennoch ist wohl jeder Mensch, der an Gott glauben will, in einer ganz besonderen Weise herausgefordert.

 

Wie steht es denn um unseren Glauben angesichts der vielfachen Herausforderungen unserer Zeit? Wie erfahren wir Gott in den Tiefen unseres Lebens, wenn wir einmal traurig sind, einsam und die Dinge gar nicht so laufen, wie wir sie uns wünschen? Wer ist Gott für mich, für uns? Ist es denn nicht so, dass wir ja schon ganz gern ein wenig mehr glauben würden, wäre es nur nicht so anstrengend, kompliziert und offensichtlich zeitraubend? Fragen wir Jugendliche, so werden wir ganz oft zu hören bekommen, dass sie ja schon irgendwie glauben, aber es ist vielfach eine vagabundierende, eine vom Glauben der Kirche losgelöste Religiosität. Heute möchten sich viele Menschen das aus dem Glauben, der Bibel, dem Leben der Kirchen herauspicken, was ihnen in ihren Lebenszusammenhang passt.

 

Kasualien, also die Gottesdienste anlässlich von Trauungen oder Beerdigungen sind wichtig, Schulanfängergottesdienste, Grüße der Kirchengemeinde, wenn man neu in eine Stadt gezogen ist, Glückwünsche zum Geburtstag, der eine oder andere Besuch des Pfarrers oder des Besuchsdienstkreises. Gerade an den Schwellen, den Übergängen unseres Lebens, spielt die Kirche eine große erwünschte Rolle, doch wo spielt der Glaube der Kirche diese Rolle in unserem Alltag? Wie also beantworte ich die Frage nach meinem Glauben aus meinem Leben heraus, wenn unser Gott eben kein Schönwettergott für einige Anlässe im Leben sein soll?

 

Stellen wir uns diesen Fragen, dann spüren wir, warum Paulus so reden kann. Diese fast gewalttätigen Bilder vom Wettlauf, Wettkampf oder sogar dem Faustkampf lassen uns nachempfinden, dass der Glaube uns etwas kostet, ja etwas kosten muss und wird, soll es der Glaube an Gott und eben gerade nicht irgend ein Abziehbild Gottes sein, das wir uns zurecht legen. Zu unserem Glauben gehört die Auseinandersetzung, das Training, die Regelmäßigkeit, die Gemeinschaft, ohne die ich ja gar nicht wissen würde, worum es überhaupt geht. Daher das Versprechen der Eltern bei der Taufe, ihre Kinder im „christlichen“ Glauben zu erziehen, daher auch der Religions- oder der Konfirmandenunterricht. Sei es in der Familie, der Schule, der Gemeinde, überall kann, ja sollte - recht verstanden - der Glaube eingeübt werden. Weil wir sonst Gefahr laufen, an irgendetwas in der Welt zu glauben, nicht aber an Gott.

Dem Sieger, so sagt es Paulus ganz sportlich, winkt schließlich ein Preis, der Siegeskranz. Auch hier ist das paulinische Bild ein wenig verzerrt, denn für uns Christen gilt ja, dass wir alle einmal dieses Ziel erreichen wollen und so Gott will, auch erreichen werden. Da fragt es sich nur, was wir denn eigentlich durch unseren Glauben gewinnen, und ob es sich lohnt, sich dafür wirklich bis an die Grenze unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten einzusetzen? Denn wer für ein Ziel kämpft, der muss es ja leidenschaftlich tun, bereit, für dieses Ziel auch einmal zu leiden.

 

Ich versuche es mit einem anderen Bild zu verdeutlichen: Wenn ich einen Menschen kennen lerne, dann kann ich mich auf ganz unterschiedliche Weise mit ihm auseinandersetzen. Ich kann Zeit opfern, wenn ich ihn mag und interessant finde oder ich gehe ihm aus dem Weg, wenn ich mir von dieser Beziehung nicht viel verspreche. Aber jeder Mensch stößt irgendwann auf einen ganz bestimmten anderen Menschen, der ihn in Anspruch nimmt, herausfordert und damit auch fordert. Man investiert selbstverständlich Zeit, sogar Unbequemlichkeiten und schließlich kann es dazu kommen, dass wir spüren, geliebt zu werden oder selbst zu lieben. Wer liebt, nimmt einen bestimmten Weg auf sich, selbst, wenn er einmal mühsam wäre, ich habe ein Ziel vor Augen, das ich erreichen will und dem nun alles andere untergeordnet wird.

 

Das Geschenk der Liebe kostet uns also etwas, wir müssen uns einsetzen, etwas dafür tun. Dafür erhalten wir eine ganz exklusive, einmalige, unnachahmliche Beziehung, die eben nur – und ausschließlich – dem geliebten Menschen gilt. Menschen glauben an Gott, weil sie sich von diesem – über alles menschliche hinaus – geliebt fühlen. Ich darf grenzenlos darauf vertrauen, dass Gott sein Ja zu meinem Leben sagt und mir damit die Orientierungen und den Sinn für meine Existenz schenkt, die es sinnvoll macht. Durch den Glauben an Gott erfahre ich ein unerschütterliches Urvertrauen, selbst dann, wenn mich mein Kopf auch einmal zweifeln lässt. Das gehört einfach zu unserer Auseinandersetzung mit Gott und den vielen Fragen nach dem Glauben dazu. Dabei spielt es dann eben keine Rolle mehr, ob mein Leben nach menschlichen Maßstäben gelingt oder nicht, ich glücklich bin oder auch einmal angefochten leben muss.

 

So wenig uns die Liebe zu einem Mitmenschen einfach nur tatenlos in den Schoß fällt, so wenig die Liebe zu Gott. Darum benutzt Paulus diese engagierten Bilder des Kampfes, der Auseinandersetzung, wenn er über seinen Glauben spricht, weil er seinen Gott liebt. Und seien wir ehrlich, ich denke, dass wir ihn ganz gut verstehen können, selbst wenn uns die kämpferischen Bilder vielleicht fremd bleiben. Auch für uns gilt ja, dass wir uns unseren Glauben - und damit auch unsere Glaubwürdigkeit - erarbeiten müssen, um einmal spüren zu dürfen wie das ist, von Gott durch das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen grenzenlos begleitet zu sein.

 

Wo die Auseinandersetzung fehlt, kann Gott mir nichts sagen, wo die Auseinandersetzung fehlt, werde ich weder geliebt werden, noch selber lieben können. Um das Ziel zu beschreiben, um das es Paulus geht, kann uns das Bild der Liebe helfen. Darum fordert er uns auf, uns auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren, wie ein Wettkämpfer auf den Wettkampf und darum auch unseren Glauben mit Engagement, Nachdenklichkeit und Freude anzugehen, denn das Ziel bleibt: Gott! Amen.

 

 

 

Literatur:

 

  1. Lexikon der Antike, Leipzig, 19868
  2. http://www.bexhoevede.de (Hase und Igel)

 

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

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