15. Sonntag nach Trinitatis, 1.Petrus 5,5-11
Begrüßung:
Liebe Gemeinde! „Sorgt euch nicht!“, sagt Jesus einmal, aber das ist wohl einfacher gesagt, als getan. Zu viele Probleme beherrschen scheinbar aber auch faktisch unser Leben: Belastende Fragen, die sich immer wieder in den Vordergrund schieben, Trauer, die nicht enden will, Sorgen, die quälen. Wir alle spüren, dass wir eigentlich das Gute wollen, doch oft genug das Gegenteil davon tun. Feiern wir diesen Gottesdienst als ein Fest gegen unsere Sorgen und als eine Herausforderung an uns, uns auch mit dem zu befassen, was das Leben und Zusammenleben unter uns stört, behindert, kränkt, zerstört, ja tötet.
Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird´s wohl machen.
(Psalm 37,5)
Gebet:
Herr, guter Gott! Oft begreifen wir gar nicht, was im Leben mit uns geschieht und warum etwas geschieht, so bringen wir alle unsere offenen Fragen und Sorgen vor dich, das, was unser Leben belastet, das Unerträgliche. Wir hoffen, dass du unser ganzes Leben begleitest, gerade da, wo wir am Ende sind, dass du uns ermutigst, wo wir aufgeben möchten, dass du Antworten gibst, wo wir es schon gar nicht mehr wagen, zu fragen und immer wieder einen Weg zeigst, den wir gehen können.
Herr, wir alle brauchen deine Nähe, deinen guten Geist für ein Leben mit so vielen Widerständen, Herausforderungen und Sorgen; wir brauchen Kraft, um Wege zu finden und gehen zu können, die dem Frieden und dem Zusammenleben der Menschen dienen, so schenke uns offene Augen, Ohren und Hände füreinander, - lass uns mit unserem Glauben allem Bösen dort widerstehen, wo es beginnt und damit der Welt Hoffnung schenken. Amen.
Euch Jüngeren aber sage ich: Ordnet euch den Ältesten unter! Überhaupt müsst ihr - das sage ich allen - im Umgang miteinander jede Überheblichkeit ablegen. Ihr wisst doch: »Gott widersetzt sich den Überheblichen, aber denen, die gering von sich denken, wendet er seine Liebe zu.« Beugt euch also unter Gottes starke Hand, damit er euch erhöhen kann, wenn die Zeit gekommen ist. Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch. Seid wachsam und nüchtern! Euer Feind, der Teufel, schleicht um die Herde wie ein hungriger Löwe. Er wartet nur darauf, dass er jemand von euch verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand und haltet unbeirrt am Glauben fest. Denkt daran, dass die Gemeinschaft eurer Brüder und Schwestern in der ganzen Welt die gleichen Leiden durchzustehen hat. Ihr müsst jetzt für eine kurze Zeit leiden. Aber Gott hat euch in seiner großen Gnade dazu berufen, in Gemeinschaft mit Jesus Christus für immer in seiner Herrlichkeit zu leben. Er wird euch Kraft geben, so dass euer Glaube stark und fest bleibt und ihr nicht zu Fall kommt. Ihm gehört die Macht für alle Zeiten. Amen!
Liebe Gemeinde!
„Euch Jüngeren aber sage ich...!“, so beginnt Petrus unseren Textabschnitt aus seinem Brief, mit dem er Menschen in leidvollen Lebenssituationen ermutigen und bestärken will. Ja, er macht Mut zum Glauben und zur Hoffnung angesichts auswegloser Situationen und damit im Entscheidenden Mut zum Leben selbst. Er spricht hier junge Menschen an, Menschen, wie Euch Konfirmandinnen und Konfirmanden – auch wenn es die damals natürlich in seiner Gemeinde noch gar nicht gab. Schauen wir dann aber auf das, was er weiterhin ausführt, so wird schnell deutlich, dass er mit Euch auch uns alle anspricht, Eure Eltern, die Paten, unsere gottesdienstliche Gemeinde, ja die Menschen in unserer Stadt, denn er spricht über unsere Sorgen, das Böse, den Widerstand, um letztendlich mit einem Lobpreis Gottes zu enden.
Bei den angesprochenen Sorgen geht es nun nicht darum, dass Ihr jetzt ein knappes Jahr den Konfirmandenunterricht besuchen oder hier und da am Sonntagmorgen früher aufstehen müsst, um zum Gottesdienst zu kommen, nein das ist Kinderkram, Petrus meint die wirklichen, die existentiellen Sorgen und Nöte der Menschen, das, was uns lähmt, müde, traurig oder Angst macht, den Boden unter unseren Füßen wegreißt. Das sind die Sorgen, die uns nach dem Sinn bestimmter Situationen, ja nach dem Sinn des Lebens selbst fragen lassen.
Aber, so werdet gerade Ihr Jugendlichen fragen und vor allem auch diejenigen, die nur wenige Erfahrungen mit dem Glauben haben, ist das denn realistisch, wenn Petrus hier sagt: „Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch...?“ Wer schreibt denn die Mathe- oder Englischarbeit, - wer ist in seiner Firma von der Arbeitslosigkeit bedroht, - wer wird älter und auch einmal krank, vielleicht sogar einsam? Das sind doch wir, hier mitten in unserem Leben. Ich habe Predigten gehört, wo gesagt wurde, wenn ihr nur richtig an Gott glaubt, also „alle eure Sorgen auf ihn werft...“, dann macht das, was ihr erleidet nichts, aber so einfach ist es im Leben nun doch nicht.
Die Sorgen bleiben, wir müssen uns in der Schule behaupten, die Arbeitsplätze sind eben nicht mehr so sicher, wie noch vor wenigen Jahren, und auch unser Alter, die Krankheit oder gar die Einsamkeit nimmt uns keiner ab – und doch hat der Schreiber des 1. Petrusbriefes ein wenig recht. Er spricht ja zunächst einmal über die Gottesbeziehung des Menschen, die Psychologen sprechen vom lebensnotwendigen Ur-Vertrauen, das Kindern durch ihre Eltern mitvermittelt wird oder nicht und da spielt der Glaube eine ganz entscheidende Rolle. „Ein erster Schlüssel zur religiösen Erziehung im Elternhaus sind gute Erfahrungen des Kindes mit seinen Bezugspersonen. Deren Liebe, Verlässlichkeit und auch ihre Grenzen sind das Reservoir, aus dem das Kind seine Vorstellungen über Gott und seine Gefühle für ihn schöpft. So kann eine vertrauensvolle Beziehung zum schützenden und begleitenden Gott entstehen.
Religiöse Erziehung beginnt damit schon lange vor dem Reden von und mit Gott... Angst kann überwunden werden, anerkennende Wertschätzung stärkt das Selbstwertgefühl, geklärte Meinungsverschiedenheiten und Grenzen geben Verhaltenssicherheit...“ [1]
Das Leben erhält eine tragende Ordnung und sinnstiftende Orientierungen, Möglichkeiten werden eröffnet, aber auch Grenzen gesetzt und so fühlt man sich in allen Lebenslagen spürbar begleitet. Ein Gefühl von Geborgenheit und damit auch Sicherheit trägt das Leben und das spüren wir dann in der Schule, am Arbeitsplatz, wenn wir einmal krank sind, älter oder sogar einsamer werden, das spüren wir in der Freude und der Lust am Leben, wie aber auch in der Traurigkeit und im Ernst des Lebens.
Der Briefschreiber weiß um die Widerstände im Leben, um all das, was uns Menschen voneinander trennt, was uns unglücklich, ja das Leben zur Hölle macht, daher ruft er zur Wachsamkeit gegen den Feind, wie er es sagt, den Teufel auf. Natürlich muss er Bilder benutzen um das Böse in der Welt benennen zu können, es ist das Böse, was wir so oft nicht wahrhaben wollen und das es eben doch überall gibt. Das „Böse ist das, was schadet und zerstört, es ist immer ein Angriff auf Dasein und Leben...“ [2] Dabei gestehen wir uns unsere menschliche Schuld nur sehr selten ein, wir verschleiern die Wahrheit und so wird die Lüge zur scheinbar erlaubten Halbwahrheit, der sportliche Diebstahl unter Jugendlichen oder der am Arbeitsplatz trifft ja keinen Armen, schadet also niemandem. Und wenn wir den Feiertag schlicht nicht heiligen, so darum, weil wir einmal ausschlafen möchten. All das, was wir an Unehrlichkeit, Lüge, Betrug und Scheinheiligkeit selbst nicht an uns erleben wollen, das fügen wir durchaus bewusst anderen zu.
Ich erinnere noch einmal an eine Geschichte, die das sehr eindrucksvoll aufgreift: In der kleinen Geschichte `vom guten Menschen am Höllentor´ wird uns berichtet, dass die Hölle schließlich einmal so überfüllt war, dass der Teufel selbst vor die Tür gehen musste, um die Bewerber fortzuschicken. „Bei mir ist alles so überfüllt, dass nur noch ein einziger Platz frei ist“, sagte er. „Den muss der ärgste Sünder bekommen. Sind vielleicht ein paar Mörder da?“ Und nun forschte er unter den Anstehenden und hörte sich deren Verfehlungen an. Was auch immer sie ihm erzählten, nichts schien ihm schrecklich genug, als dass er dafür den letzten Platz in der Hölle hergeben mochte. Immer wieder blickte er in die lange Schlange der Wartenden.
Schließlich sah er einen, den er noch gar nicht befragt hatte. „Was ist eigentlich mit Ihnen, was haben Sie denn getan, dass Sie hier warten?“ „Nichts“, sagte der Mann. „Ich bin ein guter Mensch und nur aus Versehen hier. Ich habe geglaubt, die Leute ständen hier zum Einkauf an.“ „Aber Sie müssen doch etwas getan haben“, sagte der Teufel. „Jeder Mensch stellt etwas an.“ „Ich sah es wohl“, sagte der gute Mensch, „aber ich hielt mich davon fern. Ich sah, wie Menschen ihre Mitmenschen beklauten oder belogen, doch ich beteiligte mich nie daran. Sie haben Kinder unterdrückt, auf den Schwachen herumgetrampelt und die Armen missachtet. Überall um mich herum haben Menschen von ihren üblen Taten profitiert. Ich allein widerstand der Versuchung und tat nichts.“ „Absolut nichts?“ fragte der Teufel ungläubig. „Nein!“ „Dann komm herein, der Platz gehört dir!“ Und als er den guten Menschen einließ, drückte sich der Teufel zur Seite, um mit ihm nicht in Berührung zu kommen. [3]
Wie oft geschieht es, dass man einem Pfarrer gegenüber, von dem man gerade einen Dienst erwartet, feststellt, dass man doch im Grunde ein guter Mensch sei, auch, wenn man mit der Kirche eigentlich nichts am Hut hat? Da fehlt die Einsicht in die eigenen Widersprüche im Leben, Schuld und Versagen, und es wird eben nicht gesehen, dass es in jedem Leben unendlich viel Ungutes gibt, das uns voneinander und von Gott trennt?
„Im Hochmut will der Mensch sich seine Gerechtigkeit selbst verschaffen und an Stelle Gottes selber Gott sein...“ [4] So hilft der Glaube in kleinen Schritten und ohne Selbsttäuschung und Lüge all dem entgegenstehen zu lernen, was falsch und zerstörerisch im Leben ist. Damit stehen wir vor der unendlich schweren Frage, woher denn das „Böse“ in der Welt kommt, wenn wir doch eigentlich alle nur das „Gute“ wollen? Das so genannte Böse ist nicht von Gott gewollt und nicht von Gott geschaffen, aber es ist eben dennoch existent, weshalb der Theologe Karl Barth vom Bösen als dem „Nichtigen“ spricht, es hat zu verschwinden. Das Nichtige ist demnach die Schattenseite der Schöpfung. Der Glaube ist dabei die Gegenmacht, gegen die Macht des Bösen in der Welt.
Wir kennen vermutlich alle das kleine Karnevalslied von Heinz Köm: „Wir sind alle kleine Sünderlein, 's war immer so, 's war immer so. Der Herrgott wird es uns bestimmt verzeih'n, 's war immer, immer so. Denn warum sollten wir auf Erden schon lauter kleine Englein werden? Wir sind alle kleine Sünderlein, 's war immer so, 's war immer so. Englein können wir im Himmel sein, 's war immer so, immer so...“
Das genau ist die verniedlichende Art mit Schuld und Versagen umzugehen, die das Böse nicht ernst nimmt, sondern versucht, es wegzuträllern. Es fragt sich nur, wem es hilft, wenn man dann verkatert aufwacht und sich der Realität des Lebens in seinen Anforderungen und Herausforderungen zu stellen hat? Hier gilt es Widerstand zu leisten, damit die Menschenwürde in allen Bereichen unseres Lebens ihr Recht bekommt. In kritischer Selbsteinschätzung bitten wir daher doch im Vaterunser: „ ... sondern erlöse uns von dem Bösen...“ Warum sollten wir sonst so beten, wenn es nicht nur leere Worte sein sollen? Darum ist die Erziehung unserer Kinder immer auch eine Erziehung zur Hoffnung und für die sind wir alle mit unserem Glauben mitverantwortlich, was wir in jeder Taufe ja auch stellvertretend für unsere Kinder versprechen.
Wenn Petrus hier gerade auch die Jüngeren anspricht, so doch darum, um sie zum Leben zu ermutigen, um sie stark und zukunftsfähig zu machen. Christ sein bedeutet eben nicht duckmäuserisch herum zu laufen, es bedeutet, sich dem Leben zu stellen und dazu gehören nun einmal auch die dunklen, unschönen Seiten des Lebens. Wenn Martin Luther einmal sagte: „Sündige tapfer, glaube tapferer!“, dann trifft er den Nagel auf den Kopf, denn darum geht es. Hier wird eben nichts beschönigt, dem Glauben aber – trotz aller Realitäten - eine weitaus tragendere Kraft zugetraut. Darum kann unser Bibelwort schließlich mit einer trotzigen Doxologie, einem Lobpreis, enden: “Ihm gehört die Macht für alle Zeiten. Amen!“
Literatur:
1.) Harz, F., Kinder sind belastbar, in: Zeitzeichen, 7/2004, S. 22
2.) Fuchs, G., Böses, in: Spirituell leben, Freiburg, 2002, S. 49
3.) Quelle unbekannt
4.) Krötke, W., Sünde und Nichtiges bei Karl Barth, Neukirchen, 19832, S. 61
Freund, A., Calwer Predigthilfen, Reihe II/2, 1997/1998, Stuttgart, 1998, S. 147f
Barth, K., Kirchliche Dogmatik, IV/2, Die Lehre von der Versöhnung, Zürich, 1955
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