Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Ostersonntag, 1.4.2002
1. Kor. 15, 19-28

Einstimmung:

ihr fragt
wie ist
die auferstehung der toten?
ich weiß es nicht

ihr fragt
wann ist
die auferstehung der toten?
ich weiß es nicht

ihr fragt
gibt's
eine auferstehung der toten?
ich weiß es nicht

ihr fragt
gibt's
keine auferstehung der toten?
ich weiß es nicht

ich weiß
nur
wonach ihr nicht fragt:
die auferstehung derer die leben

ich weiß
nur
wozu Er uns ruft:
zur auferstehung heute und jetzt

(Marti, K., Leichenreden, Sammlung Luchterhand, Darmstadt, 19772, S. 25)

Gebet:

Herr, guter Gott! Was wären wir ohne Ostern, ohne den Grund unseres Glaubens: Gottes Ja gegen den Tod und alle Todesstrukturen dieser Welt, sein Nein zum Tode Jesu, sein Nein zum Tod, als ein letztes Wort gegen den Tod und für das Leben. Wir könnten manches sein, sogar `gute Menschen’, doch Christen wären wir damit ganz sicher noch nicht. Die Osterbotschaft fragt uns nach unserem Glauben, nach seinem Sinn und Ziel für uns und unser Leben und für alle und alles, was uns selbst in unseren Lebensweg hineingestellt ist. Herr, wir möchten oft ja glauben, ganz fest darauf vertrauen, dass Du der Herr und unser Gott bist, so hilf uns weiter in unserem alltäglichen Unglauben und lass es Ostern in uns werden, der Tag, der neues Leben und einen anderen Geist schenkt.

Dir sagen wir Dank für dieses Fest unseres Glaubens. Lass uns dein Ja gegen den Tod heute so hören, dass es auch uns aufweckt, auf den Weg bringt und empfindsam macht, für all das, was uns am Leben, an seinem Reichtum, seinem Sinn und seiner Erfüllung hindert. Herr, lass uns selbst zu den Aufgewachten und Auferweckten gehören, damit es nun um uns selbst Ostern wird. Dein Wort und Dein guter Geist machen es möglich - gegen allen Unglauben in uns selbst und unserer Welt. Herr, ein neuer Tag beginnt. Amen.

Predigttext:

Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als irgend jemand sonst auf der Welt. Nun aber ist Christus vom Tod auferweckt worden, und als der erste Auferweckte gibt er uns die Gewähr, dass auch die übrigen Toten auferweckt werden. Durch einen Menschen kam der Tod. So kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung vom Tod. Alle Menschen gehören zu Adam, darum müssen sie sterben; aber durch die Verbindung mit Christus wird ihnen das neue Leben geschenkt werden.

Doch das alles geschieht zu seiner Zeit und in seiner vorbestimmten Ordnung: Als erster wurde Christus vom Tod auferweckt. Wenn er wiederkommt, werden die auferweckt, die zu ihm gehören. Dann ist das Ende da: Christus übergibt die Herrschaft Gott, dem Vater, nachdem er alles vernichtet hat, was sich gegen Gott erhebt und was Macht und Herrschaft beansprucht. Denn Christus muss so lange herrschen, bis er alle Feinde unter seinen Füßen hat. Als letzten Feind vernichtet er den Tod. Denn es heißt in den Heiligen Schriften: »Alles hat Gott ihm unterworfen« Wenn hier gesagt wird, dass alles ihm unterworfen ist, dann ist natürlich der nicht eingeschlossen, der ihm alles unterworfen hat. Wenn aber alles Christus unterworfen ist, dann unterwirft auch er selbst, der Sohn, sich dem Vater, der ihm alles unterworfen hat. Dann ist Gott allein der Herr - über alles und in allem.

1. Kor. 15, 19-28


"Sechzig Jahre nach seinem rätselhaften Tod in Brasilien entsteht ein Thriller über die letzten Tage Stefan Zweigs, des damals erfolgreichen deutschsprachigen Autors." [1] Er nahm sich mit seiner zweiten Frau zusammen das Leben, weil er, nach Brasilien geflohen, zusehen musste, wie der Faschismus in Deutschland einen ungeglaubten Siegeszug antrat.

"Er schämte sich der deutschen Sprache, er hasste die Übersetzung seiner eigenen Werke. Er hatte nur für Verständnis unter den Menschen plädiert. Er war bis zum Äußersten dabei gegangen. Er hatte Frauen geschildert, die zu Mörderinnen werden aus Liebe; er hatte die Weisheit der Wissenschaft in Gestalt des Erasmus förmlich gepredigt, den Mut eines Märtyrers der Wahrheit gegen den religiösen Terror Calvins; er hatte Partei ergriffen für einen Armen, dem die Macht in Gestalt Napoleons die Geliebte entriss; er hatte um nichts anderes angehalten, als dass Menschen befähigt würden, das Äußerste und Extreme der Empfindungen, die Rätselhaftigkeit des menschlichen Daseins, die Abgründe der Seele einzufühlen und zu durchtauchen, bis ein neues Leben möglich würde. Nun war Stefan Zweig verzweifelt, zerbrochen und einfach müde. Er wollte nicht mehr jubeln über die brennenden Tanker dieser oder jener Seite, er sah nur noch gequälte Menschen. Das war das Ende.

Gibt es für Menschen, wie Stefan Zweig, eine Osterbotschaft?" [2]

Liebe Gemeinde!

Das ist die Frage, wie kann es Ostern werden, wie also können wir alle miteinander mitten aus unseren Alltagen mit seinen unterschiedlichen Herausforderungen heraus dieses unglaubliche Wort hören, glauben und in das Vertrauen umsetzen, dass der für mich Gekreuzigte nun auch der Auferstandene ist? Was bringt es dem Leben, meinem Leben, ob ich die Osterbotschaft so persönlich hören darf und kann oder nicht - eben: gibt es für Menschen, wie Stefan Zweig, eine Osterbotschaft? Und verzweifelte Menschen, an dem Sinn ihres Lebens zweifelnde Menschen, gibt es ja nun wirklich genug in der Welt.

Paulus spannt seiner Gemeinde einen riesigen Gedankenbogen auf, der von der Schöpfung bis zum Ende der Welt reicht. "Durch den einen Menschen kam der Tod in die Welt ...", Adam, "so kommt auch von einem Menschen die Auferstehung vom Tod ..." Jesus Christus. Adam und Christus sind die Pole, zwischen denen sich nun die Geschichte der Welt, die Lebensgeschichte eines jeden Menschen abspielt. Der Mensch gehört, so sagt es Paulus, zu Adam, "darum muss er sterben." Doch nun wandelt sich bei ihm, der dem historischen Jesus ja nie persönlich begegnet ist, die Perspektive, denn er stellt fest: "aber durch die Verbindung mit Christus wird ihnen das neue Leben geschenkt werden ..."

Da hören wir es: "durch die Verbindung mit Christus ...", also nicht irgendwie, nebulös und unreflektiert, sondern allein so! Woran denken Sie bei Ostern?, mit dieser Frage geht in einer großangelegten Plakataktion die Evangelische Kirche in Deutschland an die Öffentlichkeit, und dann sieht man kleine Kästen, in denen man für sich selbst eine Antwort ankreuzen kann: Ferien - Cholesterin - Jesu Auferstehung - Langeweile mit der Familie ... Woran denken Sie bei Ostern?

Inmitten aller mit Ferien oder Urlaub verbundenen Feiertage der Kirche ist Ostern zwar nicht das herausragendste Fest, das ist und bleibt das Weihnachtsfest, da es unsere Gefühle ja weit mehr anspricht und anschaulicher in unseren Familien gestaltet wird. Doch das Osterfest mit seiner unglaublichen Botschaft ist theologisch mit Abstand das beteutendste Fest des Glaubens. Nicht durch die Botschaft des Heiligen Abends werden wir zu Christen, so gern ich sie Jahr für Jahr in meinem Leben höre: "Denn Euch ist heute der Heiland geboren ...", als "christlicher" Glaube entscheidet er sich an der Frage: ob ich es Gott zutraue, dass er am Beispiel dieses einen Menschen, wirklich und letztendlich dem Tod den Tod ansagt. Denn Paulus sagt unüberbietbar: "Als letzten Feind vernichtet er den Tod ..."

Dabei muss uns klar sein, dass der Auferstehungsglaube gerade nicht die fromme Pille ist, die nun alle unsere irdischen Probleme lösen könnte. Das Christentum ist allem Unsinn zum Trotz keine Erlösungsreligion mit Jenseitsgarantie. Auch wir leben ja unser Leben mit allen Sorgen und Nöten, Herausforderungen und Grenzen, Höhen und Tiefen, Schuld und Versagen, es wird geboren und gestorben, gelacht und getrauert, geliebt und gehasst. Nein, dass Gott diesen Menschen Jesus von Nazareth nicht dem Tod überlässt, verweist uns, die dem Adam verbundenen Menschen, mehr auf unser Leben, als uns anzuhalten, über die Todesgrenze hinweg zu spekulieren. Hier leben wir und hier im Lebenentscheidet sich unser Glaube. Was nach dem Tod einmal auf uns zukommen wird - oder auch nicht - oder vielleicht ganz anders, das muss Gott allein überlassen bleiben.

Dietrich Bonhoeffer schrieb aus dem Militärgefängnis in Berlin, in das er durch seinen Widerstand gegen das 3. Reich nach seiner Verhaftung verlegt worden war, einen Brief, in dem er, der ständig vom Tod Bedrohte, zum Ausdruck brachte: " ich möchte nicht an den Grenzen, sondern in der Mitte, nicht in den Schwächen, sondern in der Kraft, nicht also bei Tod und Schuld, sondern im Leben und im Guten des Menschen sprechen. An den Grenzen scheint es mir besser, zu schweigen und das Unlösbare ungelöst zu lassen. Der Auferstehungsglaube i s t nicht die "Lösung" des Todesproblems. Das "Jenseits" Gottes ist nicht das Jenseits unseres Erkenntnisvermögens! ... Die Kirche steht nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf ..." [3]

Liebe Gemeinde, das kann ja auch gar nicht anders sein. Wo und wie sollte denn unser Glaube gelebt werden, wenn nicht dort, wo wir leben, dort entscheidet sich doch Glaube und Unglaube und eben nicht in einer nebulösen Spekulation über die Grenze des Todes hinweg. So wird sich der Glaube täglich neu in unserem Leben, unseren Handlungen und zwischenmenschlichen Beziehungen entscheiden, bewähren, wachsen und reifen müssen. Dabei wird er jeden Tag in Frage gestellt und dem Zweifel ausgeliefert bleiben. "Das heißt aber: das ganze körperliche irdische Dasein ist nicht einfach ein Diesseits gegenüber einem Jenseits, sondern ein Teil eines Prozesses, aus dem es schon kommt, zu dem es jetzt gehört und in dem es seine Vollendung finden soll, nicht Vorspiel, sondern Bestandteil ..." [4]

Von daher ist die Osterbotschaft so herausfordernd und sperrig, so unglaublich, dass wir täglich neu entscheiden müssen, ob wir ihr gegen jeden Tod und alle Todesstrukturen in der Welt unser Vertrauen schenken oder nicht - und damit Gott mehr zutrauen, als unser Verstand zu erfassen vermag.
"Gibt es für Menschen, wie Stefan Zweig, eine Osterbotschaft?", fragten wir eingangs, gibt es eine für uns? Eugen Drewermann versucht darauf eine österliche Antwort zu geben, wenn er sagt:

"Vielleicht gibt es keine bessere Interpretation dessen, worauf wir hoffen, als die Formel der frühen Kirche, in den Tagen zwischen Karfreitag und Ostern sei Jesus hinabgestiegen in das Reich der Toten, wörtlich: `in die Hölle’, um den schon Verdammten Erlösung zu predigen ..." [5]
Ja, es gibt für uns alle eine Osterbotschaft, nämlich, wenn wir mehr sehen lernen als den Tod und die Gräber auf unseren Friedhöfen - und hinter allem, was uns in unserem Leben zu bedrängen, zu bestürmen und zu verletzen vermag, immer nur ein vorläufiges und nie ein endgültiges Wort hören. Das letzte aller Worte ist dann gesagt, wenn Gott dem Tod den Tod ansagt - und daran erinnert uns Ostern, der Tag der Auferstehung Jesu in unser eigens Leben hinein. Dort, wo das geschieht, werden wir leben, auch, wenn wir einmal sterben.

Danken wir Gott für dieses unglaubliche Wort und Zeugnis, denn "als letzten Feind vernichtet er den Tod ..." Das ist die Botschaft des Osterfestes, und sie wird unser Leben, unseren Glauben und unseren Zweifel begleiten bis zum letzten Tag unseres Lebens. Eines aber bleibt über den Tag hinaus zu verstehen, dass es jeden Tag neu darauf ankommt, sich damit auseinander zusetzen und das Vertrauen zu wagen, dass es hier in meinem kleinen, großen Leben um die Fragen geht, die meinen Verstand sprengen. Das macht nichts. Ostern muss ich nicht verstehen, es reicht, darauf zu vertrauen, dass Gott uns sein Wort gibt. Und darum lassen wir die Kirche im Dorf, um uns mit jedem Gottesdienst darin gemeinsam bestärken zu lassen.

Ich wünsche Ihnen und uns allen ein gesegnetes und fröhliches Osterfest, ein Fest gegen den Tod, ein Fest gegen die Gleichgültigkeit des Herzens, ein Fest gegen Depression und Resignation, ein Fest des Lebens und zum Ewigen Leben.

"Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden", so riefen es sich unsere Väter und Mütter des christlichen Glaubens in der frühen Zeit der Kirche zu, so rufen wir es uns zu: Christus ist auferstanden, denn an dieser Frage entscheidet sich unser Glaube als "christlicher" Glaube.
Amen.


Literatur:

  1. Matussek, M., DER SPIEGEL, 12/2002, S. 192ff
  2. Drewermann, E., Leben das dem Tod entwächst, Düsseldorf, 19932, S. 191
  3. Bonhoeffer, D., Widerstand und Ergebung,
    Hrsg. E. Bethge, München, 196613, S. 182
  4. Vogel, H.-J., Calwer Predigthilfen, VI/1, 2001/2002, Stuttgart 2001, S. 195
  5. Drewermann, E., a.a.O., S. 191
Letzte Änderung: 22.04.2002
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider