Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.
Nachdem wir uns vor kurzem aus gutem Grund mit dem Wort zur Kirche von Kardinal Ratzinger auseinandergesetzt haben, ist es sicher gut, einmal darüber nachzudenken, was denn eigentlich die "Kirche" aus evangelischem Verständnis heraus ist. Dies vor allem auch darum, weil der Kurienkardinal sein Wort inzwischen auch noch verschärfte. So mussten wir lesen: "Kardinal Joseph Ratzinger hat die Kritik der evangelischen Kirche an der jüngsten Vatikanerklärung "Dominus Jesus" scharf zurückgewiesen. Es sei "völlig absurd", dass die lutherischen Kirchen in gleichem Sinne als Kirche angesehen werden wollten wie die katholische." (epd) [1]
Der Geist, der aus diesen Worten spricht, spricht für sich selbst und soll jetzt nicht weiter bedacht werden. Unser Landesbischof schreibt hierzu ebenso prägnant wie humorvoll:
... Sicher kann man eine Geschwisterschaft verleugnen. Aber von Vaterschaftsprozessen wissen wir: Ein genetischer Fingerabdruck bringt eine Vaterschaft unzweifelhaft zutage. Und der genetische Fingerabdruck, der alle Kirchen zu Schwesterkirchen macht, ist die Taufe auf den Namen unseres dreieinigen Gottes. Durch die Taufe sind wir als Schwestern und Brüder über die Grenzen der Konfessionen miteinander verbunden, sind wir einander Schwesterkirchen, egal, ob andere diese Geschwisterlichkeit leugnen oder nicht ... [2]
Was aber verstehen denn nun wir evangelischen Christen unter "Kirche"? Es lohnt darüber nachzudenken, um im Gespräch mit anderen Kirchen und Konfessionen geistvoll bestehen zu können.
Unser kleiner Text aus dem 1. Korintherbrief macht deutlich, dass Paulus selbst in Bildern von dem spricht, was dann erst später die "Kirche" genannt wird. Da ist vom Ackerfeld die Rede, von Gottes Bau, an anderer Stelle vom Volk oder dem Tempel Gottes. Immer aber geht dabei zentral um die Gemeinschaft der Glaubenden, in der ein jeder in aller Unterschiedlichkeit seine eigene Aufgabe hat. Da ist keine andere Norm, kein anderer Maßstab vorgegeben, als der Glaube an Christus. Das, was wir heute als Kirchen wahrnehmen, sind Ergebnisse, Folgen einer langen menschlichen Kirchengeschichte, denn der christliche Glaube musste ja in jeder Zeit neu geglaubt, verstanden, interpretiert und dann gelebt werden.
Das Neue Testament kennt durchaus so etwas, wie eine Gemeinde- und Kirchenleitung, geteilte Aufgaben, wie in unserem kleinen Text dargestellt. Dies begründet aber keine Herrschaft, sondern wird als ein Dienst an der Gemeinde verstanden, bis das Reich Gottes in seiner endgültigen Gestalt kommt. Da gibt es den Lehrer, den Diakon, den Pastor, den Presbyter, den Bischof, doch noch keinen Papst und keinen Kurienkardinal. Es gibt keine von Menschen gemachten Dogmen, und jedem Versuch religiöser Rechthaberei wird widersprochen. Das Apostelkonzil [3] aus der Apostelgeschichte zeigt, wie Christen in spannungsgeladener Zeit angesichts gravierender Fragen, die einer geistlichen Klärung bedürfen, mit unterschiedlichen Auffassungen umgehen, um wirklich Kirche, die "Gemeinschaft der Heiligen" zu sein.
Um die Wahrheit des Glaubens muss gerungen, ja vielleicht sogar auch gestritten werden, doch wer sich auf Christus berufen möchte, wird dies nicht gegen andere Christen tun können, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen.
Die evangelische Kirche begründet sich wie alle Kirchen natürlich auf den drei altkirchlichen Bekenntnissen [4], von denen uns das Apostolische Glaubensbekenntnis aus unseren Fest- und Taufgottesdiensten ja bekannt ist. Was aber heißt es, wenn wir bekennen:
"Ich glaube eine heilige ... Kirche (sancta ecclesia)."Hier ist nicht daran gedacht "Heilige" durch Menschen zu berufen, denn durch unsere Taufe sind wir ja alle zu Christus "geheiligt", wir sind - und das wird bekannt: herausgerufen, abgesondert, unterschieden durch den Grund unseres Auftrages, ihrer Begründung und durch das Ziel. Das heißt, Kirche ist kein Verein, kein Club, keine Partei, keine beliebige Organisation, sondern sie ist der Raum, in dem es um Jesus Christus geht. Was bedeutet es, wenn darüber hinaus weiter bekannt wird:
"Ich glaube eine heilige, allgemeine ... Kirche (ecclesiam catholicam)."Dieser Begriff ist ja für manche von uns belastet, weil er sofort mit der römisch katholischen Kirche in Zusammenhang gebracht wird. Für die Reformatoren selbst war dieser Begriff noch unproblematisch, denn es geht hier um das eine, heilige und allgemeine Volk Gottes. [5] So ist die "Kirche" die "Gemeinschaft der Heiligen" (communio sanctorum) und das gilt für die Menschen in Korinth, wie für die in Kenzingen, für Katholiken, wie für Protestanten. Christen müssen vom Wort Gottes angesprochen bleiben, um den christlichen Glauben nicht aus den Augen zu verlieren, uns dieser Gemeinschaft bewusst zu bleiben und sie zu pflegen. Hier wird das Abendmahl gefeiert und gebetet, und hier werden wir geistlich zu Geschwistern, die füreinander eintreten, wenn es nötig ist.
Als die ersten evangelischen Bekenntnisse gelten der Große und Kleine Katechismus von Martin Luther von 1529. 1530 entstand dann zum Reichstag in Augsburg die Confessio Augustana (CA), maßgeblich von Melanchthon formuliert. Es ist der Versuch, sich noch einmal mit der katholischen Kirche in Glaubens- und Bekenntnisfragen zu verständigen. Doch Kaiser Karl V. lehnt diesen Versuch zur Verständigung, zur Einigung ab. Der Text wird so zu einem frühen, wichtigen evangelischen Bekenntnis. In Artikel XII der CA heißt es:
"Es wird auch gelehrt, dass alle Zeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des Evangeliums gereicht werden. Dann ist dies genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, dass da einträchtig nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden. Und es ist nicht nötig zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche, dass überall gleichförmige Zeremonien, von den Menschen eingesetzt, gehalten werden..." [6]
Was gilt aber für uns, in unserer Landeskirche, neben den vielen anderen, die auf ihre Weise versuchen, "Kirche" Jesu Christi zu sein? In der Unionsurkunde heißt es u.a.:
"Die Evangelische Landeskirche in Baden glaubt und bekennt Jesus Christus als ihren Herrn und als alleiniges Haupt der Christenheit. Sie gründet sich als Kirche der Reformation auf das in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments bezeugte Wort Gottes, die alleinige Quelle und oberste Richtschnur ihres Glaubens, ihre Lehre und ihres Lebens, ... Sie weiß sich verpflichtet, ihr Bekenntnis immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und es in Lehre und Ordnung zu bezeugen und lebendig zu halten..." [7]
Was ist von dorther zu sagen? Karl Barth stellt einmal kurz und bündig fest: "Es wird heute eher zu viel als zu wenig über die Kirche geredet. Es gibt etwas Besseres: Lassen Sie uns Kirche s e i n!" [8] Genau das wollen wir miteinander ohne jede Rechthaberei anderen Auffassungen gegenüber versuchen, denn Gott wird uns einmal aufzeigen, was er sich unter einer glaubwürdigen Kirche in der Welt vorstellt. Für uns aber gilt: wir sind Kirche in der Welt und noch nicht das Paradies, menschlich und fehlerhaft, wir bleiben unterwegs als suchende, fragende, schuldigwerdende Menschen - und in aller Vorläufigkeit eben doch: die heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen... Wenn nun der Papst selbst in der vergangenen Woche Stellung bezogen hat und feststellte: dass die Erklärung Kardinal Ratzingers "Dominus Jesus" wohl "falsch verstanden und fehlinterpretiert" [9] wurde, so hören wir das als einen Versuch, den gestörten Frieden zwischen den Kirchen wieder herzustellen. Dennoch bleibt die Aussage zum Selbstverständnis der katholischen Kirche bestehen, und damit haben wir uns als ökumenisch gesinnte evangelische Christen auseinander zusetzen.
Ganz und gar unabhängig davon, was andere aus ihrer sehr menschlichen
Sicht zu sagen haben gilt verbindlich für uns: "Denn einen anderen
Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus...",
das allein ist für die Kirche - und für Christen in ihr - entscheidend.
Amen.
Anlage
(1) Die Evangelische Landeskirche in Baden glaubt und bekennt Jesus Christus als ihren Herrn und als alleiniges Haupt der Christenheit.
(2) Sie gründet sich als Kirche der Reformation auf das in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments bezeugte Wort Gottes, die alleinige Quelle und oberste Richtschnur ihres Glaubens, ihre Lehre und ihres Lebens, und bekennt, dass das Heil allein aus Gnaden, allein in Glauben an Jesus Christus empfangen wird.
(3) Sie bezeugt ihren Glauben durch die drei altkirchlichen Glaubensbekenntnisse: Apostolicum, Nicaenum und Athanasianum.
(4) Sie anerkennt gebunden an die Unionsurkunde von 1821 und ihre gesetzliche Erläuterung von 1855, namentlich und ausdrücklich das Augsburger Bekenntnis als das gemeinsame Grundbekenntnis der Kirchen der Reformation, sowie den kleinen Katechismus Luthers und den Heidelberger Katechismus nebeneinander, abgesehen von denjenigen Katechismusstücken, die zur Sakramentsauffassung der Unionsurkunde in Widerspruch stehen.
(5) Sie bejaht die Theologische Erklärung von Barmen als schriftgemäße Bezeugung des Evangeliums gegenüber Irrehren und Eingriffen totalitärer Gewalt.
(6) Sie weiß sich verpflichtet, ihr Bekenntnis immer wieder an der Heiligen Schrift zu prüfen und es in Lehre und Ordnung zu bezeugen und lebendig zu halten.
Auf dieser Grundlage hat die Evangelische Landeskirche in Baden ihre Grundordnung neu beschlossen. Sie ist dabei überzeugt dass alles Recht in der Landeskirche allein dem Auftrag ihres Herrn Jesus Christus zu dienen hat Es findet in diesem Auftrag seine Vollmacht und seine Grenze. Daher ist jede Bestimmung der Grundordnung im Geist der Liebe Christi zu halten.
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider
Letzte Änderung: 09.10.2000