Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

12. Sonntag nach Trinitatis,
1. Kor. 3, 9-15, Taufen

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! Wohin wollen wir eigentlich in unserem Leben, was sind unsere Pläne, unsere Zielsetzungen - für uns selbst, für die Menschen, mit denen wir unser Leben teilen, aber auch für all jene, für die wir Verantwortung tragen? Das Wort Gottes lädt uns heute dazu ein, einmal nach unseren geistigen und geistlichen Fundamenten zu fragen und danach, wie tragfähig, wie belastbar sie sind - oder ob unser Leben eben doch nur oberflächlich und gedankenlos verlebt wird und unbegreiflich verweht, wie Sand am Meer. So bedenken wir wieder doch wieder einmal: "Wir sind Gottes Mitarbeiter, (denn) das Fundament ist gelegt: Jesus Christus ..."

Gebet:

Herr, guter Gott! Deine Nähe ist uns zugesagt, dein Wort dürfen wir hören: all jene, die den Mut verloren haben, richtest du auf, - den Suchenden schenkst du ein Ziel, - den Bedrückten einen weiten Horizont, - den Trauernden versprichst du Nähe und Trost, - der ganzen Welt in ihrer hoffnungslosen Zerrissenheit einen tragfähigen Frieden. Herr, das ist nur möglich, wo unser Glaube Wurzeln schlägt und unser Verstand sich nicht mehr selbst belügt.

Natürlich leben wir mit unseren Zweifeln, wir erfahren die abgrundtiefen Tiefen unserer Existenz, wir müssen mit unserer Trauer fertig werden, mit Verlust und Einsamkeit und doch schenkst du uns jeden neuen Tag - bis ans Ende aller unserer Tage. Darum bitten wir, werde mit deinem Wort und Geist ein gutes Fundament für uns alle, damit unsere Gegenwart und Zukunft Orientierung und Sinn bekommt, - für uns und für alle Menschen, mit denen wir unser Leben teilen. Amen.

Text:

Die Gemeinde als Bau und die Verantwortung der Bauleute

Wir sind also Gottes Mitarbeiter, ihr aber seid Gottes Ackerland. Oder mit einem anderen Bild: Ihr seid Gottes Bau. Nach dem Auftrag, den Gott mir gegeben hat, habe ich wie ein umsichtiger Bauleiter das Fundament gelegt. Andere bauen nun darauf weiter. Aber jeder soll sehen, wie er weiterbaut! Das Fundament ist gelegt: Jesus Christus. Niemand kann ein anderes legen.

Es wird auch nicht verborgen bleiben, was jemand darauf baut, ob Gold, Silber oder wertvolle Steine, ob Holz, Schilf oder Stroh. Am Tag des Gerichts wird sich erweisen, ob es Bestand hat. Dann wird die Feuerprobe gemacht: Das Werk eines jeden wird im Feuer auf seinen Wert geprüft. Wenn das, was ein Mensch gebaut hat, die Probe besteht, wird er belohnt. Wenn es verbrennt, wird er bestraft. Er selbst wird zwar gerettet, aber so, wie jemand gerade noch aus dem Feuer gerissen wird.


Liebe Gemeinde!

Haben Sie schon einmal ein Haus gebaut, so richtig von A-Z, vom Keller bis zum Dach, dann wissen Sie ja, wovon unser Predigttext spricht. Paulus greift ein ihm gut bekanntes Bild auf, mit dem er einerseits seinen eigenen Auftrag erklärt, andererseits andere dazu einlädt am Bau an der Kirche teilzunehmen. Doch das Wichtigste, das Entscheidende schlechthin ist getan: der Grundstein ist gelegt, das, worauf nun weiter aufgebaut werden soll, ist fundiert durch Jesus Christus. Was hier ineinander greift ist das Handeln Gottes und des Menschen Tun. Niemand soll sich übernehmen, niemand meinen, dass er selbst den Grundstein des Glaubens zu legen hätte. Nein, wozu wir eingeladen sind, ist am Bau der Kirche mit jeder Generation, in jeder Zeit neu weiterzubauen. Was für ein nachdenklich herausfordernder Text, gerade anlässlich der Taufen in diesem Gottesdienst.

Haben Sie schon einmal jemanden geliebt, so richtig von Herzen geliebt? Auch dann erahnen Sie, wovon Paulus spricht. Denn die Liebe ist ja ebenfalls so ein unverzichtbarer Eckpfeiler in unserem Leben. Doch wie leicht lässt es sich über sie reden oder singen, und wie schwer ist es oft, sie ein Leben lang durch Höhen und Tiefen durchzuhalten. Aber: Eine Liebe, die nicht bereit ist, auch den Schmerz zu ertragen, die Auseinandersetzung, den Konflikt, das Wagnis, das Schattenhafte im Leben geht ja kaum über ein oberflächliches Verliebtsein hinaus.

Ein großflächiges Plakat, mit dem die Evangelische Kirche in Deutschland zur Zeit auf sich und ihr Anliegen aufmerksam macht, fragt: "Wohin wollen Sie eigentlich?" Das ist wirklich die ganz entscheidende Frage für die Kinder, die heute getauft werden, für deren Eltern, Familien und Paten, doch auch für uns alle: wohin wollen wir eigentlich? Zunächst einmal natürlich möglichst schnell weg in den Urlaub, die Ferien, heraus aus dem miesen, wechselhaften Wetter in Deutschland. Das ist verständlich und nachvollziehbar, doch das meint die Anfrage dieses Plakates eigentlich nicht. Wohin wollen wir mit unserem Leben, mit unserem Glauben, wohin mit einem Gott, der uns auf den Wegen unseres Lebens doch ziemlich abhanden gekommen und in den Hintergrund gerückt ist?

Was bedeutet das für die Zukunft eines Kindes, Ihrer Kinder, unserer Kinder, für ihre Erziehung, für ihre Zukunftsfähigkeit, die Sie ihnen als Eltern, Familien und Paten mitgeben oder verweigern? Wohin wollen wir denn eigentlich unsere Kinder bekommen, wie prägen wir sie, welche Werte vermitteln oder verweigern wir - und mit welchen Mitteln? Das ist doch die Frage nach den Eckpfeilern in einem Leben, nach den Grundwerten, die uns zuversichtlich leben und dann vielleicht auch einmal sterben lassen.

Was wir unseren Kindern über unsere Liebe hinaus zunächst schulden, ist Erziehung und Bildung in einem sehr umfassenden Sinne, eine Sozialisation, die Zukunft möglich macht und nicht verbaut. Doch in gleicher Weise - und das ist die Gradwanderung jeder Erziehung - gehört dazu die Freiheit zur Entscheidung. Das Ermöglichen von Entscheidungen ist gerade das Entscheidende einer guten Erziehung. Wenn Eltern also sagen: Unser Kind soll sich in Glaubensfragen einmal selbst entscheiden, so ist das eine erzieherische Verweigerung von Sinnvermittlung und oft genug nur das Kaschieren der eigenen Bequemlichkeit im Denken und Tun.

Wie soll sich denn ein Kind zwischen Alternativen entscheiden können, wenn es nie entscheidungsfähig gemacht wurde, weil gerade diese Möglichkeit eine fragwürdige Erziehung verhinderte? Wie soll ein Kind Ja oder Nein zu Gott sagen können, zu Glaube und Kirche(n), wenn es seine Kirche, seinen Glauben, seinen Gott nie ernstlich kennen lernen konnte?

Ein Kind sinnvoll zu erziehen, zu prägen, dazu noch in Bezug auf Glaube, Gott und Kirche, bedeutet weit mehr, als dieses Kind zu haben. Ein Kind ist für alle, denen es geschenkt ist, immer eine große Herausforderung und langjährige Aufgabe. Das skizziert noch einmal den Sinn einer Taufe, in der wir Gott eine Antwort auf die Frage nach unserem eigenen Glauben geben: Es ist Ihre Antwort, liebe Eltern und Paten, die Sie Ihre Kinder hierher zur Taufe gebracht haben, doch auch wir begleiten Sie mit diesem Gottesdienst auf diesem Weg, auf der Suche nach tragfähigen Antworten. Damit bringen wir zum Ausdruck, dass wir dieses Ja zum Glauben doch hoffentlich nicht nur sagen, sondern auch glaubwürdig vorleben wollen. Und darum geht es.

"Wir sind Gottes Mitarbeiter", sagt Paulus, aber sind wir es, sieht man es, spürt und erlebt man es? Womit wird in unserem Leben deutlich, dass wir in Glaubensfragen, in Bezug auf unsere gedanklichen Eckpfeiler, die uns das Leben tragen, auch in den tiefsten Tiefen er-tragen helfen, nicht nur leeres Stroh dreschen oder wie ein schwankendes Schilf im Sturm hin und her wehen und schließlich geknickt werden?

Wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich es bald nicht mehr hören, nicht mehr lesen, aber neulich drückte mir jemand einen kleinen Ausschnitt aus der Bildzeitung in die Hand, in der Claus Jacobi unter der Überschrift: "Mein Tagebuch" schrieb: "Ich, ich, ich. haben, haben, haben. Mehr, mehr, mehr. Neuer, größer, teurer ..." und weiter: "Zur Lage der Nation: Die Deutschen sind eine weithin materialistische Gesellschaft geworden. Das Goldene Kalb wurde Götze. Gier und Geiz sind dessen Gesellen. Geld wird oft mit Glück verwechselt ... Selbstsucht wurde Ersatzreligion. Blaue Flecken an den Ellenbogen sind Statussymbol. Populäre Ziele: Mehr Genuss bei weniger Leistung, mehr Vergnügen bei weniger Verantwortung, mehr Rechte bei weniger Pflichten ... Der Gemeinsinn welkt, Tabus zerbrechen ... Die Moral leidet an Magersucht. Manieren kämpfen den Kampf des Schneemanns im April. Nächstenliebe und Demut, Bescheidenheit und Anstand sind vierspännig auf dem Rückzug ..."

Wenn man das so liest, dann wünschte man sich ja, dass das auch einmal die Redakteure der BILD-Zeitung lesen würden, das scheint nicht der Fall zu sein, jedenfalls bekommen wir davon in Wahlkampfzeiten nichts mit. Die Beschreibung mag in der Tendenz stimmen, aber klagen, be-klagen und an-klagen kann ich auch ganz gut, doch wer hört oder liest das, wem hilft es, was verändert es, so massenhaft und plakativ unters Volk gebracht?

Paulus spricht von sich als Mitarbeiter, als ein Baumeister, der an einem großen Bau mitbaut, er spricht von Christus, der das Fundament dieses Hauses ist und er spricht von der Gemeinde, von uns. Das Haus der Kirche war zu jeder Zeit eine Baustelle, wir sehen es am Freiburger Münster, an den großen, alten Kathedralen der Christenheit, doch sie sind ja ein Bild für das Leben selbst. Niemand wird mit seinem Leben allein fertig, das Leben ist einer unendlichen Baustelle vergleichbar, auf der es immer etwas zu tun, aufzubauen, zu reparieren gibt. Auf der einen Seite ist etwas richtig fertig geworden, gelungen und geglückt, auf der anderen Seite bröckelt die Fassade.
Erst im Rückblick wird sich oft zeigen, ob unsere Fundamente tragfähig waren, ob sie der Feuerprobe standhalten konnten. Wir sind also angesprochen, ein jeder von uns und eben nicht die große, anonyme Masse, die ohne gedankliche Eckpfeiler, ohne erdenklichen Sinn und erlebbare Werte lebt. Hier hören wir das Wort Gottes, hier sind wir in unserem Glauben herausgefordert mitten in unserer kleinen Welt, Wege aus den Miseren aufzuzeigen: Hoffnungslosigkeit in Spuren der Hoffnung zu wandeln, - Resignation in Zukunftsfähigkeit, - quälende Bindungen in eine weite Sicht von Freiheit, - Trauer in ein getrostes Leben.

Klagen, Jammern und die Schuld immer nur beim anderen suchen, damit liegen wir im Trend und tragen selbst mit dazu bei, dass die bewährten Fundamente weiter bröckeln. Gott spricht durch Paulus unausweichlich uns selbst an , und daher sind wir gefragt, wie wir uns dazu verhalten: wie gehen wir mit dem Wort Gottes um, wie mit Gott, wie mit dem christlichen Glauben, der schließlich dem Auftrag Jesu entspricht? Wir selbst müssen begreifen lernen, dass der Glaube der Kirche keine Trallala Trallala Veranstaltung ist, sondern uns in die Verantwortung dafür nimmt, was aus ihm in der Welt wird: Wir sind Gottes Mitarbeiter, Ihr seid Gottes Ackerfeld ... Ihr seid Gottes Bau ..., nicht irgendjemand, sondern ich bin es, Du bist es und Sie sind es!

Das sind die Entscheidungen, die heute mit der Taufe Ihrer Kinder fallen, das sind jene, die wir alle tagtäglich im Leben neu zu durchdenken, zu entscheiden haben, wenn wir erst einmal lernen, Gott wieder ernst zu nehmen und ihm die Würde zukommen zu lassen, die allein Gott zusteht. Doch übernehmen wir uns nicht: Wir sind gefragt, wir haben zu entscheiden, wir sind eingeladen am Bau der Kirche in der Welt mitzubauen, - dabei ist es gut zu wissen, dass der Grund ein für allemal gelegt ist auf dem wir aufbauen dürfen, der unserem Leben einen festen Grund und Halt gibt. Klar ist, dass wir bei einem Hausbau eben nicht mit dem Dach, sondern mit dem Fundament anfangen, so, wie unser christlicher Glaube mit Christus beginnt. Wie wichtig aber die richtig gefügten Fundamente eines Hauses sind, erleben wir ja gerade in diesen Tagen hautnah bei der großen, zerstörerischen Flut im Osten.

Das Befreiende der christlichen Botschaft ist bei aller Ernsthaftigkeit im Anspruch an einen jeden von uns, dass wir uns letztendlich auf Gott verlassen dürfen, dass Schuld erträglich (und nicht verniedlicht wird), unsere menschlichen Grenzen offener (und nicht zu betoniert werden), unser Miteinander befreiender (und nicht bedrängender gestaltet wird), unsere Sorge um das tägliche Leben relativiert (aber nicht gedankenlos überspielt wird), unsere Angst vor der Gegenwart oder Zukunft von einem tröstenden und verheißungsvollen Wort und Geist begleitet ist (anstatt uns durch Resignation und Hoffnungslosigkeit lebensunfähig zu machen).

In dem allen sollen wir nun durchaus auch hören, dass es ein Urteil über unser Leben gibt, sicher auch von Gott her, doch erst recht schon sehr real durch ein verkehrtes, ein gedankenloses Leben, das wir leben. Daher sind wir eingeladen, unseren Glauben zu hinterfragen und mit ihm in ein Leben hineinzuleben, das etwas davon aufleuchten lässt, dass wir Gottes Mitarbeiter in der Welt sind - und von daher unser Leben und in gleicher Weise das unserer Kinder ausrichten, prägen, ihm Orientierung, Inhalt und Sinn schenken. Gott selbst begleite unser Tun und Lassen mit seinem guten Wort und Geist auf diesem Weg. Ja, so werden wir zu Gottes Mitarbeitern in der Welt, zu einem tragfähigen Stein am Bau der Kirche bis hinein in unsere eigene Gemeinde.
Amen.


Literatur

Letzte Änderung: 19.08.2002
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider