Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Septuagesimae (3. Sonntag vor der Passionszeit, Fasnetsonntag, 20.2.2000),
1. Korinther 4, 10

Predigttext:

Wir sind Narren um Christi Willen!
1. Korinther 4, 10

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! Der Apostel Paulus sagt einmal: Wir sind Narren um Christi Willen! Mitten in der Fasnet wollen wir einmal über Narren, Masken und Verkleidungen nachdenken, über Sitten und Gebräuche also, die das Leben in dieser Jahreszeit hier in unserer Landschaft prägen. Ganz gleich, wie man zur Fasnet steht, die Freude gehört auch zur Existenz eines Christen, Humor und Witz begleiten uns aus dem biblischen Wort bis in unsere Lebensverhältnisse hinein. Karl Barth sagt einmal: Ein Christ treibt dann gute Theologie, wenn er im Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei seiner Sache ist ... und damit meint er uns alle.

Gebet:

Herr, guter Gott! Schenke uns mit unserem Glauben auch die notwendige Lebensfreude, eine ansteckende Fröhlichkeit, die aller Welt zeigt, wes Geistes Kinder wir sind. Zu oft werden wir in unseren Kirchen als "gesetzlich", "dogmatisch", "eng" empfunden. Nur selten scheint etwas auf von der Freude am Geschenk der Freiheit, dem Glück, das wir unserem Vertrauen verdanken. Unter allen Geschöpfen der Schöpfung sind allein wir Menschen zum Humor, zu einem befreiten Lachen befähigt.

Herr, behüte alle, die in den kommenden Wochen maskiert und verkleidet, närrisch und fröhlich in die Fasnet ziehen, doch lass uns alle bedenken, wie oft wir selbst uns unsere Masken anlegen, uns verkleiden, um anderen etwas vorgaukeln. Schenke unserem Alltag, dass etwas davon deutlich wird, von der Freiheit eines Christen, von der Freude am Leben.

Ausgestellt und im Gottesdienst gezeigt werden:

Alle Masken wurden für ihre Zünfte entworfen und von Herrn Rieder, Kenzingen, geschnitzt. Sie sind also in ihrer Entstehung oft sehr viel jünger als angenommen.
Liebe Gemeinde!

Wir sind Narren um Christi Willen!

So kennen wir den strengen Paulus eigentlich nicht, der uns in seinen Briefen ja nicht gerade als ein Born purer Sinnens- und Lebensfreude begegnet. Doch er weiß natürlich, was er seinen Korinthern schreibt. Und seit jeher wussten die Menschen: "Die wahre Freude ist eine ernste Sache" (Res severa verum gaudium!). Daher wollen wir in diesem Gottesdienst einmal der Fasnet nachspüren mit ihren Riten, Sitten und Gebräuchen, ihren Verkleidungen, Masken und Scherzen, ihrer Freude und oft ausgelassenen Fröhlichkeit.

Sie sehen hier eine typische Kenzinger "Häs", die Bekleidung der Wellebengel, die anderen Häs, die wir um uns herum hauptsächlich zu sehen bekommen, gehören zur Zunft der Fischerbueben. Die Teufelsmaske, die Hexe, das Bärbele und der Eber sind Masken aus unserer Region, ganz unterschiedlicher Gruppen und Zünfte.

Wir sind in der fünften Jahreszeit, der Fasnet, aber nicht jeder evangelische Christ tut sich leicht mit dieser durchweg katholischen Tradition. Der eine oder andere Witz aus Glaube, Theologie und Kirche mag uns helfen, selbst wieder einmal einem fröhlichen Glauben, einem freundlichen Gottesverständnis nachzuspüren. "Die wahre Freude ist (also) wirklich eine ernste Sache! darum wird es in dieser Predigt auch nicht um eine weitere Oberflächlichkeit gehen, mit der unser Leben ohnehin durchzogen ist, sondern um ein Lob unseres Gottes, der uns zu allem Ernst auch die Freude, den Humor, das Lachen in unser Leben hinein schenkt.

Eines Tages stieg der Prediger zur Predigt auf die Kanzel und sprach: "Liebe Mitchristen: Kennt ihr den Gegenstand, worüber ich mit euch sprechen will?" "Wir kennen ihn nicht", tönte es ihm aus der Gemeinde entgegen. "Ja, wie soll ich denn mit euch von etwas sprechen, das ihr gar nicht kennt?" Sprach’s, stieg die Kanzel wieder hinunter und ging davon.

Das nächste Mal begann er mit derselben Frage: "Wisst ihr, meine Gläubigen, was ich euch sagen will?" Diesmal gaben diese wohlweislich die entgegengesetzte Antwort: "Ja, wir wissen es." "Was brauche ich euch dann noch davon zu sprechen, wenn ihr es ohnehin schon wisst?" Und wieder stieg er von der Kanzel ...

Darauf hin schlug ein Gemeindeglied der betretenen Gemeinde vor, wenn wir das nächste Mal gefragt werden, sollen die einen sagen: "Wir wissen es!" und die anderen: "Wir wissen es nicht!" Dieser Vorschlag wurde befolgt. Aber der Prediger antwortete daraufhin: "Da mögen es die, die es wissen, denen, die es noch nicht wissen, mitteilen ...! - und verschwand wieder.

Fast evangeliumsgemäß ist dieser Witz, macht er doch in Bezug auf die Verkündigung den einen für die anderen mit verantwortlich. Auch ein Witz kann zum Evangelium werden, wenn er ein Fingerzeig der Freundlichkeit Gottes ist.

Das biblische Wort, gerade das Neue Testament, ist ja voll von humoristischen Begebenheiten und Aussagen. Können wir uns vorstellen, dass auf der Hochzeit zu Kana etwa nicht auch gelacht wurde, wenn Jesus aus Wasser Wein macht, um das Fest zu retten? Gott lacht mehrfach in der Bibel, wenngleich es ein hoheitsvolles Lachen ist, mehr ein spöttisches Lachen über den Menschen mit all seinen vergeblichen Bemühungen, Gott mit seinem Tun in die Quere zu kommen. Und das betrifft uns. Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird berichtet, dass Adam und Eva sich vor Gott maskieren, verhüllen, um ihre Nacktheit zu bedecken. Warum aber tragen wir Häs und Maske?

Die Fasnet ist für viele Menschen zu einem Hauptfest außerhalb der christlichen Hochfeste Weihnachen und Ostern geworden. Es ist ja die "unfruchtbare" Jahreszeit, und so wird die Zeit vor der Fastenzeit noch einmal dazu genutzt, sich richtig auszutoben. Ob der Name auch daher kommt, dass in der Nacht ein Fass aufgemacht wird oder Fasnet als faseln, also dumm daherreden oder schnurren, wie man im Volksmund sagt, zu verstehen ist, bleibt offen.

Zu dieser ausgelassenen Zeit gehört, dass man seine Identität versteckt. Man kleidet sich anders, man schminkt sich oder trägt eine Maske. Sie sind ein uralter Brauch, den man als Theatermasken in Griechenland oder Totenmasken älterer Kulturen kennt. Unsere heutigen Masken, wie wir sie hier sehen, sind sehr viel jünger.

Wer eine Maske, ein Häs trägt, möchte sich verstecken, ein anderer sein, seinen Mitmenschen etwas vorspielen, vielleicht sogar sich selbst etwas vormachen. Teufel und Hexe, ein fröhlicher Narr oder ein Tier zu sein, nimmt uns aus der Wirklichkeit des Alltags mit seinen Belastungen heraus. Wir brauchen einmal nicht der Norm zu entsprechen.

Dabei bleibt aber zu fragen - gerade wenn wir an das durchweg negative Bild des biblischen Narren denken -, was eine Maske, eine Verkleidung aus einem Menschen macht? Ein Narr flieht Gott, er wird gott-los. Heute versuchen wir das zu werden, zu sein, was wir darstellen, ein Teufel, eine Hexe, ein Wellebengel oder ein Fischerbueb. Ich verfremde mich und werde einmal für kurze Zeit ein anderer. Aber wir Menschen leben mit unseren Masken ja auch die anderen Jahreszeiten hindurch: Wir wahren unser Gesicht, wir wechseln unser Gesicht, - machen eine gute Mine zum bösen Spiel; - schminken und verkleiden uns, wir lassen keinen hinter unsere Fassade schauen, denn "Kleider machen Leute ...!"

Würdenträger, wie Pfarrer, Bischöfe, Nonnen und Mönche sind oft Gegenstand eines Witzes, wie aber auch die Religionen und Konfessionen selbst:

Zwei Pfarrer, ein katholischer und ein evangelischer treffen sich auf einer Gesellschaft, wobei der Evangelische den Katholischen ein wenig ärgern will und sagt: "Der Heilige Rock von Trier ist aber nicht echt ...", worauf der katholische Kollege lebhaft widerspricht, schließlich sei dieser vom Papst gesegnet worden. Der evangelische Pfarrer kontert: "aber ich habe doch im Rock ein Etikett von Neckermann gesehen!"

Nach einer kleinen Weile erwidert der katholische Pfarrer: "Und der Rock ist doch echt, denn ich habe einmal in die Tasche gegriffen und dort eine Einladungskarte für die Hochzeit zu Kana gefunden.

Der Apostel Paulus macht sich selbst zu einem Narren, zu einem "Narr um Christi willen." Dieser Hinweis ist kein bedeutungsloser Nebensatz, ganz aus Versehen in den Korintherbrief gerutscht. Dieser Satz zielt gerade auf das Zentrum allen christlichen Glaubens, aller Theologie. Wie lächerlich muss gebildeten Griechen oder Römern ein gekreuzigter Gott vorkommen, angesichts konkurrierender Götter, die alle größer, schneller, stärker sein, die ihre Bereiche, wie die Liebe, den Krieg, den Himmel, die Erde oder das Meer eifersüchtig verteidigen müssen. Und da redet Paulus von einem Gott, den Menschen gekreuzigt haben, das klingt närrisch für sie.

"Narren um Christi willen!" so wird dem Geist der Welt, wo einer dem anderen etwas vorgaukeln, sich verkleiden und maskieren muss, der Geist Gottes entgegengestellt, der Glaube wird zur Opposition. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit, und wir verkündigen mit dem Kreuz Jesu, dass unser Gott sich aus seiner Liebe heraus in das Leid und Elend, die Trauer und die Not der Welt hinein leidet. Damit verkehrt Paulus das negative Bild des Narren, als eines Menschen, der Gott leugnet und deutet damit das auch heute noch nicht leicht zu verstehende Selbstverständnis der Christen um.

"Der Narr wird zum Propheten, der an geheime Sehnsüchte des Menschen rührt: zum Verrückten, der normale Maßstäbe ver-rückt ... Der Narr wird zur anschaulichen Predigt. Das Leben besteht nicht nur aus Trauer, Ernst und Anspannung ..." So mag ein jeder von uns Fasnet feiern oder es in aller Freiheit bleiben lassen. Dafür sollten uns die Masken und Häs unserer alemannischen Fasnet zu einem Bild der ganz anderen Masken und Verkleidungen werden, die unser Leben begleiten und die uns mehr als nachdenklich machen sollten, denn: Warum maskieren und verkleiden wir uns? Warum leben wir anderen etwas vor, was wir gar nicht sind, oft letztendlich auch gar nicht sein wollen? Wer von uns möchte denn wirklich - ganz bewusst - dem anderen zu einem Teufel, einer Hexe, einem Eber werden?

Sie alle haben schon einmal von dem Bischof von Fulda gehört, der sich durch seine strenge Haltung in der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung den bedrängten Frauen gegenüber nicht gerade sehr freundlich und hilfsbereit verhalten hat. Über ihn wird folgender Witz erzählt:

Der Bischof von Fulda ist gestorben und steht an der Himmelstür. "Wer bist du?" fragt ihn Petrus. "Der Bischof von Fulda." "Fulda? Noch nie gehört. Wo liegt das denn?" "In Deutschland. Das ist dort, wo immer die deutsche Bischofskonferenz tagt." "Was es nicht alles gibt!" sagt Petrus erstaunt. "Da muss ich doch mal den Heiligen Geist anrufen." Er nimmt das Telefon, wählt eine Nummer und sagt: "Da ist ein Mann, der behauptet, er sei der Bischof von Fulda. Gibt’s das?" "Fulda? den Bischof von Fulda?" tönt es fragend aus dem Hörer zurück - "dort, bei dem bin ich noch nie gewesen ..."
Da wir den Heiligen Geist nicht erst später einmal an der Himmelstür erwarten, sondern hier in unserer Mitte glauben, bitten wir ihn, das er alle aus seinem guten Geist bewahren und begleiten möge, die jetzt Fasnet feiern.

Wir alle sind eingeladen, als "Narren um Christi willen" unseren Glauben zu bezeugen, wann und wie immer. Ganz sicher aber hilft uns unser Glaube dabei, den Menschen so zu begegnen, wie wir von Gott aus gesehen werden, ohne fragliche Masken und Maskierungen. Er schenke uns eine fröhliche Offenheit füreinander, jetzt in dieser Zeit und alle Zeit.
Amen.

Letzte Änderung: 19.3.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider