Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

6.5.2001, Jubilate
1. Mose 1-4a, 26-31; 2,1-4a

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! Dieser Sonntag trägt den Namen "Jubilate" Damit sind wir heute miteinander dazu eingeladen, Gott für sein Werk der Schöpfung zu danken. Leben wir nicht allzu selbstverständlich in den Tag hinein und verwundern uns dann, wenn unsere Gesellschaft von Tierseuchen erfährt oder ziemlich rat- und hilflos mit Fragen der Gentechnik und dem Klonen von Zellen konfrontiert wird. So ist mit Recht danach zu fragen, wie wir mit der uns anvertrauten Schöpfung umgehen, unsere Grenzen akzeptieren lernen und bedenken, was für eine Welt wir unseren Kindern einmal hinterlassen wollen?

Gebet:

Herr, guter Gott, wie selbstverständlich leben wir in dieser Welt, die uns anvertraut ist. Wie wenig denken wir darüber nach, unsere Ressourcen besser zu erhalten und die Umwelt zu schützen. Wir nehmen die Welt, als gehöre sie uns und tragen damit dazu bei, dass sie zukunftslos wird. Herr, öffne uns die Augen für die Verantwortung, mit der wir der Welt begegnen,- für die Einmaligkeit allen Lebens und das unendliche Lob, das dir zukommt. Vergib, wo unser Glaube zu schwach und unsere Phantasie für eine angemessene Weltgestaltung zu geistlos ist.

Du, Gott, hast dein Ja zu dieser Welt gesagt und sagst es jeden Tag neu, so bleibe ihr treu. Erinnere uns an unsere Möglichkeiten, die Kraft der Phantasie - verbinde, was zerfällt - lass neu werden, was in Frage steht, und schenke uns deinen Geist, den Geist der Hoffnung, der Liebe, damit wir dem Leben dienen und nicht dem Tod - durch Jesus Christus unseren Bruder und Herrn.
Amen.

Die Erschaffung der Welt

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war noch leer und öde, Dunkel bedeckte sie und wogendes Wasser, und über den Fluten schwebte Gottes Geist. Da sprach Gott: »Licht entstehe!«, und das Licht strahlte auf. Und Gott sah das Licht an: Es war gut ...

Dann sprach Gott: »Nun wollen wir Menschen machen, ein Abbild von uns, das uns ähnlich ist! Sie sollen Macht haben über die Fische im Meer, über die Vögel in der Luft, über das Vieh und alle Tiere auf der Erde und über alles, was auf dem Boden kriecht ...« So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes Ebenbild schuf er sie und schuf sie als Mann und als Frau. Und Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: »Seid fruchtbar und vermehrt euch! Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz! Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben, und vertraue sie eurer Fürsorge an.« Weiter sagte Gott zu den Menschen: »Als Nahrung gebe ich euch die Samen der Pflanzen und die Früchte, die an den Bäumen wachsen, überall auf der ganzen Erde. Den Landtieren aber und den Vögeln und allem, was auf dem Boden kriecht, allen Geschöpfen, die den Lebenshauch in sich tragen, weise ich Gräser und Blätter zur Nahrung zu.« So geschah es.

Und Gott sah alles an, was er geschaffen hatte, und sah: Es war alles sehr gut ... So entstanden Himmel und Erde mit allem, was lebt. Am siebten Tag hatte Gott sein Werk vollendet und ruhte von aller seiner Arbeit aus. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn zu einem heiligen Tag, der ihm gehört, denn an diesem Tag ruhte Gott, nachdem er sein Schöpfungswerk vollbracht hatte.

Dies ist die Geschichte der Entstehung von Himmel und Erde; so hat Gott sie geschaffen.

1. Mose 1-4a, 26-31; 2,1-4a


Liebe Gemeinde!

Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren, rühmt seines Namens Herrlichkeit ... Sprecht: wunderbar sind deine Werke, o Gott, die du hervorgebracht ... [1]

Jubilate! So heißt dieser Sonntag im Ablauf des Kirchenjahres nach [2]

Schöpfung ist also etwas, was jeden Augenblick neu geschieht: in jedem Kind, zu dem Gott sein Ja sagt, in jedem Tier, auch in dem, das in einer Legebatterie dahinvegetiert, im Wechsel der Jahreszeiten. Schöpfung Gottes erleben wir tagtäglich, wie sie auch vom Menschen aus mit oder gegen Gott in Gang gesetzt wird: in der Kunst, der Musik, der Malerei, der Gestaltung von Stein, Holz, Metallen oder Papier. Sie geschieht gegen Gott, wo wir uns des Grundes unserer Existenz nicht mehr bewusst sind und uns selbst aufspielen, als wären wir Gott.

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde!" Wie eine Überschrift eröffnet dieser Satz die Schöpfungsgeschichte, so wie es dann an ihrem Ende heißt: "Und Gott sah an alles, was er geschaffen hatte, und sah: Es war alles sehr gut!" Wie in einem Bilderrahmen wird ideenprächtig die Schöpfungsgeschichte erzählt. Niemand interessiert sich hier für einen Tatsachenbericht, das bleibt der modernen Naturwissenschaft überlassen, die aber in keinem Moment im Widerspruch zum biblischen Wort steht: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde!" Denn der Glaube hat seine Ausdrucksformen, so wie Wissenschaft und Forschung ihre je eigene Aufgabe haben. Auf diese Weise fragen die Geistes-, wie die Naturwissenschaften sehr ernsthaft hinter die wahrnehmbaren Dinge zurück und damit nach dem Ursprung dessen, was ist.

Wie steht es aber um die Aussage: "Und Gott sah an alles, was er geschaffen hatte, und sah: Es war alles sehr gut!" Ist das nicht ein wenig vorschnell und steil formuliert, wenn wir uns in unserem Leben umschauen? Da die Schöpfung Gottes ja nicht abgeschlossen ist, sondern sich in jedes Leben der Welt hinein fortsetzt, wird uns hier gesagt, dass das, was Gott ursprünglich geschaffen hat, nun auch zu dem dient, wozu er es erschaffen hat. Alles hat seinen tiefen Sinn, seine Aufgabe. Nichts ist umsonst, vergeblich, sinnlos.

Angesichts unserer Welterfahrung, fällt es uns gar nicht so leicht, das nachzubuchstabieren, denn wir empfinden natürlich auch die Schattenseiten des Lebens, das Dunkle, Trennende, Zerstörende. Wir stehen ja mittendrin in einer Entwicklung, deren Ende wir noch überhaupt nicht erkennen können und müssen uns fragen, ob denn der Mensch wirklich alles machen sollte, wozu er inzwischen in der Lage ist? Die ernsthafte Auseinandersetzung um die embryonale Stammzellenforschung, das Recht auf Klonen und die Gentechnologie zeigen, worüber weiterhin nachzudenken sein wird. Gerade jetzt hat die Deutsche Bischofskonferenz unter dem Leitgedanken "Der Mensch, sein eigener Schöpfer" dazu nachdrücklich Position bezogen und sich kritisch mit diesen Fragen befasst. Wörtlich wird dort vor "Verheißungsglanz" und "Erlösungsfantasien" gewarnt. [3]

Nicht umsonst hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche eine Ethikkommission berufen, Männer und Frauen aus Kirchen und Verbänden, der Wissenschaft und Forschung, die sich mit den "moralischen Fragen und Grenzen bei der Bio- und Gentechnik" beschäftigen und das Parlament und die Regierung diesbezüglich beraten sollen. [4]

Das aber hat nur einen Sinn, wenn dann auch der Rat dieser Experten ernsthaft gehört und - wo möglich - auch angenommen wird. Unsere Erfahrungen sprechen eher dagegen.

Unstrittig ist, dass das, was Gott als "gut" und "sehr gut" in Bezug auf seine Schöpfung festhält, vom Menschen her vielfach in Frage gestellt ist. Der Mensch ist es, der zum Feind der guten Schöpfung geworden ist. Seine "Ebenbildlichkeit" mit Gott erfährt der Mensch durch seine Beziehung zu Gott, zu der kein Tier fähig ist und allein durch diese Gottesbeziehung wird er zum Hüter und Hirten der Schöpfung und der Geschöpfe gemacht. So ist dem Menschen in der alten Paradiesesvorstellung der Samen der Pflanzen und die Früchte der Bäume zur Nahrung gegeben, wie den Tieren Gräser und Blätter. Der Mensch der Schöpfung, des Paradieses, lebt wie ein jedes Geschöpf vegetarisch, er lebt daher im Frieden mit Gott, mit sich selbst, der Natur und der Kreatur.

Unvorstellbar der Gedanke, dass der Mensch Tiere essen und Tiere sich gegenseitig zur Nahrung werden könnten, dies widerspricht der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung und der Liebe, mit der er sie gewollt und geschaffen hat. Doch schon die ersten Worte der Bibel verweisen uns auf das Chaos, die Leere, die Ödnis und das Dunkel, aus dem die Welt erschaffen ist und das so inmitten der guten Schöpfung Gottes erfahrbar bleibt. Das gipfelt dann darin, dass der Mensch sein will, wie Gott, sein eigener Schöpfer. Erst nachdem, in biblischen Bildern gesprochen, das Paradies, der Friede mit Gott verloren ist, wird Herrschaft des Einen über einen Anderen möglich bis dorthin, dass nun auch Tierfleisch gegessen werden kann und sogar Tiere Tiere töten und fressen. Bilder einer gefallenen Schöpfung, eines verlorenen Paradieses. Die Bibel drückt das so aus:

"Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: `Seid fruchtbar, vermehrt euch und füllt die ganze Erde! Alle Tiere werden sich vor euch fürchten müssen: die großen Landtiere, die Vögel, die Tiere, die am Boden kriechen, und die Fische im Meer. Ich gebe sie in eure Gewalt. Ihr dürft von jetzt an Fleisch essen, nicht nur Pflanzenkost; alle Tiere gebe ich euch als Nahrung ’". (1. Mose 9, 1-3)

Von daher fragt der bekannte Psychologe C.G. Jung: "Wie kann ich wesenhaft sein, ohne einen Schatten zu werfen?" Und er stellt weiter fest: "Auch das Dunkle gehört zu meiner Ganzheit, und indem ich mir meines Schattens bewusst werde, erlange ich auch die Erinnerung wieder, dass ich ein Mensch bin wie alle anderen ... Die Anerkennung des Schattens gibt Grund zur Bescheidenheit, ja zur Furcht vor dem unergründlichen menschlichen Wesen ... Wer aber seinen Schatten kennt, weiß, dass er nicht harmlos ist ..." [5]

Mit dieser großartigen Schöpfungsgeschichte der Bibel sind wir dazu eingeladen, einmal Innezuhalten, wie Gott selbst. Denn nachdem er sein Werk getan hatte, ruht er aus und segnet diesen Tag der Schöpfung. Nur, wo wir diesen Tag aus dem Alltäglichen herausnehmen, ihn von allen anderen Tagen unterscheiden, ihn mit Gott und der Schöpfung in einen Zusammenhang setzen, werden wir auch den Segen empfinden, der mit ihm verbunden ist. Indem wir Gott Dank sagen für seine gute Schöpfung, werden wir auch unsere eigenen Grenzen, den Schatten unserer Existenz erkennen und dem menschlichen Größenwahn widerstehen lernen. Jeden Tag dürfen wir neu aufbrechen, einem neuen Tag der Schöpfung entgegen, so lange wir leben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass sein Reich kommt, worum wir in jedem Vaterunser bitten, - dem Frieden mit Gott entgegen und einem Frieden, wie er uns nur als ein Paradies vorstellbar ist.

Im Sinne Gottes wäre es allerdings, damit schon heute einmal unter uns und auch für die Kreatur und Natur anzufangen. Vielleicht erfahren wir dann in ganz kleinen Schritten, wie Recht Gott hat, wenn er zu seiner Schöpfung sagt: Es war alles sehr gut. Wie anders könnten wir auf das Geschenk der Schöpfung und allen Lebens reagieren, als mit einer unendlichen Dankbarkeit. Darum: Jubilate! Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren, rühmt seines Namens Herrlichkeit. Sprecht: wunderbar sind deine Werke, o Gott, die du hervorgebracht ... Der Friede Gottes sei mit uns und allem Leben dieser Welt.
Amen.


Literatur:

  1. Evangelisches Gesangbuch, Lied 279 Vers 1
  2. Drewermann, E., Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn,
    Predigten zum 1. Buch Mose, München 1997, S. 15
  3. Deutsches Pfarrerblatt 4/2001, S. 203
  4. Badische Zeitung, Donnerstag, 3. Mai 2001, S. 1
  5. Jung, C.G., Über den Menschen, Zürich 1998, S. 16f

    Frey, T., in: Calwer Predigthilfen, 3. Sonntag nach Ostern,
    Stuttgart 2000/2001, S. 225

    Barth, K., Die Kirchliche Dogmatik III/1, Die Lehre von der Schöpfung,
    Zürich 1947, S. 107ff

    Gollwitzer, H., Krummes Holz - aufrechter Gang, München 1979, S. 211ff

Letzte Änderung: 28.05.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider