Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

29.04.2001, Misericordias Domini
Der kleine Prinz und der Fuchs,
Hauptschule Kenzingen, 1. Samuel 18,1+3

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! "Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar ...", so sagt es der Fuchs zum kleinen Prinzen in den Geschichten vom Kleinen Prinzen von Antione De Saint Exupéry. Es geht um die Liebe, es geht dabei um den Glauben, der diese Liebe ermöglicht, ja hütet. Lassen wir uns heute von Jugendlichen der Haupt- und Werkrealschule Kenzingen durch ein kleines Theaterstück einladen, darüber einmal nachzudenken. Sehr herzlich danke ich Frau Elsbeth Weber und den Schülerinnen und Schülern, dass sie diesen Gottesdienst auf ihre Weise mitgestalten und damit ja auch dazu beitragen, unsere Hauptschule in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu tragen, darüber hinaus treffen sich hier Kirche und Schule einmal jenseits des Religionsunterrichtes.

Als David aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonatans mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Herz ... Und Jonatan schloss mit David einen Bund, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz.

Gebet:

Guter Gott! Schenke unseren Träumen von einem glückenden Leben durch eine tragfähige Liebe einen festen Boden unter die Füße. Gerade dort, wo wir uns in den Wüsten unseres Lebens erfahren. Herr, wir wissen ja, dass es nicht allein die Träume sind, die unsere Welt verändern, doch ohne sie wird sich auch nichts tun. So begleite uns mit deinem guten Wort, dass unser Leben gelingt und das der Menschen, die uns in unseren Lebensweg hineingestellt sind, wo und wie auch immer.

Herr, wir danken dir für deinen guten Geist, der uns überall in der Welt finden und ansprechen kann: in der Schule, wie auf der Straße, im Beruf, wie in der Freizeit, in der Freude, wie in unserer Traurigkeit, vor allem und immer wieder aber in der Liebe. In einer Liebe, die dazu fähig wird, Grenzen aufzulösen, Gemeinsames zu suchen und zu schaffen, dem Frieden unter uns zu dienen und der Menschenwürde.

Herr, heute erfahren wir dein Wort durch die gespielte Geschichte vom Kleinen Prinzen und durch die Freundschaft von Saul und David. Schenke uns mitten in den Wüsten unseres Lebens, Oasen einer alternativen Welterfahrung, Spuren deiner Liebe zur Welt, die uns tragen und geistvoll bewegen. Schenke unserem Leben seine vielen neuen Anfänge, gerade auch aus den verbrauchten, überholten Verhältnissen heraus.

Schenke allen Kindern eine glückliche, gelingende Zukunft und allen, die dafür Verantwortung tragen: Eltern, Lehrern, Mitarbeitern in Kirche und Vereinen, dem Sport und den Verbänden einen guten, hoffnungsvollen Geist. Amen.


Der kleine Prinz und der Fuchs
nach: Antoine de Saint-Exupéry

Der kleine Prinz mit Fuchs

Der Fuchs beobachtet den kleinen Prinzen, der ihn aber nicht sieht

Fuchs:
"Guten Tag"

Prinz:
"Guten Tag" (höflich) - und schaut sich suchend um

Fuchs:
"Ich bin da, unter dem Strauch"

Prinz: (Der Prinz entdeckt ihn)
"Wer bist du? Du bist sehr hübsch!"

Fuchs:
"Ich bin ein Fuchs"

Prinz:
"Komm und spiel mit mir, ich bin so traurig ......"

Fuchs:
"Ich kann nicht mit dir spielen - ich bin noch nicht gezähmt!"

Prinz:
" Ah, Verzeihung! (denkt nach) Was bedeutet das: "zähmen"?

Fuchs: (betrachtet ihn von oben bis unten)
"Du bist nicht von hier? - Was suchst du?"

Prinz:
"Ich suche die Menschen. Aber sag mir, was bedeutet "zähmen"?"

Fuchs:
"Die Menschen, die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig. Sie ziehen auch Hühner auf. Das ist ihr einziges Interesse. Du suchst Hühner?"

Prinz:
"Nein, ich suche Freunde. - Aber erklär mir doch bitte, was heißt "zähmen"?"

Fuchs:
"Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache. Es bedeutet: sich vertraut machen"

Prinz:
"Vertraut machen?"
Fuchs:
"Gewiss! - Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt"

Prinz:
"Ich beginne zu verstehen. (denkt nach) - Es gibt eine Blume ...., ich glaube, sie hat mich gezähmt."

Fuchs:
"Das ist gut möglich. Man trifft auf der Erde alle möglichen Dinge ..."

Prinz:
"Oh, das ist nicht auf der Erde!"

Fuchs (ganz aufgeregt):
Auf einem anderen Planeten?"

Prinz:
"Ja!"

Fuchs:
"Gibt es Jäger auf diesem Planeten?"

Prinz:
"Nein!"

Fuchs:
"Das ist interessant! - Und Hühner?"

Prinz:
"Nein"

Fuchs: (seufzend)
"Nichts ist vollkommen! - Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen anderen unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. - Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken ...

Und hast du die Weizenfelder gesehen? Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern! Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide lieb gewinnen!"

(er verstummte und schaute den Prinzen lange an)
Fuchs:
"Bitte zähme mich!"

Prinz:
"Ich möchte wohl, aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge kennen lernen."

Fuchs:
"Man kennt nur die Dinge, die man zähmt! Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!"

Prinz:
"Was muss ich da tun?"

Fuchs:
"Du musst sehr geduldig sein. Du setzt dich zuerst ein wenig abseits ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen.

Und du wirst nichts sagen. ( geheimnisvoll) Die Sprache ist oft die Quelle der Missverständnisse! Aber jeden Tag wirst du dich ein wenig näher setzen können.

Beide gehen auseinander -
Am nächsten Morgen: der Fuchs sitzt unter dem Strauch, der kleine Prinz erscheint

Fuchs: (etwas gereizt)
"Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wieder gekommen. (erklärend) Wenn du zum Beispiel um 4 Uhr Nachmittag kommst, kann ich um 3 Uhr anfangen, glücklich zu sein. Gegen 4 Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen. Ich werde erfahren, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll. (bestimmend) Es muss feste Bräuche geben!

Prinz:
"Was heißt "fester Brauch"?

Fuchs:
"Auch etwas in Vergessenheit Geratenes. Es ist das, was einen Tag von den anderen unterscheidet, eine Stunde von den anderen Stunden."

(Der Prinz macht sich mit dem Fuchs vertraut. Die Stunde des Abschieds war gekommen)

Prinz:
"Nun muss ich weiterziehen"

Fuchs:
"Ach, ich werde weinen"

Prinz:
"Das ist deine Schuld. Ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, dass ich dich zähme!"

Fuchs:
"Gewiss"

Prinz:
"Aber nun wirst du weinen"

Fuchs:
"Bestimmt"

Prinz:
"So hast du also nichts gewonnen!"

Fuchs:
"Doch! Ich habe die Farbe des Weizens gewonnen!"

(nach einer kleinen Pause)

Geh die Blumen wieder anschauen. Du wirst begreifen, dass die Deine einzig ist auf der Welt. Du wirst wieder kommen und mir adieu sagen. Und dann schenke ich dir ein Geheimnis."

(Der Prinz geht zu den Blumen)

Prinz:
"Ihr gleicht meiner Blume gar nicht, ihr seid noch nichts. Niemand hat sich euch vertraut gemacht. Und ihr habt euch niemandem vertraut gemacht. Ihr seid, wie mein Fuchs war. Aber ich habe ihn zu meinem Freund gemacht, und jetzt ist er einzig auf der Welt.

(er geht zum Fuchs zurück)

Prinz:
Adieu ....."

Fuchs:
"Adieu ...! Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Prinz: (wiederholt)
"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Fuchs: "Die Zeit, die du für deine Blumen verloren hast, sie macht deine Blume so wichtig!"

Prinz: (wiederholt, um es sich zu merken)
"Die Zeit, die ich für meine Blumen .... ....."
Fuchs:
"Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen. Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.

Prinz:
"Ich bin für meine Blume verantwortlich

(er wiederholt es immer wieder, um es sich merken zu können. Im Hinausgehen - Prinz und Fuchs abwechselnd)

"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar"


Meditation:
Als David aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonatans mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Herz ... Und Jonatan schloss mit David einen Bund, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz. (1. Samuel 18, 1+3)

Liebe Gemeinde!

Wer von uns träumt nicht gern einmal, und wer von uns träumte sich als Kind nicht in eine Prinzessin, einen Prinzen hinein, wollte denn nicht Polizist, Lockführer oder Model werden? In den Geschichten vom kleinen Prinzen greift Antione de Saint Exupéry mit seinen Lebensweisheiten mancher unserer Lebensträume auf. Er erlaubt sogar den Erwachsenen, noch einmal zu träumen, den Traum von Freundschaft und Liebe, von einer Menschlichkeit, die das Leben wirklich lebenswert macht: Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar ... Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast ..." [1]

Wenn Jesus einmal davon spricht, dass wir "wie ein Kind" werden sollen (Mt. 18, 3), so meint er ja genau das, was Exypéry auf seine Weise so aufgreift: der kleine Prinz wird zu einem biblischen Bild für ein vertrauendes Leben, mit dem wir die Wüsten unseres eigenen Lebens auf dem Hintergrund verlorener Träume leben und angehen dürfen. Die Welt der Erwachsenen mit ihrem Denken und Tun wird in immer neuen Varianten hinterfragt und die Kinder dazu ermutigt, einmal ein anderes Leben zu leben. Der wilde, gefährliche "Fuchs, als tiefenpsychologisches Symbol des Unbewussten wirbt selbst um das Geschenk der Zähmung" [2] Wie Jesus in seiner Bergrede aus dem Matthäusevangelium, so stellt uns der Dichter hier eine Gegenwelt vor Augen, eine andere Welt als die, die wir Erwachsenen uns schaffen.

Man muss nicht lange in der Bibel suchen, um Texte zu finden, die dem auf ihre Weise zugrunde liegen. Ich denke da an David und seinen Freund Jonathan, von denen es heißt: "Als David aufgehört hatte, mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonatans mit dem Herzen Davids, und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Herz ... Und Jonatan schloss mit David einen Bund, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz ..."

Da ist der Königssohn und der junge Hirte, zwei Kinder, in der gefährlichen Welt der Erwachsenen, in der es um Macht und Einfluss geht. Doch diese beiden jungen Menschen schaffen sich durch ihre Liebe eine eigene Welt. Und alles, was uns die Geschichte vom Kleinen Prinzen erzählt, ist übertragbar.

Das Geheimnis besteht nicht in den Dingen, die dem König Saul und seinen Ratgebern wichtig sind: wie kann die Zukunft der Königsfamilie, der Dynastie gesichert werden, was können wir gegen diesen Hirtenjungen unternehmen, der unseren Interessen gefährlich wird? Das Geheimnis besteht in der Liebe, sie ist wesentlich und bleibt doch unsichtbar, unfasslich, unbegreiflich ...
Die beiden Jungen sehen sich anders, als Erwachsene ihre Welt sehen. Sie sehen sich mit dem "Herzen", weil sie sich einander vertraut gemacht haben. Liebe ist nicht möglich, ohne das Vertrauen, die Treue zum Geliebten. Wo ich Angst haben muss, hat es das Vertrauen schwer, ich bleibe auf der Hut und so kann keine Liebe gedeihen, sondern umgekehrt: nur Misstrauen.

Der Königssohn Jonatan und der Hirtenjunge David gehen miteinander um, sie verbringen Zeit miteinander, sie lernen einander zu vertrauen, einem Vertrauen, das schließlich so felsenfest ist, dass dieser Bund geschlossen werden kann, der sich gegen den eigenen Vater richtet und über den Tod hinaus reichen wird. Wer liebt, bleibt also auch verantwortlich für den oder was er liebt, muss bereit sein, Belastungen zu ertragen. Jede Liebe ist für Liebende eine Aufgabe. Wer dazu nicht bereit ist, der mag vielleicht verliebt sein, doch zur Liebe selbst ist er (noch) nicht fähig. Das bedeutet: "Je ernsthafter sich einer auf die Liebe einlässt, desto gewisser sind ihm Schmerzen. Sie macht wehrlos, und eben das fürchten wir. Eine leidlose Liebe wäre Spielerei, sie erlischt ..." [3]

Ich bin dankbar dafür, dass uns die Schülerinnen und Schüler unserer Haupt- und Werkrealschule mit einer der Geschichten aus dem Kleinen Prinzen einmal auf eine ganz andere Weise auf die Spuren des Glaubens gesetzt haben: die Spuren der Liebe, die die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite durchziehen. Träumen wir ruhig von einer Welt, wie sie die Kinder noch als eine heile erfahren. Doch sie bleibt ein Traum, wenn wir nicht in kleinsten Schritten lernen und in das Leben hinein umsetzen, was der Fuchs uns sagt: "Hier, mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar ... Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast ..." So bleibt die Liebe immer ein neues Anfangen, ein nie zu Ende kommen, wie der Glaube selbst.
Amen.


Literatur:

  1. De Saint-Exupéry, Antoine (1900-1944), A., Der Kleine Prinz,
    Karl Rauch Verlag, ISBN 3-7920-0012-1
    Düsseldorf 1993, S. 98
  2. Drewermann, E., Neuhaus, I., Das Eigentliche ist unsichtbar,
    Freiburg 1984, S. 46
  3. Sölle, D., Atheistisch an Gott glauben, zur Dialektik der Liebe ...,
    Olten 1968, S. 101f

Letzte Änderung: 23.05.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider