8. Sonntag nach Trinitatis, Johannes 8,3-11

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Mit dem Evangelium, das wir heute hören, werden wir mitten hinein genommen in zentralste Fragen unseres Menschseins: Sexualität, Versuchungen, Treue. Wir werden danach gefragt, mit welchen Augen wir unseren Mitmenschen sehen, was für Urteile wir uns bilden oder wo wir uns nur allzu schnell von unseren Vorurteilen leiten lassen. Gott schenke uns die Offenheit, unser Leben zu sehen, wie es ist und einen Glauben, der sich auch im Alltag bewährt.

 

Auf dich, Herr richte ich Herz und Sinn. Dir, meinem Gott, vertraue ich; enttäusche mich nicht! (Psalm 25,1-2).

 

 

Gebet:

 

Herr, unser Gott! Auch wenn wir gar nicht mehr darüber nachdenken, die Wahrheit gern verdrängen, so wissen wir doch um unsere Verführbarkeit: Wie schnell verwechseln wir Liebe und Sexualität, wir sehen ein Bild und vergessen darüber den Menschen dahinter; wie schnell urteilen wir über andere, wo wir für uns selbst lauter Entschuldigungen finden würden; wie schnell sind wir mit Menschen fertig, wo wir uns die ernsthafte Auseinandersetzung erspart haben. Auch für uns gilt: „Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein werfen!“ So schenke uns mit deinem Wort auch deinen guten Geist und die Kraft mitten im Leben noch einmal neu anzufangen, wo Wege in die Irre führten, Verhaltensweisen sich als fraglich erwiesen haben und der Glaube auf der Strecke blieb. Amen.

 

Da führten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu Jesus: »Lehrer, diese Frau wurde ertappt, als sie gerade Ehebruch beging. Im Gesetz schreibt Mose uns vor, dass eine solche Frau gesteinigt werden muss. Was sagst du dazu?« Mit dieser Frage wollten sie ihm eine Falle stellen, um ihn anklagen zu können. Aber Jesus bückte sich nur und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: »Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!« Dann bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, zog sich einer nach dem andern zurück; die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand. Er richtete sich wieder auf und fragte sie: »Frau, wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich zu verurteilen?« »Keiner, Herr«, antwortete sie. Da sagte Jesus: »Ich verurteile dich auch nicht. Du kannst gehen; aber tu diese Sünde nicht mehr!«

 

 


Liebe Gemeinde!

 

Es ist Sommer-, Urlaubszeit. Laut Internet würden von rund 2000 befragten deutschen Frauen 35% im Urlaub einmal fremdgehen, wenn sich die Gelegenheit dazu bieten und der Partner nichts davon erfahren würde und von 1000 befragten Männern sogar 55%, worüber wollen wir uns da heute noch aufregen? Frauen testen damit gern ihren „Marktwert“, für die Männer ist die „Abwechslung“ ausschlaggebend. 1) Im Allgemeinen brechen Frauen dann aus ihrer Ehe aus, wenn sie unzufrieden sind, sich ungeliebt fühlen, Männer auch dann, wenn sie in ihrer Beziehung zufrieden sind. 2) Da scheint es kein Wunder mehr zu sein, dass wir in Deutschland inzwischen über 200.000 Ehescheidungen im Jahr zu verzeichnen haben. Was ist los mit Deutschlands Ehen?

 

Was ist das nur für ein Mann, dieser Jesus? Er kennt das Gesetz und das ist eindeutig, aber er verurteilt diese Frau, die fremdgegangen ist nicht. Was sind das für Männer, die das Gesetz kennen, eine verführte Frau vorführen, um an ihr ein Exempel zu statuieren? Dabei geht es ihnen nicht einmal um diese Frau, die kurz vor ihrer Steinigung ist, es geht ihnen um diesen Jesus, der ihnen wieder und wieder in die Quere kommt. Er muss gestellt, ihm muss eine Falle gestellt werden, aus der er nicht mehr heraus kommt, so könnte man sich seiner endlich entledigen.

 

Jesus muss sich entscheiden, wird er sich gegen das uralte Gesetz stellen, das Mose seinem Volk von Gott mit auf den Weg gegeben hat, einem Gesetz in dem es heißt: „... Du sollst nicht die Ehe brechen...!“ (2.Mose 20,14), richtiger übersetzt: „... Du wirst die Ehe nicht brechen...!“ Dann nämlich nicht, wenn du dich an die Gebote Gottes hältst, sie halten willst. Jesus wusste aber auch um das andere Gebot, in dem es heißt: „... Wenn jemand mit der Frau eines anderen Israeliten Ehebruch begeht, müssen beide getötet werden, der Ehebrecher und die Ehebrecherin...“ (3.Mose 20,10).

 

Wo aber ist der Mann, mit dem die Frau die Ehe gebrochen haben soll? Jesus durchschaut die Doppelbödigkeit der anklagenden Männer und schweigt zunächst, er schreibt etwas in den Sand, das der Wind verwehen wird. Erst als die Ankläger nicht aufhören, ihm sein Urteil abzuringen, gibt er ihnen diese umwerfende Antwort: „Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!“ Man muss sich diese Szene wirklich einmal vorstellen: Da ist diese Frau, den sicheren Tod vor Augen, gequält vor nackter Todesangst, sie weiß um das Gesetz, sie weiß um das Urteil dieser frommen Männer. Von Jesus, diesem ihr vermutlich unbekannten Mann, wird sie nichts erwartet haben – und dann das, diese Antwort, welche die Männer schweigend auseinander treibt.

 

Es ist dieser Satz: „Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!“, der einen jeden dieser Männer in die Verantwortung nimmt. Da ist kein Rücken mehr, hinter dem man sich verstecken könnte, denn jeder, wirklich jeder spürt, wie er sich selbst damit das Urteil sprechen würde. Wer ist schon ohne Schuld, wer lebt schon ohne seine dunklen Schatten? Diese Frage betrifft nun nicht mehr allein diese Männer damals oder die junge Frau, sondern sie betrifft uns alle. Ich bin heute noch Christ, weil mich das Menschenbild Jesu gefangen nimmt. Seite um Seite finden wir im Neuen Testament dieses Zeugnis von einem so ganz anderen Gott, als wir ihn heute nur allzu oft und falsch sehen.

Da geht es gerade nicht um Gesetze und Gesetzlichkeit, nach dem Motto, dies sollst du nicht, jenes darfst du nicht, sondern es geht darum, das Leben und Zusammenleben in der Welt zu schützen, es lebenswert und liebenswert zu gestalten und zu erhalten.

 

Was haben wir nur aus der Sexualität gemacht? Gott hat den Menschen als Mann und Frau gewollt, sonst gäbe es ihn so nicht. Wenn es den Menschen nun in zweierlei Geschlechtern gibt, dann ist darin ohne jedes Wenn und Aber Gottes Ja zur Sexualität enthalten. Sie gehört zur menschlichen Existenz unauflöslich dazu, soll Freude machen und Erfüllung schenken. Wer hat denn gesagt, dass man vor der Ehe keinen Sex haben darf? In der Bibel steht das jedenfalls nicht. Machen Sie sich einmal die Freude und trinken Sie mit Ihrer Frau, Ihrem Mann heute Abend nach dem Krimi eine gute Flasche Wein und lesen Sie sich dabei das alttestamentliche „Hohelied der Liebe“ vor. Es ist ein uraltes orientalisches Liebeslied, das schon sehr früh und sehr bewusst in den Kanon der biblischen Bücher aufgenommen wurde – trotz dessen, dass da zwei junge Menschen miteinander schlafen, ohne verheiratet zu sein. So sollte man Sexualität nun aber auch nicht mit Liebe verwechseln. In jedem Fall muss die Würde des anderen beachtet werden, der nicht zum Spielball der Lust werden darf. Hier wäre die Grenze zu sehen.

 

Unserem Gott geht es gerade nicht einfach um Gesetze und Gebote, die haben wir gemacht, ihm geht es um die Liebe. Wir wissen heute ja noch nicht einmal, was eigentlich eine Ehe in der Bibel begründete: Der Vertrag der Väter um die Mitgift, ein erster Kuss, der Einzug der Braut ins Haus der Schwiegereltern? Es ist zu vermuten, dass zur Zeit Jesu die Vielehe wohl allmählich abgelöst und sich die Einehe nach und nach durchsetzte. Ehen wurden sehr früh geschlossen, vermutlich mit 13 – 14 Jahren, dann, wenn die jungen Menschen geschlechtsreif waren. So sehen wir vermutlich auch eine sehr junge Frau vor uns, die dieser Anklage des Ehebruches ausgesetzt ist. Was bedeutet nun aber das Gesetz gegen den Ehebruch, wenn der große, weise König Salomo etwa 1000 Frauen hatte? Nun, er brach natürlich nicht aus seinen Ehen aus, so wie König David mit seiner Nachbarin Bathseba die Ehe bricht, sondern Salomo heiratet jede seiner Frauen, die alle unverheiratet waren.

 

Für uns ist die Ehe heute der Lebensraum, der aus der Liebe heraus getroffenen Wahl. Diesen Menschen liebe ich und nicht irgend einen anderen. Meine Liebe, meine Wahl schließt mit der Ehe so jeden weiteren Menschen aus. Die Liebe in einer Ehe versteht sich als eine exklusive Liebe, die zwar viele Freunde und Freundinnen zulässt, aber um der Liebe Willen auch um ihre Grenze weiß. Rechtlich entscheidet der Staat darüber, welche Eheform gilt und gelten soll, nicht aber Gott. In jedem Fall aber ist dann diese Ehe zu schützen, weil es um die Liebe geht, um das Vertrauen eines Menschen und seine Treue.

 

Der Ehebruch bedeutet, dass eine bestehende Ehe gebrochen, verletzt wird. Und das ist – weil es das Vertrauen eines Menschen verletzt – keine Bagatelle, kein Kavaliersdelikt mehr, auch wenn es so aussieht. Darum verurteilt Jesus die junge Frau zwar nicht, aber er fordert von ihr, dass sie diese Sünde nicht mehr begeht. Jesu Menschenbild war von der Liebe geprägt, keiner langweiligen Liebe, wie sie in Schlagern besungen und Groschenromanen beschrieben wird. Jesus konnte sehr deutlich werden, so wie er hier den rechthaberisch frommen Männern mit einem Wort ihre Grenzen aufzeigt.

Aber er schenkt dieser jungen Frau das Leben zurück, trotz ihrer Schuld und ihres Versagens und das des Mannes, mit dem sie die Ehe brach. Dabei geht es Jesus um einen Gott, „der nicht richtet, sondern der rettet, der nicht Recht haben will, sondern der die Rechtfertigung des Menschen möchte, einen Gott, der nicht straft, sondern der versteht...“ 3) So geht es Jesus in unserer Geschichte von der Ehebrecherin gerade auch um die Haltung, mit der wir Menschen entgegentreten, um die Frage, wie wir unsere Mitmenschen sehen, über sie urteilen, sie verurteilen. Und gerade da wird uns die Haltung Jesu beispielhaft. Er selbst weiß um die Gefahr, in der er schwebt, dass man ja nur darauf wartet, dass er etwas sagt oder tut, womit man ihn endlich anklagen und verurteilen könnte. Doch er bleibt beherrscht. Sein Malen in den Sand wird wohl bedeutet haben, dass er Zeit gewinnen will, sich sammelt, nachdenkt, um so kein vorschnelles Urteil über einen Mitmenschen zu fällen.

 

Wir sehen, wie sehr es Jesus um die Menschlichkeit geht, darum, den Menschen mit den Augen Gottes sehen zu lernen, den Augen der Liebe. Da würde dann manches Urteil anders ausfallen; Beziehungen ganz sicher weniger verletzt werden; Ehen auch im Konfliktfall nicht so vorschnell zerbrechen. Wir würden lernen, geduldiger miteinander umzugehen, weil wir um unsere eigenen Schwächen wissen. Deshalb greift diese Geschichte mit der „Sünderin“, die die Ehe gebrochen hat auch sehr viel tiefer in unser eigenes Leben ein, weil es eben nicht allein um Fragen des Ehebruches, der Sexualität, des Schutzes unserer Ehe geht, so sehr das alles mit zu bedenken ist.

 

Im Kern geht es darum, wie wir uns als Mensch und Mitmensch sehen und einander begegnen, es geht darum, unseren Gott so in unser Leben hinein zu holen, dass auch wir anderen Menschen ein Leben schenken, das von der Liebe lebt, von der Achtsamkeit, von der Rücksicht auf den Schwächeren. Es gehrt darum, die Würde eines jeden Menschen zu achten. „Wer von euch noch nie eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!“ Heute sind wir nun gemeint, gefragt und niemand kann sich mehr aus seiner Verantwortung heraus stehlen. So kann aus Gesetz und Gesetzlichkeit Evangelium werden, eine gute Nachricht für das Leben aller, die um eigene Schuld und eigenes Versagen wissen. Amen.

 


 

Literatur

 

1) Internet, Stichwort: Fremdgehen, http://www.shortnews.de/start.cfm?id=670615

2) Internet, http://www.glamour.de/glamour/2/3/content/00403/index.php

3) Drewermann, E., Das Johannesevangelium, Erster Teil, Düsseldorf, 2003, S. 347

 

 

Zeitzeichen, 6/2007, Kritik der Elche, S. 49

Zachhuber, J., Calwer Predigthilfen, 2000/2001, Reihe V/2, Stuttgart 2001, S. 67

Barth, K., Die Kirchliche Dogmatik, § 54, Freiheit in der Gemeinschaft,

Zürich, 1951, S. 127ff

 

Anmerkung: Laut Statistik heiraten Männer in Deutschland mit 32,6 Jahren, Frauen mit 29,6 Jahren (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden)

 

 

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