Trinitatis, Johannes 3, 1-8

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Der Sonntag „Trinitatis“, den wir heute feiern, gehörte einmal zu den hohen Fest- und Feiertagen der Kirche. Mit ihm sind wir daran erinnert, dass der väterliche Gott in seinem Sohn Mensch wurde und uns mit seinem Geist beschenkt hat. So sind wir heute danach gefragt, wie wir mit unserem Leben darauf antworten, dass wir einmal als Menschen geboren wurden, denn das Leben ist ja mehr, als nur zu existieren.

 

Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang sei gelobet der Name des Herrn (Psalm  113,3).

 

 

 

Gebet:

 

Wir glauben an Gott, den Vater. Aber was bedeutet das für uns, welche Rolle spielt Gott in unserem Leben und sind wir nicht allzu oft längst auf ganz andere Götter festgelegt?

           

            Wir glauben an Gott, den Sohn. Aber folgen wir seinem Vorbild und setzen wir uns ein, wofür er sein Leben riskiert hat? Er schenkte den Menschen Hoffnung und gab sich nicht zufrieden mit dem, was er vorfand.

 

            Wir glauben an Gott, den Heiligen Geist. Aber welcher Geist wirkt in uns und aus uns heraus in die Welt hinein? Wenn wir unser Leben sehen, müssten wir dann nicht noch einmal ganz neu anfangen, mit unserem Glauben das eigene Leben zu ändern, um der Welt ein anderes Gesicht zu geben: Glaubwürdiger und hoffnungsvoller, fröhlicher und engagierter. Amen.

 


Einer von den Pharisäern war Nikodemus, ein Mitglied des jüdischen Rates. Eines Nachts kam er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.« Jesus antwortete: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen.« »Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon ein Greis ist?«, fragte Nikodemus. »Er kann doch nicht noch einmal in den Mutterschoß zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!« Jesus sagte: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen. Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird. Wundere dich also nicht, dass ich zu dir sagte: 'Ihr müsst alle von oben her geboren werden.' Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird.«

 


 

 

Liebe Gemeinde!

 

Nachtgeschichten haben es oft in sich: Es wurde Abend, als ich bei der Geburt meines Sohnes dabei war, miterleben durfte, wie ein Mensch in sein Leben hinein geboren wurde. Immer wieder war es in der Nacht, wenn ich von Menschen, die am Ende ihres Lebens angekommen waren, gefragt wurde, ob sie wohl in den Himmel kommen werden? In der Nacht höre ich die herzergreifenden Hilfe-Schreie einer Sterbenden, die sich in ihrer eigenen Dunkelheit ihres Gottes nicht mehr gewiss ist. Nacht wird es als die Emmaus-Jünger den unbekannten Fremden zum Bleiben einladen: „Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget...“, die Nacht, in der sie ihn beim Teilen von Brot und Wein als ihren Freund erkennen. Und so geht auch dieser bekannte Pharisäer, Nikodemus, ein religiöser Führer, in der Nacht zu Jesus, um mit ihm zu reden.

 

Man muss sich das vielleicht so vorstellen, als würde ein berühmter deutscher Erzbischof und Kardinal in der Nacht nach Paderborn zu Eugen Drewermann reisen, dem im Oktober 1991 sein Erzbischof die katholische Lehr- und im Januar 1992 die Predigtbefugnis entzogen hatte 1) - oder nach Tübingen zu Hans Küng, dem 1979 wegen kritischer Veröffentlichungen die kirchliche Lehrbefugnis entzogen worden war. Er gilt als einer der bekanntesten, aber wohl auch umstrittensten katholischen Theologen unserer Zeit 2), um ausgerechnet mit diesen Kritikern ihrer Kirche über den Glauben und Fragen von großer Tiefe zu sprechen.

 

Pharisäer, das waren jüdische Theologen, die ihren Glauben überaus ernst nahmen, oft aber gar nicht mehr spürten, wie sehr sie über Gott mit ihrem Glauben und ihrer Theologie verfügten. Sie legten Gott an die Kette ihres Denkens und bekämpften dann alle und jeden, der ein anderes Gottesbild als sie hatte. Und Jesus hatte ein ganz und gar anderes Gottesbild als sie. So musste es zur unvermeidlichen Konfrontation kommen.

 

Am Tag kann es in Israel sehr heiß werden, so dass man sich gern am Abend, wenn die Hitze allmählich vorüber ist, auf das flache Hausdach zurück zieht, wo man den angenehmen Abendwind verspüren kann, um so den Abend zu genießen. Über sich sieht man dann den tief dunklen Himmel mit den Sternen, die man zu greifen können meint und so dürften sie sich getroffen haben, der hoch gebildete Pharisäer und Religionsführer und Jesus, der der Theologie der Pharisäer in so vielem widersprach. Zwei Lehrer des Glaubens im Ringen um Wahrheit.

 

Nikodemus anerkennt, dass in Jesus Gott wirkt, anders ist es ihm nicht erklärlich, was Jesus redet und tut und wie er es tut. Die Antwort Jesu beginnt mit „Amen!“ und dem Hinweis darauf, dass nur der die neue Welt Gottes erkennen kann, der „von oben“ geboren ist. Und sogleich hinterfragt Nikodemus diese Aussage, denn natürlich kann „kein Greis“ noch einmal geboren werden. Kein Mensch kann zweimal auf die Welt kommen. Ganz richtig versteht Nikodemus die Geburt eines Menschen aus seiner Mutter heraus, ganz falsch aber, diese ganz andere, unerwartete Antwort Jesu, dass die natürliche Geburt eines Menschen eben nicht ausreicht um „Mensch“ zu werden in den Augen Gottes.

 

 

Und so reagiert Jesus wieder mit einem „Amen!“ und erklärt Nikodemus, was er damit meint: „Nur wer von Wasser und Geist geboren wird, kann in Gottes neue Welt hinein kommen. Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird...“ Das ist der herausfordernde Kerngedanke Jesu.

 

Jeder Mensch wird einmal geboren, das ist ganz natürlich und mit jeder Geburt werden ja Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche für dieses neue Leben mit geboren. Aber was wird dann aus dieser menschlichen Existenz durch alles Wachsen und Reifen hindurch? Und ist das wirklich alles? Alles natürlich, alles vergänglich? Was war vor unserer Geburt und was wird nach unserem Tode einmal sein? Nikodemus weiß um das Leben, um all die großen Herausforderungen, Gelingen und Misslingen, die Fragen, die oft gar nicht gestellt werden und all jene, auf die wir vergeblich eine Antwort suchen und erwarten. Was er nicht erkennt, ist, dass Jesus kein zurück in den Mutterschoß meint, sondern eine andere, erweiterte Geburt mitten im Leben. Eine Geburt so zu sagen „von oben“ oder „von außen“, in jedem Fall uns unverfügbar.

 

„... Leben antwortet auf das Geborensein – als wäre darin das gute Leben versprochen. Mit dem eigenen Leben zu bewähren, dass es besser ist, geboren zu sein als nicht geboren zu sein, das ist das am wenigsten Selbstverständliche...“ 3) So stellt sich von Gott her die Frage, wie wir mit unserem eigenen Leben auf unser Geborensein antworten, uns in unserem Leben bewähren? Für Gott ist es zu wenig, dass ein Mensch nur biologisch existiert, das Leben ist mehr, als dahin zu vegetieren. Aber in diesem nächtlichen Gelehrtengespräch wird deutlich, dass auch diese geistliche Geburt geheimnisvoll bleibt, uns unverfügbar, weil sie von Gott ausgeht: „Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht...“

 

Liebe Gemeinde! Wir feiern heute den Sonntag „Trintatis“. Mit diesem Tag werden wir noch einmal an den Gott erinnert, der sich in seinem Sohn unserer Welt offenbart hat und der sich mit dem Pfingstfest ein für allemal durch seinen guten, den Heiligen Geist, in unserem Leben und Glauben vergegenwärtigt. Das alles können wir wissen, aber wissen wir es? Aus diesem Glauben könnten wir leben, aber tun wir es? Das ist es, was Jesus meint: Wir sind nicht nur in unserem Leben und mit unserem Leben in unserer Lebenszeit unterwegs, wie eine leere menschliche Hülle, die schläft, arbeitet, liebt und isst – und das immer wieder, wie eine Maus, die in einem Laufrad herumläuft, ohne je ein Ziel zu erreichen. Gott will uns zu unserer einmaligen Existenz einen Geist schenken, der diesem Leben einen Sinn, eine besondere Würde schenkt.

 

Um dieses geistliche Geborenwerden mitten im Leben geht es. Nichts ist im Leben fertig. Da gibt es auch keinen statischen Glauben, der Gott in menschliche Systeme, Dogmen, Gedankengebäude fixiert, denn Gottes Sein in uns und unserem Leben kann nur als ein ständiges Wachsen und Reifen verstanden werden. Martin Luther weist darauf hin, dass es Jesus hier um ein „Werden“ geht: „... Ich rede nicht vom Tun und Lassen, sondern vom Werden. Du selbst musst ein anderer Mensch werden... Es heißt neu geboren, nicht getan. Du musst zuerst den Baum einpflanzen, hernach magst du von den Früchten reden... “ 4)

 

Nie werden wir Menschen also damit fertig werden, über uns selbst und unser Leben hinaus zu fragen, nach dem Woher unseres Lebens und seinem Wohin und letztendlich begegnen wir hier dann immer auch der Frage nach Gott, ganz gleich, wie der Mensch sie beantwortet. Und so erinnert Jesus Nikodemus an diese geistliche Geburt, die zur natürlichen hinzukommt, wenn wir uns dessen bewusst werden, dass Gott mein Gott ist und mein Gott dann eben auch der Gott meiner Mitmenschen ist, der Gott aller Kreaturen, der Gott der Schöpfung. Ich weiß nicht, ob uns der Sprengsatz bewusst ist, dem wir mit diesem Wort Jesu ausgeliefert sind und bleiben, denn auch wir sind ja nun gefragt, was in unserem Leben vom Geist Gottes geboren ist und nun auch aus diesem Geist heraus leben soll?

 

Die Antwort darauf kann wohl nur so lauten, dass wir Menschen werden, die ganz neu lernen, in den Worten der Schrift, das Wort Gottes an uns zu hören. Wo das geschieht, dürfen wir dann auch darauf vertrauen, dass Gottes guter Geist uns jeden Tag neu in die Herausforderungen unseres Lebens begleitet. Denn hier wird sich erweisen, wes Geistes Kinder wir sind und wie wir dann mit diesem Leben auf unser Geborensein antworten. Gott schenke uns seinen guten Geist, heute und an jedem Tag unseres Lebens neu. Amen.

 

 

 

 

Literatur:

 

1) Hinweise zur Person und Werk u.a. in:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Eugen_Drewermann

2) Hinweise zur Person und Werk u.a. in:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_K%C3%BCng

3) Assel,  H., Trinitatis 2009, in: Göttinger Predigtmeditationen, 2009, 63. Jhrg.,

    Heft 3, Göttingen, S. 312

4) Luther, M., Das Johannes-Evangelium, Vierter Teil, Hrsg. E. Mühlhaupt,

    Göttingen, 19773, S. 147f

 

Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Erster Teil, Düsseldorf, 2003, S. 141ff

Haigis, P., Trinitatis, in: http://www.deutsches-pfarrerblatt.de/

 

 

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http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

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