Apostelgeschichte 8, 26-39

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Wir alle gehen unsere Lebenswege, die sehr unterschiedlich aussehen, da gibt es glückliche und weniger glückliche Lebensphasen, gelingende und nicht gelingende Situationen. Doch wie immer unser Leben aussieht und wie wir es erleben, wir sind nach dem vor uns liegenden Weg gefragt und gefordert, uns allen sich verändernden Konstellationen ganz neu zu stellen. Das gilt auch für unseren Glauben, für unser Engagement in Kirche und Gesellschaft. Nie sind wir aus unserer Mitverantwortung für Kirche und Welt entlassen. Vielleicht müssen wir angesichts der großen Herausforderungen an unser Leben wieder einmal „tiefer graben, um tiefer wurzeln zu können.“

           

            Ich begrüße heute sehr herzlich unsere Täuflinge Luca, Kevin und Niklas mit ihren Familien in der Mitte unserer Gemeinde, in diesem Gottesdienst. Es ist diesen Kindern und ihren Familien zu wünschen, dass dieser Tag etwas anregt und anstößt, das weit in die Zukunft hinein weist. Wir heißen Sie herzlich willkommen.

 

            So spricht der Herr, der dich erschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du gehörst zu mir!

 

 

Gebet:

 

Herr guter Gott! Mit unserem Leben schickst du uns auf die vielfältigen, oft undurchsichtigen Wege unseres Lebens. Da ist es gut zu wissen, dass wir zu dir gehören, auch wenn wir uns oft unsere eigenen Wege ins Leben suchen. Du begleitest uns mit Deinem Wort und Geist, du schenkst uns mit unserer Kirche eine geistliche Heimat, die unabhängig davon, ob es uns gut oder schlecht geht, ein Zuhause für uns bleibt. So danken wir dir dafür, dass wir dir mit jeder Taufe eine Antwort auf die Frage nach unserem Glauben geben und uns an unser eigenes Getauftsein erinnern dürfen. Darum bitten wir für unser ganzes Leben: Herr, sei und bleibe bei uns auf allen unseren Wegen. Amen.

 

 

Der Engel des Herrn aber sagte zu Philippus: »Mach dich auf den Weg und geh nach Süden, zu der Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt!« Diese Straße wird kaum von jemand benutzt. Philippus machte sich auf den Weg und ging dorthin. Da kam in seinem Reisewagen ein Äthiopier gefahren. Es war ein hochgestellter Mann, der Finanzverwalter der äthiopischen Königin, die den Titel Kandake führt... Jetzt befand er sich auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja. Der Geist Gottes sagte zu Philippus: »Lauf hin und folge diesem Wagen!« Philippus lief hin und hörte, wie der Mann laut aus dem Buch des Propheten Jesaja las. Er fragte ihn: »Verstehst du denn, was du da liest?« Der Äthiopier sagte: »Wie kann ich es verstehen, wenn mir niemand hilft!« Und er forderte Philippus auf, zu ihm in den Wagen zu steigen.

 

Die Stelle, die er gerade gelesen hatte, lautete: »Wie ein Lamm, wenn es zum Schlachten geführt wird, wie ein Schaf, wenn es geschoren wird, so duldete er alles schweigend, ohne zu klagen. Er wurde aufs tiefste erniedrigt; aber mitten in seiner Erniedrigung wurde das Urteil gegen ihn aufgehoben. Wer wird je seine Nachkommen zählen können? Denn von der Erde weg wurde sein Leben emporgehoben.« Der Mann aus Äthiopien fragte: »Bitte, sag mir doch: Um wen geht es hier eigentlich? Meint der Prophet sich selbst oder einen anderen?«

 

Da ergriff Philippus die Gelegenheit und verkündete ihm, von dem Prophetenwort ausgehend, die Gute Nachricht von Jesus. Unterwegs kamen sie an einer Wasserstelle vorbei, und der Äthiopier sagte: »Hier gibt es Wasser! Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?« Philippus sagte: »Du kannst getauft werden, wenn du von ganzem Herzen glaubst.« »Ja«, antwortete er, »ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist.« Er ließ den Wagen anhalten. Die beiden stiegen ins Wasser hinab, Philippus und der Äthiopier, und Philippus taufte ihn. Als sie aus dem Wasser herausstiegen, wurde Philippus vom Geist des Herrn gepackt und weggeführt, und der Äthiopier sah ihn nicht mehr. Von Freude erfüllt setzte er seine Reise fort.

 

 


 

Liebe Gemeinde!

 

Unser heutiger Predigttext führt uns auf einen staubigen Weg, der vor Jahrtausenden ein wenig abseits der großen Verkehrsströme lag. Ein Weg, der nicht viel Aufmerksamkeit verlangt und wo man gut einmal seinen Gedanken nachhängen kann. Wege begleiten den Menschen durch seine lange Geschichte hindurch, denn Wege verbinden ja nicht nur Orte, sondern gerade auch die Menschen, die in diesen Orten leben. Wo kämen wir heute wohl hin, wenn wir keine ausgebauten, zielführenden Verkehrswege hätten?

 

Wege können sehr verschieden aussehen: Sie können ausgebaut, breit oder schmal, lang oder sehr kurz sein, sie können aber auch durch Schlaglöcher oder bewusst eingebaute Hindernisse große Aufmerksamkeit von jenen verlangen, die sie benutzen. So führt ein Weg sehr schnell zum Ziel, ein anderer fordert Zeit und Ausdauer, gerade, wenn wir jetzt wieder unsere Urlaubsziele in den Blick nehmen. Wege haben für uns Menschen eine so große Bedeutung, dass wir ja sogar vom Lebensweg des Menschen sprechen. Angesichts der Taufen in unserem Gottesdienst können wir uns einmal sehr bewusst danach fragen, auf was für Wege wir unsere Täuflinge begleiten wollen, ja, wie wir sie zukunftsfähig machen? Und wie sehen unsere eigenen Wege aus, haben wir auf ihnen wünschens- und erstrebenswerte Ziele erreicht?

 

Wir kennen das doch alle: Da gibt es die Umwege, Irrwege, Abwege, da machen wir uns auf einen Hinweg, der uns dann aber irgendwann wieder auf einen Rückweg führt; wir sind in unserem Leben hoffentlich nur selten durch schier ausweglose Situationen gefordert. Wir wissen darum, dass es Scheidewege gibt und dass Wege sich einmal trennen. In keinem Leben geht es ohne Kommunikationswege, die Kontakte herstellen und Menschen aufeinander zu führen. Um Ziele zu finden, braucht jeder von uns Wegweiser. „Das Symbol `Weg´ dient in der biblischen Überlieferung der Beschreibung von Prozessen.“ [1] Wer sich auf den Weg macht, erlebt sich ja in einer ständig wechselnden, verändernden Situation.

 

Da ist also ein Reisender auf diesem Nebenweg, der von Jerusalem nach Gaza führt. Er ist ein hoher Finanzbeamter seiner Königin. Er liest. Doch er liest keine Bilanzen, keine Akten, die ihn beruflich fordern würden, sondern einen alten Text aus dem Propheten Jesaja. Er versteht wenig von dem, was er liest, da ihm der jüdische Glaube fremd ist, aber immerhin: Er setzt sich mit diesem Text auseinander. Und da ist Philippus, der vom Geist Gottes auf diesen Reisenden aufmerksam gemacht wird. Er macht sich auf den Weg und stellt sich dem Fremden, in dem er ihn danach fragt, ob er denn versteht, was er da liest. Es beginnt ein Gespräch um den Inhalt der Bibel und über den Propheten Jesjaja hinaus um Jesus Christus.

 

Wir erleben hier mit, was Weihbischof Dr. Wehrle in seiner Ansprache zu seinem 25-jährigen Bischofsjubiläum in Freiburg so ausdrückte: „Wir müssen tiefer graben, um tiefer wurzeln zu können und dann im öffentlichen Leben vertieft aus dem Glauben heraus sprach- und auskunftsfähig zu werden...“ [2] Das Gespräch über den Glauben zweier sich fremder Menschen führt zu dem Wunsch, sich taufen zu lassen: „Hier gibt es Wasser, spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?“

 

„Wir müssen tiefer graben, um tiefer wurzeln zu können...“ Wo wir als Christen unserer Volkskirchen diesen Dienst der Auseinandersetzung, eines ganz neuen Suchens und Fragens verweigern, werden wir keine angemessene Antwort mehr darauf finden, warum wir unsere Kinder noch taufen lassen. Wir tragen schließlich die Verantwortung dafür, in wie weit unsere Kinder noch etwas über ihren Glauben erfahren, der Glaube, der ihnen durch ihre Eltern, Familien und Paten, aber eben auch durch ihre Gemeinde so verwurzelt wird, dass er sie auf allen Wegen ihres Lebens begleiten und tragen kann, Werte schafft und Sinn stiftet.

 

Der Fremde äußert kein uns bekanntes Glaubensbekenntnis, sie wurden ja erst später formuliert, aber er benennt ganz klar und eindeutig, dass er an Jesus Christus, den Sohn Gottes glaubt. Ein Bekenntnis des Glaubens ohne jedes Wenn und Aber. Machen wir uns für einen Augenblick einmal auf den Weg in unser eigenes Leben hinein: Könnten wir ein solches Bekenntnis formulieren, selbst heute angesichts der Taufen dieser Kinder ..... ? Was glauben, worauf vertrauen wir?

 

Wir müssen als Eltern, als Familien, als Christen unserer Kirchen und Gemeinden also sehr viel „tiefer graben“, um auch sehr viel „tiefer wurzeln“ zu können. Das gilt für unseren Glauben, das gilt für viele Fragen, die unser Leben aufwirft bis hin zur Frage, warum ich mein Kind taufen lasse und was ich selbst für die Zukunft meines Kindes damit verbinde. Wir sind heute über mancherlei Wege in unsere Kirche gekommen und nun sind wir es, die nach ihrem Glauben gefragt sind und Antwort geben dürfen. Mit der Taufe unserer Kinder geben wir Gott selbst ja die Antwort auf die Frage nach unserem Glauben und mit dieser Frage und mit dieser Antwort bleiben wir - recht verstanden - unser ganzes Leben unterwegs.

 

„Aus dem Vorlaufen zum Tod (Martin Heidegger) entsteht auch die Frage nach dem Danach...“ [3] Das heißt doch nichts anderes, als dass unser ganzes Leben mit Fragen konfrontiert bleibt, manchmal auch mit Fragen, die uns an Grenzen führen, mit denen wir nicht so einfach fertig werden, die wir abhaken oder loswerden könnten, wie eine lästige Sache. So kann uns die Taufe unserer Kinder alle miteinander noch einmal an einen Anfang einer ganz grundlegenden Auseinandersetzung um Glaube und Kirche stellen. Gerade die „Kirche ist Raum und Heimat der Werte.“ [4]

 

In einer Zeit und Gesellschaft in der die uns tragenden „Werte“ neu bedacht werden und bedacht werden müssen, können die Kirchen von ihrem Glauben her andere Antworten geben als andere gesellschaftliche Gruppen und Organisationen, Parteien und Verbände. Aber es fragt sich, wie diese Antworten aussehen könnten und welche neuen Fragen sie aufwerfen? Mit der Taufe eines Kindes werden wir ganz nüchtern und sachlich daran erinnert, dass wir uns und unser Leben nicht uns selbst verdanken. Wenn uns das eindeutig und wirklich nachvollziehbar ist, dann wird uns die von Gott anvertraute Welt zur Aufgabe gemacht, denn dann sind nicht mehr wir die Herren der Welt, die verantwortungslos tun und lassen könnten, was sie wollen, sondern allenfalls Gottes Gäste.

 

Wer getauft ist und Gott eine Antwort auf die Frage nach seinem Glauben geben möchte, der wird es in diesem Verantwortungsgefühl tun, Gott und der Welt gegenüber. Er wird um seine Möglichkeiten, wie aber auch Grenzen der Weltgestaltung wissen.

 

Wer getauft ist und sich seiner Taufe wieder einmal bewusst wird, sieht sich in einen ganz großen, ja weltweiten Zusammenhang gestellt, denn Christen leben ja nicht allein und isoliert, sondern in der ganzen weiten Welt, wohin auch immer uns unsere Wege führen.

 

Wir leben als Christen mit einer ökumenischen Orientierung, die Grenzen sprengt und geistige und geistliche Türen öffnet. Wer getauft ist, der wird darum wissen, dass seinem Leben Grenzen gesetzt sind. Dieses Wissen muss aber keine Angst machen. Denn im Vertrauen auf den Gott, dem wir unser Leben und das unserer Kinder verdanken, dürfen mit einer „fröhlichen Zuversicht“ leben, arbeiten, lieben, leiden. Mit einer „fröhlichen Zuversicht“ dürfen wir auch die Schatten ertragen, die unser Leben begleiten und auf dem Weg bleiben, den wir geführt werden. Was mehr könnten wir unseren Kindern für ihren Lebensweg mitgeben?

 

Dieser biblische Finanzbeamte ist im ganz guten Sinne des Wortes ein Bildungsbürger. Er setzt sich mit seinem Leben auseinander, er stellt sich dem Glauben, er liest, fragt, forscht auch dort noch, wo ihm Grenzen des Verstehens gesetzt sind. Aber der Glaube ist ihm wichtig genug. An ihm sehen wir, dass niemand von uns allein glauben kann, immer wieder brauchen wir Wegbegleiter, Vorbilder, die uns auf dem Weg in einen verlässlichen und wirklich auch tragfähigen Glauben hinein begleiten.

 

Als Reaktion auf diese Taufe heißt es schließlich in einer unglaublich schönen Weise: “Von Freude erfüllt setzte er seine Reise fort...“ Er bleibt mit seinem Leben unterwegs, aber er ist doch angekommen. Was anderes könnten wir heute unseren Täuflingen und ihren Familien wünschen, als dass auch sie aus diesem Gottesdienst heraus von Freude erfüllt ihren Lebensweg fortsetzen dürfen?

 

Nur, wo wir wieder einmal begreifen, wie notwendig es ist, „tiefer zu graben“, anstatt mit seinem volkskirchlichen Glauben doch recht unverbindlich weiter zu leben, werden wir eben auch „tiefer wurzeln“ können. Wo wir uns auf diesen Weg einlassen, werden wir unseren Kindern auch mit Wort und Tat Antworten auf die Frage nach dem Grund unseres Glaubens geben. Und damit werden wir das Ja zur Taufe auch verantworten, Gott, uns selbst und der Welt gegenüber, die wir ja immer mit anderen Menschen teilen.

 

Bleiben wir alle miteinander auf dem Weg, den Gott uns führt, begleiten wir uns in all unseren Fragen, unserem Suchen und Ringen, ja selbst in unserem Zweifel, aber eben gerade auch in dem Vertrauen auf unseren väterlichen wie mütterlichen Gott. Wo wir ihn mit auf unseren Lebensweg nehmen, bewusst oder unbewusst auch auf die Abwege, Umwege, Irrwege und Scheidewege, dürfen auch wir dennoch „von Freude erfüllt“ unsere Lebensreise in dem Vertrauen auf ein letztendlich gelingendes Leben fortsetzen. Gott segne und behüte uns auf allen unseren Wegen und heute nun in ganz besonderer Weise die Wege unserer Täuflinge und ihrer Familien. Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Früchtel, U., Mit der Bibel Symbole entdecken, Göttingen, 1991, S. 357

2) Wehrle, P., Weihbischof, Freiburg i.Br., in: Konradsblatt 28, 2006, S. 4

3) Berger, K., Jesus, München, 2004, S. 596

4) Sorg, P.,    Evangelische Kirche ist Bildungskirche, Deutsches Pfarrerblatt, 6, 2006, S. 315ff

 

Söldner, L.,    6. Sonntag nach Trinitatis, Deutsches Pfarrerblatt, Heft 6, 2006 http://www.deutsches-pfarrerblatt.de/

Früchtel, U.,   Mit der Bibel Symbole entdecken, Göttingen, 1991

Sorg, P.,        Evangelische Kirche ist Bildungskirche,  Deutsches Pfarrerblatt, 6, 2006, S. 315ff

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)