Ökumenischer Gottesdienst

 

zur Unterzeichnung des Rahmenvertrages für eine ökumenische Partnerschaft

 

zwischen der

Evangelischen Kirchengemeinde Kenzingen

 

und der

katholischen Pfarrgemeinde St. Laurentius Kenzingen

 

 

 

21. Sonntag nach Trinitatis und 29. Sonntag im Jahreskreis

 

Kenzingen, 16. Oktober 2005

 

 


 

 

 

 

 

Josua rief alle Stämme Israels zu einer Versammlung nach Sichem. Er ließ alle Ältesten, Oberhäupter, Richter und Aufseher kommen, und sie stellten sich vor Gott auf. Dann sagte Josua zum ganzen Volk:

 

„So spricht der Herr, der Gott Israels ...: Ich habe euch dieses Land gegeben, um das ihr euch nicht gemüht habt, und seine Städte, die ihr nicht gebaut habt. Ihr wohnt darin und esst Trauben von Weinstöcken und Oliven von Bäumen, die ihr nicht gepflanzt habt, darum nehmt nun den Herrn ernst und ehrt ihn“, fuhr Josua fort, „dient ihm mit ganzer Treue! ... Wenn ihr dazu nicht bereit seid, dann entscheidet euch heute, wem sonst ihr dienen wollt: den Göttern, die eure Vorfahren im Land jenseits des Eufrats verehrt haben, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr jetzt lebt. Ich und meine ganze Hausgemeinschaft sind entschlossen, dem Herrn zu dienen.“

 

Das Volk antwortete: „Wie kämen wir dazu, den Herrn zu verlassen und anderen Göttern zu dienen? Der Herr, unser Gott, hat unsere Väter aus der Sklaverei in Ägypten herausgeführt, und wir kennen all die staunenswerten Wundertaten, die er dabei vollbracht hat. Auf dem ganzen Weg hierher, quer durch das Gebiet fremder Völker, hat er uns beschützt...“ Aber Josua sagte zu ihnen: „Stellt euch das nicht so leicht vor, dem Herrn zu dienen; denn er ist ein Gott, der durch und durch heilig ist, ein Gott, der leidenschaftlich liebt und von euch ungeteilte Liebe erwartet. Er wird es euch nicht verzeihen, wenn ihr ihm nicht treu bleibt.“

 

Aber das Volk antwortete: „Doch! Wir wollen dem Herrn dienen!“ Da sagte Josua: „Ihr seid Zeugen gegen euch selbst, dass ihr euch für den Herrn entschieden habt und ihm dienen wollt.“ „So ist es!“ sagten sie. ... „Wendet euch mit ganzem Herzen zum Herrn“, sagte Josua, „dem Gott Israels!“ Das Volk antwortete: „Wir wollen dem Herrn, unserem Gott, dienen und auf seine Weisungen hören.“

 

So machte Josua an diesem Tag einen Bund mit dem Volk und verpflichtete es zum Gehorsam gegen den Herrn und legte ihnen die Gebote und Rechtsordnungen vor, nach denen sie leben sollten.


 

 

 

Liebe Mitchristen hier in Kenzingen,

 

Ohne ein falsches Pathos erleben wir heute ein ganz besonderes Ereignis in der Geschichte unserer Gemeinden, unserer Kirchen. Viele unter uns erinnern sich gut daran, wie schwer es noch vor wenigen Jahrzehnten war, konfessionelle Schranken zu überwinden. Bei uns im Süden wurden die Evangelischen ausgegrenzt, in meiner norddeutschen Heimat war es umgekehrt. Keine katholische Mutter sah es gern, wenn ihr Sohn mit einer evangelischen Freundin ankam und katholische Pfarrer machten hier in Kenzingen noch besorgte Hausbesuche, wenn die Frage nach einer konfessionsverschiedenen Ehe überhaupt nur aufkam. An ökumenische Trauungen war ja noch gar nicht zu denken. Immerhin wurde sie dann doch in unseren Kirchen, zunächst hier in Baden ermöglicht – ein großer Schritt, seelsorgerisch begründet.

 

Heute werden wir in diesem Gottesdienst den „Rahmenvertrag für eine ökumenische Partnerschaft“ zwischen der Pfarrgemeinde St. Laurentius und der Evangelischen Kirchengemeinde unterzeichnen. Es ist ein historisches Ereignis für die Kirchen unserer Stadt, ja für unsere Stadt selbst, denn selbstverständlich ist ein solches Dokument auch heute noch nicht. Als erste Kirchen in Deutschland unterzeichneten für die Erzdiözese Freiburg und die Evangelische Landeskirche in Baden unsere Bischöfe im Mai 2005 eine vergleichbare Vereinbarung für die Kirchenleitungen.

 

Konstruktiv und in einem partnerschaftlichen Geist haben wir festgeschrieben, was in den Bereichen Gottesdienst und Seelsorge, Gesprächskreisen, Kasualhandlungen und gemeinsamen Veranstaltungen, in der Jugendarbeit und der Kirchenmusik schon heute das Leben und Zusammenleben unter uns bestimmt oder was in der Zukunft wünschenswert wäre. Abschließend heißt es in diesem Vertrag. „Mit dieser Vereinbarung geben wir dem zwischen uns gewachsenen Miteinander einen verbindlichen Rahmen und verpflichten uns, dieses Miteinander auch weiterhin zu fördern und zu entwickeln. So suchen wir der Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst gerecht zu werden zur Ehre Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ [1]

 

Lassen Sie es mich ganz persönlich ausdrücken: In den über 30 Jahren meines pastoralen Dienstes bewegt mich dieser von unseren Leitungsgremien, dem Pfarr- und Kirchengemeinderat verabschiedete Partnerschaftsvertrag in ganz besonderer Weise. Damit verbinden wir die Hoffnung, dass die Beziehungen unserer Gemeinden zueinander weiter vertieft und ausgebaut werden, denn alle Verträge sind ja nur so gut, wie wir selbst sie mit Leben erfüllen. Dabei können wir natürlich die theologischen Differenzen zwischen unseren Kirchen vor Ort nicht aufheben, sie bestehen und werden sich noch eine ganze Weile auf das Zusammenleben unter uns auswirken: Die Frage nach der Rechtfertigung durch die Gnade Gottes allein oder die Gnadenmittel der Kirche; die Frage nach dem kirchlichen Amt und seinem Verständnis für die Sakramente und damit verbunden natürlich die brennende Frage nach der gemeinsamen Feier der Eucharistie, um nur einige bestehende Differenzen anzudeuten.

 

Dabei muss niemand die Sorge haben, etwas aufgeben zu müssen, was zum Wesen seines Glaubens gehört, aber wir alle dürfen – über alles Trennende hinweg – uns nun auch nachdrücklich auf das beziehen und berufen, was in den vergangenen Jahren an ökumenischer Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit unter uns gewachsen ist.

In den letzten Jahren des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. gab es immer wieder einmal Irritationen an der Basis beider Konfessionen, weil gerade das Trennende zwischen unseren Kirchen besonders hervorgehoben wurde. Unser heutiger Weg steht in der weiterreichenden Tradition des II. Vatikanischen Konzils, dort wurde in der Pastoralkonstitution `Die Kirche in der Welt von heute´ im Schlusswort festgeschrieben:

 

„Die Kirche wird Kraft ihrer Sendung, die ganze Welt mit der Botschaft des Evangeliums zu erleuchten und alle Menschen aller Nationen, Rassen und Kulturen in einem Geist zu vereinigen, zum Zeichen jener Brüderlichkeit, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen lässt. Das aber verlangt von uns, dass wir vor allem in der Kirche selbst, bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheit, gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden, Geistliche und Laien. Stärker ist, was die Gläubigen eint als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe.

 

Im Geist umarmen wir auch die Brüder, die noch nicht in voller Einheit mit uns leben, und ihre Gemeinschaften, mit denen wir aber im Bekenntnis des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und durch das Band der Liebe verbunden sind. Dabei sind wir uns bewusst, dass heute auch von vielen Nichtchristen die Einheit der Christen erwartet und gewünscht wird. Je mehr diese Einheit unter dem mächtigen Antrieb des Heiligen Geistes in Wahrheit und Liebe wächst, um so mehr wird sie für die ganze Welt eine Verheißung der Einheit und des Friedens sein. Darum müssen wir mit vereinten Kräften und in Formen, die zur wirksamen Erreichung dieses großen Zieles immer besser geeignet sind, in immer größerer Übereinstimmung mit dem Evangelium brüderlich zusammenarbeiten, um der Menschheitsfamilie zu dienen, die in Christus Jesus zur Familie der Gotteskinder berufen ist.“ [2] Dieser Geist belebt unseren „Rahmenvertrag für eine ökumenische Partnerschaft!“

 

Wo es um den Glauben geht, muss um die Wahrheit gerungen werden, wo es um den christlichen Glauben geht, muss auf dem Boden des biblischen Wortes um die Wahrheit gerungen werden – und so ist es nicht verwunderlich, dass es schon in der Bibel selbst Bündnisse gibt. Gott schließt mit Abram einen Bund (1. Mose 15,18); die Könige Israels schließen Bündnisse mit ihren Nachbarn; Josua stellt die Stämme Israels vor Gott und schließt einen Bund mit dem Volk und verpflichtet es auf den Gott ihrer Väter und Mütter im Glauben (Josua 24,25). Wir sprechen vom Alten und vom Neuen Bund, den Gott selbst mit seinem Volk Israel und dann durch Jesus Christus mit der ganzen Welt abschließt. So heißt es im 1. Korintherbrief im 11. Kapitel zur Einsetzung des Abendmahles: „... Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: `Dieser Kelch ist Gottes neuer Bund, der durch mein Blut in Kraft gesetzt wird. Tut das, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!´“

 

Auf unzähligen Konzilien und Synoden wird bis in die Gegenwart hinein in beiden Kirchen und in allen christlichen Konfessionen um die Wahrheit des Glaubens gerungen. Auch Josua erlebt nach den Wirren und Irrungen seines Volkes auf der Suche nach einer neuen Heimat die großen Umbrüche seiner Zeit, die Meinungsvielfalt, das Suchen nach richtigen Wegen in einer scheinbar fremden Welt, bis hin zur Suche nach dem richtigen Gott. So verpflichtet er nun das ganze Volk auf den Glauben an den Gott, der das Volk so lange fürsorglich begleitet hatte.

Damit sind auch wir bleibend an die Geschichte des Volkes Gottes mit seinem Gott erinnert und stehen nun selbst in dieser Tradition, abgebildet in unseren eigenen Lebensgeschichten, die den Glauben unter uns wach und lebendig halten.

 

In einer Zeit, in der Glaube und Religiosität immer beliebiger werden, ist es notwendiger denn je, dass wir als Kirchen zusammen stehen, dass bei allen Unterschieden das dennoch Verbindende und Gemeinsame stärker als bisher betont wird. „`Eine Moral, von der man weiß, das man ihr Erfinder ist, hat nicht dieselbe unbedingte, transzendierende (Anm.: grenzüberschreitende) Bedeutung´, schreibt der Philosoph Rüdiger Safranski. Und folgert: `Es gibt also das Verlangen nach moralischer Transzendenz, weil der Mensch sich selbst nicht über den Weg traut: Was ich selbst erfunden habe, kann nicht so viel Wert haben.´ Deshalb der Wille nach Gott.“ [3]

 

Wir Christen in Deutschland leben inzwischen inmitten von Buddhisten, Moslems, Hindus und Juden. Wir erleben um uns herum unzählige Sekten und religiöse Gruppierungen. Eine vagabundierende Religiosität lässt den modernen Menschen das aus dem Markt religiöser Möglichkeiten heraus suchen, was er für sich selbst sucht und braucht. Der Glaube darf materiell durchaus einiges kosten, nicht so sehr aber ein größeres zeitliches Engagement. Man glaubt an sich selbst, an den Erfolg, Selbstverwirklichung ist wichtig und man möchte sein Leben so gut es geht genießen. So sieht die moderne Patchwork-Religion aus.

 

Aber: Was haben wir Christen unserer Welt nachhaltig zu sagen und was vermitteln wir noch an Begeisterung, wie wir sie z.B. auf dem Weltjugendtag in Köln erlebt haben? Unser „Rahmenvertrag für eine ökumenische Partnerschaft“ soll ein Zeugnis dafür werden, wie man in zwei unterschiedlichen Konfessionen eben dennoch aus einem Geist heraus leben kann. Er soll zeigen, wes guten Geistes Kinder wir sind. Das lassen Sie uns nun in gemeinsamer Verantwortung für unseren Glauben miteinander und füreinander leben. Auch Kenzingen braucht uns als solche Christen, die leben, die vorleben, dass sie mehr vereint als trennt. Gott helfe uns auf unserem weiteren Weg: Er segne und behüte das geistliche Leben in der St. Laurentius-Pfarrei und in der Evangelischen Kirchengemeinde; die Verkündigung des Wortes Gottes; das Teilen der Sakramente; die Seelsorge an allen Menschen, die unsere Zuwendung brauchen. Er segne alle Kreise und Gruppen; die Jugend- und die Seniorenarbeit, so wie die Kirchenmusik; er segne die Gegenwart und die Zukunft unserer Gemeinden. Er segne und behüte alle Menschen in unserer Stadt. Amen.

 

 

 

Literatur:

 

1) Rahmenvertrag für eine ökumenische Partnerschaft, Kenzingen/Br., 2005

2) Rahner, K., Vorgrimmler, H., Kleines Konzilskompendium, Pastoralkonstitution

   `Die Kirche in der Welt von heute´, Nr. 92, Freiburg, 1967,  S. 550

3) DER SPIEGEL, 33/2005, Das Kreuz mit den Deutschen, S. 148

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)