14. Sonntag nach Trinitatis, Psalm 146

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Ich freue mich, dass wir diesen letzten Gottesdienst in den Sommerferien miteinander feiern, Gott loben und ihm für all das danken dürfen, was uns oft unverdient geschenkt ist. Im Mittelpunkt unseres Nachdenkens wird heute der 146. Psalm stehen, der uns nach Ferien und Urlaub nun auch wieder in unseren Alltag begleiten darf. Hören wir ihn zunächst in einer modernen Übertragung:

 

 

 

Lobe den Herrn, meine Seele!

 

Wen oder was loben oder lieben wir?

Gott? Uns selbst?

Die wir begehren?

Die uns begehren?

 

Ob Geschäftsmann oder Star, ob reich und schön,

Menschen sind sterblich – ein Leben lang.

Wovon sie leben? Worauf sie sich verlassen?

Auf sich selbst? Und ihr Können?

Auf ihr Bankkonto?

 

Was ist unser Leben wert?

Können wir es erhalten?

Sind wir es, die Leben erschaffen?

 

Der Herr macht die Gefangenen frei und die Blinden sehend.

Der Herr richtet auf, die niedergeschlagen sind.

Er behütet die Fremdlinge und erhält Waisen und Witwen;

Der Herr ist König ewiglich, dein Gott,..., für und für.

 

Dich, Gott,

will ich loben mein Leben lang. Halleluja!

 

 

(Lübking, H.-M., Törner, G., Beim Wort genommen, Gütersloh, 2002, S. 175)

 

 

 

 

 

Halleluja!

 

Lobe den Herrn, meine Seele!

Ich will den Herrn loben, solange ich lebe,

und meinem Gott lobsingen, solange ich bin.

 

Verlasset euch nicht auf Fürsten;

sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.

Denn des Menschen Geist muss davon,

und er muss wieder zu Erde werden;

dann sind verloren alle seine Pläne.

 

Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist,

der seine Hoffnung setzt auf den Herrn, seinen Gott,

der Himmel und Erde gemacht hat,

das Meer und alles, was darinnen ist;

der Treue hält ewiglich,

der Recht schafft denen, die Gewalt leiden,

der die Hungrigen speiset.

 

Der Herr macht die Gefangenen frei.

Der Herr macht die Blinden sehend.

Der Herr richtet auf, die niedergeschlagen sind.

Der Herr liebt die Gerechten.

Der Herr behütet die Fremdlinge

und erhält Waisen und Witwen;

aber die Gottlosen führt er in die Irre.

Der Herr ist König ewiglich,

dein Gott, Zion, für und für.

Halleluja!

 

 


Liebe Gemeinde!

 

„... und morgens, da singe ich meiner Frau einen Lobgesang!“, so erzählte es unser Professor für Homiletik, für die Predigtlehre, Edurad Buess einmal in einem Seminar an der theologischen Fakultät in Basel. „... Und morgens, da singe ich meiner Frau einen Lobgesang!“ Da mag man noch kurz lächeln, aber jeder wird einsehen, wer so in den Tag hinein geht oder von einem anderen Menschen gleich am Morgen begrüßt wird, der geht wohl gestimmt in den Tag, ganz gleich, was dann noch kommen mag. Als einen lobenden und dankbaren Menschen habe ich Prof. Buess erfahren. Aber ich habe lange gebraucht, um das wirklich zu verstehen. Und ebenso wurde wohl auch der 146. Psalm im späteren Judentum zu einem „Bestandteil des täglichen Morgengebets...“ 1)

 

Wer den 146. Psalm in Ruhe liest, wird angesteckt von seiner Lebensfreude, diesem unendlichen Lob Gottes, trotz dessen, dass die Welt gesehen wird, wie sie nun einmal ist. Und so ist es ja auch kaum verwunderlich, dass er gleich in zwei ganz bekannten Lobliedern unseres Gesangbuches nachgedichtet und mit wunderschönen Melodien versehen wurde. Da hören wir Paul Gerhards „Du meine Seele singe“ (EG 302), in dem es heißt:

 

                                    Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön

Dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn.

Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd;

Ich will ihn herzlich loben, so lang ich leben werd.

 

Und in nüchterner Einschätzung der großen und großartigen Schöpfung Gottes gegenüber, beginnt der Schlussvers mit den Worten:

 

                                    Ach, ich bin viel zu wenig, zu rühmen seinen Ruhm...

 

Das zweite Loblied ist das ebenso bekannte Lied von Johann Daniel Herrnschmidt: „Lobe den Herren, o meine Seele“ (EG 303):

 

                                    Lobe den Herren, o meine Seele!

Ich will ihn loben bis in´ Tod;

Weil ich noch Stunden auf Erden

Zähle, will ich lobsingen meinem Gott.

Der Leib und Seele gegeben hat,

werde gepriesen früh und spat.

Halleluja, Halleluja.

 

Zwei Lieder, die das Gotteslob aus dem 146. Psalm aufgreifen, so dass wir es durch die Zeit hindurch singen können, um unserem eigenen Lob und Dank Gott gegenüber, Worte und Klänge zu geben. Gerade die Melodien beider Lieder unterstreichen ja überdeutlich, worum es im Text geht, da unsere Sprache fast nicht ausreicht, um auch unsere Gefühle mit zu nehmen und auszudrücken. Und so verbinden sich Text und Melodie zu einer Gott lobenden Einheit. Bei der ganzen Psalmdichtung gilt es ja zu sehen, dass „selten Leben und Literatur eine solche Einheit eingegangen sind, wie in den Psalmen.

Und auch deswegen gibt es das Ungefügte, die Abbrüche, den verstörenden Widerspruch. An manchen Stellen ist noch der schnelle Atem zu vernehmen, die Atemlosigkeit, die Empörung und der Schmerz dessen, der da spricht... Ihr Kunstwerkcharakter ist geprägt von altorientalischen, von babylonischen und ägyptischen Einflüssen, sie sind Ausdruck der Empfindungen eines aufgewühlten oder begeisterten, enthusiastischen oder deprimierten, hilflosen oder dankbaren Menschen. 1)

 

Der Psalm beginnt mit einem Lobpreis Gottes: „Halleluja! Lobe den Herrn, meine Seele!“ Damit aber nicht genug, denn der Psalmbeter weiß, dass unser Glaube nicht aus oberflächlichen Gefühlen, aus Stimmungen besteht, sondern zugleich eine Herausforderung, eine Aufgabe für uns Menschen ist. Das Gotteslob kann ja nicht einmalig bleiben und so heißt es weiter: „Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin...“ Mitgenommen wird Lob und Dank in das ganze Leben hinein. Und nun folgt eine Warnung: „Verlasst euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen. Denn des Menschen Geist muss davon, und er muss wieder zu Erde werden...“ Sehr nüchtern werden hier die Grenzen menschlicher Herrschaft gesehen. Martin Luther bezieht sich auf dem Reichstag zu Worms gerade auf diesen Vers. So wird berichtet:

 

„Am Donnerstag, dem St. Marcustag vormittags versuchten Peutinger [humanistisch gesinnter Abgesandter der Stadt Augsburg auf dem Wormser Reichstag] und der Badener [gemeint ist Hieronymus Wehus, Kanzler des Markgrafen Philipp von Baden; er war der kaiserlich-beauftragte Sprecher in den berühmten Nachverhandlungen mit Luther in Worms am 24. und 25. Apr. 1521] Doktor Martin Luther dahin zu überreden, dass er Kaiser und Reich ganz einfach und bedingungslos das Urteil über seine Schriften überlassen solle. Er antwortete, er wolle alles tun und leiden, wenn sie nur die (höhere) Autorität der Heiligen Schrift anerkennen würden. Sonst könne er (Kaiser und Reich) nichts weniger überlassen. Denn Gott habe durch seinen Propheten ernstlich gesagt (Ps. 146,3: Verlasst euch nicht auf Fürsten, sie sind Menschen, bei denen kein Heil ist, und außerdem (Jer. 17,5): Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt. Als sie nun in ihn drangen, antwortete er, nichts sei weniger dem Urteil der Menschen zu überlassen als das Wort Gottes. So gingen sie weg und baten ihn darum, er möge sich eine bessere Antwort überlegen, sie würden nachmittags wiederkommen...“ 3)

 

Und wie hören wir einen solchen Vers mitten im Bundestagswahlkampf 2009? Was schulden wir Christen dem Staat in dem wir leben oder können wir uns dem Staat und unserer Gesellschaft einfach verweigern? Schaut man sich einschlägig um, so wird klar, dass wir dem Staat Mitverantwortung schulden, die darin deutlich wird, dass wir wählen gehen und uns eben nicht verweigern, dass wir mit Politikern reden, darauf achten, was für eine Politik gemacht wird und ob sie dem Frieden und der Würde des Menschen dient. Wer sich dieser Aufgabe verweigert, darf sich dann später nicht beklagen. Resignation und Verweigerung dürften auf dem Hintergrund unserer historischen Erfahrung von Diktaturen keinen Boden haben. Dabei bleibt es aber so, wie es das Psalmwort aufzeigt, dass alle politische Macht vor Gott begrenzt ist, denn auch Politiker sind in ihrer eingeschränkten Verantwortung gefragt, sie dürfen, können und wollen ja auch nicht tun und lassen, was sie wollen.

 

Angesichts der Not des kirchlichen Widerstandes zur Zeit des Dritten Reiches stellt der evangelische Theologe Karl Barth einmal zuversichtlich und voller Vertrauen fest: "Er (Gott) regiert die Welt, auch wenn die Staaten der Welt schlecht regiert werden..." Mit den Worten: "Es wird regiert!" verabschiedete dann der alt gewordene Karl Barth seinen alten Freund, Eduard Thurneysen, nach einem längeren Telefongespräch über die dunkle Lage der Welt - in der Nacht, in der er verstarb. "Es wird regiert"! 4) In diesen Worten wird ein abgrundtiefes Gottvertrauen deutlich, das die Dunkelheiten der Welt aber gerade nicht ausblendet. Politische Herrschaft überbietend weist der Psalmbeter auf den Gott seiner Väter hin: „Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn, seinen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat...!“ Gott ist immer der Gott unserer Vergangenheit, der Gegenwart und damit zugleich auch unserer Zukunft. Israels Glaube ist sich dessen bewusst, er fußt im Glauben und Vertrauen der Vorväter und –Mütter.

 

Gerade, wenn wir heute ein Kind taufen, ist ja zu fragen, was geben wir diesem Kind mit? In was für eine Zukunft wird es hinein leben und was geben oder verweigern wir ihm, gerade auch im Blick auf seinen Glauben? Die Erfahrung der Geburt eines Kindes ist doch Grund genug, einzustimmen in ein Gotteslob, wie wir es heute hören. Auch wir sind ja eingeladen, uns selbst immer wieder dankbar all dessen zu erinnern, was Gott für uns getan hat und tut.

 

Aber, so wurde es bei ONLINE FOCUS unter der Überschrift „Richtig loben“ einmal festgestellt: „... Wir leben, so scheint es, in einer Kritikgesellschaft. In einer Meckerwelt, einer Nörgelkultur. Viele schlechte, wenige gute Nachrichten stehen in der Zeitung. Skeptisch zu sein gilt als geistvoll, eine milde Haltung rasch als naiv. Wir haben in der Schule gelernt, uns auf die Fehler zu konzentrieren, und suchen sie bis heute – bei unseren Kindern und unseren Partnern, bei unseren Kollegen und unseren Chefs. Gleichzeitig sehnen wir uns jedoch nach Lob und Anerkennung. ... Umfragen der Unternehmensberatung Gallup deuten auf einen Trend zum Frust hin. 68% der deutschen Arbeitnehmer geben an, nur Dienst nach Vorschrift zu leisten. 20% sagen, sie hätten bereits `innerlich gekündigt´.... 60% der Deutschen fühlen sich im Beruf nicht ausreichend gewürdigt...“ 5)

 

Der Psalmbeter greift das schon damals auf dem Hintergrund seiner Welterfahrung auf, denn nun werden alle erwähnt, denen im Leben oft kaum zum Loben zu Mute ist: Die Unterdrückten, die Hungernden, die Gefangenen, die Blinden, die Verzweifelten, die Gäste und Fremden im Land, die Witwen und Waisen. Aber gerade hier spürt man, wie sehr der Psalmbeter seinen Gott bis in sein ganz konkretes Leben und wie er es um sich herum erfährt, hinein holt. Gott thront für ihn nicht fernab überm Sternenzelt und Wolken, sondern unser Gott ist eben auch ein Gott unserer Tiefen, unseres Zweifels, unserer Trauer. Er ist unser Gott auch dort, wo wir unsere Grenzen zu spüren bekommen. Hier bewährt sich der Glaube, gerade hier muss sich der Mensch nicht gottverlassen fühlen. Es ist ein Hymnus des Gottvertrauens, trotz ja auch dunkler Welt- und Lebenserfahrungen.

 

Unser Psalm endet mit einem weiteren Lob Gottes, denn: „Der Herr ist König ewiglich, dein Gott, Zion, für und für. Halleluja. Liebe Gemeinde! Nehmen wir es mit, dieses wunderschöne Gotteslob und lassen wir uns von seinen Worten, seinem guten Geist in unser ganzes Leben hinein begleiten. Ja, lobe den Herrn, meine Seele. Ich will den Herrn loben, solange ich lebe und meinem Gott lobsingen, solange ich bin. Amen.

 

 


 

Literatur:

 

1) Weiser, A., Die Psalmen, Göttingen, 19667, S. 574

2) Stadler, A., „Die Menschen lügen. Alle“ und andere Psalmen,

    Frankfurt, 20049, Klappentext

3) Luther, M., Luthers Psalmen-Auslegung, 3. Band, Hrsg. Erwin Mühlhaupt,

    Göttingen, 1965, S. 649ff – aus den 1521 herausgegebenen Akten der

    Verhandlungen mit Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms

4) Schneider, H.-H., Predigt zum 16. Sonntag nach Trinitatis, 1998, in:

    http://www.predigten.de/

5) Borgeest, B., Richtig loben, ONLINE FOCUS in:

    http://www.kiddysmusic.de/downloads/montagsthemav.15.12.08.pdf

 

 

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

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