Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 2. Kor. 4,6-10

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Mit dem „Letzten Sonntag nach Epiphanias“ geht nun die Weihnachtszeit endgültig zu Ende. Dabei hat uns das normale Leben, der Alltag, ja längst wieder, und wir sind schon einen Monat in einem weiteren Jahr unseres Lebens. Schauen wir es uns an, so spüren wir, wie sehr es von unglaublichen Spannungen geprägt ist, wie sehr wir uns auseinandersetzen und vielleicht manchmal sogar kämpfen müssen, um bestehen zu können. Doch gerade in solchen Situationen unseres Lebens dürfen wir hören, was Gott auch uns zusagt, womit er uns ermutigt, zugleich aber auch dazu auffordert, das Leben in seiner ganzen Spannweite anzunehmen und anzugehen, er sagt: »Licht strahle auf aus der Dunkelheit!«

 

 

Gebet:

 

Herr, unser aller Gott! Wie sehr verdunkeln wir durch unseren Unglauben, unsere lieblose Gleichgültigkeit, den Egoismus und unsere Hoffnungslosigkeit das Zusammenleben mit anderen Menschen. Wir lassen es zu, dass tiefe Schatten unser Herz und unseren Verstand verdüstern. Wie viele dunkle Stunden bereiten wir daher bewusst und unbewusst uns selbst und anderen Menschen, mit denen wir unser Leben teilen, darum kommen wir zu dir und bitten dich selbst in unser Leben hinein, damit wir nicht an uns selbst oder auch durch andere resignieren und verzweifeln müssen. Amen.

 


 

 

Gott hat einst gesagt: »Licht strahle auf aus der Dunkelheit!« So hat er auch sein Licht in meinem Herzen aufleuchten lassen und mich zur Erkenntnis seiner Herrlichkeit geführt, der Herrlichkeit Gottes, wie sie aufgestrahlt ist in Jesus Christus.

 

Ich trage diesen Schatz in einem ganz gewöhnlichen, zerbrechlichen Gefäß. Denn es soll deutlich sichtbar sein, dass das Übermaß an Kraft, mit dem ich wirke, von Gott kommt und nicht aus mir selbst. Ich bin von allen Seiten bedrängt, aber ich werde nicht erdrückt. Ich weiß oft nicht mehr weiter, aber ich verzweifle nicht. Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nicht im Stich. Ich werde niedergeworfen, aber ich komme wieder auf. Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt worden ist, an mir sichtbar wird.


 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Wer von uns würde sich nicht in einem solchen Text, wie wir ihn eben hörten wiederfinden, gerade weil wir in einer Welt leben, in der es uns manchmal ja ein wenig schwer fällt Licht in den vielfachen Dunkelheiten, die uns umgeben, zu entdecken. Und doch ist es ja ein wunderschönes Wort, über das es lohnt einmal nachzudenken. Es zeigt uns überdeutlich, dass über all unserem Leben mit seinen oft dunklen Schatten und Finsternissen, dennoch ein Licht aufstrahlt, das uns zu leben hilft.

 

„Licht strahle auf aus der Dunkelheit!“, damit erinnert Paulus an das erste Wort Gottes, seine erste Tat, in der Schöpfungsgeschichte. So, wie das Licht unerlässlich für die Schöpfung, für neues Leben in der Welt ist, so setzt Gott tagtäglich das Licht gegen die Dunkelheit. Der Tag und die Nacht sind uns durch die Natur vorgegeben, doch Licht, Finsternis oder die Dunkelheit sind existentielle Empfindungen. Die Finsternis oder Dunkelheit kann uns auch am hellsten Tag noch gefangen nehmen, binden und fesseln, uns zu Gefangenen einer bestimmten Situation oder Erfahrung machen. So ist es auch mit dem Licht, das uns noch in die größte, unverständliche Herausforderung oder tiefste Not unseres Lebens hinein leuchten kann, in unsere Trauer oder Angst.

 

Viele offene Fragen bewegt die Gemeinde in Korinth, es gibt Auseinandersetzungen und ungeklärte Konflikte. Und gerade in diese Situation hinein, die gar nicht so strahlend und einladend erscheint, erinnert Paulus daran, dass Gott noch einmal etwas für die Welt getan hat, um das Dunkel zu beleuchten, zu erhellen, nämlich durch die Geburt seines Sohnes Jesus Christus. Durch diesen sollen wir zu der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes gelangen. Am Leben Jesu können wir ablesen, wie Gott sich uns Menschen vorstellt: Natürlich menschlich und damit allen Gefährdungen des Lebens ausgesetzt bis hin zum Tod. Doch gerade in unserer Existenz als Menschen erfahren wir Gott, erfahren wir, wie Jesus selbst sein Leben an der Seite Gottes verstanden und gelebt hat. Mit ihm wurde die Welt an den Gott erinnert, der gerade in unseren vielfältigen Dunkelheiten unser Gott sein will, kein Schönwettergott, sondern ein mitleidender, mitfühlender Gott. Eben: Das Licht, das scheinwerferähnlich gerade auch in der Finsternis und Dunkelheit des Lebens aufstrahlt.

 

So dürfen wir Menschen Gott kennen und sind dennoch von so vielen Dingen bedroht und leben verletzbar bis an den letzten Tag unseres Lebens. Wer von uns fühlt sich denn nicht einmal in seinem Leben bedrängt, weiß nicht mehr weiter, fühlt sich verfolgt, niedergeworfen oder wird beängstigend an seinen Tod erinnert? Jeder von uns erlebt das und ein jeder von uns muss sich – auf welche Weise auch immer - in sein Leben zurückkämpfen. Martin Luther schreibt in seiner unnachahmlichen Art und Weise zu unserem Text:

 

„Gott scheint ein ganz großer Narr zu sein, der dem allmächtigsten Feind, dem Satan, einen so schwachen Menschen entgegensetzt, der einem zerstoßenen Rohr gleicht. Ei, es muss den Teufel sehr verdrießen, dass er, so ein großer, gewaltiger und kluger Geist, den geringen und schwachen Menschen nicht sollte überwinden oder ihm schaden können (...)  Darum schießt der Teufel in seinem Zorn feurige Pfeile gegen uns. Um sie aufzufangen, ist der Schild des Glaubens vonnöten...“ [1]

Das unfasslich Dunkle im Leben des Menschen konnte Luther noch sehr ungebrochen mit dem klassischen Bild des „Teufels“ in Verbindung bringen. Unbestreitbar dagegen sind natürlich auch für uns, den modernen Menschen, die widernatürlichen Kräfte im Leben, das Unbegreifliche, Unfassliche, das Schattenhafte, Gott und unserem Menschsein Entfremdende. Wie oft fragen wir uns nach dem „Warum“, wie oft kämpfen wir uns durch unser Leben, durch Lebensphasen oder Situationen hindurch, die uns ungeklärt, oft aber auch schier unmenschlich erscheinen.

 

Wir sind an Jakob erinnert, der am Jabbok seinem verfeindeten Bruder begegnen will und plötzlich in einen existentiellen Kampf auf Leben und Tod verwickelt wird. Er kennt sein Gegenüber nicht und er erfährt auch nicht, mit wem er hier kämpft. Doch es ist klar, dass er diesen Kampf in sich selbst und mit seinem Gott auskämpft. Und als er schließlich heimkehren will „geht ihm die Sonne auf, doch er hinkt an seiner Hüfte...“ Angeschlagen wird er von nun an sein Leben leben, aber er wird leben. Gerade so erfährt er, was es heißt, das einem Menschen – auch in dunkelsten Augenblicken - die Sonne aufgeht.

 

Dieser Dualismus des Lebens bleibt ja keinem Menschen erspart, wie es schon in der Weisheit Israels zum Ausdruck gebracht und bewusst war. So sagt der Prediger, dem alles im Leben vergänglich scheint: „Es hat alles seine Zeit und alles Tun unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit. Sterben hat seine Zeit. Pflanzen hat seine Zeit und Ausreißen hat seine Zeit. Töten und Heilen, Einreißen und Bauen. Weinen hat seine Zeit und Lachen hat seine Zeit. Klagen und Tanzen, Steine wegwerfen und Steine sammeln. Umarmen und Getrenntsein, Suchen und Verlieren, Behalten und Wegwerfen, Zerreißen und Nähen. Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit. Lieben und Hassen, Krieg und Frieden. Ich sah, wie die Menschen sich mühen, und sah, dass Gott die Mühe über sie verhängt hat. Er aber tut alles zu seiner Zeit und lässt ihr Herz sich ängstigen, wie es weitergehen solle in der Welt. Denn der Mensch kann das Werk, das Gott tut, doch nicht fassen. Weder Anfang noch Ende...“ [2]

 

Diese durchaus pessimistische Weltsicht, die ja auch in unserer Zeit durchaus spürbar ist: „Wir können ja doch nichts machen..., die da oben tun ja doch, was sie wollen..., teilt Paulus gerade nicht. Er weiß natürlich, dass keinem Menschen diese Auseinandersetzungen erspart bleiben, aber nicht umsonst spricht er von einem „guten Kampf“, den wir zu kämpfen haben  (1. Tim. 6,12). Bei diesen Kämpfen geht es aber nicht um Eroberungen, und den Beweis der eigenen Macht und Stärke, sondern es geht um das Leben selbst, um seine bedrängende Gegenwart und Zukunft, die sich hoffnungsvoll angehen lässt. Wer kämpft, das Leben nicht einfach nur passiv erduldet und erleidet, packt entschlossen zu, der verweigert sich der Tatenlosigkeit und bewährt sich im Leben.

 

Schauen wir uns in unserer Wirklichkeit heute um, so gibt es ja tatsächlich einige Fragen und manche Unsicherheiten. Die Gesundheitsreform verunsichert Patienten und Ärzte, - die vielbeschworene Bildungsoffensive Lehrer, Schüler und Eltern, - ob die große Steuerreform nun kommt oder nicht, ist noch offen, ebenso wie die Frage, wer der nächste Bundespräsident wird? Es gibt angesichts des unglaublichen gesellschaftlichen Wandels kaum noch ein Politikfeld, dass nicht in Frage und auf dem Prüfstand steht. Regierung und Opposition tragen jeder auf seine Weise zu dieser Verunsicherung bei.

Doch fragen wir uns einmal: Wer könnte es denn besser machen? Sie? Ich? Die Leute vom Biertisch? Die unzähligen Interessenverbände, die alle allein an sich und ihre Klientel denken? Wir können weder ethisch noch moralisch von Politikern mehr erwarten, als von uns selbst. Also nicht über die Politik oder die Politiker jammern und klagen würde Paulus uns wohl raten, sondern uns selbst einzusetzen, und damit dort dazu beitragen, dass Licht ins Dunkel kommt, wo wir gefragt und selbst verantwortlich sind. Aus skeptischer Verweigerung und einer unverantwortlichen Politikverdrossenheit würden wir alle lernen, die veränderte Situation anzugehen, womit die Hoffnung eine Chance bekäme, allen Problemen, die es ja wirklich gibt, zum Trotz.

 

Paulus zeigt einen Perspektivenwechsel gegen alle Resignation auf. „Der Kampf ist darum ein grundlegender und unverzichtbarer Aspekt von Lebendigkeit. Er verbindet den Glauben mit der Hingabe an die Welt und das Leben...“ [3] Wir erfahren, wie Paulus es in seinen Gegensatzpaaren deutlich macht, dass wir eben nicht erdrückt werden, - verzweifeln müssen, - uns auch nicht im Stich gelassen zu fühlen brauchen, und immer wieder auf die Beine kommen dürfen. Auf diese Weise wird deutlich, was die Auferstehung Jesu bedeutet: ein neues Leben gegen den alten Tod. Das ist Gottes Ja zu einem Leben, das alle Grenzen unseres Verstehens sprengt, selbst dort, wo wir immer wieder nur die Herausforderungen, Kämpfe, Zerstörungen, Depressionen oder gar den Tod sehen und uns immer wieder einmal von den Todesstrukturen dieser Welt gefangen nehmen lassen.

 

„Licht strahle auf aus der Dunkelheit!“ das ist Gottes entscheidendes Wort zu unserer angefochtenen Existenz. Aber das ist, wir spüren es alle, leichter gesagt und zu predigen, als dass es erlebt und durchlebt ist. Ich spüre für mich und angesichts meines Lebens, dass ich so sicher nicht reden könnte, wie Paulus es hier tut: „Ich bin von allen Seiten bedrängt, aber ich werde nicht erdrückt. Ich weiß oft nicht mehr weiter, aber ich verzweifle nicht. Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nicht im Stich. Ich werde niedergeworfen, aber ich komme wieder auf. Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt worden ist, an mir sichtbar wird...“

 

Selbst Paulus beruft sich auf Gott, der ihm die Kraft zu einem solchen Leben und Lebenskampf schenkt und der sich eben nicht auf sich selbst, seine eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten verlässt. Er ist sich seiner Grenzen wohl bewusst, aber er münzt sie mit seinem tiefen Glauben an Gott um zu immer neuen Möglichkeiten und Fähigkeiten, und damit zu einem guten Kampf für das Leben. Was ich uns allen wünsche ist, dass wir uns mit Paulus den Blick für unsere eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten öffnen lassen, ohne mutlos zu resignieren und uns tatenlos durch unser Leben treiben lassen. Wenn Gott selbst uns das nicht zutrauen würde, dann wäre er ja wirklich ein „großer Narr“. Aber er traut es uns zu, so, wie er ein solches Leben auch Jesus zugetraut hat.

 

So dürfen wir einen guten Kampf des Glaubens kämpfen, damit wir die ganze Fülle und den unglaublichen Reichtum des Lebens in seiner unendlichen Spannweite nicht mehr nur erleiden, sondern konstruktiv durchleben. Damit schenken wir der Welt Perspektiven der Hoffnung. So, wie Gott am Anfang seiner guten Schöpfung sagte: „Licht strahle auf aus der Dunkelheit...“, so dürfen nun wir selbst mit unserem Gottvertrauen zu einem solchen Licht für die Welt werden. Sie hat es bitter nötig. Amen.


 

 

 

Literatur:

 

 

  1. Luther, M., Epistel-Auslegung, 2. Band, Die Korintherbriefe, Hrsg., E. Ellwein, Göttingen, 1968, S. 385
  2. Die Bibel, Prediger 3, 1-11
  3. Kunstmann, J., in: Spirituell leben, Freiburg, 2002, S. 198

 

 

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)