Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

2. Mose 32 (Auszug) - Vorstellung der Konfirmanden im Gottesdienst

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern und Familien, liebe Gemeinde! Das neue Konfirmandenjahr hat begonnen und wir machen uns miteinander auf einen Weg von dem niemand weiß, wie er enden wird. Wir wollen vor allem und immer wieder nach Gott fragen angesichts der vielen Götter und Götzen, die wir uns selbst machen. Was ist uns nicht alles im Leben wichtig und bedeutend, woran unser Herz hängt, manches davon, was Jugendlichen wichtig ist, sehen wir hier an unserer Dame aus dem Schaufenster. Sie wirbt für ihre Produkte der Marktwirtschaft, so, wie wir mit dem nun beginnenden Konfirmandenunterricht Werbung machen für Gott, für den Glauben, für die Kirche und damit für tiefgreifende Maßstäbe und tragfähige Fundamente unseres Lebens.

 

Der Herr selbst wird vor dir herziehen. Er wird dir helfen und dich niemals im Stich lassen. Hab keine Angst und lass dich von keinem Gegner einschüchtern! (5.Mose 31,8)

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Inmitten der vielen Götter und Götzen, die unser Leben beherrschen und die uns wichtig sind, wollen wir nun nach dir fragen und dich suchen lernen. Geh mit uns auf diesem Weg und lass dich – wo und wie auch immer - in unserem Leben hören und erfahren, damit wir unser Herz nicht mehr an fremde Götter hängen und inhaltsleeren Parolen folgen. Wir brauchen neue Orientierungen, um in den Herausforderungen des Alltags bestehen zu können, so, wie er, Jesus von Nazareth, es uns vorlebte. Amen

 


Das Volk Israel unten im Lager hatte lange auf die Rückkehr von Mose gewartet. Als er immer noch nicht kam, liefen alle Männer bei Aaron zusammen und forderten: »Mach uns einen Gott, der uns schützt und führt! Denn was aus diesem Mose geworden ist, der uns aus Ägypten hierher geführt hat - niemand weiß es.« Aaron sagte zu ihnen: »Nehmt euren Frauen, Söhnen und Töchtern die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren tragen, und bringt sie her!« Alle nahmen ihre goldenen Ohrringe ab und brachten sie zu Aaron. Er schmolz sie ein, goss das Gold in eine Form und machte daraus das Standbild eines Jungstiers. Da riefen alle: »Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten hierher geführt hat!«

 

Aaron errichtete vor dem goldenen Stierbild einen Altar und ließ im Lager bekannt machen: »Morgen feiern wir ein Fest für den HERRN!« Früh am nächsten Morgen brachten die Leute Tiere, die als Brandopfer dargebracht oder für das Opfermahl geschlachtet wurden. Sie setzten sich zum Essen und Trinken nieder, und danach begannen sie einen wilden Tanz. Da sagte der HERR zu Mose: »Steig schnell hinunter! Dein Volk, das du aus Ägypten hierher geführt hast, läuft ins Verderben. Sie sind sehr schnell von dem Weg abgewichen, den ich ihnen mit meinen Geboten gewiesen habe: Ein gegossenes Kalb haben sie sich gemacht, sie haben es angebetet und ihm Opfer dargebracht und gerufen: `Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten hierhergeführt hat!´«

 

Weiter sagte der HERR zu Mose: »Ich habe erkannt, dass dies ein widerspenstiges Volk ist. Deshalb will ich meinen Zorn über sie ausschütten und sie vernichten. Versuche nicht, mich davon abzubringen! Mit dir will ich neu beginnen und deine Nachkommen zu einem großen Volk machen.« Mose aber suchte den HERRN, seinen Gott, umzustimmen und sagte: »Ach HERR, warum willst du deinen Zorn über dein Volk ausschütten, das du eben erst mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt hast? ... Da sah der HERR davon ab, seine Drohung wahr zu machen, und vernichtete sein Volk nicht. Mose stieg den Berg hinunter. In der Hand hatte er die zwei Steintafeln, die auf beiden Seiten beschrieben waren. Gott selbst hatte die Tafeln gemacht und mit eigener Hand das Bundesgesetz darauf geschrieben... Als Mose näher kam, sah er das Stierbild und das wild tanzende Volk. Da packte ihn der Zorn, und er zerschmetterte die Tafeln auf dem Felsboden am Fuß des Berges. Das Götterbild, das sie gemacht hatten, schmolz er ein und zerstampfte es dann zu Pulver...

 


Im Altarraum sitzt eine Schaufensterpuppe mit einem Laptop auf dem Schoß, einem Handy in der Hand und anderen Gegenständen, die für Jugendliche heute scheinbar unerlässlich sind.

 

 

 

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

liebe Eltern und Familien unserer Konfirmanden,

liebe Gemeinde!

 

„Hauptsache attraktiv, Verbraucheranalyse: Mode wird für Teenager immer wichtiger“, so konnten wir es dieser Tage in der Zeitung lesen: „Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren wird ihr Aussehen immer wichtiger. Sie setzen stärker als ihre Altersgenossen vor zehn Jahren auf Mode, Haarstyling und Kosmetik... Dafür nimmt das Umweltbewusstsein der Teenager ab...“ [1] So haben wir am Konfirmandenwochenende diese Schaufensterpuppe gestaltet, um uns das einmal ganz plastisch vor Augen zu führen. Was Jugendlichen und eben leider nicht nur ihnen heute wichtig ist, kann man herstellen, produzieren, mit den Händen schaffen. Wie das „Goldene Kalb“ aus grauer Vorzeit - so suchen und machen auch wir uns unsere Götter – aus welchen Gründen auch immer.

 

Mose hat das Volk Israel in die Freiheit geführt, doch Israel merkt auf seinem langen Weg in die neue Heimat, dass Freiheit nicht so ganz einfach zu haben ist. Man muss sich auf den Weg machen, täglich neu und allen Widerständen und Hindernissen zum Trotz. Geduld und Ausdauer sind nötig, soll Freiheit nicht in neuer oder anderer Unfreiheit enden. Am Wahlverhalten im Osten am vergangenen Sonntag merken wir deutlich, dass der Gott Marktwirtschaft und Demokratie vorschnelle Ersatzgötter waren und viele von jenen, die vor der ostdeutschen Revolution in Kirchen ihre Freiheitslieder sangen, protestieren jetzt ernüchtert auf Montagsdemonstrationen.

 

Ersatzgötter und Götzen sind gefragt und – wie wir sehen können – ist das gar nicht so neu. Aaron, ein Bruder von Moses, wird ungeduldig aufgefordert: „Mach uns einen Gott, der uns schützt und führt...“ und eben diesen Ruf konnten wir in einem Bericht des SPIEGEL dieser Woche unter dem Titel „Jammertal Ost“ lesen: „Deutschstunde am Gymnasium Angermünde in Brandenburg: Der Leistungskurs sitzt zusammen, „Effi Briest“ wird zur Seite gelegt, es geht um die Gegenwart. Es dauert lange, bis sich Nicole zu Wort meldet. Dann sagt sie, die Römer hätten das doch gar nicht so schlecht gemacht: `Ein Diktator  auf Zeit, das könnte auch bei uns helfen. Einer,  der mal auf den Tisch haut.´

 

Sie sagt das ganz ruhig und langsam, als wäge sie jedes Wort. Nicole ist lässig gekleidet, trägt einen Glitzergürtel, ein bauchfreies Hemd, ein Tattoo ist zu sehen. Sie wollte nicht `einen verrückten wie Hitler´, sagt Nicole. Sie wolle einen Diktator, der Bildung für jeden erschwinglich macht, der dafür sorgt, dass ihr Vater mit seinen kaputten Knien für die Plackerei als Landwirt, endlich deutlich mehr Geld bekommt als ein Arbeitsloser oder als Leute, die den ganzen Tag nur am PC tippen...“ [2] Hatten wir das nicht alles schon einmal und dennoch wählen sich gerade Jugendliche ihre neuen – entsetzlich alten – Leitbilder, Führer und Ersatzgötter, von denen sie Hilfe erwarten. In Bezug auf das „Jammertal Ost“ und die geschilderten Demonstrationen wurde angemerkt, dass einem „vor allem ein Wort einfällt: Maßlosigkeit. Hier fehlen ein paar Leuten die Maßstäbe...“ [3]

Die biblische Geschichte vom „Goldenen Kalb“ lässt uns nach den Geschichten der „Goldenen Kälber“ in unserem eigenen Leben fragen und damit natürlich auch nach den Maßstäben für unser Leben, für unser Denken und Fühlen, Wollen und Können. Und manche dieser weiteren Götter sehen wir hier an der jungen Dame aus dem Schaufenster: PC oder Laptop mit höchsten Standart natürlich, das neuste Handy und die Markenkleidung, ohne die es nicht mehr geht, will man nicht restlos out sein.

 

Nun ist wirklich nichts gegen PC´s, Handys oder Markenbekleidung zu sagen – und manches dieser Dinge wird neben Geld, möglichst viel Geld, zu den geheimen Wünschen für die Konfirmation gehören – doch es bleibt die berechtigte Frage: Welche Götter und Götzen wir uns für unser Leben selbst machen und folgen möchten? Ein menschliches Produkt, ein Stierkalb aus Gold wird in dem Moment zum Gott erschaffen, als der Führer, Mose, zu lange weg bleibt. Ein Stier, der für Kraft, Stärke, ja für Fruchtbarkeit und sexuelle Potenz steht. Das Volk sucht sich, wie Nicole aus Angermünde und unzählige andere Jugendliche und Erwachsene seine begreiflichen und unbegreiflichen, seine sichtbaren und unsichtbaren Leitbilder und Götter.

 

Was beim Hören unseres Bibelwortes auffällt, ist, dass Aaron Gold einfordert für den neuen Gott – und das Volk zahlt klaglos seinen Preis, es spendet nicht nur, nein, es opfert seinem Gott. Da wagt man es kaum, danach zu fragen, was uns denn unser Gott so Wert ist im Verhältnis zu all den modernen Göttern, die uns wichtig sind?

 

Wie modern das doch alles ist, wenn es um die Ersatzgötter geht, weil die Bereitschaft und Geduld zu einer ernsthaften Reflexion des Lebens fehlen. So sitzt Ihr nun mit Euren 13 Jahren im Konfirmandenunterricht und erlernt die Fremdsprache des christlichen Glaubens. Dass die kommenden Monate dafür nicht reichen, ist jedem bewusst, der sich auf eine neue Sprache einlässt. Neben Eurem Unterricht und dem Besuch des Gottesdienstes braucht Ihr Vorbilder, Menschen, die Euch begleiten und es Euch vorleben, dass wir mit einem anderen Gott leben dürfen, als mit jenen selbsterdachten oder gemachten Göttern – damals, wie heute.

 

Viele von uns kennen vielleicht das bekannte Buch und den noch bekannteren Film  von Carl Zuckmeyer „Des Teufels General“. Dort fragt ein im nationalsozialistischem Geist erzogener junger Flieger seinen General: „Glauben Sie an Gott?“ Der General antwortet nach langer Pause: „Ich weiß es nicht. Er ist mir nicht begegnet. Aber das lag an mir. Ich wollte ihm nicht begegnen. Er hätte mich vor Entscheidungen gestellt, denen ich ausweichen wollte. Ich habe an das Erdenkbare und an das Erkennbare geglaubt. An das, was man prüfen, entdecken, finden kann. Aber die größte Findung aller Zeiten habe ich nicht erkannt. Sie heißt Gott. In vielerlei Gestalten – immer Gott. ... Ich kenne ihn nicht. Aber ich kenne den Teufel. Den hab` ich gesehen: Aug in Aug. darum weiß ich, dass es Gott geben muss. Mir hat er sein Angesicht verhüllt. Dir wird er begegnen...“ 3)

 

„... Er hätte mich vor Entscheidungen gestellt, denen ich ausweichen wollte...“ Das ist es wohl, die selbsterdachten und gemachten Götter sind einfacher zu haben, wir können sie uns kaufen, mit unseren Händen erschaffen oder als Illusion im Kopf denken, doch der Gott des Himmels und der Erde, gibt sich dem Menschen so nicht in die Hand. Zu groß ist der qualitative Unterschied zwischen Gott und Mensch und weil es uns oft einfach zu mühsam ist, uns mit Gott auseinander zu setzen, machen wir uns unsere Götter eben selbst.

Bei ihnen brauchen wir nicht in den Konfirmandenunterricht zu gehen, ja wir können sonntags sogar getrost im Bett bleiben. Es fragt sich nur, wem diese Götter letztendlich nutzen?

 

Mose muss auf den Berg hinauf. Gott wird ja immer „oben“ gedacht, weil ja auch der Mensch immer „oben“ sein will, auf dem Siegertreppchen, über anderen stehend. Denn niemand von uns will ein Verlierer sein. Und so erklimmen wir unsere Berge und spüren erst dann und wann im Leben, dass wir immer wieder einmal von unseren Bergen herab geholt werden. Wir müssen wie Mose herunter kommen, und gerade da, da wo wir sind, da, wo wir leben, da, wo uns der Wind einmal ins Gesicht bläst und sogar da, wo wir ganz offensichtlich einmal zu den Verlierern gehören, da dürfen wir Gott glauben.

 

Ich kenne wirklich nur wenige Menschen, die zugeben, nicht an Gott zu glauben, aber an welchen Gott oder an welche Dinge glauben wir? Glauben wir an den Gott, den die Philosophen in der Natur entdecken; Forscher hinter ihrem Verstand, Langschläfer im warmen Bett, Denkfaule und Ungeduldige in wohltönenden Floskeln, Wanderer im tiefen Wald, Jugendliche in ihrem Träumen? Eines ist sicher: Der Gott, der uns aus dem biblischen Wort heraus anspricht, lässt sich nicht festlegen, denn würde er das zulassen, wäre er ja nur wieder ein selbstgemachter Götze.

 

Wir werden es auf dem Weg durch unser ganzes Leben zu lernen und wohl auch zu ertragen haben, dass Gott das Geheimnis des Glaubens (Martin Buber) schlechthin ist. Wir können an Israel sehen, dass auch wir Gott dort erfahren, wo wir unterwegs bleiben und wo wir ihm nicht immer wieder in unserem Leben davon laufen, sondern nach ihm zu fragen, zu suchen lernen.

 

Mit Mose ist auch Gott vom Berg herunter gekommen und was er sieht und hört macht ihn zornig, so sehr, dass Mose wieder einmal mit Gott stellvertretend für sein Volk verhandeln muss. Er zerschmettert die Tafeln, auf welchen die zehn großen Freiheiten, die Gott dem Menschen schenkt, eingemeißelt sind und er zerstört das Götzenbild, das aus Gold gemachte Stierbild. Ich denke, dass wir alle es notwendig haben, von unseren Bergen der Überheblichkeit in Glaubensfragen herunter zu kommen, um zu erkennen, wie sehr wir Gott heute nötig haben und wie groß unsere uneingestandene Sehnsucht nach einem tragfähigen Grund in unserem schnellen, oft oberflächlichen Leben letztendlich doch ist: Der PC veraltert, das Handy erst recht und die schönen, modernen Markenklamotten überstehen kaum eine Saison. Sie tragen nicht, schon gar nicht, wenn es darauf ankommt.

 

So kann mit dem Konfirmandenunterricht für uns alle ein ganz neues Fragen und Suchen nach Gott beginnen, um ihm dann so er es will begegnen zu können: hier in der Tiefe, hier im Alltag, hier in der Mitte unserer Gemeinde, bei Euch in der Schule, am Arbeitsplatz und im Elternhaus. Wir werden ihn aus seinem Wort heraus hören, wenn wir uns darauf einlassen, und wir werden allen anderen Göttern, erdachten oder gemachten, widerstehen lernen, denn Gott ist es, was wir brauchen und Gott ist es, woran wir unser Herz hängen. Der Text vom „Goldenen Kalb“ bricht ab, zu lang wäre die Geschichte für eine Predigt, aber die Geschichte Gottes mit Israel ging weiter - und so geht die Geschichte Gottes auch in unserem Leben weiter – machen wir uns alle miteinander auf den langen Weg mit ihm, denn dann werden auch wir ihm begegnen. Amen.

 



 

Literatur:

 

 

1) Badische Zeitung, Dienstag, 21.09.04, Hauptsache attraktiv, S. 15

2) DER SPIEGEL, Nr. 39, 20.09.04, S. 44f

3) Zuckmeyer, C., Des Teufels General, Frankfurt, 200433, S.141

 

Schneider, H.-H., unveröffentlichte Predigten

 

Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:

 

http://www.evang-kirche-kenzingen.de und

http://www.predigten.de (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)