2. Sonntag nach Epiphanias, 1.Kor 2,1-10

 

  

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Das schöne am christlichen Glauben ist, dass Gott selbst mit unseren menschlichen Unzulänglichkeiten rechnet. Wir müssen eben nicht perfekt sein, um beten, singen, bitten und danken zu können. Hier müssen wir nicht nach vorgegebenen Maßstäben funktionieren, sondern wir dürfen immer wieder neu anfangen, auf Gott zuzugehen, ihn zu suchen, nach ihm zu fragen. Lassen wir uns dazu auch mit diesem Gottesdienst ermutigen.

        

Durch Mose gab Gott uns das Gesetz, in Jesus Christus aber ist uns seine Güte und Treue begegnet (Joh 1,17).

 

 

 

Gebet:

  

Herr, guter Gott! Wir kommen uns oft so schlau vor, fühlen uns anderen weit überlegen und spüren gar nicht mehr, wie sehr wir heute oft am Ende unserer Weisheit angekommen sind. Gesellschaftliche Werte, Moral und Ethik werden mit dem Glauben verwechselt. Man legt sich selbst zurecht, was man für „christlich“ hält, so aber nimmt man das Wort nicht mehr beim Wort und Begriffe werden ihrem Sinn entleert. Herr, so bitten wir dich um einen neuen Mut, zu einer neuen Leidenschaft für den Glauben an dich und an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Darum bitten wir. Amen.

 


 

 

 

Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam und euch Gottes verborgenen Plan zur Rettung der Menschen verkündete, habe ich euch doch nicht mit tiefsinniger Weisheit und geschliffener Redekunst zu beeindrucken versucht. Ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu kennen als Jesus Christus, und zwar Jesus Christus, den Gekreuzigten. Als schwacher Mensch trat ich vor euch und zitterte innerlich vor Angst. Mein Wort und meine Botschaft wirkten nicht durch Tiefsinn und Überredungskunst, sondern weil Gottes Geist sich darin mächtig erwies. Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf die Kraft Gottes.

 

Auch wir verkünden tiefsinnige Weisheit - für alle, die dafür reif sind. Aber das ist nicht die Weisheit dieser Welt und auch nicht die ihrer Machthaber, die zum Untergang bestimmt sind. Vielmehr verkünden wir Gottes geheimnisvolle Weisheit, die bis jetzt verborgen war. Schon bevor Gott die Welt erschuf, hatte er den Plan gefasst, uns an seiner Herrlichkeit Anteil zu geben. Aber keiner von den Machthabern dieser Welt konnte Gottes weisheitsvollen Plan durchschauen. Sonst hätten sie den Herrn, der die Herrlichkeit Gottes teilt, nicht ans Kreuz gebracht. Es heißt ja in den Heiligen Schriften: »Was kein Auge jemals gesehen und kein Ohr gehört hat, worauf kein Mensch jemals gekommen ist, das hält Gott bereit für die, die ihn lieben Uns hat Gott dieses Geheimnis enthüllt durch seinen Geist, den er uns gegeben hat. Denn der Geist erforscht alles, auch die geheimsten Absichten Gottes.

 

 


 

 

Liebe Gemeinde!

 

Vor kurzem las ich folgende Geschichte:

Eine Gemeinde suchte einen neuen Pfarrer. Der Kirchenvorstand war sehr kritisch und anspruchsvoll und hatte so seine Vorstellungen, wie der neue Pfarrer sein sollte. So hatte er schon eine Reihe von Bewerbern abgelehnt: Der eine predigte nicht gut genug, der andere besaß nicht die erforderliche Würde im Auftreten, der dritte hatte eine zu eigenwillige Theologie ...  Der Vorsitzende war verzweifelt. Und als wieder einmal ein Bewerber keine Gnade vor den strengen Augen des Gremiums gefunden hatte, meinte er: Da habe ich hier nur noch eine Bewerbung, aber die klingt mir auch nicht sehr vertrauenerweckend. Der Mann schreibt:

 

Leider sei er nicht gesund, seine Krankheit habe ihm in der Gemeindearbeit schon manches Mal ernstlich zu schaffen gemacht. Und auch sonst sei er nicht gerade das Ideal eines Gemeindepfarrers. Trotz seiner reichen Erfahrung habe er es nie lange in einer Gemeinde ausgehalten; einmal seien es immerhin drei Jahre gewesen. Er habe auch immer wieder Streit mit Amtskollegen und innerkirchlichen Gruppen bekommen. Organisation sei auch nicht seine Stärke, auch nicht sein Gedächtnis, er habe schon mehrfach vergessen, wen er getauft habe. Trotzdem habe er Anlass zu glauben, er sei ein guter Theologe und Prediger, und er glaube auch den Heiligen Geist zu haben. Und wenn diese Gemeinde es mit ihm versuchen wolle, dann wolle er ihr dienen, so gut er könne.

 

Der Kirchenvorstand war in seltener Einmütigkeit hell empört. Wie kann ein so kränklicher, offenkundig streitsüchtiger und gedächtnisschwacher Mann es wagen, sich hier zu bewerben! - Man war sich einig, ihn gar nicht erst zur Vorstellung und zur Probe-Predigt einzuladen. Der Vorsitzende schloss mit einem tiefen Seufzer die Akten. "Ich habe mir das schon so gedacht" meinte er. "Aber sie sollen doch wenigstens den Namen dieses beklagenswerten Menschen erfahren. Es ist nämlich der Apostel Paulus."  [1]

 

Eine tiefe Leidenschaft muss einen Menschen erfasst haben, um mit einer so schwachen Konstitution, wie wir sie von Paulus selbst erfahren und zudem noch mit einer solchen Botschaft in jener Zeit ständig von Ort zu Ort unterwegs zu sein. Paulus durchzieht praktisch die damals bekannte Welt, um seinen Glauben vom „Gekreuzigten Christus“ zu verkündigen. In einer Welt also, die auf starke Götter setzte und je greifbarer diese Götter waren, desto besser. Ein gekreuzigter Gott war eine Lachnummer, im besten Falle ein Skandal. Nichts jedenfalls für die Gebildeten - und scheinbar keine Hilfe für die anderen.

 

Was kann Paulus schon anbieten? Er fühlt sich schwach, zittert vor Angst, seine Rede wirkt kaum durch Tiefsinn und Überredungskunst. Aber gerade so macht er die Stoßrichtung des christlichen Glaubens deutlich, denn es geht ja gar nicht um ihn, den Prediger, sondern es geht ihm um die Sache selbst. So geht es also nicht um unsere Weisheit, um das was wir vorgeblich verstehen, sondern es geht ihm um die geheimnisvolle Weisheit Gottes. Der umstrittene Heidelberger Theologe Klaus Berger schreibt in seinem neuen Buch „Jesus“: „Wir versuchen ein wenig der `Logik Gottes´ nachzugehen. Leiden, Kreuz und Schande sowie Verzicht auf Selbstverwirklichung und Anerkennung sind Anti-Werte. Sie orientieren sich grundsätzlich an einem tief greifenden Kontrast und Konflikt zwischen Gott und Welt...“ [2]

Das heißt nun durchaus nicht, dass Christen weltfremd zu leben hätten, humor- und freudlos. Es geht dem Glauben ja nicht um eine Verweigerung des Lebens, sondern gerade umgekehrt, um die Gestaltung des Lebens aus einem bestimmten Geist heraus. Wenn Sonntag für Sonntag etwa 6 Millionen Christen allein in Deutschland einen Gottesdienst besuchen [3], dann geschieht das doch nicht grundlos. Es sind zum größten Teil Menschen, die ihrem Leben sehr bewusst einen Sinn geben möchten, denen die Orientierung ihres Alltages durch Marketing und Werbung zu wenig ist. Das Leben soll reflektiert erfahren werden, so das man lebt und nicht gelebt wird.

 

Auch das hat etwas mit der Weisheit zu tun, von der Paulus spricht. Weisheit, das ist noch etwas ganz anderes als Klugheit und Intelligenz. Ich kenne eine ganze Reihe von Menschen, die gar nicht unbedingt klug im Sinne schulischen Wissens sind, die aber aus einer tiefen Weisheit heraus leben. Sie nehmen die Welt ganzheitlich wahr und reagieren aus der Fülle bedachter Erfahrungen. Ein weiser Mensch weiß um die Grenzen seines Verstandes, seiner Möglichkeiten, ja um die Grenze seiner Existenz schlechthin und da er nicht sich selbst zum Maßstab seiner Welt setzt, wagt er es, über sich selbst hinaus zu fragen. Er bleibt auf der Suche, er bleibt unterwegs.

 

Der große Kirchenlehrer Anselm von Canterbury (1033-1109) sagte: Der Glaube sucht oder forscht nach Erkenntnis, er müht sich um diese Erkenntnis ("Fides, quarens intellectum") oder: Ich glaube, damit ich erkenne, oder ich glaube, um zu erkennen! ("Credo ut intelligam"). Das beschreibt sehr schön, wie sehr der Glaube, so lange er sich als christlicher Glaube versteht, offen ist, offen für Fragen rationaler Erkenntnis; offen für Empfindungen, die wir vielfach rational nicht verstehen können; offen somit für die vielfachen Rätsel des Lebens und damit durchaus offen auch für die Frage nach dem tieferen Grund unserer Existenz, ja der Frage nach Gott und den Plänen Gottes für uns und unsere Welt.

 

In seinem Buch „Furcht und Zittern“ beleuchtet der dänische Theologe und Philosoph Sören Kierkegaard die Fragen nach „Resignation und Glaube“. Dort sagt er: „Der Glaube ist ein Wunder, und doch ist kein Mensch ausgeschlossen davon; denn das einigende Band allen menschlichen Lebens ist Leidenschaft, und der Glaube ist eine Leidenschaft... [4] Man muss ja kein großer Psychologe sein, um Paulus abzuspüren, mit welch einer Leidenschaft er seinen Glauben trotz aller persönlicher Schwächen vertritt. Ja, er ist sogar bereit, für seinen Glauben Entbehrungen zu erleiden und Schmerzen auf sich zu nehmen. Wer sich leidenschaftlich für eine Sache einsetzt, wir alle kennen das von der Liebe, der muss bereit sein, auch Leiden auf sich zu nehmen.

 

Lieben und leben wir unseren Glauben noch voller Leidenschaft, einschließlich der Bereitschaft sogar Leiden auf uns zu nehmen? Welche Kraft hat unser Glaube noch und was vermag er in uns selbst an Erkenntnissen zu wecken? Spürt man uns noch ab, was uns unser Glaube bedeutet? Etwas von dieser Leidenschaftlichkeit in Glaubensfragen bekommen wir zur Zeit durch die Diskussion in den USA über die moderne Evolutionsbiologie mit. Die Zeitungen sind voll davon. Bibeltreue Christen weigern sich die schrittweise biologische Entwicklung des Menschen zu dem, der er nun ist, zur Kenntnis zu nehmen. Ein neuer, wirklich unsinniger Kulturkampf ist in Gang gekommen, weil man sogar in den Schulen die Wahrheit über die biologische Entwicklungsgeschichte des Menschen verschweigen soll. Wie klein wird Gott hier eigentlich gedacht, wenn er naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht einmal standhalten könnte?

Wie anmaßend aber umgekehrt nun auch die Annahme, dass nur dadurch, dass sich das Leben in der Welt in einem langen Prozess entwickelte, Gott als Schöpfer des Himmels und der Erde auszuschließen sei. So stehen dann Charles Darwin und Gregor Mendel, um nur einige zu nennen, gegen Gott den Schöpfer, der durch ihre Erkenntnisse in eine unsinnige Verteidigungsposition kommt. Dabei fällt es doch nun gar nicht so schwer, daran zu glauben, dass Gott für die Entstehung der Welt mit all ihrem Leben seine wesentlichen Impulse gegeben hat, aus denen sich nun weiteres Leben und differenzierte Lebensformen herausentwickelt haben. Beiden Seiten mangelt es an der notwendigen Weisheit, weil Aussagen über das ursprüngliche Tun Gottes immer Glaubensaussagen sein werden und nie den Anspruch auf allein rationale Wissenschaftlichkeit erheben. Die ganz und gar überflüssige und unsinnige Debatte in den USA ist eine des 18./19. Jahrhunderts. Wir sind im Dialog mit den Naturwissenschaften längst weiter - und das ist gut so.

 

Wo die Wissenschaft sich aber ihrer Grenzen nicht mehr bewusst ist, wird es ebenso problematisch, weil hier Erklärungen gewagt werden, die sich menschlicher Erkenntnis und Weisheit entziehen. Paulus geht es hier aber gar nicht so sehr um Aussagen zur menschlichen Weisheit im Allgemeinen, als vielmehr in ganz besonderer Weise auf den Gekreuzigten hinzuweisen, was uns Menschen rätselhaft erscheinen muss. Das Weihnachtsfest mit Krippe und Stall, seinen Liedern und Lichtern, Geheimnissen und Geschenken liegt hinter uns und schon holt uns die Wirklichkeit der Welt ein. Die Krippe ist nicht ohne das Kreuz zu denken, das Leben nie ohne das Leiden. Das ist, so haben wir es Weihnachten gehört, Gottes „Leidenschaft zum Leben.“

 

Die Predigt des Paulus in Korinth muss als Ungeheuerlichkeit empfunden worden sein, aber gerade dadurch erhielt sie ihre nachhaltige Wirkung. Da stellt sich einer mit Furcht und Zittern hin und verkündigt den gekreuzigten Gott. Mit aller Leidenschaftlichkeit setzt er sich für seinen Glauben ein, für einen Glauben, der eben nicht bewiesen werden will, weil er ja sonst kein Glaube mehr wäre. Sein Glaube lädt dazu ein, sich mit Gottes geheimnisvoller Weisheit auseinander zusetzen, so dass wir das Wagnis des Glaubens einzugehen lernen, gerade weil wir in menschlicher Bescheidenheit die Logik Gottes nicht verstehen.

 

So kommt es also nicht auf uns Prediger an, wie toll wir predigen; wie großartig wir uns in unseren Gemeinden engagieren; wie begabt wir sind, an Gelder heran zu kommen oder in welchem Maße wir Sitzung um Sitzung hinter uns bringen. Und unseren Glauben predigen tun ja nicht nur wir Pfarrer, sondern ein jeder Christ verkündigt seinen Glauben so, wie er ihn lebt. Was wir durch die Worte des Paulus miterleben können, ist sein leidenschaftlicher Glaube, der sich allein am Gekreuzigten festmacht und dadurch immer wieder neu in die Auseinandersetzung hinein bewegt, ohne danach zu fragen, was dieser Einsatz kosten wird. Lassen wir uns Sonntag für Sonntag zu dieser Leidenschaftlichkeit im Glauben einladen, damit auch im Alltag noch etwas von ihr spürbar bleibt. Amen.

 


 

 

Literatur:

 

1) Bender, M., in: http://www.zentrum-verkuendigung.de/p2000_12.html

2) Berger, K., Jesus, München, 2004, S. 197

3) Information in: Deutsches Pfarrerblatt, 12/2005, S. 654

4) Kierkegaard, S., Furcht und Zittern, Düsseldorf, 1950, S. 73

 

 

DER SPIEGEL, Nr. 52 / 24.12.2005, Gott gegen Darwin

Hawking, S., Eine kurze Geschichte der Zeit, Hamburg, 1989

 

 

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