Goldene-, Diamantene und Eiserne Konfirmation, Lukas 17; 5, 7-10 (Septuagesimae)

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Ein Konfirmationsjubiläum wie das der Goldenen-, Diamantenen- oder der Eisernen Konfirmation ist immer auch eine Art Jubiläum einer Gemeinde, Anlass, einmal eine Bilanz des persönlichen Glaubens und meines eigenen Lebens in meiner Gemeinde zu ziehen. Was ist außer einigen weinigen – vielleicht schon verblassten – Erinnerungen geblieben? Es soll uns heute nicht darum gehen, unsere guten Taten zu zählen, unsere Menschlichkeit zu loben, sondern darum, Gott Lob und Dank zu sagen und zu erspüren, was der Glaube uns schenken kann, wenn er gelebt wird, und was auf dem Spiel steht, wenn unsere Kirche für uns selbst, wie für unsere Gesellschaft ihre Bedeutung verliert. Sehr herzlich begrüße ich Sie alle am Tag Ihres Konfirmationsjubiläums in der Mitte Ihrer Gemeinde.

 

Der Herr ist mein Licht, er befreit mich und hilft mir; darum habe ich keine Angst. Bei ihm bin ich sicher wie in einer Burg... (Ps 27,1)

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Zu dir kommen wir an diesem Festtag unserer Kirche mit all dem, was uns auf unserem langen Weg durchs Leben gelang oder misslang, was uns schuldig machte Dir oder anderen Menschen gegenüber. Gern rechtfertigen wir uns mit unserem Leben und ebenso gern setzen wir auf unsere Leistungen, doch was zählt das vor dir? Oft haben wir etwas angefangen und sind gescheitert, wir betrügen uns um unsere Möglichkeiten, bringen uns mit unserem guten Willen ein und stoßen doch an unsere Grenzen. Davon möchten wir loskommen, um deiner Güte auch heute wieder zu begegnen. Amen.

 


 

Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Gib uns mehr Glauben! Der Herr aber sprach (...):

 

»Stellt euch vor, jemand von euch hat einen Sklaven und der kommt vom Pflügen oder Schafehüten nach Hause. Wird er wohl gleich als erstes zu ihm sagen: `Bitte, komm und setz dich zu Tisch´? Gewiss nicht! Er wird ihm sagen: `Mach mir das Essen fertig, binde dir die Schürze um, und bediene mich bei Tisch! Wenn ich fertig bin, kannst du auch essen und trinken.´ Wird er sich etwa bei dem Sklaven bedanken, weil der getan hat, was ihm befohlen war? So ist es auch mit euch. Wenn ihr alles getan habt, was Gott euch befohlen hat, dann sagt: `Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur getan, was uns aufgetragen war.´«

 


Liebe Gemeinde!

 

Ein merkwürdiger, ja fast hart anmutender Text für einen so schönen Tag, wie diesen, der Goldenen-, Diamantenen- und Eisernen Konfirmation. Aber gerade an einem solchen Tag denkt man ja auch einmal zurück, fragt, was war, was ist mir in meinem langen Leben gelungen, was nicht? Wir erinnern uns an den denkwürdigen Tag der Konfirmation vor 50 und mehr Jahren. Da dürfen wir dann auch einmal danach fragen, was denn eigentlich auf einem langen Lebensweg aus unserem Glauben geworden ist, unserem Christsein, das wir damals versprachen? Sind wir so weit zu sagen: `Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur getan, was uns aufgetragen war...´?

 

Höre ich mich heute so um, dann bekomme ich immer wieder das Gefühl vermittelt, dass Menschen sich ungerecht behandelt fühlen, dass manche Dinge eigentlich ganz anders laufen müssten, als sie es tun. Schaut man dann aber einmal genauer hin, dann wird man das ungute Gefühl einer gewissen Undankbarkeit nicht los, denn unzählig klagenden Menschen geht es nach wie vor unverhältnismäßig gut. Nur, dass wir alle, ganz gleich wie alt oder jung, vor größere Herausforderungen gestellt sind. Wenn wir uns daher oft als „Opfer der Verhältnisse sehen“, so stimmt das nur zum Teil, denn viele Dinge haben wir selbst in der Hand, können wir selbst entscheiden und tun.

 

Und so liegt über dem Leben vieler Menschen eine gewisse Unruhe, weil scheinbar der Anspruch, den ich an mein Leben habe und die Wirklichkeit, wie ich sie erlebe nicht übereinstimmen. Das lässt gerade uns Deutsche im Verhältnis zu anderen immer wieder resigniert und unzufrieden wirken. Dabei gehören wir unbestreitbar zu den leistungsstärksten, auch wohlhabendsten Ländern der Welt. Und so ist unsere „Wirklichkeit nicht nur eine Sache der Fakten, sondern der Empfindung...“ [1]

 

Doch was hat das alles mit diesem merkwürdig harten Wort Jesu zu tun? Jesus erzählt seinen Zuhörern ein Gleichnis. Ungeschminkt schildert er, was ein ganz normaler Haussklave zu tun hat, heute wohl all jenen vergleichbar, die meinen zu den „kleinen Leuten“ zu gehören, mit denen die anderen ja eh machen können, was sie wollen. Nüchtern und sachlich stellt Jesus fest, dass diese Menschen nicht viel zu erwarten haben, sie arbeiten für ihren Chef und werden in ihrer Arbeitskraft bis an die Grenzen ausgenutzt. Ja ein Sklave hatte sogar nach seiner Arbeit noch für seinen Herrn da zu sein. Weil das ganz selbstverständlich war und dem damaligen Weltbild entsprach, kam auch niemand auf die Idee, dass man für geleistete Arbeit zu danken hätte, man wurde versorgt und dafür wurde gearbeitet. Da gab es keinen Lohn und keinen Dank. Das klingt wie aus einer anderen Welt.

 

Die Selbstverständlichkeit mit der Jesus sein Gleichnis erzählt, löst bei vielen Menschen Ärger aus, denn hier müsste er doch nach unseren Vorstellungen auf den Tisch hauen, die fraglichen Ansprüche des Herrn entlarven und dem Sklaven zu seinem Recht, seiner Menschenwürde verhelfen. Doch Jesus will sehr bewusst provozieren, nachdenklich machen, ärgern. Jesus ist nicht Karl Marx oder Rosa Luxenburg, er ist kein Arbeitnehmervertreter, der über Tarife und Arbeitszeiten zu verhandeln hätte, denn mit seinem Gleichnis will er auf etwas ganz anderes heraus. Die Frage nach der Gerechtigkeit zwischen Herrn und Arbeitern stellt sich im Neuen Testament an anderer Stelle.

Stellen wir uns die Arbeit einer berufstätigen oder teilzeitbeschäftigten Hausfrau und Mutter vor, die Arbeit eines Landarztes im Osten oder vielleicht sogar einen Pfarrer, der nach wie vor nicht ins Bett geht, ohne sein Diensttelefon mitzunehmen, auch wenn er seinen freien Tag hat. Es gibt Berufe oder Lebensumstände, wo es auch heute nicht um eine gerechte Bezahlung der geleisteten Arbeit geht, um eine tarifliche 35 – 38 – oder 40 Stunden Woche. Und kaum jemand käme auf die Idee, sich zu beschweren. Kinder, Patienten oder besorgte Gemeindeglieder schauen nicht auf die Uhr oder ins Portemonnaie, wenn sie Hilfe brauchen. Sie nehmen Hilfe, Zuwendung und Zuspruch in Anspruch und das ist gut so.

 

Jesus geht es also gar nicht um reale Arbeitsverhältnisse, sondern es geht ihm darum deutlich zu machen, dass es keine Leistung gibt, die wir erbringen könnten, um für unseren Glauben an Gott, genug getan zu haben. Wo es um unsere Gottesbeziehung geht, da kann es keinen Anspruch auf  Lohn oder Dank geben. Darum können wir alle in dieser Beziehung immer nur sagen: `Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur getan, was uns aufgetragen war...´ Doch ein jeder von uns spürt, wie weit er davon entfernt ist und wie sehr wir uns mit unseren Ausreden Gott gegenüber zu rechtfertigen versuchen, weil wir – wenn wir einmal selbstkritisch sind – merken, letztendlich doch zu wenig für unseren Glauben getan zu haben.

 

Da berufen wir uns darauf, anständige Menschen zu sein, was um Himmels Willen sollten wir denn sonst sein? Wir pochen darauf, dass wir schon irgendwie glauben, wenn man uns auch nicht so oft in der Kirche sieht – und spüren die Peinlichkeit nicht einmal mehr, die sich dahinter verbirgt. Denn natürlich machen wir selbst uns damit zum Maßstab des Glaubens und legen uns einen Gott zurecht, wie er uns in unser Lebensschema passt, ohne uns zu stören. Aber Gott stört und das aus gutem Grund. Er hat seine unbequemen Erwartungen an unser Leben, weil wir sonst eben doch immer wieder nur in unserer Selbstüberschätzung und Selbsttäuschung leben.

 

So will uns Jesus mit seinem Gleichnis aufrütteln, unser Anspruchsdenken aufzugeben und Gott mit den Gaben zu dienen, die uns für unser Leben mitgegeben sind. Und so versteht sich auch die Bitte der Jünger: „Gib uns mehr Glauben!“ , denn selbst sie, die Jesus tagtäglich sahen, mit ihm reden, ihn hören konnten, merken, wie klein doch ihr Glaube ist. Hier wird Jesus richtig gehört, wenn er uns einen Glauben zumutet, der nicht im Lohn-Leistungsverhältnis berechnet wird, sondern in Dankbarkeit. Wer so weit mit seinem Glauben gekommen ist, der ist dann auch frei, seine Grenzen annehmen zu können und sich so in den Dienst nehmen zu lassen, wie es seinen eigenen Möglichkeiten entspricht.

 

In der vergangenen Woche haben wir den 130. Geburtstag von Albert Schweitzer gefeiert. Er, der herausragende Theologe mit einer Universitätskarriere vor sich, spürt, dass das zu wenig ist. Er studiert Medizin und stellt sich in den Dienst einer Mission, die ihn gar nicht will und ihn dann doch in ihren Dienst nimmt, weil Schweitzer anbietet, sich selbst zu finanzieren. Und so ließ er sich in Lambarene von Lebrakranken in Anspruch nehmen. „Das war sein Verständnis von Freiheit, die ihm von Gott geschenkten Gaben einzubringen...“ [2] Wir sind nicht Albert Schweitzer, aber wir sind Frau Müller oder Herr Meier. Wir alle haben aber unsere Gaben und Fähigkeiten, wir alle hören die Glocken zum Gottesdienst läuten, um Gott aus der Mitte der Kirche heraus Dank zu sagen, sein Wort zu hören, aus seinem Geist heraus zuversichtlich und als Christen zu leben.

Er ist lange her, der Tag Ihrer Konfirmation, an dem Sie in der Mitte Ihrer Gemeinde versprachen, Ihren Glauben zu leben. Was ist daraus im kritischen Rückblick geworden? So ist es gut, dieses Konfirmationsjubiläum miteinander zu feiern, um uns daran noch einmal erinnern zu lassen, den eigenen Lebensweg zu überdenken und – solange wir leben – den Mut zu finden, neu anzufangen. Wir alle, ein jeder von uns trägt auf seine Weise dazu bei, das Gesicht seiner Kirche zu prägen.

 

In der Wirtschaftszeitung „Capital“ konnten wir jetzt lesen: „Der älteste Konzern der Welt  steckt in der Krise – den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland laufen die Kunden  davon. Wegbrechende Einnahmen zwingen zu einem radikalen Sparprogramm...“ [3] Nun, so ist es natürlich nicht ganz. Gespart werden muss überall – in jedem öffentlichen Haushalt. Aber die „Kunden“ laufen uns nicht davon, sondern die Gesellschaft hat sich so entwickelt, dass wir immer weniger junge arbeitsfähige Menschen im Berufsleben haben, die dann auch Steuern, auch Kirchensteuern zahlen, dafür aber immer mehr Mitchristen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine mehr bezahlen. Hier hilft uns das „Kirchgeld“ dann ein wenig weiter. Dennoch werden auch die Ansprüche an die Kirche und ihre MitarbeiterInnen reduziert werden müssen.

 

Ich denke, dass wir in den 23 Landeskirchen und 27 Diözesen in Deutschland mit fast 26 Millionen evangelischen und ebenso vielen katholischen Mitchristen sehr dankbar sein dürfen, wie lebendig die Kirchen in Deutschland immer noch sind und – da bin ich sehr zuversichtlich – auch bleiben werden. Hier gilt nicht die scheinbare Leistung, sondern was Menschen in die Gesellschaft einzubringen haben, die sich auch heute noch oder wieder als Christen verstehen. Zu schnell vergessen wir, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland mit über einer Million MitarbeiterInnen in weit über 50.000 sozialen Einrichtungen und fast 30.000 Gemeinden die größten Arbeitgeber Deutschlands sind (Quelle: Capital)

 

Das alles sind Entwicklungen, die Sie vor 50, 60 oder 70 Jahren am Tag Ihrer Konfirmation so noch nicht einmal erahnen konnten. Ein weiter Weg Ihrer, ja unserer Kirche. Es wäre schön, wenn wieder einmal mehr gesehen würde, welch eine Kraft von unseren Kirchen nach wie vor ausgeht, wie viele Menschen sich in ihr engagieren oder sie in Anspruch nehmen. Die Kirche ist ja nicht abstrakt Kirche, sondern wir alle sind unsere Kirche, ein jeder von uns und daher ist auch jeder mitverantwortlich dafür, wie unsere Kirche öffentlich erlebt wird, sei es die Evangelische oder die Katholische Kirche.

 

Und so dürfen wir alle uns wieder einmal fragen lassen: „Haben wir wirklich alles getan, was uns aufgetragen war?“ Die Frage Jesu stellt uns noch einmal an einen Anfang mit unserem Glauben und durch ihn dann auch mit unserer Kirche. Herzlichen Glückwunsch und Gott sei Dank für diesen Tag in Ihrem Leben. Amen.


 

 

Literatur

 

1) Rosenstiel, L. v., Zuversicht ist machbar, in: Zeitzeichen, 12/2004, S. 8

2) Hutter-Wolandt, U., Deutsches Pfarrerblatt, Heft 12/2004, Septuagesimae

3) Capital, Das Wirtschaftsmagazin, Nr. 26, 2004, S.  40 ff

 

 

Drewermann, E., Wenn der Himmel die Erde berührt, Düsseldorf, 19922, S. 165 f

Bode, J., Calwer Predigthilfen, 1998/1999, 1. Halbband, Stuttgart, 1998, S. 112

 

 

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