2. Sonntag nach Epiphanias, Markus 2,18-22
Begrüßung:
Liebe Gemeinde! Weihnachten ist vorbei, Sylvester liegt hinter uns wie das alte Jahr und auch die Ferien und der Urlaub sind vorüber. Vor uns liegt ein neues Jahr. Wir alle kennen den Werbespruch: „Aus alt mach neu!“, aber ist das immer so einfach? Natürlich kann man ein altes Auto reparieren oder ein Loch in einem Kleid flicken, aber dadurch wird das Alte ja noch nicht wieder neu. Heute werden wir dazu eingeladen unseren alten Glauben mit neuem Leben zu füllen. Das würde dann ganz sicher einiges in unserer Gottes-, wie dann unmittelbar auch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen verändern und doch noch einmal ganz neu werden lassen.
Dankt dem Herrn! Macht seinen Namen überall bekannt und verkündet allen Völkern, was er getan hat! (Ps 105,1)
Gebet:
Herr, guter Gott! Wenn wir uns unser Leben anschauen, dann spüren wir, wie festgelegt, oft sogar festgefahren vieles bei uns ist. Täglich spüren wir unsere Sorgen, die Angst vor der Zukunft, unsere Zweifel und die ungelösten Probleme, Schuld und eigenes, wie fremdes Leid. Wir bitten dich, lass uns nicht - wie verurteilt - festgelegt sein, auf ein Leben, dem die Chancen zu neuen Anfängen fehlen. Denn wir alle dürfen ja wissen, dass wir „jeden Tag neu mit Anfang anfangen“ können. Schenke uns dein Wort so, dass wir unsere Möglichkeiten wahrnehmen und nutzen und dich mitnehmen in dieses neue Jahr, Tag für Tag. Weil uns das allein kaum gelingen wird, darum bitten wir dich auch heute wieder in unser Leben hinein. Amen.
An einem Tag, an dem die Jünger des Täufers Johannes und die Pharisäer fasteten, kamen Leute zu Jesus und fragten ihn: »Wie kommt es, dass die Jünger des Täufers und die Jünger der Pharisäers regelmäßig fasten, aber deine Jünger nicht?« Jesus antwortete: »Können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam unter ihnen ist? Unmöglich können sie das, solange er bei ihnen ist! Die Zeit kommt früh genug, dass der Bräutigam ihnen entrissen wird; dann werden sie fasten, immer an jenem Tag. Niemand flickt ein altes Kleid mit einem neuen Stück Stoff; sonst reißt das neue Stück wieder aus und macht das Loch nur noch größer. Auch füllt niemand neuen Wein, der noch gärt, in alte Schläuche; sonst sprengt der Wein die Schläuche, der Wein ist hin und die Schläuche auch. Nein, neuer Wein gehört in neue Schläuche!«
Liebe Gemeinde!
Ganz sicher sind auch Sie mit vielen guten Wünschen in das neue Jahr hineingegangen, ja vielleicht haben Sie sogar einige gute Vorsätze gefasst, die im neuen Jahr verwirklicht werden sollen. Immer bieten sich ja Zäsuren, wie der Jahreswechsel oder ein weiterer Geburtstag im Leben dazu an, das was war und das was kommen wird zu überdenken und mit guten Wünschen zu begleiten. Vieles, wir kennen das ja alle, ist und bleibt natürlich Routine und Alltag, immer wieder einmal unterbrochen von herausragenden Ereignissen in der weiten Spanne von Freude bis Leid.
Da können wir uns ja einmal fragen: Was wird eigentlich neu im neuen Jahr, so weit wir selbst es planen können und in der Hand haben und was dürfen wir als abgetan und erledigt vom vergangenen Jahr ansehen? Viele von uns werden in den vergangenen Tagen alle bekannten Termine: Geburts-, Urlaubstage, Feste und Jubiläen in den neuen Kalender eingetragen haben. Da liegt dann der alte Kalender neben dem neuen und man überträgt, was an Terminen bleibt und kommen wird. Wenn ich dabei dann Tag für Tag durchblättere, ihn buchstäblich in die Hand nehme, werde ich noch einmal an alles erinnert, was das abgelaufene Jahr mit sich brachte, zugleich aber auch, was im neuen Jahr, so weit es überhaupt planbar ist, angedacht werden muss.
Die Situation können wir uns ganz gut vorstellen, denn sie liegt auf einer Linie mit einer ganzen Reihe weiterer Ärgernisse, die Jesus provoziert hat.
Es ist Fastenzeit, alle halten sich, so weit es geht, an die Fastengebote, auch die Jünger des Johannes, nur die Freunde Jesu natürlich nicht. Darauf angesprochen, antwortet Jesus mit dem Bild der Hochzeit und den beiden Beispielen vom alten Kleid und dem neuen Stück Stoff, mit dem man es flickten kann und dem neuen Wein, der nicht in alte Schläuche gehört. Niemand versteht Jesus, niemand seine Jünger, die doch eigentlich wissen sollten, was sich gehört und was nicht.
Natürlich haben wir es da heute im Rückblick auf Weihnachten, Ostern und Pfingsten leichter, schließlich wissen wir seit zweitausend Jahren, was uns mit Jesus von Nazareth und mit seiner Botschaft von seinem Gott, den er wie einen Vater, eine Mutter erfährt, geschenkt ist. Aber vor den Pharisäern und den Jüngern des Johannes stand ja ein ganz normaler Mitmensch, vermutlich in ziemlich verstaubten Kleidern, ein wenig verschwitzt und immer irgendwie mit einer anderen Meinung als die Gesetzeslehrer, auf die das Volk Gottes hörte. Ein Ärgernis vom ersten Auftreten an.
Aber: Er hat ja Recht! Warum sollten Hochzeitsgäste fasten, wenn das Brautpaar noch bei ihnen ist? Gefastet werden kann schließlich jederzeit vor und auch nach der Hochzeit. Hier wird nicht das Fasten an sich in Frage gestellt, sondern der Zeitpunkt. Und natürlich ist mit dem Fasten auch nicht gemeint, dass ich ein wenig abnehmen will, weil mir das Weihnachtsfest zu viele Pfunde beschert hat. Wer fastet, möchte Grenzerfahrungen kennen lernen, der möchte sich seines Körpers wieder einmal bewusst werden und den Kopf für neue Erfahrungen frei bekommen. So kennen wir es ja auch aus der Passionszeit, wo viele Menschen sieben Wochen auf irgend etwas verzichten, was zur Normalität ihres Lebens dazu gehört. Heute erinnert uns der Freitag - als ein Fastentag - an dem manche von uns nach wie vor kein Fleisch essen, an den Tod Jesu, die Passionszeit, an sein Leiden.
Niemand fastet gern – schon gar nicht in einer Wohlstandsgesellschaft. Aber für Israel war das Fasten ein Symbol dafür, dass man um die zerbrechliche Gottesbeziehung, um Schuld und Versagen wusste und so wollte man sich auf diese Weise mit Gott versöhnen. Daher wurde das Fasten sehr ernst genommen, es war eben keine Mode, kein Spaß, keine gesundheitliche Notwendigkeit bei Übergewicht, sondern es war ein Dienst, ein Gottes-Dienst. Den Sinn eines solchen Fastens – gerade als ein Nachdenken der eigenen Lebenssituation vor Gott und Mensch – bestreitet Jesus nicht. Doch eben nicht jetzt. Jetzt ist etwas ganz anderes angesagt: Mit dem Schema von Alt und Neu: Altes Kleid, neuer Wein verweist Jesus auf sich selbst.
Jetzt ist Jesus unter die Menschen getreten, er ist das (!) Neue und deshalb müssen die Jünger jetzt nicht fasten, später werden sie es auf alle Fälle wieder tun. Daher geht es letztlich um die Frage unserer Frömmigkeit, unseres Glaubens mit all dem, was wir dafür halten, und dem, was mit Jesus Christus ganz neu in die Welt gekommen ist. So stellt der große Theologe Hans Joachim Iwand fest: „Darum geht es in unserem Text: Was mit Jesus in die Welt gekommen ist, ist nicht die `alte Wahrheit in neuen Formen´, sondern es ist das schlechthin Neue und von allem Alten und bisher Bekannten her Unfassbare, Unableitbare. Das herauszustellen angesichts der Frage nach dem wirklich Neuen, was mit Jesus in die Welt gekommen ist, ist der Sinn unseres Textes.“ [1]
Aber was heißt das für uns? Was heißt das in einer Kirche, die das römische Weltreich ebenso überlebt hat, wie die Hunnen, die Aufklärung, den Nationalsozialismus oder den Kommunismus? Was ist das Neue, das wir hören dürfen angesichts einer welterfahrenen Kirche? Und was ist uns so anstößig, dass es uns heute noch herausfordert, herausfordern könnte, um unsere Selbstsicherheit zu stören und unser Denken und Fühlen einmal kritisch zu hinterfragen, gerade dort, wo es um unseren Glauben geht.
Ich denke, dass wir noch sehr weit davon entfernt sind, das Wort Gottes recht zu hören und zu leben. Da, wo der Glaube die Freiheit des Menschen meint, hören wir nur all zu oft ein Gesetz und fühlen uns einem Zwang ausgesetzt. So muss ich heute nicht mehr nachlesen, was in der Bibel steht und was Gott für mich, mein Leben, meine Zukunft meint, meine Maßstäbe hole ich mir längst woanders her. So wäre das ganz Neue ein neues Hören auf das Wort Gottes und ein ganz tiefes und ehrliches Bemühen darum, es mit Wort und Tat in unsere Zeit hinein zu übersetzen.
Der Börsenspezialist der ARD, Frank Lehmann, der uns immer wieder einmal in den Nachrichten begegnet, wurde gefragt, ob er jetzt Aktien kaufen würde, wäre die Kirche ein börsennotiertes Unternehmen? Seine Antwort: „Nein, im Moment nicht. Ich müsste erst sehen, wohin der Kurs geht. Der Geschäftsplan ist mir nicht ganz klar...“ und weiter: „Alle starren auf die Ausgaben, zu wenige auf das Profil...“ [2] Wenn wir uns jetzt einmal fragen würden, ja, was ist denn unser Profil als Evangelische Kirche in Baden oder hier in Kenzingen, was würden wir antworten? Allein die Frage würde manchen von uns sicher in Verlegenheit bringen und auf alle Fälle Diskussionen auslösen.
Und noch ein Gedanke zur Hochzeit, dem Flicken auf dem alten Kleid und dem neuen Wein in alten Schläuchen: Wir haben im November 2007 in unserer Landeskirche Kirchengemeinderatswahlen. Da fragt es sich ja, wem vertrauen wir – neben unseren MitarbeiterInnen und PfarrerInnen - unsere Kirche an, welches Profil erwarten wir von unseren Kirchenältesten und welcher Maßstab gilt? In der Grundordnung heißt es dazu: „Die Gemeinde (Pfarrgemeinde) wählt aus ihrer Mitte Männer und Frauen zu Kirchenältesten, die bereit sind, dieses Amt nach den Weisungen der Heiligen Schrift auszuüben. Die Wahl ist ein Dienst an der Gemeinde im Gehorsam gegen den alleinigen Herrn der Kirche, Jesus Christus...“ [3] Damit ist der Maßstab benannt.
Der Börsenprofi beschreibt das unaufgebbar Wesentliche der Kirche aus seiner Sicht so: „... Die frohe Botschaft verkünden, Seelsorge, Bildung, den Menschen im weitesten Sinne dienen – also Diakonie und Gebet... Sicherheit, Halt finden Menschen heute nur noch in der Familie und – jawohl – in der Kirche. Das ist eine Riesenchance...,“ [4] Ich denke, dass eben das ja etwas mit dem zu tun hat, was wir glauben und aus unserem Glauben für unser Leben erfahren und leben. Nehmen wir uns für dieses neue Jahr doch einmal vor, unser Profil als Christen zu schärfen, um uns dessen noch einmal bewusst zu werden, was uns mit unserem Glauben alles geschenkt ist. Das ganz Neue kann für uns heute ein ganz neues Hören auf das werden, was uns das Wort Gottes zu sagen hat.
Jetzt ist Gott in unserer Mitte gegenwärtig, jetzt dürfen wir uns dessen bewusst werden und mit ihm in unsere Zeit und in die uns geschenkte Zukunft hinein leben. Wo uns das gelingt, werden wir sehen, was alles auch in unserer Mitte anders, ja sogar neu werden kann und dazu wünsche ich Ihnen und uns allen Gottes guten Geist. Amen.
Literatur:
1) Iwand, H.-J., Predigt-Meditationen, Göttingen, 1963, S. 542
2) Kopp, E., Ott, U., in: 01/2007 chrismon, S. 29
3) Evang. Landeskirche in Baden, Handbuch für Kirchenälteste,
Grundordnung § 13 1 + 2, s. 168
4) Kopp, E., Ott, U., a.a.O., S. 30ff
Heider, M., 2. Sonntag nach Epiphanias, in:
http://www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/predigthilfen.html
Schröder, C., Calwer Predigthilfen, 2000/2001, Reihe V/1,
Stuttgart, 2000, S. 92ff
Drewermann, E., Das Markusevangelium, Erster Teil, Olten, 19917, S. 247ff
Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:
http://www.evang-kirche-kenzingen.de oder:
http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)