3. Sonntag nach Epiphanias, 2.Kön 5,1-16, 19a

 

 

 

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Wie gehen wir mit den Krisen unseres Lebens um und welche Antworten versuchen wir dann zu finden, Antworten auch auf die Frage nach den uns tragenden Werten heute? Was vermitteln wir an Überzeugungen, die auch für andere wegweisend sein könnten? Das biblische Wort weist uns Wege, oft überraschend, die in vielfacher Weise auch über unseren Glauben hinaus, zielführend sind.

 

Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit (Psalm 86).

 

 

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Dem Blick standhalten, sehen und gesehen werden. Dem Wort trauen und dem, der sagt: Komm, ich habe etwas mit dir vor. Aufbrechen und zurücklassen, was das Leben sicher machte. Mitgehen und seinem Wort folgen. Andere anstecken und Menschen begeistern, denn Gott ist da, er ist unter und in uns. Das schafft neues Leben mitten in verbrauchten Verhältnissen und eine Zukunft, die trägt. Darum bitten wir. Amen.

 

 

 

Naaman, der Heerführer des Königs von Syrien, war an Aussatz erkrankt. Er war ein tapferer Soldat, und der König hielt große Stücke auf ihn, weil der Herr durch ihn den Syrern zum Sieg verholfen hatte. In seinem Haus befand sich ein junges Mädchen, das von syrischen Kriegsleuten bei einem Streifzug aus Israel geraubt worden war. Sie war Dienerin bei seiner Frau geworden. Einmal sagte sie zu ihrer Herrin: »Wenn mein Herr doch zu dem Propheten gehen könnte, der in Samaria lebt! Der würde ihn von seiner Krankheit heilen.«

 

Naaman ging zum König und berichtete ihm, was das Mädchen gesagt hatte. »Geh doch hin«, antwortete der König, »ich werde dir einen Brief an den König von Israel mitgeben.« Naaman machte sich auf den Weg. Er nahm 7 Zentner Silber, eineinhalb Zentner Gold und zehn Festgewänder mit. Er überreichte dem König von Israel den Brief, in dem es hieß: »Ich bitte dich, meinen Diener Naaman freundlich aufzunehmen und von seinem Aussatz zu heilen.« Als der König den Brief gelesen hatte, zerriss er sein Gewand und rief: »Ich bin doch nicht Gott! Er allein hat Macht über Tod und Leben! Der König von Syrien verlangt von mir, dass ich einen Menschen von seinem Aussatz heile. Da sieht doch jeder: Er sucht nur einen Vorwand, um Krieg anzufangen!« Als Elischa, der Mann Gottes, davon hörte, ließ er dem König sagen: »Warum hast du dein Gewand zerrissen? Schick den Mann zu mir! Dann wird er erfahren, dass es in Israel einen Propheten gibt!«

 

Naaman fuhr mit all seinen pferdebespannten Wagen hin und hielt vor Elischas Haus. Der Prophet schickte einen Boten hinaus und ließ ihm sagen: »Fahre an den Jordan und tauche siebenmal darin unter! Dann bist du von deinem Aussatz geheilt.« Naaman war empört und sagte: »Ich hatte gedacht, er würde zu mir herauskommen und sich vor mich hinstellen, und dann würde er den Herrn, seinen Gott, beim Namen rufen und dabei seine Hand über der kranken Stelle hin- und herbewegen und mich so von meinem Aussatz heilen. Ist das Wasser des Abana und des Parpar, der Flüsse von Damaskus, nicht besser als alle Gewässer Israels? Dann hätte ich ja auch in ihnen baden können, um geheilt zu werden!« Voll Zorn wollte er nach Hause zurückfahren. Aber seine Diener redeten ihm zu und sagten: »Herr, bedenke doch: Wenn der Prophet etwas Schwieriges von dir verlangt hätte, hättest du es bestimmt getan. Aber nun hat er nur gesagt: 'Bade dich, und du wirst gesund!' Solltest du es da nicht erst recht tun?« Naaman ließ sich umstimmen, fuhr zum Jordan hinab und tauchte siebenmal in seinem Wasser unter, wie der Mann Gottes es befohlen hatte. Da wurde er völlig gesund, und seine Haut wurde wieder so rein wie die eines Kindes.

 

Mit seinem ganzen Gefolge kehrte er zu Elischa zurück, trat vor ihn und sagte: »Jetzt weiß ich, dass der Gott Israels der einzige Gott ist auf der ganzen Erde. Nimm darum von mir ein kleines Dankgeschenk an!« Aber Elischa erwiderte: »So gewiss der Herr lebt, dem ich diene: Ich nehme nichts an.« ... »Kehre heim in Frieden!«

 

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Ein erfolgreicher Mann wird krank. Seine Karriere ist in Frage gestellt. Ein Dienstmädchen gibt einen wertvollen Tipp, wie man wieder gesund werden könne. Es braucht lange Wege bis zur endgültigen Heilung. Stolz ist im Spiel, auch verletzter Stolz. Man hält sich an den alten Rat: Oben sticht Unten und scheitert erbärmlich, doch irgendwie gelingt es schließlich und endlich, gesund zu werden. Es ist wunderbar! Dank und Anerkennung werden ausgesprochen, der Mann zieht heim in Frieden. So etwas können wir auch heute noch in entsprechenden Blättern lesen und in Talkshows erfahren. Jürgen Fliege lässt grüßen.

 

Wieder einmal erleben wir einen biblischen Text, der uns mitten aus dem Leben heraus anspricht, der nachvollziehbar scheint und doch 2800 Jahre alt ist. Aber was fangen wir mit einem solchen Wort heute mitten in unserem Leben an, wenn es nicht um eine sensationelle Heilung eines bekannten Mannes geht, den wir nicht mehr kennen und der trotz einer gewissen Bekanntheit nicht in den Geschichtsbüchern der Nationen zu finden ist?

 

In der Geschichte von Naaman, dem Heerführer des Königs von Syrien, der an einem Aussatz erkrankt und später seine Heilung erfährt, werden urtypische menschliche Verhaltensweisen deutlich. Es muss ein langer Weg beschritten werden, der schließlich von einer konkreten Heilung über einen Prozess der Erkenntnis hinführt zu einem Bekenntnis des Glaubens. Und darum reden wir von diesem Mann und seinen Erfahrungen, weil wir in ihnen unsere eigenen widergespiegelt sehen.

 

„Gustav Jung vergleicht einmal eine Depression mit einer Dame in Schwarz. Wenn diese Dame in unser Leben eintrete, solle man sie nicht wegschicken, sondern zu Tisch bitten und fragen, was sie einem zu sagen habe. Was Jung von der Depression sagt, gilt auch für die Krisen in unserem Leben. Eine Krise erfahren wir, wenn in unserem Leben etwas aus den Fugen gerät, wenn wir uns mit einer Situation konfrontiert sehen, die unsere übliche Fähigkeit und Kompetenz überfordert. Der Verlust eines geliebten Menschen, der Verlust des Arbeitsplatzes, der Vertrauensbruch eines Menschen – all das können Anlässe sein, in eine Krise zu geraten...“ [1]

 

Naaman ist in einer Krise. Sein Aussatz, eine schwer zu definierende, sehr lästige Hauterkrankung, behindert die Karriere, trotz dessen, dass sein König noch zu ihm hält. Aber wer kann sich schon lange auf seinem Posten halten, wenn man unansehnlich wird, wenn andere den Kontakt mit einem meiden? Die Konkurrenz ist groß und Führungsposten sind begehrt, da heißt es nicht nur geistig, sondern eben auch körperlich fit zu sein. Wir kennen das. Naaman leidet wirklich an seiner Krankheit, die in jedem Falle mehr als hinderlich ist.

 

Wir selbst stehen nun vor der sehr existentiellen Frage, wie wir denn mit den Krankheiten unseres Lebens umgehen, mit den Krisen, die unseren Lebensweg begleiten? Unsere Antworten werden sehr unterschiedlich ausfallen, je nach Temperament, unserer Lebenseinstellung, den Lebensumständen, unseren Werthaltungen. Auch wir wissen natürlich um das Krisenhafte einer Krankheit, gerade dann, wenn sie besonders schwer und hinderlich ist.

 

 

Doch jede Krise birgt Chancen. Sie kann uns den Blick für das Wesentliche schärfen, aufmerksam und empfindsam für die wesentlichen Fragen im Leben machen, die wir vorher so gar nicht wahrgenommen haben, ja gar nicht wahrnehmen konnten. Eine Krise kann helfen, notwendige Korrekturen vorzunehmen, wo uns das Leben allzu selbstverständlich glückte: Im Beruf, in der Familie, im persönlichen Umfeld, wo es scheinbar immer nur die eine Richtung gab, die nach Oben. Aber so ist das Leben nun einmal nicht – und je früher wir daran erinnert werden, desto wacher und selbstkritischer leben wir. Wir lernen, im Erkennen von Grenzen, uns und unser Glück nicht allein uns selbst zu verdanken, sondern auch Mitmenschen und vor allem Gott.

 

Auch Naaman muss das lernen. Sein Dienstmädchen, geraubt auf einem seiner siegreichen Feldzüge, gibt ihm den Tipp zu einem Propheten in ihrer Heimat zu gehen, der könne ihm helfen. Es ist vielleicht nur ein Strohhalm, aber es gibt eben solche Situationen, wir kennen sie alle, wo auch wir unsere Hoffnungen an einen Strohhalm klammern, wenn denn gar nichts anderes mehr hilft. Rational ist das oft kaum nachvollziehbar, aber der Verstand hilft eben auch nicht immer weiter. Naaman macht sich mit vielen Geschenken auf den Weg. Er bekommt von seinem König sogar ein Empfehlungsschreiben mit, denn schließlich ist er ein Privatpatient. Doch seine Hoffnungen trügen.

 

Der König von Israel fühlt sich herausgefordert, benutzt und reagiert verärgert. Er wittert einen Affront. Erst der Prophet Elischa kann den König beruhigen, so dass sich der fremde Gast schließlich auf den Weg zu diesem Propheten macht. In aller Pracht und in der Fülle seiner Macht fährt er vor dem Hause des Propheten vor, doch der empfängt ihn nicht einmal. Das wäre so, als würde ein bekannter Arzt für eine ganz bestimmte Krankheit einen wohlhabenden Patienten durch seine Sprechstundenhilfe vor der Haustür abfertigen lassen. Naaman wird auf diesem Wege lediglich empfohlen, sich im Jordan zu baden, was ihn zutiefst verärgert. Wir wären es auch, hoffte er doch auf irgendwelche rituellen Sprüche oder Handlungen. Erst nach langem Zureden lässt er sich auf dieses merkwürdige Bad ein. Wäre von ihm Unmöglicheres verlangt worden, er hätte kein Problem darin gesehen - aber im Jordan baden?

 

Dabei wissen wir durchaus um die Kraft des Glaubens. Menschen nehmen sich ja tatsächlich Jordanwasser von einer Israelreise mit, um Kinder damit taufen zu lassen, um die häuslichen Weihwasserbecken und jene auf den Gräbern damit zu füllen. Gleiches gilt für Wasser aus dem Wallfahrtsort Lurdes, dem man heilende Kräfte nachsagt. Doch immer bleibt das Wasser letztendlich lediglich ein äußeres Zeichen, dem der Glaube selbst zugrunde liegen muss. Naaman badet im Jordan und wird geheilt. Er bringt seine Heilung nicht mit dem Wasser, sondern eben gerade mit dem Gott Israels in Verbindung. Ihm verdankt er seine Heilung.

 

Nachdem ihm die Götter Syriens nicht helfen konnten spürt er, dass es sinnvoll sein kann, sich von einem Glauben zu trennen, der in den „Kinderschuhen“ stecken geblieben ist, und wie sehr es darum auch darauf ankommt, seinen Glauben immer wieder neu zu reflektieren. Naaman erkennt die Größe des Gottes Israels. Auf dem mühsamen Weg seiner Heilung kommt er zu der Erkenntnis, die Gottheit dieses Gottes zu bekennen. So wichtig die Erfahrung seiner konkreten Heilung für ihn ist, so bedeutsam ist für uns heute, dem Weg dieser Heilung nachzuspüren.

Fragwürdige Bindungen und mangelndes Vertrauen zwingen in einer Lebenskrise oft dazu, nach neuen gedanklichen Wegen zu suchen, ja sich auf andere einzulassen. Der Glaube verlangt nach einer ständigen Neubesinnung im Leben.

 

Wenn wir heute Felina taufen, so bleibt ja zu fragen, was aus dieser alten, ja uralten Geschichte auch für sie, ihre Eltern und Paten zu bedenken wäre. Ganz sicher ist es auch das Wissen darum, dass der Glaube auf Glaubenszeugen angewiesen ist. Kein Glaube vermittelt sich selbst und der christliche Glaube schon gar nicht. Dieser mächtige Heerführer aus grauer Vorzeit ist auf den Tipp seines Dienstmädchens angewiesen. Sie vermittelt den Gedanken, sich doch einmal einem Propheten ihrer Heimat, diesem Mann Gottes, anzuvertrauen. Und dieser verweist auf den Gott, dem er dient.

 

Inmitten einer sehr aktuellen, neu aufkommenden Wertediskussion sind ja auch wir gefragt, was und woran wir glauben und wie wir unseren Glauben leben? Wir haben hier ja immer wieder einmal bedacht, dass heute vieles für „christlich“ ausgegeben wird, was noch längst nicht oder nicht mehr „christlich“ ist. Schnell verwechseln wir heute moralische und ethische Fragen und Werte mit den Fragen und Werten des Glaubens. Der Glaube an eben diesen Gott Israels, der ja der Glaube Jesu ist, fordert uns in anderer Weise heraus und führt uns gedanklich andere Wege, als die vielerlei Götter und Götzen, die wir uns machen. Und jede Taufe erinnert uns an unsere eigenen, oft verschütteten Wurzeln und lässt uns danach fragen, woran wir letztendlich glauben, was wir auch jenseits von allen möglichen Krisen unseres Lebens geistlich für uns gelten lassen und dann mit einem überzeugendem Leben erfüllen?

 

Jeder von uns weiß, dass Gott nicht jede Krankheit und jeden Menschen heilt, so, wie es eben auch die Ärzte nicht vermögen. Krankheiten gehören zur Natur des Menschen, wie das Älter- und Altwerden und schließlich der Tod, der unserem Leben seine Grenze setzt. Wir haben damit zu leben, dass uns die Schatten begleiten, das oft für uns nicht Verstehbare, und gerade darum ist es notwendig über den Tag hinaus zu denken. Der Mensch bleibt eben nicht immer jung, gesund, dynamisch und unbeschwert von Alltagssorgen. Jeder von uns muss sich den Herausforderungen seines Lebens stellen und die Fragen und Rätsel menschlicher Existenz auszuhalten lernen, so weit sie nicht zu beantworten sind. Hier begleiten uns dann andere Menschen, mit dem Zeugnis ihres Glaubens, mit ihrem Hinweis auf diesen väterlichen und mütterlichen Gott, den schon Naaman inmitten seiner Lebenskrise so erfahren durfte.

 

Ein letztes Wort gibt ihm der Prophet mit auf seinen Heimweg, den Weg durch sein weiteres Leben: „Kehre heim in Frieden!“ Das ist auch mein Wunsch für uns alle, dass wir, ganz gleich welche Wege unseres Lebens wir zu gehen und welche, vielleicht sogar krisenhaften Erfahrungen wir zu machen haben, im Frieden heimkehren dürfen. So wird dann unser Lebensweg zu einem Heimweg zu dem Gott, der uns das Wunder des Lebens geschenkt hat. Damit sind auch wir dann herausgefordert, unseren Glauben selbst zu bekennen und anderen Menschen damit ein gutes Zeugnis für ihren Lebensweg zu geben. Amen.

 

 

 

 

Literatur:

 

1) Müller, W., in: Hartlieb, G., u.a., Spirituell leben, Freiburg, 2002, S. 213

 

Kaiser, K.-D., Calwer Predigthilfen, 1999/2000, Reihe IV/1, Stuttgart, 1999, S. 95

 

 

 

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