2. Sonntag nach Epiphanias, Johannes 2,1-11
Begrüßung:
Als ich vor vielen Jahren den sehr bekannten jüdischen Theologen und Religionsphilosophen Pinchas Lapide einmal fragte, wie er denn die Wunder des Neuen Testamentes sehe, rückte er sich mit einer energischen Handbewegung seine Kippa (Kopfbedeckung fommer Juden) zurecht und sagte nur: "Wunder geschehen bei uns um die Ecke herum!" Damals lernte ich sie noch einmal ganz anders zu verstehen. Hören wir heute, was uns mit der Geschichte der Hochzeit zu Kana berichtet wird, in der es um mehr geht, als um ein Wunder.
Dankt dem Herrn und ruft seinen Namen an, verkündigt sein Tun unter den Völkern!
(Psalm 105,1)
Gebet:
Herr, guter Gott! Wir danken dir für dein Wort. Lass es uns hören, dass es uns zu dir hinführt. Schenke uns den Durchblick für ein gelingendes Leben, dass wir im Kleinen das Große sehen, im Bruchstückhaften das Ganze, im Vorläufigen das Endgültige, in den vielfachen Wundern unseres Lebens deine Schöpfung. Lass uns, wie bei einer Hochzeit, das Fest des Lebens sehen, die Kostbarkeit des Augenblicks, die Einmaligkeit aller Begegnungen, das Wunder unseres Lebens. Damit wir uns nicht verlieren, auch noch in unserem Glauben auf Abwege kommen.
Hab Dank für diese biblische Frau, Maria, die Mutter Jesu. Lass uns unverkrampfter auch ihrem Beispiel folgen, wenn sie auch uns auf Jesus verweist. Lass uns nicht am Wunder scheitern, wenn wir einmal etwas nicht verstehen, sondern schenke uns den Blick dafür, dass deine Wunder unser ganzes Leben begleiten. Und darum bitten wir dich heute: Verwandle uns selbst, unseren Zweifel in Glaube, unsere Angst vor der Zukunft in Vertrauen.
Und so bitten wir, Herr, gerade heute auch für Israel und Palästina. Schenke gerade jener Region der Welt Frieden, wie allen Menschen, die unter Krieg, Verfolgung und Gewalt zu leiden haben.
So danken wir dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind – und beten für uns, unsere Gemeinde, für unsere katholischen Mitchristen, für unsere kleine Stadt und für die ganze Welt. Amen.
Am dritten Tag wurde in Kana in Galiläa eine Hochzeit gefeiert. Die Mutter von Jesus war dabei und auch Jesus war mit seinen Jüngern dazu eingeladen. Als der Weinvorrat zu Ende war, sagte seine Mutter zu ihm: »Sie haben keinen Wein mehr!« Jesus erwiderte ihr: »Frau, das ist meine Sache, nicht deine! Meine Stunde ist noch nicht gekommen.« Da wandte sich seine Mutter an die Diener und sagte: »Tut alles, was er euch befiehlt!« Im Haus standen sechs Wasserkrüge aus Stein, von denen jeder etwa hundert Liter fasste. Man brauchte sie wegen der Reinigung, die das Gesetz vorschreibt. Jesus sagte zu den Dienern: »Füllt diese Krüge mit Wasser!« Sie füllten sie bis an den Rand. Dann befahl er ihnen: »Jetzt nehmt eine Probe davon und bringt sie dem Mann, der für das Festessen verantwortlich ist.« Sie brachten ihm eine Probe, und er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher dieser Wein kam; nur die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Er rief den Bräutigam zu sich und sagte: »Jeder bringt doch zuerst den guten Wein auf den Tisch, und wenn die Gäste schon reichlich getrunken haben, folgt der schlechtere. Aber du hast den guten Wein bis zuletzt aufgehoben!« So vollbrachte Jesus in Kana in Galiläa sein erstes Wunderzeichen und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger kamen zum Glauben an ihn.
Liebe Gemeinde!
Um es gleich auf den Punkt zu bringen, es geht bei der neutestamentlichen Geschichte von der Hochzeit zu Kana nicht so sehr um Maria, sondern sehr viel mehr um Jesus selbst, auch geht es vordergründig kaum um dieses Wunder, von dem uns berichtet wird, als vielmehr um den, der es vollbringt. In den Taten Jesu kommt Gott in die Welt, hier wird erfahrbar, wie die gute Schöpfung Gottes, ohne Leid, ohne Hunger, ohne den Tod aussehen könnte. Das Paradies, von dem wir alle träumen, ist dem Menschen verloren, hier in der Gegenwart Jesu leuchtet noch einmal etwas von ihm auf. Und davon ist zu reden, ja davon ist überhaupt die Rede. Es geht in dieser Geschichte, wie ja ohnehin in den Evangelien alles um diesen Menschen Jesus, der uns zum Christus wird, dem lebendigen Herrn der Kirche und unseres Glaubens.
Und doch: Wer von uns würde denn nicht immer wieder über diese schroffe Zurechtweisung Marias durch Jesus stolpern. Sie spürt eine sich anbahnende Katastrophe und möchte einfach nur helfen. Sie ist es doch, die ihrem Sohn Jesus schon jetzt mehr zutraut, als uns selbst möglich wäre. Haben wir es vielleicht sogar mit einem Mutter–Sohn Konflikt zu tun, der hier aufbricht. Der erwachsene Sohn, der sich von seiner Über-Mutter emanzipiert und nun seinen eigenen Weg ins Leben sucht? Ich denke, dass wir hier jede Spekulation einstellen können. Jesus verweist in seiner Antwort sehr nachdrücklich darauf, dass seine Zeit noch nicht gekommen ist.
Hier, in dem ersten Wunder, das uns das Johannesevangelium berichtet, weist Jesus über alles, was nun geschehen wird, hinweg, auf das alles Entscheidende, nämlich auf Kreuz und Auferstehung. Hier am Ende seines Lebens und am Anfang eines ganz neuen, andern Lebens in der Gegenwart Gottes, wird das Wunder schlechthin deutlich werden, nämlich das Ja Gottes zum Leben und sein Nein zum Tod. Es geht um das Wunder eines unzerstörbaren Lebens an der Seite Gottes. Das Wunder der Verwandlung geschieht dort, wo wir hellwach und hellhörig werden, für all das, was der Glaube uns schenken kann, ja, für all das, was Gott uns schenkt. Und so geht es dann nicht mehr um Wasser und Wein, sondern um uns selbst und unser Leben in der Gegenwart Gottes, das ganz spekulationslos hier in unserer Welt und unserem Leben beginnt.
Erst wenn uns das alles klar ist, können wir heute einmal einen Blick auf Maria werfen, sie, die Frau im Hintergrund, sie, die Frau von der dann in den Evangelien nur noch wenig zu hören ist, bis wir sie dann wieder unter dem Kreuz ihres Sohnes stehen sehen. Doch wie kommt es dann, dass sich gerade an ihr die Geister so sehr scheiden, tritt sie uns doch in katholischen Kirchen in verschiedensten künstlerisch gestalteten Madonnenfiguren aus Holz oder Gips, immer mit viel Blattgold versehen entgegen, immer erhöht, oft leicht verstaubt und angegraut, immer aber über uns? Wie kommt es, dass man kaum eine katholische Liturgie oder Predigt, ein bischöfliches oder päpstliches Lehrschreiben zu hören oder zu lesen bekommt, ohne dass es nicht auch um Maria geht?
Der katholische Theologe Hans Küng weist als Teilnehmer des II. Vatikanischen Konzils darauf hin, dass eine Reihe katholischer Theologen während des Konzils sehr dafür plädierten, ein neues, weiteres Mariendogma zu erlassen, was schlicht angelehnt wurde, ja, es gab nicht einmal ein eigenes, seperates Mariendokument. Heute unvorstellbar. Damals wurde Maria dann in einen Konzilstext eingearbeitet, das auch vor Übertreibungen der Marienverehrung warnen soll.1) Andere Fragen standen damals im Vordergrund.
Schauen wir einmal kurz in die Geschichte der Marienverehrung hinein, um ein wenig verstehen zu lernen, worum es bei den unterschiedlichen Auffassungen unserer Konfessionen geht: Schon sehr früh, seit dem 2. Jahrhundert, wurde die „Jungfräulichkeit Marias“ bei der Geburt Jesu angenommen. Dies war Teil einer Verkündigung, die Jesus hervorheben sollte, denn gleiches erzählte wohl auch Kaiser Augustus von seiner Geburt. Die Jungfräulichkeit der Mutter sollte die Bedeutung des geborenen Kindes hervorheben, war also sehr viel weniger ein historischer Tatsachenbericht, als ein Mittel der Verkündigung: Hier, seht Euch diesen Menschen an, der ist etwas ganz bedeutsames, einmaliges, großartiges...
Die katholische und die orthodoxe Kirche lehren darüber hinaus aber auch noch die „immerwährende Jungfräulicheit Mariens“ 2), womit man der Maria als Frau ihre Sexualität nahm und – viel schlimmer – auch noch die im Neuen Testament erwähnten anderen Kinder, die Geschwister Jesu, wie: Jakob, Joses, Simon, Judas und die nicht erwähnten weiteren Schwestern. 3) Aus dem Zusammenhang heraus lässt sich sehr deutlich erkennen, dass es sich hier gerade nicht um geistliche Geschwister, Vettern oder Cousinen handelt, sondern eben um ganz und gar leibliche Geschwister.
Auf dem Konzil in Ephesus 431 nach Christus wurde für Maria, die Mutter Jesu, dann der Titel „Gottesgebärerin“ verwendet nachdem der Priester Anastasius Maria diesen Titel abgesprochen hatte: „Sie sei nicht Mutter Gottes, sie sei nur Mutter des Menschen Christus...“ 4) Dabei sollte bei diesem Dogma keine Aussage über Maria gemacht werden, sondern über Jesus Christus.
451 wurde dann auf dem Konzil zu Chalcedon, nach einem lange und erbitterten Streit um das Verhältnis zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur Jesu festgeschrieben, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. 5) Die Trinität Gottes, die für alle Kirchen Geltung hat, wurde zum Glauben der Kirche.
Nachdem in der katholischen Kirche die Marienfrömmigkeit Tradition hatte, formulierte Papst Pius IV. zur Vorbereitung des Unfehlbarkeitsdogmas 1854 die Lehre von der „unbefleckten Empfängnis“ Marias. Erstmals wurde kein Konzil vor einer dogmatischen Entscheidung einberufen, weil man in Rom die Auffassung vertrat, dass es weder eines Schriftbeweises für diese Frage noch einer breiten, alten Tradition bedürfe, „vielmehr genüge die Autorität der gegenwärtigen Kirche“ 6), womit allein die Autorität des Papstes gemeint war. An einem Mariendogma testete Pius IX so seine Autorität und Macht, die dann im Unfehlbarkeitsdogma von 1871 endete. Das bisher letzte Mariendogma ist die „leibliche Aufnahme Marias in den Himmel“ von 1950 durch Papst Pius XII., die seit dem 6. Jahrhundert geglaubt wurde. 7)
Für uns evangelische Christen gilt natürlich, dass Maria die Mutter Jesu ist und dass ihr von daher eine unbestreitbare Bedeutung zusteht. Wenn sie selbst im Magnifikat sagt, „denn er (Gott) hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen...“ (Lukas 1,48), so führt jede Überhöhung von ihr in die Irre. Nicht um sie geht es, sondern um ihren Sohn Jesus und um Gott. Sie verweist, wie bei der Hochzeit zu Kana auf ihn: „Tut alles, was er euch befiehlt...“
Damit erhält sie ihren einmaligen Stellenwert, nicht aber dadurch, dass man sie zu innerkirchlichen Machtkämpfen nutzt und eine Volksfrömmigkeit zulässt, die eben doch dazu führt, ihr eine Rolle zuzuerkennen, die deutlich erhöht zwischen dem Menschen und Gott steht. Man muss sich entscheiden, welche Autorität gilt, die der Tradition, des Lehramtes, das Wort eines Papstes oder das Wort Gottes? Und gerade diese Frage führt heute zu einer großen Verunsicherung katholischer Mitchristen.
Nicht Maria ist also anzubeten, sondern allein Gott. Wo sie angebetet wird, mangelt es oft unbedacht und unreflektiert an der Ehrfurcht, die allein Gott zusteht. In einem Gespräch, in dem es auch um das II. Vatikanische Konzil ging, sagte der evangelische Theologe Karl Barth einmal über Maria: „Ich kann und kann diese Gestalt nicht verstehen, es tut mir leid. Was über Maria im Evangelium gesagt ist, ist wunderbar. Aber ich sehe nicht, dass es eine wirkliche und klare und einleuchtende Verbindung gibt zwischen dem, was im Neuen Testament über Maria gesagt wird, und dem, was in diesen Dogmen über Maria aus ihr gemacht worden ist...“ 8)
Wir tun also - gerade auch in der Auseinandersetzung mit unseren katholischen Mitchristen – gut daran, immer wieder auf das Wort der Bibel als alleinigem Maßstab für unseren Glauben zu verweisen. Ökumene kann ja nicht bedeuten, dass wir uns dafür zu entschuldigen hätten, `Evangelisch´ zu sein, sondern aus einem „wechselseitigen Respekt“ (W. Huber) unseren Glauben zu leben und ihn so auch immer wieder neu im gemeinsamen Gespräch miteinander zu bedenken. Die neueren Mariendogmen der katholischen Kirche sind selbst innerkirchlich so umstritten, dass es gut wäre, über Dogmen überhaupt neu nachzudenken und ihren Sinn einmal kritisch zu hinterfragen.
Wenn wir uns die Maria aus unserem Text anschauen, so können wir lernen, dass sie nichts für sich selbst erbittet, sondern für andere. Sie ist nicht gleich beleidigt, als Jesus sie darauf hinweist, dass seine Stunde noch nicht gekommen ist, sondern sagt den anderen, das zu tun, was er sagen wird. Das ist ihr Dienst und ihre biblische Stellung inmitten von Menschen und als Mitmensch, da bedarf es keiner weiteren Überhöhung mehr, die von Gott selbst ablenkt. An ihrem Vorbild dürfen wir unseren eigenen Glauben messen, denn immerhin hört Jesus selbst ja auf seine Mutter, in dem er nun doch dieses Wunder der Verwandlung geschehen lässt. So kann das Hochzeitsfest nun weiter gefeiert werden, ein Fest des Lebens und der miteinander geteilten Freude.
Nein, es geht nicht um Maria, sondern um Gott selbst, der im Tun Jesu grenzenlos und alle Grenzen sprengend erfahrbar wird. Und es geht auch nur sehr vordergründig um das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein, weil es um unsere eigene Verwandlung geht. Wir sind gefragt, wie wir die Wunder Gottes um uns herum und tagtäglich wahrnehmen. Wir sind daher nun auch danach gefragt, wie unser eigenes Gotteslob und unsere Dankbarkeit aussehen? Das wunderbare wäre doch, wenn man auch von uns einmal sagen würde: „Und seine Jünger (und Jüngerinnen) kamen zum Glauben an ihn...“ Um dieses Wunder geht es. Amen.
Literatur:
1. Küng, H., Erkämpfte Freiheit, Erinnerungen, München, 2002, S. 505
2. s. http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_(Mutter_Jesu)
3. Matthäus 13, 54+56
4. Rahner K., Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung,
Regensburg, 197110, S. 123
5. s. http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_(Mutter_Jesu)
6) Lohse, B., Epochen der Dogmengeschichte, Stuttgart, 19835, S. 203
7 s. . http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_(Mutter_Jesu)
8. Barth, K., Gespräche 1964-1968, Hrsg., E. Busch, Zürich,1997, S. 335
Busch-Wagner, K., 2. Sonntag nach Epiphanias, in:
http://www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/predigthilfen.html
Gorski, H., Fremde Frau, in zeitzeichen, 12/2007, S. 24ff
Schneider, H.-H., Predigt zu M. Luthers Magnifikat, in: http://www.predigten.de/
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