3. Sonntag nach Epiphanias, Johannes 4, 5-14
Begrüßung:
Liebe Gemeinde! Wir alle kennen Brunnen und fast jeder Mensch, auch Kinder, mögen sie. Sie sind Orte der Begegnung, sie zieren Parks und Plätze im Stadtbild, aber sie spenden vielen Städten, ohne dass es überhaupt noch wahrgenommen wird, das Wasser, das man zum Leben braucht. Heute wird es um ein Gespräch Jesu an einem Brunnen gehen, das sehr tief in unsere Lebenswirklichkeit eingreift, weil wir gefragt werden, aus was für einem Geist heraus wir leben und ob unser eigener Glaube zu einem solchen Brunnen werden könnte, der dem Leben dient?
Dankt dem Herrn! Macht seinen Namen überall bekannt; verkündet allen Völkern, was er getan hat! Singt und spielt zu seiner Ehre und ruft euch seine Wunder ins Gedächtnis!
Gebet:
Herr, guter Gott! Wie oft ist unser Glaube wie ein versiegter Brunnen, wie eine Wüste fast ohne jedes Leben. Aus einem Geist heraus sollten wir dich loben und unseren Glauben leben, doch wir grenzen uns ab, unterscheiden, wählen aus. Lass uns dich so hören, dass wir Brücken zu bauen lernen, Brücken zu dir und zu unseren Mitmenschen, das würde dem Leben dienen und unserem Glauben Glaubwürdigkeit schenken. So bitten wir dich um offene Ohren und einen wachen Verstand für Glaube und Leben durch ihn, unseren Bruder und Herrn, Jesus Christus. Amen
Unterwegs kam er in die Nähe des Dorfes Sychar, das nicht weit von dem Feld entfernt liegt, das Jakob einst seinem Sohn Josef vererbt hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war von dem langen Weg müde geworden und setzte sich an den Brunnen. Es war gegen Mittag. Da kam eine samaritische Frau zum Wasserholen. Jesus sagte zu ihr: »Gib mir einen Schluck Wasser!« Seine Jünger waren ins Dorf gegangen, um etwas zu essen zu kaufen. Die Frau antwortete: »Du bist ein Jude, und ich bin eine Samariterin. Wie kannst du mich da um etwas zu trinken bitten?« - Die Juden vermeiden nämlich jeden Umgang mit Samaritern. Jesus antwortete: »Wenn du wüsstest, was Gott den Menschen schenken will und wer es ist, der dich jetzt um Wasser bittet, dann hättest du ihn um Wasser gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.« »Herr, du hast doch keinen Eimer«, sagte die Frau, »und der Brunnen ist tief. Woher willst du dann das lebendige Wasser haben? Unser Stammvater Jakob hat uns diesen Brunnen hinterlassen. Er selbst, seine Söhne und seine ganze Herde tranken daraus. Du willst doch nicht sagen, dass du mehr bist als Jakob?« Jesus antwortete: »Wer dieses Wasser trinkt, wird wieder durstig. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird in Ewigkeit keinen Durst mehr haben. Ich gebe ihm Wasser, das in ihm zu einer Quelle wird, die bis ins ewige Leben weitersprudelt.«
Liebe Gemeinde!
Wer kennt es nicht, das Märchen von Hans im Glück: Hans hatte seine Lehre gemacht und war mit einem Goldklumpen von seinem Herrn beschenkt worden, um nun wieder nach Hause zu wandern. Doch unterwegs tauscht er das Gold gegen ein Pferd, das Pferd für eine Kuh, die Kuh für ein Schwein und das Schwein für eine Gans ein. Schließlich hat er nur noch zwei Steine zum Scherenschleifen in der Tasche. So wandert er seiner Heimat entgegen. Das Märchen endet damit, dass Hans müde geworden vom Schleppen der Steine an einem Brunnen ankommt.
„...Damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich nieder und wollte sich zum Trinken bücken, da versah er`s, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpten hinab. Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Tränen in den Augen, dass er ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf eine so gute Art, und ohne dass er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, von den schweren Steinen befreit hätte, die ihm allein noch hinderlich gewesen wären. "So glücklich wie ich," rief er aus, "gibt es keinen Menschen unter der Sonne." Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.“ [1]
Brunnen- und Wassergeschichten gibt es in vielen Märchen, wie bei Frau Holle und dem Froschkönig und auch die Bibel erzählt uns einige. Um Brunnen herum wurden Ehen eingefädelt, wie die von Issak und Rebekka und Jakob und Rahel. Brunnen sind lebensnotwendig, weil sie Wasserquellen für Mensch und Tier sind und jede Gemeinde ist froh und dankbar, wenn sie ihr Wasser aus eigenen Brunnen beziehen kann. In jeder Stadt finden sich Brunnen auf Marktplätzen und an repräsentativen Orten, um die Menschen sich sammeln und ausruhen können. Gerade Kenzingen ist ja als „Perle im Breisgau“ bekannt für seine Brunnen, und wer im Sommer an der Bombacher Straße zum Wassertretbecken geht, findet sich dort zwischen Wanderern und ganzen Familien wieder.
Wie Hans im Glück kommt Jesus nach einer langen Wanderung nach Samarien. Er hat eine Abkürzung für seinen Weg von Judäa nach Galiläa gewählt, doch muss er dabei gleich verschiedene Grenzen überschreiten. Samaria ist für einen frommen Juden feindliches Ausland. Er wollte weg vom etablierten Religionsbetrieb in Judäa. Er war angeeckt, hatte im Tempel in Jerusalem einen Skandal ausgelöst und sich so Feinde gemacht. Es gab Diskussionen um den rechten Weg zwischen den Jüngern des Johannes und den Jüngern und Freunden Jesu. Und so war er nach Samaria gekommen an diesen Brunnen an dem Jakob seine Frau Rahel kennen- und lieben lernte, eine uralte biblische Love-storie.
Die Samariter waren ihren eigenen Weg des Glaubens gegangen, hatten den Tempelkult in Jerusalem nicht mitgetragen und stellten so radikal in Frage, was jedem Juden heilig war. Man vertraute den Heiligen Schriften der Väter, doch misstraute dem Tempelkult und der Priesterherrschaft im Süden Israels, dadurch wurden sie zu Erzfeinden aller orthodoxer Juden. In der Geschichte vom „Barmherzigen Samariter“ wird Jesu ganze Kritik am etablierten Judentum deutlich, wo Priester nur noch das Gesetz achten, aber an den Menschen vorbei leben - und da meint Jesus ganz ausdrücklich, dass, wer es mit Gott zu tun haben will, den Menschen im Blick behalten muss. Alles andere wäre ein falscher Gottesdienst, ein Götzendienst.
So sitzt Jesus nun in Samaria in der größten Mittagshitze an diesem berühmten Brunnen und bittet diese fremde Frau um einen Schluck Wasser. Es ist kein Wunder, dass sie erstaunt ist: Ein Jude, der sie, eine Frau, anspricht; ein Jude, der wohl mehr in ihr sieht als eine Heidin; ein Jude, der auch noch aus einem Gefäß trinken will, aus dem schon Samariter ihr Wasser geschöpft haben? Dieser Mann scheint anders, als andere Juden, von denen sie sicher eher aus der Ferne gehört hatte – aber vielleicht auch ein wenig überheblich in dem, was er sagt.
Es beginnt ein erstaunlicher Dialog. Vordergründig geht es um das Wasser und den Brunnen aus dem schon Jakob, seine Söhne, ja auch sein Vieh getrunken haben. Wasser hat natürlich in einem Land wie Israel eine ganz andere Bedeutung, als bei uns und jeder Brunnen, jede Wasserquelle bedeutet Fruchtbarkeit und Leben, weshalb man sehr viel bewusster, ja auch dankbarer mit dem lebensnotwendigen Geschenk des Wassers umgeht. Wer kein Wasser hat, kann so nicht einfach weiter leben, der muss sich einen Ort suchen, an dem er Wasser findet. Kein Wasser zu haben, bedeutet die Nähe des Todes kennen zu lernen, wo es nichts mehr gibt, was wachsen, reifen, das Leben erhalten und fördern kann. So ist es verständlich, dass die Frau Jesus zunächst nicht versteht, weil Jesus dem wichtigen Wasser noch eine andere Bedeutung beimisst.
Für ihn wird das konkrete, lebensnotwendige Wasser zu einem Beispiel für eine ganz andere Gabe Gottes, über den fassbaren materiellen Gegenstand hinaus. In allem, was er hier zeichenhaft sagt und tut, wird diese ganz andere Gabe Gottes deutlich. Wie er selbst, Jesus, zu einer Quelle des Lebens wird, so sollen wir es füreinander werden. Das aber ist ein Geschenk, das nur Gott uns schenken kann, so möchte es Jesus dieser Frau am Brunnen sagen. Doch was für Gräben werden hier überbrückt und Trennendes miteinander verbunden. Er wird, wie zu einer Brücke aus einer Wüste der Lebensferne und des Todes, hinüber zu einer Quelle, die Leben schenkt und Wachstum und Reifung möglich macht.
Wie im vorangegangenen Gespräch mit dem frommen Juden Nikodemus geht es auch in diesem Gespräch um den Geist aus dem heraus Menschen leben und glauben. Es geht darum, danach zu fragen, wes Geistes Kinder wir eigentlich sind und so wird er dieser Frau ein wenig später sagen: „Gott ist Geist, und die die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten...“ Nach der Begegnung mit ihr wird uns von der Heilung des Sohnes eines römischen, also heidnischen Hauptmannes berichtet. Für den Evangelisten Johannes ist das ein ganz wichtiger Hinweis auf die Grenzüberschreitungen, die der Glaube möglich macht. Jesus selbst überschreitet sie in der mitmenschlichsten Form. Denn ihm geht es nicht um erstarrte Rituale im Glauben, sondern um ein Leben aus ihm heraus.
So wird der Glaube selbst zu einem Brunnen, aus dem wir schöpfen dürfen, ja wir selbst werden – im Bild gesprochen - so, wie Jesus, zu einem Brunnen für andere. Wer sich selbst und seinen Glauben aus diesen Tiefen heraus versteht, der dient dem Leben, dem eigenen, wie dem seiner Mitmenschen. Da werden auch für uns Brückenschläge möglich, die Vorurteile nicht mehr zulassen und unnötige Grenzen abbauen helfen. Es wurde darauf hingewiesen, dass Jesus in diesem Gespräch zuhört, hinterfragt, Hinweise gibt, beharrt, diskutiert, schweigt, Andeutungen macht, verunsichert. In keinem Fall moralisierend. In jedem Fall ohne Angst vor Tabus, Grenzen, Barrieren... Das alles macht Mut... Jede Gesprächskultur ermuntert, eine dialogische Existenz zu leben...“ [2]
Hier sind wir nun gefragt, wie wir damit umgehen, wie das in unsere Welt hineinbuchstabiert werden kann: In die unseres Zusammenlebens mit unseren katholischen Mitchristen, im Gespräch mit Juden oder Muslimen, mit all jenen, die sich der Kirche entfremdet und sich längst ihren eigenen Weg des Glaubens und der Religionen gesucht haben. Wir sind gefragt, wie wir unseren eigenen Glauben leben und ihn so zu einem Brunnen werden lassen, aus dem auch andere Menschen schöpfen können. Was wäre das für ein Glaube, der nicht in der Welt gelebt wird und der ihr nichts nutzt? Ein solcher Glaube jenseits einer tiefen Gottesbeziehung und Menschenfreundlichkeit wäre für Jesus kein Glaube, sondern ein Irrglaube, eine Wüste in der nichts lebt und nichts wächst.
Unser Hans im Glück will am Brunnen endlich ausruhen und sich mit einem frischen Schluck Wasser stärken, als ihm seine Steine in den Brunnen fallen. Erlöst von allen Lasten springt er auf und dankt Gott dafür, dass er nun auch noch von dieser Last befreit ist. So wird hier der Brunnen auch zu einem Ort, der von Lasten befreit, dazu frei macht, seinen Weg unbeschwert und fröhlich weiter wandern zu können. In jedem Märchen mit Brunnengeschichten wird ein Leben radikal verändert, vor allem, wenn jemand seine Chancen wahrnimmt.
Der Dichter Fjodor M. Dostojewski schreibt in seinem Roman „Der Jüngling“: „Das ganze Geheimnis des Menschen besteht darin, dass, wenn er gegessen und getrunken hat, er sich den Mund wischen und fragen wird: Und was kommt jetzt?“ [3] Äußerlich zwar gesättigt bleibt der Mensch innerlich oft leer und hungrig, unbefriedigt auf der Suche nach mehr und mehr. Und so lebt er immer wieder nur aus dem heraus, was er hat und besitzt, als vielmehr von dem, was ihn als einen mitdenkenden und mitfühlenden Menschen auszeichnet. Deshalb geht es Jesus in seinem Gespräch um etwas ganz anderes als um einen Schluck Wasser, es geht ihm um das Leben selbst in seiner ganzen Tiefe und darum um die Frage, aus welchem Geist heraus wir leben? Darauf dürfen wir jeden Tag neu neue Antworten suchen und versuchen. Amen.
Literatur:
1) Grimm, Hans im Glück, in: http://www.fln.vcu.edu/grimm/hans.html
2) Großklaus, N.W., Calwer Predigthilfen, 2000/2001, Reihe V/1,
Stuttgart, 2000, S. 100ff
3) Drewermann, E., Das Johannesevangelium, Erster Teil, Düsseldorf, 2003, S. 196
Busch-Wagner, K., 3. Sonntag nach Epiphanias, in:
http://www.pfarrverband.de/pfarrerblatt/predigthilfen.html
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