Letzter Sonntag nach Epiphanias, Matthäus 17, 1-9
Begrüßung:
Liebe Gemeinde! Wir alle kennen das mit den Bergen unseres Lebens, stehen sie ja sprichwörtlich für alle Höhen und Tiefen unsers Lebens. Heute werden wir mit dem Wort Gottes auf einen Berg hinauf geführt, wo uns Gott noch einmal auf seinen Sohn Jesus Christus verweisen wird. Auf ihn sollen wir hören, so wird es auch uns zugerufen. Gehen wir doch gedanklich einmal mit auf diesen Berg, um uns dann auch in den Tiefen unseres Lebens in unserem Glauben und Vertrauen bestärkt zu sehen.
Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
(Jes. 60,2)
Gebet:
Herr, guter Gott! Es scheint, als habe die Welt ihren Glanz verloren, dabei erahnen wir doch etwas von deiner göttlichen Herrlichkeit, wenn wir uns in der Schöpfung umschauen. Wie viel Angst und Dunkelheit geht von uns aus, wie viel Schattenhaftes belastet uns und damit immer auch die Mitmenschen, die uns erleben? Wir suchen das Leben und verirren uns nur allzu oft im Dunkel der Welt. Wir stehen wie vor einem Berg, der uns die Sicht versperrt. Herr, öffne uns die Augen, dass wir etwas zurück bekommen von dem Glanz, den du der Welt einmal mitgegeben hast. Darum lass uns ihn hören, deinen Sohn und unseren Bruder Jesus Christus. Amen.
Sechs Tage später nahm Jesus die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder von Jakobus, mit sich und führte sie auf einen hohen Berg. Sonst war niemand bei ihnen. Vor den Augen der Jünger ging mit Jesus eine Verwandlung vor sich: Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden strahlend weiß. Und dann sahen sie auf einmal Mose und Elija bei Jesus stehen und mit ihm reden. Da sagte Petrus zu Jesus: »Wie gut, dass wir hier sind, Herr! Wenn du willst, schlage ich hier drei Zelte auf, eins für dich, eins für Mose und eins für Elija.« Während er noch redete, erschien eine leuchtende Wolke über ihnen, und eine Stimme aus der Wolke sagte: »Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt. Auf ihn sollt ihr hören!« Als die Jünger diese Worte hörten, warfen sie sich voller Angst nieder, das Gesicht zur Erde. Aber Jesus trat zu ihnen, berührte sie und sagte: »Steht auf, habt keine Angst!« Als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus allein. Während sie den Berg hinunter stiegen, befahl er ihnen: »Sprecht zu niemand über das, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn vom Tod auferweckt ist.«
Liebe Gemeinde!
In drei Evangelien wird von der „Verklärung“ Jesu berichtet, abseits, auf einem Berg und nur mit den drei Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes. Was ist es, was diesen Text offensichtlich für seine Jünger, wie aber auch für die Schreiber der Evangelien Matthäus, Markus und Lukas so wichtig macht? Sie schauen ja inzwischen zurück auf das ganze Leben Jesu. Mal haben sie hier etwas erfahren, mal dort etwas gehört, was sie dann – immer eine ganz konkrete Christengemeinde im Blick – aufschreiben. Es geht ihnen ja darum, das Leben Jesu, seine Predigten, sein Tun bekannt zu machen – und vor allem geht es darum, Jesus als den Sohn Gottes zu bezeugen, als einen Menschen, der gelebt hat, der leiden musste, an einem römischen Galgen hingerichtet wurde und von dem die Jünger aussagten, dass Gott ihn nicht bei den Toten ließ. Der hier Verklärte ist der menschgewordene Gott. Und darüber muss geredet werden, das muss einfach weiter gesagt werden, damit auch für alle anderen Menschen etwas von diesem großen Licht aufstrahlt und von diesem göttlichen Glanz, den die Welt verloren hat.
Für uns ist es ja zunächst einmal ein Text, der uns eher ratlos macht, als dass wir sofort etwas mit ihm anfangen könnten. Aber gehen wir einmal in diesen Text hinein und wandern wir ein wenig mit den Berg hinauf, den Jesus seine Jünger führt. Es scheint der Berg Tabor gewesen zu sein, der 588 Meter hoch mitten und weithin sichtbar im Jezreel-Tal liegt, nur 25 Kilometer südlich vom See Genezareth. Da ich mehrfach dort war, habe ich einmal in meine Reiseberichte hinein geschaut, um zu sehen, was ich dort für mich notiert hatte: „Wir fahren weiter zum Berg Tabor und wandern in steiniger und zerklüfteter Landschaft bei großer Hitze auf den Berg. Von hieraus ergibt sich ein weiter Blick ins Jezreel-Tal. Man kann man bis nach Nazareth hinüber schauen. Der Tabor ist ein alter biblischer Berg, auf dem Melchisedek ... begraben sein soll...“ Hier oben befindet sich heute eine eindrucksvolle Basilika, die an Zelte erinnert, welche über den Resten einer Kirche aus dem 6. Jahrhundert erbaut wurde.
Um die Bedeutung dieses Berges zu erspüren hören wir in eine hebräische Legende hinein: „Als der Herr den Kindern Israels die Thora geben wollte, kamen der Tabor und der Karmel (das ist das Gebirge um Haifa herum) zu ihm. Der Tabor sprach zuerst und sagte: `Ich bin der Tabor und auf mir sollte die göttliche Gegenwart ruhen, denn ich bin der höchste Berg und die Sintflut konnte mich nicht bedecken.´ Dann kam der Karmel und sagte überheblich: `Ich bin der Karmel, und auf mir sollte die göttliche Gegenwart ruhen, denn als du das Wasser des Roten Meeres teiltest, habe ich mich dazwischen gestellt, so dass die Kinder Israels über mich hinweg gehen konnten.´ Der Herr, er sei gelobt, erwiderte beiden: `Wegen eures Stolzes und eurer Überheblichkeit kann ich eure Forderungen nicht erfüllen.´“ 1)
Immer waren es Berge, die eine tiefgreifende Bedeutung für den Menschen hatten, die oft über Jahrtausende hindurch von Generation zu Generation überliefert wurden. Gerade aber im Matthäusevangelium spielen Berge eine ganz besondere Rolle. Auf einem Berg wird Jesus vom Bösen versucht, die Bergrede Jesu ist seine wohl bedeutsamste Predigt gewesen, immer wieder zieht er sich auf einen Berg zurück, wenn er beten oder allein sein möchte.
Später zieht er nach Jerusalem hinauf, er steigt nach Gethsemane hinunter und wird schließlich auf dem Hügel Golgatha hingerichtet.
Man kann eine Geschichte, wie die von der Verklärung Jesu, nur als eine Predigt hören, deren Inhalt es ist, etwas von diesem Jesus für uns alle aufleuchten zu lassen. Glücklich kann man sich ihn vorstellen, hier auf dem Berg angekommen, wobei wir sonst nirgendwo von einer Situation im Neuen Testament hören, wo Jesus wirklich so glücklich gewesen wäre, ja, dass er gestrahlt hätte. Eugen Drewermann sagt: „Wenn man Jesus von Nazareth in seinem Wesen, in dem, woraus er lebte und worin sein Glück ruhte, wirklich verstehen will, dann muss man ihn sich vorstellen als jemanden, der, hoch auf einem Berge stehend, hörte, wie Mose und Elija zu ihm redeten. Diese Vision steht für sein ganzes Leben, sie enthält das ganze Programm seines Wirkens, und es kommt nur darauf an, den Inhalt dieser Erscheinung auf dem `Berge´ richtig zu verstehen...“ 2)
Und nun wird von Mose und Elija erzählt. Zwei Menschen, die für den Glauben in Israel stehen. Mose, der Rebell, der sich selbst gegen den schier göttlich geglaubten Pharao auflehnt und ihm die Freiheit Israels abtrotzt. Lieber Wüste und Freiheit, als mit diesen falschen Göttern und in Unfreiheit zu leben. Und Elija steht dafür, den Menschen ihre Götzen wegzunehmen, die zu nichts anderem dienen, als sie unfrei leben zu lassen. In Elias Glaube und Vertrauen begegnet man einem menschlichen Gott. „Ein furchtbares, aber sehr zutreffendes buddhistisches Sprichwort meint: `Begegnest du dem Buddha auf dem Wege, töte ihn!´ Das Sprichwort meint: Solange du unterwegs bist, und es steht dir etwas Göttliches im Wege, das du für endgültig nimmst, so engagiere alle deine Kräfte, es hinter dich zu bringen; denn es beruhigt dich auf falsche Weise, noch ehe dein Weg zu Ende ist, es lähmt dich mit Hilfe falscher Gewissheiten, es zwingt dich zu Vorstellungen, die keine Gültigkeit besitzen...“ 3) Gott ist und bleibt immer der ganz andere und wir Menschen können daher immer nur unterwegs und auf dem Weg zu ihm sein.
Jesus weiß ja um die Bedeutung von Mose und Elija für den Glauben Israels und so dürfen wir dann fragen, ja, wer ist dann Jesus selbst: Und hier hören wir nun die gleichen Worte, wie bei der Taufe Jesu am Jordan: „Dies ist mein lieber Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt...“ Erweitert allerdings um den Hinweis: „Ihn sollt ihr hören!“ Hier erfahren wir von der Göttlichkeit Jesu, der ganz menschlich, schweißgebadet, den Berg Tabor hinauf gestiegen ist, wohl auch um seinem väterlichen Gott näher zu sein. Und wie immer wieder einmal wird den verstörten, verunsicherten Jüngern gesagt: „Habt keine Angst!“, erleben sie dort oben doch Unaussprechliches.
Als Jesus dann mit seinen Freunden den Berg hinabsteigt, sagt er ihnen, dass sie über das Erlebte noch schweigen sollen, bis dann der Tag kommt, an dem er ihnen als der Auferstandene begegnen wird. Kann man sich das ausmalen? Hier ein Mensch Gottes, strahlend schön und voller Glück, der sich in einer Verbindung von Mose und Elija erfährt und dann der Hinweis darauf, dass der Tod kommen wird, nicht als letztes Wort und von Gott aus betrachtet auch nicht endgültig, aber er wird kommen. So etwas können Menschen nur im Wechselbad ihrer Gefühle ertragen.
Auch Jesus muss vom Berg, den er erstiegen hatte, hinunter in die Ebene zurück, dorthin, wo er gebraucht wird. Was aber wird uns mit dem Bild des Berges gesagt?
Berge können uns Wege versperren, ihre Gipfel erscheinen uns wunderschön und können doch bedrohlich und unüberwindlich sein. Sie reichen von der „Erde aus bis scheinbar an den Himmel“. So war klar, das man gerade auf ihnen Heiligtümer errichtete, einen Ort, an dem man Gott anwesend glaubte. Sie „flößten den Menschen Furcht und Ehrfurcht“ ein.
Menschlich gesehen können wir wie ein „Ochs vor einem Berg stehen“, wo wir dann nicht weiter wissen, wir können in einem „Berg von Arbeit“ versinken. Wir können einer „felsenfesten Überzeugung“ sein und es geht in jedem Leben einmal „bergauf“ oder „bergab“. Dabei ist es immer schön, „wenn wir wieder einmal über dem Berg“ sind. 4) Es ist also nicht zufällig, dass uns in der Bibel immer wieder Bilder von Bergen begegnen und so viele Berichte über Jesus selbst, der auf sie hinauf und herunter steigt. Gerade weil sie sich mit existentiellen Erfahrungen verbinden.
Aber nun sind wir ja sehr weit weg von diesem Berg Tabor in Israel, schließlich leben wir hier im Breisgau, dazu in der Rheinebene. Doch was sehen wir, was hören wir heute? Wie können wir etwas für unser eigenes Leben von diesem Erstrahlen retten, das die Jünger in der Gegenwart Jesu auf dem Berg Tabor erlebten? Für uns wäre es in der Begegnung mit dem Wort Gottes ganz wichtig, nun auch einmal selbst das zu hören, was den Freunden Jesu dort auf dem Berg gesagt wurde: „Auf ihn sollt Ihr hören!“ Wenn es schon Mose um die Freiheit und Elija um die Göttlichkeit Gottes, letztendlich also um die Freiheit von den falschen Göttern und Götzen der Welt geht, dann wäre das ja auch von uns ganz neu zu hören und zu leben. Schon damit wäre eine lebenslange Aufgabe deutlich gemacht. Aber dieses „Auf ihn sollt Ihr hören!“, dieses Wort Gottes, geht deutlich darüber hinaus.
Registrieren wir Menschen nicht fast täglich, dass die Welt etwas von dem Glanz verliert, den Gott seiner Schöpfung einmal schenkte? Angstvoll erleben doch viele von uns die selbst gemachten Krisen unserer Zeit, die weltweiten Vernetzungen, die jeden von uns betreffen, ohne dass er sich davon lösen könnte. Die Frage ist doch, ob es möglich ist, etwas von diesem Glanz zurück zu bekommen, ihn mit von diesem Berg und der Begegnung mit Gott hinunter zu nehmen, selbst in die Tiefen unserer Existenz.
Wir sind gemeint und angesprochen in den Höhen und Tiefen unseres eigenen Lebens. Gott wird bei uns sein. Ihn dürfen wir hören immer und überall, so wie Jesus selbst ihn hörte, ihm vertraute. Mit diesem Gott lebte er und mit diesem Gott starb er. Und wieder war es dieser väterliche und mütterliche Gott, der dann dem Tod den Tod ansagt. So leben auch wir Menschen den Weg mit, den Jesus zwischen Weihnachten und Ostern geht, um uns Gott näher zu bringen. Auf ihn werden wir hingewiesen, damit wir ihm zu folgen lernen und damit etwas von dem Glanz aufstrahlen zu lassen, das auch ins tiefste Tal des Lebens leuchtet. Amen.
Literatur:
1) Vilnay, Z., Israel, Stuttgart, 1979, S. 418
2) Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Teil 2, Düsseldorf, 1994, S. 398
3) Drewermann, E., a.a.O., S. 404
4) Früchtel, U., Mit der Bibel Symbole entdecken, Göttingen, 1991, S. 74
Gazer, H.R., Letzter Sonntag nach Epiphanias, in: Göttinger Predigtmeditationen, 2008, 63. Jhrg., Heft 1, Göttingen, S. 120f
Schneider, H.-H., persönliche Reiseberichte von Israelfahrten
Gestrich, Chr., Die Wiederkehr des Glanzes in der Welt, Tübingen, 1989
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