Okuli, Markus 12, 41-44

 

 

Begrüßung:

 

Liebe Gemeinde! Wovon hängt eigentlich unser Glück, unsere Zufriedenheit im Leben ab? Macht z.B. Geld, Einfluss oder Macht glücklich? Heute wollen wir uns einmal danach fragen lassen, was für uns wichtig ist im Leben. Was bedeutet uns eigentlich ein „Opfer“, ein Opfer in finanzieller Hinsicht, an Zeit, an Liebe?

 

Wer seine Hand an den Pflug legt, und schaut zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes (Luk. 9,62).

 

 

Gebet:

 

Herr, guter Gott! Schenke uns einen wachen Verstand und eine große Sensi-bilität für die Entscheidung, was wir für uns und unser Leben wichtig werden lassen. Lass uns erkennen, dass wir unser Glück nicht als einen alleinigen Besitz für uns ansehen, sondern das Glück teilen lernen. Dabei teilen wir oft nur ungern, denn wir möchten alles haben, erreichen, alles festhalten und besitzen. Herr hilf uns und erbarme dich unser, damit unsere Herzen und Hände, Augen und Ohren offen werden für ein geteiltes, großzügiges und damit erfülltes Leben. Amen.

 


Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Sind Sie eigentlich reich oder doch wenigstens wohlhabend, wie fühlen Sie sich, wenn Sie an Ihre Bank denken, Ihr Konto, das Vermögen? Aber: woran messen wir Deutschen, ob es uns finanziell gut oder schlecht geht – und hängt unsere Befindlichkeit nicht oft überhaupt von unseren finanziellen Möglichkeiten oder Begrenzungen ab? Der Zeitung konnten wir kürzlich entnehmen, dass das Gallup-Institut heraus fand, „dass die Deutschen weltweit in einer Disziplin vorne liegen: beim Pessimismus. Nirgends sonst sei das Vertrauen in Wirtschaft und Politik, überhaupt in die Zukunft, so gering wie bei uns...“ [1] Aber geht es uns denn wirklich auch nur annähernd so schlecht, wie wir es uns vormachen? Hängt denn menschliches Glück allein oder auch nur vorwiegend von den Finanzen ab, wobei es natürlich schon ganz schön wäre, wenigstens finanziell keine Sorgen haben zu müssen.

 

Sicher, wir alle, ein jeder Mensch möchte sein „Schäfchen ins Trockene bringen“, doch reicht das aus, um glücklich zu sein? Wie oft hören wir, wenn gelästert wird, „lieber reich und gesund, als arm und krank...“, doch wäre schon das das ideale Leben? Ich möchte es mir, gerade weil es um das Geld geht, nicht zu einfach machen. Meine persönliche Zufriedenheit, mein Glück, hängt natürlich auch damit zusammen, dass ich mir zumindest finanziell keine großen Sorgen machen muss, doch das reicht mir nicht. Natürlich freue ich mich, über meine relative Gesundheit, doch definiert sie mein Glück?

 

Zum menschlichen Leben – so scheint es – gehört also wirklich mehr, als ein gut gefülltes Konto oder Gesundheit, denn arme Menschen können ebenso glücklich sein, wie körperlich angeschlagene Menschen. Dabei wissen wir, dass es ja oft wirklich einen Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit gibt. Warum kann, wie in der Beispielgeschichte Jesu, eine arme Witwe, deren sozialer Status gar nicht schlechter sein könnte, so unabhängig und freizügig sein, ganz offensichtlich losgelöst von allen Gegenwarts- und Zukunftssorgen? Sie opfert mehr als ein Reicher, weil sie von ihrem Existenzminimum gibt, während es der andere von seinem Überfluss tut.

 

Gerade im Gegenüber dieser zwei Gruppen von Menschen kann Jesus zeigen worum es ihm mit dem Glauben geht: „Er wollte, dass es uns im Umgang mit Gott nie um etwas, sondern um alles geht...“ [2]

 

Und was uns, gerade in der Volkskirche so schwer zu verstehen fällt, ist, dass zum Glaube das Opfer dazu gehört. Ist unser Glaube die Verbindung mit unserem Gott, das sich im gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes, dem Teilen der Sakramente, dem Gotteslob, im Gebet, dem Gesang und der Musik ausdrückt, so ist das Opfer die unabdingliche Verbindung zum Nächsten und zu den Aufgaben, die die Kirche in der Welt zu erfüllen hat. Die arme Witwe dort in Jerusalem ist nicht einfach ein moralisches Vorbild für uns, denn es gibt weder materiell noch geistlich irgendetwas womit wir vor Gott auftrumpfen könnten, aber sie ist unabhängig und frei bis hin zu den alltäglichen Sorgen, sie lebt. Und so drückt sie in einer solchen Freiheit ihren Glauben auch in ihrem Opfer aus.

 

Unser Text ist der Schluss einer längeren Auseinandersetzung Jesu mit den Schriftgelehrten und einer Rede, in der er vor ihnen, ja vor ihrer Art, den Glauben zu leben warnt. Er sagt dort: „Nehmt euch in acht vor den Gesetzeslehrern! Sie zeigen sich gern in ihren Talaren und lassen sich auf der Straße respektvoll grüßen. Beim Gottesdienst sitzen sie in der vordersten Reihe, und bei Festmählern nehmen sie die Ehrenplätze ein. Sie sprechen lange Gebete, um einen guten Eindruck zu machen; in Wahrheit aber sind sie Betrüger, die schutzlose Witwen um ihren Besitz bringen. Sie werden einmal besonders streng bestraft werden...“

 

So geht es Jesus gar nicht um eine Sozialkritik an den Reichen, die noch mehr geben sollten, sondern um die Gottesliebe dieser Frau. Und auch wenn er ja wirklich vom Geld spricht, so geht es einem wirklich gelebten Glauben um mehr. Gerade im Opfertod Jesu wird deutlich, dass es Opfer gibt, die gar nicht mit Geld zu bezahlen sind: im Geschenk von Zeit füreinander; Geduld, auch wenn es einmal schwer fällt; Engagement in unserer Kirche und für sie oder aber auch für einen Verein, eine Organisation und das der Liebe, die sich im Vertrauen und der Treue ausdrückt.

 

Wir sind heute nur allzu oft in Sorgen gefangen, die uns die Freude am Leben nehmen, ängstlich und besorgt leben lassen, ohne dass es rational nachvollziehbar wäre. Wir machen uns abhängig von dem was wir haben und leben damit oft engherzig. Unsere gesellschaftliche Stellung, unser Ansehen steigt mit dem Gehalt, der Größe des Hauses oder des Autos – und wir sind dadurch eben gar nicht freier oder gar glücklicher, weil wir so zu Gefangenen dessen werden, was wir haben und besitzen. Wir müssen damit leben, immer mehr haben zu wollen und verlieren darüber sehr schnell alle Lebensfreude, ja die Freiheit zum Leben.

 

Dabei ist klar, dass Jugendliche oft noch keinen Gedanken daran verschwenden, was einmal sein wird, was zählt ist allein der Augenblick und das, was ich jetzt gern haben würde. Doch mit zunehmendem Alter wollen wir versichert sein, abgesichert gegen möglichst viele Störfälle des Lebens. Daher versichern wir uns, wir haben die Angst sozial abzustürzen, nicht mehr unbesorgt krank werden oder uns im Alter einmal nichts mehr leisten zu können und irgendjemandem auf der Tasche zu liegen. Ein solches Verhalten zeigt auch unsere Verantwortung der Zukunft oder anderen Menschen gegenüber, mit denen ich mein Leben teile. Und doch bleiben Fragen, denn in wie weit leben wir heute – zwar gut versichert, doch fast zwanghaft besorgt - an den vielfachen, sinnstiftenden und sinnschenkenden Möglichkeiten unserer gottgewollten Humanität vorbei?

 

Gerade angesichts der Sturmflut in Südasien haben die Deutschen ein tiefes Empfinden dafür gezeigt, dass sie durchaus offen sind für die Hilfe an ihnen fremden Menschen, wenn die Nachrichtenbilder sie fesseln und gefangen nehmen. Doch nach wie vor gilt als ein Argument aus der Kirche auszutreten die Kirchensteuer. Natürlich zählt sie im engeren Sinne nicht zu den Opfern die Jesus meint, aber sie ist es von dem her, was mit ihr in Kirche und Staat geleistet wird. Daneben gibt es heute ja weitere Möglichkeiten, meine Kirche zu unterstützen. Da gibt es das Kirchgeld für alle, die aus welchen Gründen auch immer keine Kirchensteuern zahlen. Gerade das Kirchgeld hilft uns heute sehr, die uns gestellten oder gewollten Aufgaben in unserer Gemeinde leisten zu können. Und es gibt vor allem die gottesdienstlichen Opfer und Kollekten für die eigene Gemeinde oder weiterreichende Aufgaben der Kirche.

 

Wir sind immer wieder dankbar dafür, wie sehr wir heute noch in unserer Gemeinde Aufgaben übernehmen, an die andere Gemeinden längst nicht mehr denken können. Am Montag konnten wir mit dem Durchschneiden dieses Bandes den renovierten Kindergarten wieder in Betrieb nehmen. Die Stadt, ja alle Gemeinderäte haben damals zugestimmt, eine hohe Summe hierfür einzusetzen. Ein herzliches Dankeschön. Darüber hinaus unterstützte uns unsere Landeskirche, was sie kaum noch tun könnte, wenn sie nicht über ihre eigenen finanziellen Mittelt verfügen würde und es waren neben unserem Förderkreis der Gemeinde eben auch die Eltern und Erzieherinnen, die sich in jeder Weise für die Renovierung einsetzen. Nun dürfen wir uns in unserer Gemeinde über einen zukunftsfähigen Kindergarten freuen, der umgekehrt aber auf eine lange Tradition zurückblicken darf.

 

Was in unserer Gesellschaft oft vergessen wird, ist, dass die Kirche nicht etwas „da oben“ ist, weit weg von mir und meinem Leben, sondern dass wir alle „die“ Kirche sind. Und so lebte schon damals der Tempel von den Gaben der Gläubigen, die ihn besuchten. Aber noch einmal: Jesus geht es hier nicht um Geld oder Moral, sondern um die Einstellung zum Glauben, die sich menschlich eben auch im Opfer für Andere ausdrückt. Die Frage bleibt also, was uns denn nun eigentlich glücklich macht und frei einem Leben gegenüber, das so vielfältige Sorgen mit sich bringt?

 

Der Glaube, so zeigt es Jesus, wird dort befreiend, wo er dazu beiträgt, weitherzig leben zu können, das heißt achtsam im Umgang mit dem, was nicht nur ich selbst, sondern auch ein anderer Mensch an Zuwendung braucht. So wird Gott im Glauben dort ganz und gar mitmenschlich erfahren, wo wir mit dem, was wir haben und geben können, dazu beitragen, der Welt ein menschlicheres Gesicht zu geben. Darum ist Jesus das Opfer so wichtig, gerade auch das der armen Witwe, weil ihre Haltung zum Glauben darin zum Ausdruck kommt. Lassen auch wir uns dazu einladen, unseren Glauben bis in das hinein zu leben, was wir an ganz unterschiedlichen Opfern leisten können, denn das schenkt uns selbst letztendlich ein Stück Menschlichkeit und unserem Glauben Glaubwürdigkeit. Wer sich so in seinem Leben erfährt, der darf dann auch dankbar, erfüllt und glücklich leben. Amen.

 

 

 


Literatur:

 

1) Arnegger, N., Badische Zeitung, Glosse: Pessimismus

2) Drewermann, E., Das Markusevangelium, Zweiter Teil, Olten, 19914, S. 325

 

Weber, M. Deutsches Pfarrerblatt, Heft 1/2005, Okuli

Edel, Susanne, Calwer Predigthilfen, 1998/1999, Reihe III/1, Stuttgart, 1998, S. 149

 

 

 

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