Jesus trat auf sie zu und sagte: „Gott hat mir unbeschränkte Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht nun zu allen Völkern der Welt und macht die Menschen zu meinen Jüngern und Jüngerinnen! Tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen habe.
Und siehe, ich bin bei euch
alle Tage bis an der Welt Ende.“
(Matth. 28, 18-20)
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
Eltern, Paten, Familien und Freunde,
sehr verehrte Gäste, liebe Gemeinde!
Kein Witz...
Ein erwachsener Ballonfahrer in einem Heißluftballon hat sich verirrt. Er geht tiefer und sichtet einen Jugendlichen am Boden. Er sinkt noch weiter ab und ruft: „Entschuldigung, könntest du mir helfen? Ich habe einem Kollegen versprochen, ihn vor einer Stunde zu treffen und ich weiß nicht wo ich bin.“ Der Jugendliche am Boden antwortet: „Sie sind in einem Heißluftballon in ungefähr 10 m Höhe über Grund. Sie befinden sich zwischen 40 und 41 Grad nördlicher Breite und zwischen 59 und 60 Grad westlicher Länge.“ „Du musst ein schlauer Schüler sein“, sagt der Ballonfahrer. „Bin ich“, antwortet der Jugendliche, „woher wussten Sie das?“ „Nun“, sagt der Ballonfahrer, „alles was du mir sagst, ist technisch korrekt, aber ich habe keine Ahnung, was ich mit deinen Informationen anfangen soll, und Fakt ist, dass ich immer noch nicht weiß, wo ich bin. Offen gesagt warst du keine große Hilfe. Du hast meine Reise höchstens noch verzögert.“ Der Jugendliche antwortet: „Sie müssen im Management tätig sein!“ „Ja“, antwortet der Ballonfahrer, „aber woher weißt du das?“ „Nun,“ sagt der Jugendliche, „Sie wissen weder wo sie sind, noch wohin Sie fahren. Sie sind aufgrund einer großen Menge heißer Luft in Ihre jetzige Position gekommen. Sie haben ein Versprechen gemacht, von dem Sie keine Ahnung haben wie Sie es einhalten können und erwarten von den Leuten unter Ihnen, dass diese Ihre Probleme lösen.“
Die Frage ist ja, ob wir immer wissen, wo wir in unserem Leben gerade unterwegs sind und wohin wir mit unserem Leben wollen? Ist unser Glaube, der Glaube der Kirche, der Glaube auf dem so unendlich viele unserer guten Traditionen, unserer Kultur fußen, nur noch ein wenig heiße Luft, die uns irgendwohin getragen hat, aber längst niemandem mehr nutzt? Versprechen wir bei der Taufe unserer Kinder, bei unserer eigenen Konfirmation etwas, wovon wir vielleicht gar keine Ahnung mehr haben, wie wir dieses Versprechen einhalten können? Und was erwarten wir von anderen?
Ihr werdet heute konfirmiert! Ihr seid ein kleines Stück durch das Leben unserer Gemeinde und Kirche mitgegangen und Ihr seid es nun auch, die sich heute konfirmieren lassen wollen. Ihr selbst wiederholt das „Ja“ zum Glauben der Kirche, mit dem Eure Eltern und Paten bei Eurer Taufe versprachen, Euch in diesem Glauben zu erziehen, zu begleiten und vor allem, Euch in ihm ein Vorbild zu sein. Mit Eurem „Ja“ das Ihr gleich sagen werdet, geht es nun um Eure eigene Glaubwürdigkeit. Ihr versprecht Euren Glauben zu leben, der ja nicht ein beliebiger, unverbindlicher Glaube ist, sondern der Eurer, ja unserer aller Kirche.
Die derzeit spürbare Krise unserer Gesellschaft ist eine Sinnkrise. Einmal vorhandene Werte stehen längst in Frage, Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit erwarten wir von anderen, doch wir halten uns da gern heraus. Wir spüren, dass Orientierungen und Werte uns etwas kosten, nämlich unsere Auseinandersetzung, unser Nachdenken und Mitdenken, den Einsatz von Zeit, Verstand und Gefühl, das Bewusstsein dafür, dass eine Welt, die sich selbst und ihren eigenen Kräften überlassen wird, ihre Humanität verliert, ihr menschliches Gesicht.
Das ist es doch, was Ihr, was wir alle mitbekommen, wenn wir die Zeitung aufschlagen, das Radio oder den Fernseher anstellen und lesen, hören und sehen, was in der Welt passiert. Das geht uns alle etwas an, weil es unsere Welt ist, wir haben ja nur diese eine! Und damit sind wir mitten in Eurem wunderschönen Konfirmationsspruch, den Ihr Euch herausgesucht habt.
Am Ende steht ein Auftrag: „Darum geht nun zu allen Völkern der Welt...“ und das Versprechen: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Jesus ist seinen Jüngern noch einmal begegnet und er sendet sie mit all dem, was sie von ihm gehört, gelernt und mit ihm erlebt haben in ihre Zukunft hinein: „Geht hin...“ Das Gestern hat seinen Platz in den Erinnerungen und Erfahrungen, doch nun geht es weiter, die Zukunft will angegangen und erlebt sein. Für diese Zukunft gilt das Versprechen Jesu, dass Er da sein wird in all dem, was seine Freunde, was Ihr und wir alle in unserem Leben erleben werden. Dieser Text vom Ende des Matthäusevangeliums stellt Menschen mit ihrem Glauben dorthin, wohin sie jeden Tag neu gehören, nämlich an einen Anfang.
Wir alle sind und bleiben mit unserem Leben unterwegs bis zum letzten Tag unseres Lebens, wir sind unterwegs in der uns allen nur einmal geschenkten und durchaus begrenzten Zeit und in der einen Welt. Straßen, Schienen, Luft- und Wasserwege verbinden Menschen und Völker. Die Welt hat offene und geschlossene Grenzen, trennende Berge und tiefe Täler, mit dunklen Schatten. Wir kennen tödliche Wüsten. Die Topographie der Weltkarte ist zugleich ja so etwas wie die Beschreibung unseres menschlichen Lebens, psychischer und physischer Zustände.
Da erleben wir Höhen und Tiefen in unserem Leben. Grenzen behindern den freien Zugang zueinander. Wir stehen wie vor einem scheinbar unüberwindbar hohen Berg, der uns den Weg und die Sicht versperrt, der uns bedrückt und Täler, aus denen wir schier nicht herauskommen. Wenn wir uns einmal in die Wüste geschickt fühlen, sind wir so gut wie am Ende. Auf der Weltkarte unseres Lebens gibt es Orte wie z.B.: Das Wonnental (in Kenzingen/Br.), die Insel der Träume, den Mount Happiness, wir schwimmen im Ozean der Liebe oder im Meer der Verzweiflung; wir träumen vom Kap der guten Hoffnung; wir kennen Leyden, Tränenstöme, wir fürchten uns vor dem Death Valley und den Wüsten des Lebens oder kommen an unsere Leistungsgrenzen. Das ist die Welt, der Christen die Antwort darauf schulden, was für einen Sinn es macht, an Gott zu glauben und in wie weit der Glaube trägt.
Noch einmal stellt sich also die Frage, ob wir immer wissen, wo wir in unserem Leben gerade unterwegs sind und wohin wir wollen? Ist unser Glaube wirklich nur noch heiße Luft, die uns irgendwohin getragen hat, aber längst niemandem mehr nutzt? Was gelten unsere Versprechen, unser einmal gegebenes Wort? Und was erwarten wir von anderen Menschen?
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, es gibt keine glatten, einfachen Antworten auf die schweren Fragen, die das Leben oft stellt. Solche Antworten haben Diktatoren und Dummköpfe, Menschen, die unreflektiert immer alles besser zu wissen meinen und ihre Meinung nur allzu oft zum Maßstab für andere machen. Das Leben ist nicht immer nur einfach, nur schön, nur voller Liebe und Glück, aber das Schöne am Leben ist, dass es eben nicht immer nur kompliziert und ganz oft auch voller Liebe und voller Glück ist.
Diese Spannungen kennzeichnen das Leben und für sie brauchen wir einen Maßstab, einen Kompass, damit wir den richtigen Kurs finden und ihn einhalten können. In diese Welt schickt Jesus seine Freunde, in sie werden wir mit unserem Leben hineingesandt – und für ein solches Leben gilt uns allen sein Wort: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Der Psychoanalytiker C.G. Jung sagt: „Ohne das reflektierende Bewusstsein des Menschen ist die Welt von gigantischer Sinnlosigkeit, denn der Mensch ist nach unserer Erfahrung das einzige Wesen, das `Sinn´ überhaupt feststellen kann...“ [1]
Oder noch einmal ganz anders
ausgedrückt: Ihr werdet gleich von mir gesegnet werden. Das Zeichen des Kreuzes mit dem ich Euch für Euer Leben
bezeichne, wird über Eurem Kopf hinunter zu Herz und Bauch und dann von einer Schulter
zur anderen geschlagen. Es zielt also ab auf Euren Verstand, Euer Gefühl und
Euer Handeln. Im Segen wird uns zugesagt, dass Gott da ist und mit uns in die
Zukunft unseres Lebens hinein geht. Hier finden Euer Konfirmationsspruch, das
Wort und das Zeichen zusammen. Ihr seid gemeint, Euer Leben ist gemeint, ja
unsere Welt ist gemeint mit den ihr gesetzten zeitlichen und räumlichen
Grenzen. Was wir Christen der Welt schulden sind die geistvollen Perspektiven
eines wirklich gelebten Glaubens, einer fundierten Hoffnung und einer Liebe,
die Grenzen zu sprengen vermag. Darum wird uns gesagt: „... Geht hin...“
Nein, es ist eben kein Witz, den wir eingangs hörten, sondern die
sehr kritische Anfrage an Euch, was Ihr nun tun werdet und was
aus dem wird, was Ihr versprochen habt? In einer Zeit der
vagabundierenden Religiosität, in einer Zeit, in der sich jeder das aus den
Religionen und Konfessionen der Welt heraussucht, was ihm gefällt, wird vieles
unverbindlich, beliebig, oft schließlich sogar belanglos. Der Glaube verliert
seine Kraft. Er kann dem eigenen Leben keine perspektivvollen Orientierungen
mehr geben, keinen sinnvollen Halt, wo dieser einmal gebraucht wird. Soll das
Wort Jesu seinen realistischen Platz in unserem Leben heute haben, so müssen
wir es als einen Auftrag an uns und unsere Art zu leben hören, verbunden mit
einer grenzensprengenden Perspektive: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Wir Menschen leben davon, dass wir nicht allein leben müssen, sondern
Nähe, Vertrautheit und Gemeinschaft erfahren dürfen: Da sind Eltern und
Geschwister, eine Familie, Lehrer und Klassenkameraden, Freunde oder
Berufskollegen, da ist ein Partner, dem ich vertrauen darf und dem ich dafür
mein Vertrauen schenke, da ist der Ehepartner und die Kinder. Wir bleiben, soll
unser Leben glücken, von Menschen begleitet. In gleicher Weise wird uns von
Gott zugesagt, dass Er uns begleitet. Doch so, wie jedes Vertrauen
eingeübt sein will und jede Beziehung von ihren Kontakten lebt, so müssen wir
immer wieder neu mit Gott umgehen, Kontakt haben, um mit dem Vertrauen leben zu
können, dass dieser Gott meiner Kirche tatsächlich mein Gott ist, der mein Leben durch alle Welterfahrungen hindurch
begleitet.
Unser Glaube ist - wie die Liebe selbst - eine Vertrauenssache und
daher muss er erlebt werden, täglich neu, so, wie die Liebe zweier Menschen
zueinander. Daher wünschen wir Euch einen Glauben, der Tag für Tag tragfähiger
wird. Nehmt das Wort, das Gott Euch heute in ganz besonderer Weise schenkt mit
in Euer Leben hinein und lebt in dem Vertrauen, dass Euer Leben von Gott
begleitet ist. Er sagt einem jeden, einer jeden von Euch zu: „Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der
Welt Ende.“ Amen.
Literatur:
1) Jung, C.G., Über den Menschen, Zürich, 1998, S 71
Drewermann, E., Das Matthäusevangelium, Teil III, Düsseldorf, 1995
Schniewind, J., in: Das Neue Testament Deutsch, Göttingen, 1965
Wir weisen darauf hin, dass Sie alle unsere
Predigten im Internet nachlesen können. Sie finden sie unter:
http://www.evang-kirche-kenzingen.de und
http://www.predigten.de
(Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)