Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Sexagesimae, 3.2.2002
1. Mose 21, 6; Prediger 3, 4

Begrüßung:

Liebe Gemeinde, diese beiden letzten Sonntage in der Kenzinger Fasnet wirken ja bis in unsere Gottesdienste hinein. Wir kommen gar nicht darum herum, uns der Tatsache zu stellen, dass die Fasnet einen ganz besonderen Stellenwert in unserer Stadt hat, gerade eine ihrer Hochburgen ist. So möchte ich uns heute dazu einladen, einmal über das Lachen nachzudenken, das Lachen der Heiligen und der Narren, unser eigenes lachen, in einer Welt, in der es nicht immer etwas zu Lachen gibt. Doch beides, das Lachen, wie das Weinen haben ihre Zeit im Leben (Prediger 3, 4). Sara aber sagte: Ein Lachen hat mir Gott bereitet! (1. Mose 21, 6).

Gebet:

Herr, guter Gott! Mitten in der ausgelassenen, fröhlichen Fasnet um uns herum wollen wir ein wenig zur Ruhe, zur Besinnung kommen. Wir wissen, dass vieles täuscht, was heute fröhlich scheint, und so müssen wir uns fragen, ob wir unseren Glauben wirklich fröhlich genug leben? Daher kommen nun wir zu dir und bitten dich: schenke auch uns ein Lachen, das andere ansteckt und etwas von einer durchaus begründeten Lebensfreude widerspiegelt. Lass uns darin unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, Dank für unser Leben und die ganze Schöpfung, die uns als Lebensraum geschenkt ist.

Lass es uns bewusst werden, dass unser Lachen ein Bekenntnis zu unserem Menschsein ist, ein Rühmen Gottes, weil es uns Mensch sein lässt. Herr, dir befehlen wir unser Leben an, unser Lachen, unser Weinen, denn beides hat seine Zeit in jedem Leben. Doch schenke es uns, dass auch wir immer wieder einmal sagen dürfen: "Ein Lachen hat mir Gott bereitet!" In diesem Vertrauen und mit großer Dankbarkeit wollen wir in unser Leben zurückgehen und dir, Gott, die Ehre geben.
Amen.

Text:

Sara aber sagte: Ein Lach: en hat mir Gott bereitet! (1. Mose 21,6)

Weinen hat seine Zeit und Lachen hat seine Zeit ... (Prediger 3,4)


Liebe Gemeinde!

Kenzingen ist in der Fasnet! Die Narren sind los, Schnurrwieber, Wellebengel und Fischerbuben, Pfeifer und Trommler. Wo heute Witze gerissen, Possen getrieben, gefeiert und gelacht wird, werden wir dann am Dienstag vor Aschermittwoch das große Klagen und Weinen hören, weil die Fasnet beerdigt wird und die Fastenzeit beginnt. Es ist eine Zeit größter Gegensätzlichkeit: "Dem christlichen Leben in der Fastenzeit geht die Darstellung des Unchristlichen in allen seinen Erscheinungsformen voraus." [1]

Wir erleben die Paradoxie von Zusammengehörigkeit und Gegensätzlichkeit. Nach Augustin, dem großen Kirchenvater, stehen sich mit der Fastenzeit und der Fastnacht das Reich Gottes und die irdische Welt, dargestellt an Babylon, gegenüber, eine Stadt irdischer Pracht, doch auch der Nichtigkeit und Vergänglichkeit. In der überschwenglich-fröhlichen Fasnet wird eine Gegenwelt erlebbar, die von Anfang an den Charakter der Vergänglichkeit, ja des Todes in sich trägt.

Versuchen wir an diesem für uns so besonderen Sonntag im Jahr, dieser Spannung einmal nachzuspüren. Wir alle kennen die biblischen Geschichten von Sara, der Frau Abrahams, die über viele lange Ehejahre hinweg ihrem Mann kein Kind schenken kann. Als ihr die Nachricht überbracht wird, dass sie trotz ihres hohen Alters ein Kind bekommen werde, lacht sie. Es ist ein zweifelndes, peinliches Lachen, ist sie sich ihrer menschlichen Grenzen, der biologischen Uhr, wie wir es heute sagen würden, durchaus bewusst. Doch als sie dennoch ihrem Sohn Isaak das Leben schenkt sagt sie: Ein Lachen hat mir Gott bereitet ... Vermutlich bedeutet der Name Isaak: "Gott möge freundlich lächeln ...", denn natürlich kennen wir auch das hoheitsvolle, distanzierte Lachen Gottes. So heißt es in den Psalmen: "Aber der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und der Herr spottet über sie ..." (Psalm 2, 4).

Sara wird zur Geburt Ihres Sohnes von Gott ein Lachen geschenkt, was für eine Gabe für den Beginn eines Lebens, nach einer langen Schwangerschaft und den Mühen einer Geburt. Die Bibel weiß in ihrer Weisheit, dass beides, das Weinen, wie das Lachen ihre Zeit haben. Wir dürfen, ja wir sollen sogar immer wieder einmal lachen, weil dies so notwendig zu unserem Leben, unserer menschlichen Lebendigkeit dazu gehört, wie der Schmerz und das Weinen, gerade angesichts der Vergänglichkeit des Lebens. In den Seligpreisungen bei Lukas heißt es: "Selig ihr, die jetzt Weinenden, ihr werdet lachen ..." (Lukas 6, 21). Auch da hören wir etwas von dieser Spannweite menschlicher Ausdrucksformen in Freude und im Leiden.

Der katholische Theologe Karl Rahner sagt: "Lacht. Denn dieses Lachen ist ein Bekenntnis, dass ihr Menschen seid ... Ein Rühmen Gottes ist das Lachen, weil es den Menschen - Mensch sein lässt. [2]

Das wird oft verkannt, vor allem von jenen, die der Fasnet kritisch oder sogar ablehnend gegenüber stehen. Natürlich gibt es das dümmliche Lachen des Toren, auch von ihm ist in der Bibel die Rede, denn so heißt es einmal: "Der Narren Rede ist über die Maßen verdrießlich, und ihr Lachen ist eitel Sünde ... (Sirach 27, 14). Dennoch bleibt unser Lachen wesentlich, es gehört zum Leben dazu, dass der Mensch lacht, sich freut - und dafür dankbar ist. Im Gegenüber zur Passionszeit, die mit dem Aschermittwoch beginnt, wird ihm das sehr bewusst gemacht, gerade im Katholizismus, wo die Tradition der Fastnacht, der Fasnet stärker verwurzelt ist, als im ernsteren, vielleicht ein wenig verkopften Protestantismus.

Es hat also wirklich alles seine Zeit in unserem Leben. Und jede dieser Zeiten, dieser Gelegenheiten, hat ihr eigenes Recht, sollen voll ausgekostet, also wirklich bewußt erlebt werden, um dann wieder die anderen Zeiten und Gelegenheiten wahrnehmen zu können. Der Sinn unseres Lebens kann ja nur so erfahren werden, wenn wir die unterschiedlichen Zeiten im Leben, ihre verschiedenen Anlässe an uns heran lassen, sie für uns fruchtbar machen, ohne sie zu verdrängen. Das Leben wäre ein verkümmertes Leben, wenn es da kein Lachen und kein Weinen, wenn es immer nur Freude, nie aber die dunklen Seiten, den Schatten gäbe.

Auf diese Weise erst kann nachvollzogen werden, was Karl Rahner meint, wenn er sagt: "...Ein Rühmen Gottes ist das Lachen, weil es den Menschen - Mensch sein läßt.." In die gleiche Richtung zielt, wenn im Talmud, das ist die Sammlung jüdischer Gesetze und religiöser Überlieferungen, gesagt wird: "Wir werden einmal Rechenschaft abzulegen haben über jede Freude, die wir nicht genossen haben ..." Es fragt sich, ob wir Christen nicht doch zu oft unfroh daher leben und unserem Glauben, ja Gott selbst darin eben nicht gerecht werden.

Wir singen: "Fröhlich soll mein Herze springen ..." (EG 36) oder "Nun singet und seid froh ..." (EG 35), wir bitten: "Er gebe uns ein fröhlich Herz ..." (EG 322,5) und stellen fest: "Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein ... (EG 351, 13), Wohlauf, mein Herze, sing und spring ..." (324,13), doch ist uns dabei noch bewußt, was wir da singen, singend für unseren Glauben feststellen oder für unser Leben erbitten? An unserem Glauben, an Gott, dem Schöpfer, kann es nicht liegen, dass wir so wenig fröhlich erscheinen, einmal munter über uns selbst und mit anderen lachen. Vielmehr ist mein Leben voller Klagen anderer. Obgleich viele Menschen in unserer Mitte eigentlich auch heute allen Grund zur Dankbarkeit und Lebensfreude hätten, will eben das oft nicht gelingen. Man sieht dabei nur sich selbst, ohne das eigene Leben in seiner ganzen Fülle und dem Reichtum an Mitteln und Möglichkeiten in ein Verhältnis zu den Menschen und menschlichen Situationen zu stellen, die auch leben, denen es aber ungleich schlechter geht, als uns.

Von Martin Luther habe ich in einem Buch gelesen, dass er gesagt haben soll: "Da geht einer daher in geistlichen Sprüngen und zeigt an, wie es zugeht, wenn sein Rufen erhört wird ..." [3] Da klingt etwas von diesem erlebbaren Glauben an, eben auch in der Spanne von Höhen und Tiefen. Denn gerade Luther war ja auf das Hören angewiesen, musste er doch erst auf einem langen mühevollen Weg entdecken, lernen, dass Gott ihm ein gnädiger Gott ist. Von Gott her, aus seinem tiefen gottverbundenen Glauben wird er, trotz seiner körperlichen und seelischen Krankheiten, zu einem fröhlichen Christenmenschen, der doch auch um den ernst des Lebens, ja des Glaubens weiß. Er hat gehört, er wurde gehört.

"Auf, lasst uns auf ein gut’ Wittenberg’sch Bier gehen, das Evangelium läuft von selbst ...", konnte Luther einmal sagen, der täglich seine Maß Bier getrunken hat, der also neben aller Arbeit auch zu leben verstand. Hier kommt etwas von der "fröhlichen Zuversicht" (Parrhesia) zum Ausdruck, mit der das Leben in all seinen Höhen und Tiefen durch den Glauben erfahren werden darf. Dafür ist nun die Fasnet ein Bild mit ihrem bunten Treiben, den Teufeln und Hexen, Verkleidungen und Faxen. Hier erfährt der Alltag eine bewusste Unterbrechung, die aber in den Ernst der Passionszeit hineinführt. Beides heißt es wahr- und auf je eigene Weise ernst zu nehmen.

Der große, uns allen bekannte evangelische Theologe Karl Barth, wurde in einem ausführlichen SPIEGEL-Artikel (!) einmal als "Gottes fröhlicher Partisan" [5] bezeichnet. Wie alle großen Lehrer der Kirche weiß er um die Bedeutung des Lachens und der Lebensfreude für den Menschen, gerade aber für uns Christen. So sagt er einmal: "Ein Christ treibt dann gute Theologie, wenn er in Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei seiner Sache ist. Nur keine verdrießlichen Theologen! Nur keine langweilige Theologie! [6]

Was ist das nur für ein tolles Wort, nach einer so dunklen Lebenserfahrung wie Sara sie am eigenen Leib erlebt hat: "Ein Lachen hat mir Gott bereitet"! und welch eine Weisheit klingt in den Worten durch, dass eben beides, "das Weinen seine Zeit hat, wie das Lachen ..." Es ist das Bewusstsein für ein gottgeschenktes Lachen, denn nun wird das Leben anders weitergehen und dennoch darum wissen, dass auch das Weinen dazu gehört, wie der Hieler-Umzug, das Klagen am Fasnet-Dienstag vor dem Aschermittwoch, wenn die Fasnet klagend und trauernd beerdigt wird.

Karl Rahner beendet seine kleine Abhandlung zum Stichwort "Lachen" mit folgenden Worten: "... Die Toren lachen und die Weisen, die verzweifelt Ungläubigen und die Glaubenden. Wir aber wollen in diesen Tagen lachen. Und unser Lachen soll Gott rühmen. Es soll ihn rühmen, weil es bekennt, dass wir Menschen sind, es soll ihn rühmen, weil es bekennt, dass wir Liebende sind, es soll ihn rühmen, weil es ein Abglanz und Bild des Lachens Gottes selbst ist, es soll ihn rühmen, weil es eine Verheißung des Lachens ist, das uns als Sieg im Gericht versprochen ist. Ein Lachen hat mir Gott bereitet, wollen wir sagen und - lachen. [4]
Amen.


Literatur:

  1. Moser, D.-R., Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf, Köln, 1993, S. 140
  2. Rahner, K., Das große Kirchenjahr, Geistliche Texte, Freiburg, 1992, S. 167
  3. Nitschke, H., Mit Luther predigen, Gütersloh, 1982, S. 50
  4. Rahner, K., Rechenschaft des Glaubens, Freiburg, 1979, S. 90
  5. DER SPIEGEL, 12. Jahrgang, Nr. 52, 23. Dezember 1959, Titelseite
  6. Barth, K., Offene Briefe 1945-1968, Hrsg. D. Koch, Zürich ,1984, S. 554

Letzte Änderung: 08.02.2002
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider