Liebe Gemeinde! Sehr herzlich begrüße ich Sie alle in diesem Gottesdienst um unser Gemeindehaus herum, das wir heute nach seiner Renovierung mit einem bunten, fröhlichen Gemeindefest einweihen wollen. Dieser Tag, aus dem Gottesdienst heraus gefeiert, ist ein Geschenk für uns, ein Geschenk der Gemeinschaft. Viele haben sich für das Gelingen dieses Festes eingesetzt, viele werden sich heute engagieren, Ihnen allen ein herzliches Dankeschön.
Wer erlebt es nicht, dass ihm der Wind einmal ins Gesicht bläst, das Wasser bis zum Hals steht? Da suchen wir dann nach einem Halt, wir greifen nach einem Rettungsring, werfen einen Anker aus, der uns nicht davon treiben lässt. Rettungsring und Anker sind - hier auf dem trockenen Land - Bilder für gefährliche Lebenssituationen. Man braucht sie im Sturm und in Seenot. Heute gehen wir - hoffentlich nicht unter - aber vielleicht doch hier vor Anker. Wir dürfen einmal alles aus einem möglicherweise auch manchmal stürmischen Leben zurücklassen, um unser Gemeindefest zu feiern. Kommen Sie an Bord und fühlen Sie sich ein wenig geborgen, denn der Herr der Kirche ist auch schon da.
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.
Herr, guter Gott, wir danken dir für diesen Gottesdienst hier um das so schön renovierte Gemeindehaus herum. Wir danken dir für alle, die dieses Haus auch in der Zukunft beleben werden. Herr, wir wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, solche Möglichkeiten im Leben einer Gemeinde geschenkt zu bekommen. Daher denken wir dankbar an all jene, die vor uns dieses Haus bauten und damit der Gemeinde einen zusätzlichen Lebensraum zu unserer Kirche schafften. In deine Hände befehlen wir, was uns an offenen Fragen, ja auch Sorgen in Bezug auf die Jugendräume noch bewegt. Lass auch diese Renovierung noch gelingen.
Segne und behüte unser Gemeindefest und hab Dank für alle, die geholfen haben und dazu beitragen, dass es gelingt. Lass uns mit diesem Tag herausgeholt werden aus unserem Alltag, gerade auch, wenn es einmal stürmisch wird und Wind und Wellen uns entgegenkommen.
Wir danken dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild
sind und die sich in unserer Gemeinde und Kirche mit ihrem Engagement einbringen.
Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung,
die uns den Weg zu dir vorangegangen sind - und beten für uns, unsere Gemeinde,
unsere kleine Stadt und für die ganze Welt.
Amen.
Gleich darauf drängte Jesus die Jünger, ins Boot zu steigen und ans andere Seeufer vorauszufahren. Er selbst wollte erst noch die Menschenmenge verabschieden. Als er damit fertig war, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Als es dunkel wurde, war er immer noch dort. Das Boot mit den Jüngern war inzwischen weit draußen auf dem See. Der Wind trieb ihnen die Wellen entgegen und machte ihnen schwer zu schaffen. Im letzten Viertel der Nacht kam Jesus auf dem Wasser zu ihnen. Als die Jünger ihn auf dem Wasser gehen sahen, erschraken sie und sagten: "Ein Gespenst!" und schrien vor Angst. Sofort sprach Jesus sie an: "Fasst Mut! Ich bin´s, fürchtet euch nicht!"Da sagte Petrus: "Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!" "Komm!" sagte Jesus. Petrus stieg aus dem Boot, ging über das Wasser und kam zu Jesus. Als er dann aber die hohen Wellen sah, bekam er Angst. Er begann zu sinken und schrie: "Hilf mir, Herr!" Sofort streckte Jesus seine Hand aus, fasste Petrus und sagte: "Du hast zu wenig Vertrauen! Warum hast du gezweifelt?" Dann stiegen beide ins Boot, und der Wind legte sich. Die Jünger im Boot warfen sich vor Jesus nieder und riefen: "Du bist wirklich Gottes Sohn!"
Wer kennt ihn nicht, den alten Schlager: "Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön, denn da kann man fremde Länder und noch manches andre sehn...". Wer in See stechen will, muss zunächst ein Schiff besteigen, wohl wissend, dass das Wasser keine Balken hat. Eine Seefahrt, jeder Wassersportler weiß das, kann nur dann lustig sein, wenn ich das Vertrauen habe, irgendwann wieder das Ufer und festen Boden zu erreichen. Nicht ohne Grund wurde gerade das Schiff zum Symbol der Kirche.
"Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt..." unter diesem Motto wollen wir mit diesem Gottesdienst in unser Gemeindefest starten, nachdem wir gerade das renovierte Gemeindehaus und den Gemeindesaal eingeweiht haben. Wir vertrauen darauf, dass dieser Tag in unserer Gemeinde nicht nur "lustig" wird, denn es wäre schön, Zeit für das eine oder andere Gespräch zu finden, die Bibelausstellung zu besuchen, Gemeinschaft über die Grenzen unserer Gemeinde hinweg zu erleben.
Manche der Jünger Jesu waren Fischer. Täglich fuhren sie auf den See Genezareth hinaus, um ihrem Beruf nachzugehen. Wer diesen See, in traumhafter Lage, ein wenig kennt, weiß, dass er sehr heimtückisch ist. Durch die Berge, die ihn umgeben, können innerhalb weniger Minuten starke Winde aufkommen - und lag der See eben noch friedlich im Sonnenschein, so entwickeln sich plötzlich und unerwartet unglaubliche Wellen. Ich habe erlebt, dass Eltern aus diesem Grund ihre Kinder an langen Leinen anseilen, wenn diese zum Baden ins Wasser gehen.
Immer wieder haben wir gehört, dass die Bibel voller Bilder steckt, Bilder aus dem Lebensalltag der Menschen, Bilder, die sich mit existentiellen Situationen verbinden. "Bilderbücher", so habe ich es gerade gelesen, "sind Bücher mit einem ganz besonderen Reiz. Manchmal sind sie bunt, manchmal kommen sie nur schwarz-weiß daher. Aber wenn sie gut sind, tragen sie ihre Farbe in sich und geben sie als kostbares Gut an diejenigen weiter, die sie lesen und betrachten. Ganz individuell entfalten sie ihre Bilder; die einen auf den einzelnen Buchseiten, die anderen im Kopf der Leserinnen und Leser..." [1] Ebenso setzen sich die biblischen Bilder in unserem Kopf fest.
Da haben wir vom Bild der Wüste gehört, - vom dem des Berges und der Tiefe, - dem Bild einer Mauer, die sich uns in den Weg stellt oder vom Netz, das bindet und gefangen hält. Eben haben wir einen Text gehört, der uns gleich einige Bilder in unser Leben hinein malt. Die Jünger steigen in ein Boot, es wird Nacht, Wind und Wellen treiben ihnen entgegen, sie drohen zu kentern.
Wie liest man einen solchen Text, soll er uns über die Zeit hinweg noch erreichen? Ich kann natürlich Wort für Wort so nehmen, wie er im Text steht, dann würden wir heute eine Wundergeschichte Jesu hören und von einem erschreckenden Kleinglauben des eigentlich sturmerprobten Petrus. Das wäre zwar schön, so ein Wunder, doch irgendwie würde ich mich natürlich danach fragen, was das denn nun mit mir und meinem Leben zu tun hat, mit uns als Kirche und Gemeinde, mit unserem Gemeindehaus? Wenn unser Glaube gilt und nicht nur fromme Worthülsen und Leerformeln bietet, dann muss es die Wunder des Glaubens, des Vertrauens und der Liebe ja auch heute noch geben, hier mitten in unserem Leben, in unserer Gemeinde.
Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen schon einmal gekentert ist? Mir ist es beim Rudern einmal so passiert. Es war schon ein recht herbstliches Wetter, die Segelboote wurden langsam an Land geholt und winterfest gemacht, als ich mich mit meinem Boot noch einmal auf den Weg machte. Eine unerwartete Welle warf das Boot um, ich lag im Wasser ohne Boden unter den Füssen und musste das gekenterte Boot versorgen, ein Teil meiner Kleidung lag unrettbar auf dem Grund der Trave.
Wer kennt das nicht aus seinem Leben, dass ihm Wind und Wellen entgegenblasen, dass es einmal keinen vorantreibenden Rückenwind gibt, dass die Wellen so bedrohlich werden, dass uns das Wasser schier bis zum Hals steht? Wer kennt das nicht, dass wir meinen, dass uns mitten am Tag so etwas wie die Dunkelheit einer Nacht umgibt, so dass wir keinen Durchblick mehr haben, uns davon bedroht fühlen, allen Lebensmut zu verlieren und Angst in uns aufsteigt? Solche Bilder verstehen wir, sie sprechen uns mitten in unserem Alltag an. Es sind die Bilder, die auch die Jünger Jesu in ihrem Leben und in den vielen Begegnungen mit Jesus erlebten. Sie waren ja Menschen, Menschen, wie wir. Soll der Glaube wirklich tragen, so müssen wir die Worte und Bilder der Bibel in unser Leben hinein übersetzen, doch wir glauben ja nicht einfach an Worte, sondern wir glauben an Gott. Es wäre letztlich zu wenig, an die Wunder Jesu damals zu glauben, wenn unser Glaube nicht heute, mitten unter uns und in unserem eigenen Leben die Kraft hätte, uns Wunder erleben zu lassen, - gerade die Wunder des Glaubens.
Die Jünger machen sich auf den Weg. Jesus will nachkommen. Sie geraten in der Nacht in einen Sturm, wie oft haben sie das schon in ihrem Leben erlebt. In dieser Situation sehen sie Jesus daher kommen, nichts anderes, so vermuten sie, als ein Gespenst, was ihre Angst noch steigert. Doch er spricht sie mit den bekannten und beruhigenden Worten an: "Fürchtet euch nicht!" So ist es, wenn Menschen Gott aus den Augen verlieren. So lange die Jünger Jesus bei sich wussten, konnte ihr Glaube stark sein, doch nun verschwindet ihr Vertrauen im ersten Gegenwind.
Petrus will aussteigen, er vertraut diesem unheimlichen, unfasslichen Gegenüber, das da auf ihn zukommt und er hört sich gerufen: "Komm!" Er wagt diesen Schritt ins Ungewisse auf dem Wasser, das bekanntlich keine Balken hat - und es trägt ihn für einen Moment. Doch sofort sieht er die Wellen auf sich zukommen, hoch und gefährlich, so dass sein ganzer Mut zusammen bricht und er augenblicklich zu sinken anfängt. Er ruft um Hilfe und Jesus streckt ihm die Hand hin, die ihn hält und trägt. Mitten im Sturm hört Petrus sich nach seinem Glauben, nach seinem Vertrauen gefragt. Und als sie ins Boot steigen legt sich der Wind und die Jünger begreifen dass ihnen in Jesus der Messias begegnet ist.
Ganz unabhängig davon, welchen Stürmen wir gerade ausgesetzt sind gilt: "Schau nicht vor dich", so sagt es Albert Schweitzer, "und nicht hinter dich, hör nicht, was sie sagen und lehren... Bleib nicht stehen, sondern suche deinen Weg zu ihm. Schau nicht, ob dieser Weg sicher oder gangbar ist, ein Weg für den natürlichen Menschen gebahnt, sondern schau nur, ob er grad auf Jesus (hin) führt. Petrus kann nur zum Herrn kommen, indem er alle menschlichen Erwägungen beiseite lässt. Wir aber lassen uns durch menschliche Erwägungen zurückhalten... [2]
Gerade, wenn uns einmal der Wind ins Gesicht bläst und uns das Wasser bis an den Hals steht, ist unser Vertrauen gefragt, das uns hebt und hält. Es liegt ja an uns, in wie weit wir es zulassen, dass unser Glaube wirklich wie zu einem tragenden Balken im schwankenden Wasser wird; zu einem tragenden Fundament auf wackeligem Boden. Petrus muss raus aus dem Boot, er wagt einen ganz unmöglichen, undenkbaren Schritt, doch für einen kleinen Augenblick macht er die Erfahrung, dass der Glaube ihn trägt und damit eine Wirklichkeit schafft, die unser Verstehen übersteigt. Noch einmal können wir lernen, dass es mehr im Leben gibt, als wir begreifen und verstehen können.
Petrus steigt schließlich ins rettende Boot. An der Seite Jesu wird er nicht irgendwohin geführt, sondern zurück zu den anderen, in die Gemeinschaft mal vertrauender, ein anderes mal zweifelnder Jünger ins schwankende, aber eben doch sichere Boot. So lässt es sich verstehen, warum die Kirche durch ein Schiff symbolisiert wird. Hier hinein gehören alle, die der Glaube an Gott miteinander verbindet. Ist der Fisch das Symbol des einzelnen Christen, so das Schiff das für alle Christen zusammen, die sich gemeinsam auf den Weg in die Welt machen: "Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit..." [3]
Wir haben eben unser renoviertes Gemeindehaus und den Gemeindesaal eingeweiht. Damit sind sie nun auch ganz offiziell wieder ihrem Dienst übergeben. Dieser Saal in unserem Gemeindehaus ist ein Ort, wo Menschen ankommen dürfen, wo sie Gemeinschaft erfahren, sich für die Gemeinde in der Kantorei, dem Posaunenchor, dem Flötenkreis oder dem Besuchsdienstkreis engagieren. Hier setzt man sich mit anderen zusammen, um Fragen des Glaubens zu bedenken. Er ist ein Ort, wo man sich bei seinem Dienst an der Gemeinde oder bei seiner Freizeitgestaltung begegnen kann. Im Gemeindesaal wird gefeiert oder auch getrauert. Er begleitet räumlich das ganze Leben von Menschen unserer Gemeinde. Hier dürfen wir immer wieder einmal vor Anker gehen.
"Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit... Das Schiff, es fährt vom Sturm bedroht durch Angst, Not und Gefahr, Verzweiflung, Hoffnung, Kampf und Sieg so fährt es Jahr um Jahr. Und immer wieder fragt man sich: Wird denn das Schiff bestehn? Erreicht es wohl das große Ziel? Wird es nicht untergehn? ...
Und die Antwort kann auch für uns nur in der Bitte liegen: "Bleibe bei uns, Herr, denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer. O bleibe bei uns Herr!"
Lassen Sie uns nun miteinander ein Fest der Gemeinde, der Gemeinschaft feiern, wo
alle an Bord kommen dürfen, ohne Ausnahme und ganz gleich, wie stürmisch uns der
Wind ins Gesicht bläst oder wir mit einem erfrischenden Rückenwind vorangetragen
werden. Lassen Sie uns heute einmal miteinander feiern, wie eine erprobte Mannschaft,
die den Hafen nach schwieriger Fahrt endlich erreicht hat. Wir sind angekommen, Gott
sei Dank.
Amen.