Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

2. Sonntag nach Epiphanias, Johannes 2, 1-11,
Erzählpredigt

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! Wir wollen in diesem Gottesdienst über ein Wunder Jesu nachdenken. Wie oft sind wir verwundert, erstaunt schütteln wir den Kopf über das, was um uns herum geschieht - aber, so können wir uns fragen - gibt es denn heute noch Wunder? Hören wir doch einmal auf das, was uns heute gesagt ist, denn dann könnten wir beteiligt sein an den Wundern Gottes in dieser Welt. Das ist gerade dort möglich, wo wir sein Wort, in dem sein guter Geist zum Ausdruck kommt, in unser Leben übertragen.

Die Predigt, welche wir gleich hören werden, ist wieder einmal eine Erzählpredigt. Ich führe ein Gespräch mit Maria, um so etwas über Maria und Wundergeschichten des Neuen Testamentes zu erfahren. Erzählpredigten sind eine recht seltene Stilform der Predigt, die aber ein gutes Hören ermöglicht.

Mit dieser Predigt werden also - ganz bewusst - mehrere Anliegen vermittelt. Es handelt sich um eine Art Marienpredigt, einen Dialog mit einem erdachten Gespräch und um die Frage nach den Wundern Jesu. Danket dem Herrn und ruft seinen Namen an; verkündigt sein Tun unter den Völkern! (Psalm 105,1).

Gebet:

Herr, guter Gott! Wir danken dir für dein Wort, das uns auf ganz andere Lebenswirklichkeiten und -Möglichkeiten hinweist, wenn wir nicht mehr blind und taub durch unser Leben laufen. Lass uns lernen, dir zu vertrauen, ja, dir mehr zuzutrauen, als uns mit unserem Verstand möglich scheint. Wie wunderbar und vielfältig ist unser Leben, und dennoch so unfasslich und oft unbegreiflich. Wir wollen nur das "glauben", was wir sehen und anfassen können. So hilf uns zu erkennen, dass die wirklich entscheidenden Dinge unseres Lebens uns oft rätselhaft bleiben und dennoch zu unserem Leben untrennbar dazu gehören: das Leben, das nicht wir selbst uns geben können, - die Liebe, welche den Liebenden immer unverfügbar bleiben wird, der Tod, dem wir alle entgegenleben und über den wir doch nichts wissen.

Herr, so lass uns nicht an das eine oder andere Wunder glauben oder daran zweifeln, sondern schenke es unserem Leben, dass wir lernen, an dich, unseren Gott, zu glauben.

Wir danken dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind und sich in unserer Mitte einbringen. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle Menschen in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind - und beten für uns und unsere ganze Welt ... Amen.

Predigttext:

Die Hochzeit in Kana

Am dritten Tag wurde in Kana in Galiläa eine Hochzeit gefeiert. Die Mutter von Jesus war dabei, und auch Jesus war mit seinen Jüngern dazu eingeladen. Als der Weinvorrat zu Ende war, sagte seine Mutter zu ihm: »Sie haben keinen Wein mehr!« Jesus erwiderte ihr: »Frau, das ist meine Sache, nicht deine! Meine Stunde ist noch nicht gekommen.«

Da wandte sich seine Mutter an die Diener und sagte: »Tut alles, was er euch befiehlt!« Im Haus standen sechs Wasserkrüge aus Stein, von denen jeder etwa hundert Liter fasste. Man brauchte sie wegen der Reinigung, die das Gesetz vorschreibt. Jesus sagte zu den Dienern: »Füllt diese Krüge mit Wasser!« Sie füllten sie bis an den Rand. Dann befahl er ihnen: »Jetzt nehmt eine Probe davon und bringt sie dem Mann, der für das Festessen verantwortlich ist.« Sie brachten ihm eine Probe, und er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher dieser Wein kam; nur die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Er rief den Bräutigam zu sich und sagte: »Jeder bringt doch zuerst den guten Wein auf den Tisch, und wenn die Gäste schon reichlich getrunken haben, folgt der schlechtere. Aber du hast den guten Wein bis zuletzt aufgehoben!« So vollbrachte Jesus in Kana in Galiläa sein erstes Wunderzeichen und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger kamen zum Glauben an ihn.

Joh. 2, 1-11


Liebe Gemeinde!

Eine Hochzeit! Mitten in einem kleinen Ort in Palästina feiern zwei junge Menschen das Fest ihres Lebens. Tage- und Nächtelang wird gefeiert. Musik, Essen, Trinken und Tanz gehören dazu. Freunde und Fremde feiern dieses Fest mit. Die Eheleute haben den Segen der Väter und den des Rabbis bekommen, sie wollen miteinander glücklich werden.

So bekannt uns allen solche Feste auch heute noch sind, bei dieser wundersamen Geschichte bleiben Fragen. So habe ich beim Nachdenken über diesen Text mit einem der beteiligten Gäste gesprochen. Ich habe gefragt und Antworten erhalten. Es ist schon merkwürdig, wie nah man sich plötzlich kommen kann - trotz der 2000 Jahre, die zwischen mir und meiner Gesprächspartnerin liegen.

Also, ich habe mich umgeschaut auf dieser merkwürdigen Hochzeit dort zu Kana - und ich fand die Mutter dieses seltsamen Mannes: Jesus. Wer könnte mir besser Antwort geben als sie, dachte ich und so fragte sie einmal ein wenig neugierig aus:

Maria! Es ist für mich ziemlich ungewöhnlich mit dir zu reden. Du bist mir in meinem Leben eigentlich immer in viel zu viel Hellblau und Blattgold begegnet. Immer stehst du weit über mir - auf hohen und erhabenen Sockeln: rein, zart und sauber, wie ein Edelwesen aus Holz oder Gips! Aber du weißt ja, dass das nur die üblichen Vorurteile sind, mit denen wir dir begegnen, zu selten hören oder lesen wir von dir in unserer Kirche. So bitte ich dich um Antworten für mich und alle, denen du in diesem Wort begegnest.

Maria unterbricht mich in meinen Gedanken und sagt:

So wie du mich hier siehst, war ich nie. Katholisch habt ihr mich gemacht. Ich bin eine recht normale Frau gewesen, mit einer ganz normalen Familie, bis sich unser Leben durch das öffentliche Reden und Tun Jesu veränderte. An der Entfremdung mit mir habt ihr selbst Schuld. Ich wundere mich nur, wie unglaublich zwitterhaft ich in euren Augen bin: Für die einen die Mutter Gottes, für die anderen uninteressant. Für einige so, wie du mich eben geschildert hast - und für wieder andere fast eine Radikale, eine Frauenrechtlerin. - Aber ich freue mich, dass nun endlich auch bei euch einer mit mir redet. - Gern antworte ich dir auf deine Fragen.

Und so frage ich sie: Ja, wie war das eigentlich mit den Hochzeiten damals und der Stellung der Frau in einer Familie?

Maria antwortet mir und sagt: Unser jüdischer Glaube ist natürlich zunächst eine Männerreligion, aber dennoch sind wir Frauen hoch geachtet und geschätzt. Wir waren noch nicht - wie bei euch - Freiwild der Illustrierten, Sexualobjekte, ausgebeutet von Werbung, Industrie und Mode. In unseren Familien spielten wir damals - wie heute - eine ganz besondere Rolle. Schließlich wissen unsere Männer wie wichtig wir für die Familie sind: für die Erziehung unserer Kinder, für koscheres, also reines Essen zur vollen Einhaltung des Gesetzes und für die religiösen Feiern in unseren Familien.

Und nun zu unseren Hochzeiten. Sie finden immer im großen Kreis der Familie statt und jeder ist herzlich eingeladen. Da kommt es vor, dass ein ganzes Dorf mit feiert. Wir Frauen haben unseren Preis, den die Väter verhandeln, und auch heute noch findet sich das in dem gemeinsamen Ehevertrag symbolisch wieder: Der Mann muss seine Frau als einen reichen Schatz ansehen, und wir Frauen merken, das wir für unsere Männer einen großen Wert darstellen. Du siehst, wir waren und sind weit weniger "unterdrückt" als es viele Frauen bei euch gerade heute durch ihre Berufs- und Hausarbeit, den Stress der Doppelbelastung sind. Unser Leben ist ein geachtetes und geschützt durch die Gebote und durch unsere Männer.

Die Hochzeit selbst wird heute dann unter einem schönen Baldachin vom Rabbi geschlossen, nachdem ein schriftlicher Ehevertrag aufgesetzt ist, der uns Frauen vor jeder Willkür bewahrt. Der Höhepunkt ist dann das Zerbrechen eines Trinkglases. Dieser alte Brauch soll uns gerade auch am schönsten Tag in unserem Leben daran erinnern, dass unsere Feinde den Tempel, den Ort der Gegenwart Gottes zerstörten, wie ein Glas, das zerbrochen wird - und wir ein Volk in der Fremde waren.

Maria! - so frage ich weiter, wie war das denn nun auf dieser Hochzeit dort in Kana, wo dein Sohn Jesus mit seinen Freunden anwesend war - und wo er dich doch ziemlich scharf anredete: "Frau, das ist meine Sache, nicht deine!" Warst du da traurig und betroffen?

Ganz ruhig und gelassen antwortet sie mir: Schau einmal, diese Anrede ist ganz sicher nicht respektlos gemeint, aber eben schon ein wenig verwunderlich gewesen. Erst später verstand auch ich sie in ihrem Zusammenhang mit dem Wirken und der Aufgabe meines Sohnes. Jetzt, zu diesem Zeitpunkt, wollte, ja konnte er sich wohl noch gar nicht öffentlich dazu bekennen.

Jesus benutzt das Wort "Frau" ganz bewusst, denn er will damit sagen, dass es jetzt im Augenblick nicht um mich, seine Mutter, geht. Schließlich wusste ich immer um unsere besondere Beziehung. Darüber hinaus dachte ich an die Geschichte vor Jahren im Tempel, wo wir ihn verloren hatten und er Joseph und mir nach schmerzlichem Suchen sagte: "Ja, wisst ihr denn nicht, dass ich dort sein muss, wo mein Vater ist"?

Auf diesem Fest in Kana machte er mir noch einmal deutlich, dass unser Gott über seine irdischen Eltern hinaus für ihn Vater und Mutter ist. Er würde Joseph oder mir nie lieblos begegnen. Und doch musste er in dieser Stunde deutlich sagen und zeigen, worum es bei seinem Auftrag geht. Wichtig wird so eigentlich erst die zweite Hälfte des Satzes, die du eben nicht zitiert hast. Er sagte nämlich: "Frau, das ist meine Sache, nicht deine! Meine Stunde ist noch nicht gekommen."

Übrigens ist euch oft genug gar nicht klar, dass ich ihn ja gar nicht um ein Wunder bat. Ich stellte ihm gegenüber lediglich fest: "Sie haben keinen Wein." Aus dieser Information musste Jesus dann seine eigenen Schlüsse ziehen. - Ich wartete und vertraute ihm.

Aber ich möchte euch doch noch etwas anderes sagen:
Ihr kommt euch oft so modern vor, aber zu produktiven, zu offenen und sinnvollen Konflikten habt ihr Christen eigentlich auch keinen richtigen Mut. Theologisch, politisch, ja sogar eure Moral ist auf die breite Öffentlichkeit hin ausgerichtet und so lebt ihr euren Glauben doch recht angepasst an das, was die Welt von Euch erwartet. Gab es da denn eigentlich nicht den Mann Martin Luther, auf den ihr "Protestanten" doch so stolz seid? Ihr wagt euch zu wenig in eine wirkliche Auseinandersetzung hinein - und wenn eine stattfindet, seid ihr schnell beleidigt, klagt vor Gericht und redet nicht mehr miteinander. Jesus jedenfalls hat mit mir geredet, sich vielfach auseinandergesetzt, auch - wo es sein musste - gestritten, wie sollte ich da traurig, betroffen oder gar beleidigt sein?

Das machte mich nachdenklich und so sagte ich ihr: Ja, Maria du hast recht, wenn du uns unsere Intoleranz und Engstirnigkeit vorwirfst. Ihr beide müsst wirklich eine ganz besondere Beziehung gehabt haben, wenn ihr euch so sicher sein konntet. - Aber lass mich noch eine andere Frage stellen, die uns sehr interessiert: Sag einmal, wie war das denn nun eigentlich mit dem Wunder? Aus Wasser Wein machen, das erscheint uns heute ein wenig wunderbar, merkwürdig, ja zweifelhaft? Wir glauben heute nur noch das, was wir anfassen oder sehen können.

Lass mich, so antwortete Maria, doch noch etwas zu unserem Eltern - Kind Verhältnis sagen, denn vielleicht wisst ihr zuwenig darüber: Wir lebten mit unseren Kindern wirklich in einer ganz engen Lebensbeziehung. In unseren Kindern leben unsere Hoffnungen, unsere Träume und Sehnsüchte von einer besseren Welt. Sie sind die Träger all unserer Hoffnungen auf das Kommen des Messias; gerade in ihnen lebt die Zukunft unseres Volkes und unseres Glaubens. Von daher nehmen wir sie von Anfang an ernst und darum sind die Kinder der Mittelpunkt unseres Lebens. In diesem Geist haben Joseph und ich unseren Sohn Jesus und seine Geschwister erzogen. Und in diesem Geist hat Jesus bis zu seinem Dienst an allen Menschen mit uns in Nazareth zusammengelebt und Joseph mit seinen Brüdern im Betrieb geholfen. - Aber nun zu deiner Frage nach dem Wunder:

Deine Frage ist typisch für dich und die Menschen deiner Zeit. Ihr verwässert mit einer solchen Frage die Botschaft Jesu, anstatt euch - wie wir es taten - verwandeln zu lassen! Ihr vergesst mit einer solchen Frage, dass sich in seiner Gegenwart ganz andere Dinge verwandelten - als nur Wasser zu Wein. Mit Wasser allein kann man kein Hochzeitsfest feiern und so wird gerade das in Wein gewandelte Wasser zu einem großartigen Bild dafür, dass sich mit Jesus auch unser eigenes Leben verwandelt, einen ganz neuen Geschmack bekommt. Ja, eine Hochzeit haben wir gefeiert, festlich, laut, bunt und schön. So nehmt diese Hochzeit doch einfach einmal als ein Bild dafür, dass ihr diesen Jesus, meinen Sohn, so haben dürft, - wie Freunde, Liebende oder Brautleute sich freuen, einander zu haben.

Achtet doch nicht so sehr auf dieses Wunder - damals - sondern darauf, dass seine Gegenwart unser aller Bewusstsein verändert. - Mit dieser Hochzeit zu Kana war die Zeit erfüllt. Die ihn dort sahen im Trubel des Festes durch allen Lärm hindurch, haben das Zeichen verstanden. Sie fanden nun endlich, was sie als fromme Juden so lange ersehnt hatten: unseren Messias! Wir fanden - durch ihn - zu Gott, gelobt sei sein Name, zurück, und so: eine neue, ganz andere Gemeinschaft im Glauben, - den Sinn unseres Lebens, und lebensnotwendige Orientierungen für eine menschlichere Welt, für eine Welt mit Gott.
Nicht nur ihr leidet unter Orientierungslosigkeit, wir taten es auch. Mit ihm, mit seinem Leben, Reden und Tun erfüllten sich all unsere Hoffnungen. Wir bekamen durch die Botschaft von der grenzensprengenden Freiheit, einer unbedingten Liebe, den Mut zu einer hoffnungsvollen Zukunft, das an Glück geschenkt, was unser Gott uns allen ja von jeher zugedacht hat. Endlich begriffen wir auch, dass Freiheit im Kopf eines Menschen beginnt - und so konnten wir schließlich sogar die Römer zwar nicht gerade lieben, sie aber doch ertragen.

Das war die große Wandlung, die einschneidende Ver-wandlung, und das war auch das eigentliche Wunder. Schaut doch nicht auf Wasserkrüge, sondern schaut auf ihn. Schaut nicht auf die Wunder meiner Tage, denn davon werden ja viele erzählt, sondern schaut auf die Wunder, die euch euer Glaube an unseren gemeinsamen Christus auch heute noch möglich macht. Lasst euch doch auch endlich einmal verwandeln, dass ihr wirklich zu Christen werdet, neue Menschen, denn ein Christ ist man doch nicht auf dem Papier. Dann habt ihr verstanden, was damals wirklich geschah. - Maria zögerte ...

Entschuldige bitte, dass ich so lange und so engagiert geredet habe, aber einer Mutter darf der Mund und das Herz wohl einmal überlaufen, nicht?

Nein, Maria, Du brauchst dich für dein Engagement nicht zu entschuldigen, sagte ich. Wir kennen dich ja nun ein wenig. Hab Dank für die Zeit, die du uns geschenkt hast, für deine hilfreichen Antworten. Ich wünschte, dass mir selbst, wie dir damals die Augen über diesen Jesus geöffnet werden und seine Zeit dann auch bei mir gekommen wäre. Vielen Dank - und grüße deinen Sohn von uns!


Letzte Änderung: 19.01.2003
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider