Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Misericordias Domini, Gemeindeversammlung
Josua 24, 1,2, 13-17, 19-25

Begrüßung:

Liebe Gemeinde! In diesem Gottesdienst werden wir nicht nur singen und beten, das Wort Gottes hören und ausgelegt bekommen, sondern wir wollen darüber hinaus miteinander ins Gespräch kommen. In der Bibel selbst sind uns viele "Gemeindeversammlungen", wie wir es heute sagen würden, überliefert. Synoden und Konzile haben die Theologie und das Leben der Kirche, mit weit reichenden Folgen, von Anfang an mitbestimmt und gestaltet. So ist die Verbindung von Gottesdienst und Gemeindeversammlung nachvollziehbar, denn beides gehört unabdingbar zum Leben der Kirche, zur Lebendigkeit einer Gemeinde. Gott schenke uns seinen guten Geist dazu.

Josua sagt auf dem Landtag zu Sichem: "Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen!"

Gebet:

Herr, guter Gott! Hier sind wir nun als eine Gemeinde deiner weltweiten Kirche, so lass uns dein Wort heute recht hören, dass wir es immer wieder neu lernen, dich mit Wort und Tat zu loben und zu ehren. Sei mit deinem guten Geist in unserer Mitte gegenwärtig, wenn wir uns über das Leben und Zusammenleben in unserer Gemeinde informieren und miteinander ins Gespräch kommen wollen. Lass uns erkennen, wie sehr der Gottesdienst und der gelebte Glaube aufeinanderbezogen sind und dass es daher nicht darum geht, dass wir "gute" Menschen sind, sondern darum, dass wir unseren Glauben als Christen recht leben und auch öffentlich bekennen. Herr, wir bitten dich um deine Gegenwart. Amen.

Text:

Josua rief alle Stämme Israels zu einer Versammlung nach Sichem. Er ließ alle Ältesten, Oberhäupter, Richter und Aufseher kommen, und sie stellten sich vor Gott auf. Dann sagte Josua zum ganzen Volk: So spricht der HERR, der Gott Israels: ...

"Ich habe euch dieses Land gegeben, um das ihr euch nicht gemüht habt, und seine Städte, die ihr nicht gebaut habt. Ihr wohnt darin und esst Trauben von Weinstöcken und Oliven von Bäumen, die ihr nicht gepflanzt habt. Darum nehmt nun den HERRN ernst und ehrt ihn", fuhr Josua fort, "dient ihm mit ganzer Treue! Trennt euch von den Göttern, die eure Vorfahren jenseits des Eufrats und in Ägypten verehrt haben, und dient dem HERRN! Wenn ihr dazu nicht bereit seid, dann entscheidet euch heute, wem sonst ihr dienen wollt: den Göttern, die eure Vorfahren im Land jenseits des Eufrats verehrt haben, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr jetzt lebt. Ich und meine ganze Hausgemeinschaft sind entschlossen, dem HERRN zu dienen."

Das Volk antwortete: "Wie kämen wir dazu, den HERRN zu verlassen und anderen Göttern zu dienen? Der HERR, unser Gott, hat unsere Väter aus der Sklaverei in Ägypten herausgeführt, und wir kennen all die staunenswerten Wundertaten, die er dabei vollbracht hat. Auf dem ganzen Weg hierher, quer durch das Gebiet fremder Völker, hat er uns beschützt ..."

Aber Josua sagte zu ihnen: "Stellt euch das nicht so leicht vor, dem HERRN zu dienen; denn er ist ein Gott, der durch und durch heilig ist, ein Gott, der leidenschaftlich liebt und von euch ungeteilte Liebe erwartet. Er wird es euch nicht verzeihen, wenn ihr ihm nicht treu bleibt. Wenn ihr ihn verlasst und anderen Göttern folgt, werdet ihr ihn ganz anders kennen lernen: Er wird euch nicht mehr Gutes erweisen wie bisher, sondern Böses, und wird euch völlig vernichten."

Aber das Volk antwortete: "Doch! Wir wollen dem HERRN dienen!" Da sagte Josua: "Ihr seid Zeugen gegen euch selbst, dass ihr euch für den HERRN entschieden habt und ihm dienen wollt." "So ist es!" sagten sie. "Dann schafft die fremden Götter fort, die ihr noch bei euch habt!" sagte Josua. "Wendet euch mit ganzem Herzen zum HERRN, dem Gott Israels!" Das Volk antwortete: "Wir wollen dem HERRN, unserem Gott, dienen und auf seine Weisungen hören."

So verpflichtete Josua an diesem Tag in Sichem die Israeliten zum Gehorsam gegen den HERRN und legte ihnen die Gebote und Rechtsordnungen vor, nach denen sie leben sollten.


Liebe Gemeinde!

Was wir durch das Wort aus dem Buch Josua, dem Landtag zu Sichem, wie man dieses Kapitel nennt, miterleben, ist eine Art Gemeindeversammlung. Nur diesen Gedanken wollen wir heute einmal zu unserer Gemeindeversammlung kurz aufgreifen, denn zu diesem Text wäre sehr viel mehr zu sagen. Josua, der das Volk Israel unter schweren Kämpfen in das "Gelobte Land" führt, das nach und nach erobert wird, stellt nun das Volk vor die Frage: "Gott oder die Götter", denen eure Väter folgten? Der äußere militärische Erfolg reicht nicht für das Geschenk dieses Landes, wie Israel es empfinden muss, es gilt, sich zu bekennen und damit deutlich zu machen, wes Geistes Kind man ist.

Solche Versammlungen sind in der Bibel nichts Ungewöhnliches: Mose versammelt das Volk immer wieder einmal, um es zu ermahnen, zu trösten, zu ermutigen oder ihm die Weisungen Gottes, die 10 Gebote (2. Mose 20), zu übermitteln. Gleiches können wir von den Propheten hören. Als es dann später im Jüngerkreis und den Gemeindeleitungen um die nicht unwichtige theologische Frage geht, ob Jesus nur für das Volk Israel oder die ganze Welt gekommen sei, wird dies auf einem "Apostelkonzil" (ApG 15) geklärt. Selbst die Glaubensbekenntnisse, die wir aus unseren Gottesdiensten kennen, sind erst auf einem langen, mühevollen Weg der Auseinandersetzung in der jungen Kirche entstanden.

Wir kennen bis in die Neuzeit hinein katholische Konzile, auf denen Fragen des Glaubens und des kirchlichen Lebens besprochen und geklärt werden, oft mit einer jahrhunderte langen Wirkung auf den Glauben der Kirche. Die evangelische Kirche ist ja von unten nach oben synodal gegliedert und aufgebaut, so dass nie ein Einzelner, kein Pfarrer und kein Bischof, Entscheidungen von Bedeutung für eine Gemeinde oder Landeskirche allein treffen kann. Daher ist es nur allzu verständlich, dass Gemeinden ihr geistliches Leben, die sozialen Aktivitäten und ihr gesellschaftliches Engagement in einer ganz konkreten Zeit und Situation beraten.

In unserer Gemeinde ist der Stellenwert, die Bedeutung einer "Gemeindeversammlung" eigentlich noch gar nicht richtig erkannt, obgleich wir uns regelmäßig und immer wieder zu "Gemeindeversammlungen" zusammenfinden. Es geht weder darum, den Kirchengemeinderat mit Vorschlägen zu bombardieren, noch um Kritik an dem Leitungsorgan oder Verantwortlichen der Gemeinde. Es geht darum, dass wir die Möglichkeit nutzen, einmal in dieser gewichtigen Weise miteinander ins Gespräch zu kommen, zuzuhören, sich zu informieren, auch Vorschläge einzubringen, ohne aber Gefahr zu laufen, die Aktivitäten unserer Gemeinde zu einem blinden Aktionismus verkommen zu lassen.

So geht es im Kern um die Frage, wie unser Glaube, der aus dem Gottesdienst, dem gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes, unserem Singen und Beten, das Gott lobt, lebendig gestaltet werden kann. Das Wort Gottes konstituiert unseren Glauben als "christlichen" Glauben, das ist fixiert, das steht verbindlich für alle Christen weltweit fest. Doch wie sich der Glaube in einer jeweiligen Zeit und Umwelt äußert, was für ein Gesicht er bekommt, das muss in unserer Mitte immer wieder neu vereinbart werden.

Im Vordergrund steht also nicht die eine oder andere Aktion, kein Kreis und keine einzelne Gruppe, kein Kirchengemeinderat oder Pfarrer, sondern die Frage, die auch Josua seinem Volk vorlegt: "Gott oder die Götter, denen eure Väter folgten?" Erst aus der Beantwortung dieser Frage wird dann deutlich werden, was wir in unserer Gemeinde, unserer Stadt, in einer jeweiligen Zeit zu tun oder zu lassen haben, um unserem Glauben Leben zu schenken, ihm Augen und Ohren, einen Mund, Hände und Füße zu geben.

Und in all dem, was wir uns da einfallen lassen, wird der gemeinsame Gottesdienst aus diesen vier Wänden heraus gelebt, er wird durch Menschen, durch uns selbst zur Mission in einer Gesellschaft, die es sich leicht macht mit ihren Göttern, doch schwer mit dem biblischen Gott, dem Gott, den wir in unseren Bekenntnissen bekennen. Darum lassen Sie uns nun miteinander über den Weg unserer Gemeinde nachdenken, um für den Glauben an den Gott unserer Väter und Mütter zu werben, damit auch in unserem Lebensumfeld immer mehr Menschen glauben und bekennen können, was Josua für seine Familie so sagte: "Ich und meine ganze Hausgemeinschaft sind entschlossen, dem HERRN zu dienen."
Amen.


Letzte Änderung: 22.04.2002
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider