Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Judika (1.4.2001, 5. Sonntag in der Passionszeit),
Vorstellungsgottesdienst der Konfirmanden

Fremde Menschen - andere Menschen

Beim Eintritt in die Kirche bekommt jedes Gemeindeglied ein Blatt zur Begrüßung ausgehändigt - in chinesischer Sprache!
Kurzes Präludium
 
Lied: 454 1, 4-6
Auf und mach die Herzen weit
Pfr.:
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
Gem.:
Amen
Pfr.:
Der Herr sei mit euch
Gem.:
und mit deinem Geist

Caroline:

Nachdem die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum der Engel des Herrn und sagte: »Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten! Bleib dort, bis ich dir sage, dass du wieder zurückkommen kannst. Herodes wird nämlich das Kind suchen, weil er es umbringen will.« Da stand Josef auf, mitten in der Nacht, nahm das Kind und seine Mutter und floh mit ihnen nach Ägypten

Matthäus 2,13-14

Gem.:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn ...

Frau Kümmerer:
Liebe Gemeinde! Wir begrüßen Sie ganz herzlich zu unserem diesjährigen thematischen Vorstellungsgottesdienst unserer Konfirmanden, so, wie es in der Lebensordnung für die Konfirmation unserer Landeskirche vorgesehen ist. Unsere Konfirmanden werden Ihnen berichten, was im Konfirmandenunterricht durchgenommen wurde und ein Thema ein wenig genauer vorstellen. Dabei geht es um "Fremde Menschen - andere Menschen" in unserer Mitte. Ein Thema, das schon - wie wir sehen werden - in der Bibel und für den Glauben eine große Rolle gespielt hat. Wir freuen uns auf diesen Gottesdienst mit Ihnen.

Alla:
Das Opfer, das wir nun einsammeln, ist, wie die landeskirchliche Kollekte am Ausgang, für unsere Kinder- und Jugendarbeit bestimmt. Mit Frau Hartmann haben wir ja eine Mitarbeiterin in unserer Gemeinde, die uns eine große Hilfe ist. Wie Sie wissen, wird diese Stelle von Opfer- und Spendengeldern aus der Gemeinde finanziert. So danken wir Ihnen sehr für das, was Sie geben können und möchten.

Zwischenspiel: Das Opfer (Klingelbeutel) für die eigene Gemeinde einsammeln.
 
Fabian:

Wir beten:

Herr! Da sind wir Konfirmanden nun in diesem Gottesdienst und sollen uns unserer Gemeinde vorstellen, gern tun wir es nicht, weil wir natürlich sehr aufgeregt sind. Sei jetzt mit deinem guten Geist bei uns, dass aus diesem Vorstellungsgottesdienst auch ein wirklicher Gottesdienst wird. Lass uns alle von deinem Wort her offen werden für die Menschen, mit denen wir unser Leben teilen: die Fremden in unserer Mitte, die Asylbewerber, die jungen oder alten Menschen, die Kranken und Behinderten, die Arbeitslosen. Wir wollen glauben, dass es wirklich möglich ist, menschlich miteinander umzugehen, darum bitten wir dich. Amen.

Entlassung der Kindergottesdienstkinder in den Kindergottesdienst:
Alle Kinder kommen mit den Helfern vor den Altar, wo die Kerze angezündet und überreicht wird. Es folgt ein Gruß oder Segenswort, mit dem die Kinder aus der Kirche ausziehen. Dabei singt die Gemeinde Lied 580 1-3

Marco:
Wie in jedem Jahr, haben wir uns im Konfirmandenunterricht zunächst einmal gegenseitig vorgestellt und kennen gelernt. Dazu diente auch das Wochenende im Gemeindezentrum, wo es um das Thema Kirche ging.

Sebastian:
Wir besuchten unsere Kirche, diese alte Franziskanerkirche und stiegen bis zu den vier Glocken im Turm. Später begegneten wir Herrn Pfarrer Martin, der uns die katholische St. Laurentiuskirche zeigte und erklärte. Es folgte dann das Thema Abendmahl, das wir, wie die Taufen von zwei Konfirmandinnen, hier in der Kirche feierten.

Kerstin:
Auch in diesem Jahr gab es wieder einige Projekte, die in einer Konfirmandenstunde unter dem Thema: Als Christen leben - aber wie? von biblischen Texten ausgehend, erarbeitet wurden. Zu den diesjährigen Projekten gehörten die Besuche bei Herrn Bürgermeister Guderjan auf dem Rathaus; - der Besuch der Sparkasse; - der Polizeiwache Kenzingen, der Firma Coats Mez, dem Friedhof. Zuletzt kam jetzt das Thema: Fremde Menschen - andere Menschen mit einem Besuch des ehemaligen Hotel Bauer, dem Asylbewerberwohnheim des Landkreises. Wir danken allen sehr herzlich, die sich so viel Zeit für uns nahmen und uns bei den Projekten begleitet haben, denn sie machten uns sehr viel Spaß.

Matthias:
Wir lernten, uns in der Bibel zurecht zu finden, machten - wie in jedem Jahr - ein Gemeindepraktikum an verschiedenen Orten und Einrichtungen in unserer Gemeinde und Stadt; - diskutierten über Gott und die Welt. Vor uns liegt noch das Thema: Gebet und dann die Vorbereitungen auf die Konfirmation.

Lied: 665 1-3
Wir haben Gottes Spuren festgestellt

Katharina R.:
Nachdem wir Sie nun sehr allgemein darüber informiert haben, was wir in unserem Konfirmandenjahr kennen lernten und womit wir uns auseinander setzten, möchten wir Sie nun einladen, unser letztes Thema mit uns zusammen noch einmal nachzudenken. Dabei halfen uns auch Frau Silvia Gantert und Herr Clemens Hauser vom Sozialdienst für Flüchtlinge, sie begleiten die Asylbewerber im Steinernen Weg und dem Hotel Bauer.

Jochen:
In unserer Konfirmandenstunde fragten wir uns: Wer eigentlich fremd, ein Fremder ist? Dabei stellten wir fest, dass allein in unserem Kreis der Konfirmanden Jugendliche aus Kirgisien, Konstanz, Stuttgart, Niedersachsen, Emmendingen, Ulm oder aus Berlin kommen, kaum aber einer wirklich aus Kenzingen: Viele von uns sind einmal fremd nach Kenzingen gezogen.

Stefanie H.:
Wir überlegten dann, was eigentlich das Fremdsein ausmacht?

Stefanie St.:
Ohne Freunde fühlt man sich fremd, - wenn man die Sprache (noch) nicht kann, einer anderen Religion angehört, - einen anderen Lebensstandart hat. Wir dachten dabei an Durchwanderer, die keinen festen Wohnsitz haben, - doch auch Behinderte fallen oftmals auf. Wir fragten uns dann weiter:

Eugen:
Wie reagieren wir eigentlich darauf und kamen zu dem Schluss, dass manche Menschen sich zurückziehen, keinen Kontakt haben wollen, mit Aggression, Gewalt oder Angst reagieren, andere könnten uns einen Arbeitsplatz wegnehmen.

Simon:
Ganz anders sieht das für uns natürlich im Urlaub aus. Oft haben wir gar keinen Kontakt zu den Einheimischen, man lebt in geschlossenen Gesellschaften, z.B. in Clubs oder Hotels. Doch umgekehrt sucht man ja im Urlaub gerade das Fremde, Andere, andere Landschaften, eine andere Kultur, ein anderes Essen. Jeder von uns, der ins Ausland geht, ist ein Ausländer, ein Fremder. So kann man es auch auf einem Autoaufkleber - nicht ganz zu unrecht - lesen: Alle Menschen sind Ausländer!

Tanja:
Wir dachten dann im Konfirmandenunterricht über einige biblische Texte nach, in denen es um unser Thema geht.

Moritz:
In 1. Mose 12 heißt es zu Abrahams Berufung und Zug nach Kanaan:

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen ... und du sollst ein Segen sein. ( ...) Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, ..., Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran wegzog. ( ...)

Lea:
Wir haben zu diesem Text überlegt, dass es manchmal notwendig ist, aus seiner Heimat wegzuziehen, dann nämlich, wenn man durch Krieg, Hungersnot, Seuchen, Verfolgungen oder Naturkatastrophen dazu gezwungen ist. In jedem Fall bekommt Abraham aber eine Perspektive mit auf seinen Weg, der zwar in der Fremde anfängt, doch gesegnet weitergehen wird.

Katharina L.:
Wir alle kennen das Kinderevangelium. Dort heißt es:

Einige Leute bringen ihre Kinder zu Jesus, damit er sie berühre; aber seine Jünger fahren sie an und wollen sie wegschicken. Als Jesus das bemerkt, wird er zornig und sagt zu den Jüngern: »Laßt die Kinder doch zu mir kommen und hindert sie nicht daran; denn für Menschen, wie sie, steht Gottes neue Welt offen (Markus 10, 13ff)

Alexandra:
Wir fanden das gemein, wie hier mit den Eltern und Kindern umgegangen wird. Sie werden von den Jüngern regelrecht ausgegrenzt. Jesus ist gerade an den Kindern interessiert, sie sind ein Segen Gottes, und Jesus setzt sich hier ganz besonders für sie ein.

Viola:
Zum altgewordenen Menschen finden wir die Geschichte von Simeon im Neuen Testament, im Lukasevangelium steht:

Der Lobgesang Simeons

Damals lebte in Jerusalem ein Mann, namens Simeon. Er war fromm ..., und war vom Geist Gottes erfüllt, der hatte ihm die Gewissheit gegeben, er werde nicht sterben, bevor er den von Gott versprochenen Retter (den Christus des Herrn) mit eigenen Augen gesehen habe. Simeon folgte einer Eingebung des Heiligen Geistes und ging in den Tempel. Als die Eltern das Kind Jesus dorthin brachten und es Gott weihen wollten, ..., nahm Simeon das Kind auf die Arme, pries Gott und sagte: »Herr, nun kann ich in Frieden sterben, denn du hast dein Versprechen eingelöst! Mit eigenen Augen habe ich es gesehen: Du hast dein rettendes Werk begonnen, und alle Welt wird es erfahren (Lukas 2, 25-32).

Sophia:
Zur Frage nach dem alten Menschen kamen uns die Überlegungen, dass sie sich vielleicht hilfsbedürftig und daher ausgeschlossen fühlen. Oft fällt es alten Menschen schwer, andere um Hilfe zu bitten. Ihr Leben sieht ja gerade dadurch anders aus, als das von jungen Menschen, weil sie dem Tod näher stehen. Das Vergangene ist ihnen vertraut, darüber denken sie verstärkt nach, die Zukunft oft fragwürdig.

Dorothea:
Zum Thema behinderte Menschen finden wir einen Text in der Bibel, in dem Jesus am Sabbat einen behinderten Menschen heilt.

Wieder einmal ging Jesus in eine Synagoge. Dort war ein Mann mit einer abgestorbenen Hand. Die Pharisäer hätten Jesus gerne angezeigt; darum beobachteten sie genau, ob er es wagen würde, ihn am Sabbat zu heilen. Jesus sagte zu dem Mann mit der abgestorbenen Hand: »Steh auf und stell dich in die Mitte!« Darauf fragte er die anderen: »Was darf man nach dem Gesetz am Sabbat tun? Gutes oder Böses? Einem Menschen das Leben retten oder ihn umkommen lassen?« Er bekam keine Antwort.

Simone:
Da sah er sie zornig der Reihe nach an. Zugleich war er traurig, weil sie so engstirnig und hartherzig waren. Dann sagte er zu dem Mann: »Streck deine Hand aus!« Er streckte sie aus, und sie wurde wieder gesund. Da gingen die Pharisäer hinaus ... und sie beschlossen miteinander, dass Jesus sterben müsse (Markus 3,1-6).

Janine:
Wir sehen hier, dass Jesus handelt, während andere nur wegsehen. Auch bei uns werden Kranke und Behinderte fälschlicher Weise oft nicht als vollwertige Menschen angesehen. Das lässt Jesus nicht zu, auf keinen Fall.

Claudia:
Dann haben wir über die Arbeit und die Faulheit gesprochen. Sie sind ebenfalls ein Thema der Bibel, schnell finden sich faule Menschen am Rand unserer Gesellschaft wieder und Schüler mit schlechten Noten in der Schule. So heißt es einmal in der Bibel:

Sieh dir die Ameise an, du Faulpelz! Nimm dir ein Beispiel an ihr, damit du weise wirst! Sie hat keinen Aufseher und keinen Antreiber. Und doch sorgt sie im Sommer für ihre Nahrung ... Wie lange willst du noch liegen bleiben, du Faulpelz? Wann geruhst du endlich aufzustehen? »Nur ein kurzes Nickerchen«, sagst du, »nur einen Moment die Augen zumachen und die Hände in den Schoß legen.« Und während du das tust, kommt die Armut zu dir wie ein Landstreicher, und die Not überfällt dich wie ein Einbrecher (Sprüche 6,6-11).

Katharina K.:
Wir sehen, dass sich die Bibel der unterschiedlichsten Randgruppen annimmt, man könnte eine ganze Reihe weiterer Beispiele dafür finden. Der Glaube an Gott lässt es nicht zu, dass Menschen aus unserer Gesellschaft an den Rand und ausgeklammert werden. Hier erweist sich unsere Menschlichkeit oder Unmenschlichkeit, die Kraft einer demokratischen Gesellschaft, auch mit all jenen zurechtzukommen, die nicht in eine allgemeine Norm von Stark, Gesund, Jung, Schön, Aktiv und Mobil passen.

Lisa:
Wir möchten das an einem letzten Beispiel ein wenig ausführlicher deutlich machen. Sie alle wurden vorhin mit einem Blatt begrüßt, allerdings in chinesischer Sprache, also den meisten von uns unverständlich. So geht es vielen Menschen, die - aus welchen Gründen - nach Deutschland kommen, um hier um Asyl zu bitten.

Hendrik:
Sie werden mit einer Flut von Papieren in deutscher Sprache, voller juristischer Formeln und Paragraphen, überschüttet, von denen sie kaum etwas verstehen können. Manchmal werden in dem ersten Anhörungsverfahren Fehler beim Übersetzen gemacht, so dass dann die Entscheidung darüber, ob jemand nicht sofort wieder das Land verlassen muss, auf falschen und missverstandenen Voraussetzungen beruht. Frau Gantert und Herr Hauser haben uns das an einem erlebten Fall aus ihrer Praxis im ehemaligen Hotel Bauer vorgeführt. Vielfach spürt man in diesen Gesprächen, dass uns die Asylbewerber eine Last sind.

Victoria:
Zunächst einige wichtige Informationen: Im Asylverfahren gelten folgende rechtliche Grundlagen: Das Grundgesetz (Art. 16a) sagt: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht". Im Ausländergesetz (§51) steht das Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter: "Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist." (§53) Abschiebungshindernisse gelten bei: drohender Folter, Gefahr der Todesstrafe, erheblich konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.

Laura:
Voraussetzung für die Anerkennung ist: Der Flüchtling muss glaubhaft machen, dass er Verfolgungen u.a. wegen seiner Rasse oder Religion, ... durch seinen Heimatstaat befürchten muss. Das persönliche Schicksal muss detailliert, zusammenhängend, präzise, lebensnah und widerspruchsfrei vorgetragen werden. Darüber befindet ein so genannter Entscheider in einem ersten Gespräch. Stellen wir uns diese Situation doch einmal an einem biblischen Beispiel - in die Gegenwart und nach Deutschland übertragen - vor und horchen wir miteinander in ein solches Gespräch hinein.

Es wird ein Tisch mit drei Stühlen aufgebaut mit einem Entscheider, der Josef und Maria befragt.
 

Wolfgang:
Anerkennungsverfahren der Familie Josef, Maria und Jesus, denn wir wissen ja aus dem Matthäusevangelium, dass Josef mit Maria und Jesus wegen des Kindermordes in Bethlehem durch Herodes fliehen musste. Sie sind in Deutschland angekommen und müssen sich zu ihrer Flucht vor einem Entscheider rechtfertigen, was wir in das deutsche Rechtssystem übertragen haben:

Moritz:
Erschienen ist Josef, geboren um 4 v.Chr. in Nazareth, ausgewiesen durch die Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber. Sie sind nach Deutschland gekommen, um Asyl zu beantragen. Zunächst Ihre Lebensumstände: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

Fabian:
Ich lebe in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und habe einen Sohn.

Moritz:
Haben Sie Papiere, Dokumente?

Fabian:
Nein, Ehevertrag oder Geburtsurkunden habe ich keine, es ging alles so schnell. Über Nacht musste ich mit meiner Partnerin Maria und unserem Sohn Jesus fliehen.

Moritz:
Herr Josef, schildern Sie uns bitte detailliert, zusammenhängend und wahrheitsgetreu Ihre Fluchtgeschichte.

Fabian:
Kurz nach der Geburt meines Sohnes hatte ich einen Traum, in dem mir ein Engel (!) erschien und mir sagte, dass mein Sohn von König Herodes getötet werden soll. Deswegen müsste ich umgehend mit meiner Familie nach Deutschland flüchten, habe ich doch gehört, dass man dort in Frieden leben kann.

Moritz:
Herr Josef, ich weise Sie darauf hin, dass Sie wahrheitsgetreu Ihre Gründe vortragen müssen. Welche Beweise können Sie vorlegen, aus denen hervorginge, dass eine begründete Gefahr für Ihren Sohn bestand?

Fabian:
Ich hatte Angst um das Leben meines Sohnes. Der Traum war ein Zeichen Gottes, es ist wahr. Ich musste mit meiner Familie flüchten.

Moritz:
Sie bleiben also bei dieser Geschichte? Gibt es sonstige Gründe, aufgrund derer Sie Asyl begehren?

Fabian:
Nein, ich habe alles gesagt.

Jan:
Es wird nun sofort vom Entscheider der Beschluss, den er oder sie alleine fällt, verkündet. Dagegen kann Einspruch erhoben werden, aber nur, wenn man sich durch Berge von Papier in deutscher Sprache hindurchgelesen hat - und das nach wenigen Tagen in Deutschland, ohne jegliche Sprachkenntnisse.

Moritz:
Bescheid des Bundesamtes für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge:
Es ergehen folgende Entscheidungen gegen Joseph und seine Partnerin Maria mit ihrem Kind Jesus:
  1. Der Antrag auf Asylanerkennung wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
  2. Die Voraussetzungen des §51 Ausländergesetz liegen offensichtlich nicht vor.
  3. Abschiebehindernisse nach §53 können nicht geltend gemacht werden.
  4. Der Antragsteller ist verpflichtet, gemeinsam mit seiner Familie, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche zu verlassen, ansonsten wird ihm die Abschiebung hiermit angedroht.
Christian:
Es ist ein großes Problem, dass die Asylbewerber bei diesem Gespräch zunächst ohne jeden Beistand und allein gelassen sind, menschlich, wie rechtlich. Was wäre wohl mit Jesus geschehen, wenn damals in Ägypten so gegen ihn und seine Eltern verhandelt worden wäre? Gott hätte sich viel einfallen lassen müssen, um gegen geltendes Recht gerade in diesem Menschen sein alternatives Wort in unsere Welt zu bringen ...

Christin:
Die Bibel ist voller Flucht- und Leidensgeschichten. Es wird uns in ihr gezeigt, wie Menschen damit umgehen. Menschen, die im Recht sind oder Unrecht haben, die schuldig geworden sind oder sich schuldlos auf den Weg machen. Es wird gezeigt, wie Gott, wie Jesus Christus mit Menschen umgeht, die von ihrer Zeit und Gesellschaft an den Rand gedrückt und missachtet werden.

Robert:
Auch wenn uns selbst heute die Bibel noch nicht sonderlich interessiert, - wie hier aber von Gott aus mit der Menschlichkeit umgegangen wird, das ist faszinierend und für uns alle beispielhaft in unserer Beziehung von Gott und Mensch und Mensch und Mensch. Dieser Geist sollte wieder mehr unter uns erlebt werden.

Lied: 419 1-5
Hilf, Herr meines Lebens

Katharina T.:
Lasst uns beten:

Herr, da gibt es nicht viel zu sagen: Wir leben voller Schuld aneinander vorbei und nehmen vielfach zu wenig Rücksicht auf Menschen, die es schwer im Leben haben:

Alla:
Menschen, die auf der Flucht und heimatlos geworden sind. Kinder, denen Eltern oder Lehrer zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Alte Menschen, die sich nicht mehr an- und ernstgenommen fühlen, die zu schwach geworden sind, um sich noch durchsetzen zu können. Kranke und behinderte Menschen, die wir gern aus dem Blick verlieren, weil sie unsere Gesellschaft etwas kosten und Umstände machen, ohne noch etwas zu leisten. Wir denken aber auch an alle, die schuldlos arbeitslos geworden sind und an die vielen Menschen, die freiwillig unterwegs sind: Landstreicher, Stadtstreicher und "Penner", wie wir sie nennen.

Stephanie St.:
Herr, wir beten für sie und für uns alle, lass uns voller Respekt mit Fremdheit und Andersartigkeit in unserer Mitte umgehen, weil wir etwas begriffen haben von der Liebe, die du uns selbst und darum auch füreinander schenkst.

Pfr.:
Alles, was uns gerade heute noch bewegt, bringen wir vor Gott, in dem wir gemeinsam beten: ..

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Lied: 434
Schalom chaverim (Kanon)

Pfr.:
Abkündigungen ..


Anna:
Wir möchten diesen Gottesdienst nicht beschließen, ohne Ihnen Frau Gantert und Herrn Hauser vorgestellt zu haben, die in unserer Stadt im ehemaligen Hotel Bauer und im Steinernen Weg für Flüchtlinge und Asylbewerber zuständig sind.

Kerstin:
Frau Silvia Gantert ist Sozialarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes, dem Kreisverband Emmendingen. Sie ist zuständig für die Flüchtlinge im Steinernen Weg und in der Hochburger Str. in Emmendingen.

In Kenzingen betreut sie 72 Wohnheimplätze, belegt von 69 Personen mit 10 verschiedenen Nationalitäten und 13 verschiedenen Volkszugehörigkeiten aus: Afghanistan, Algerien, Jugoslawien, aus dem Irak, aus Kamerun, Sri Lanka und Syrien, Togo, der Türkei und aus der Russischen Föderation. Die meisten Flüchtlinge hier gehören den muslimischen Glaubensgemeinschaften an, einige sind Juden oder Christen mit verschiedenen Konfessionen.

Caroline:
Frau Gantert arbeitet seit 7 Jahren hauptberuflich beim DRK in der Flüchtlingssozialarbeit. Ihre Hauptaufgaben sieht sie in der Unterstützung der Flüchtlinge beim Zurechtfinden in den vorhandenen Strukturen, sowie in der Vermittlung zwischen den Flüchtlingen und den verschiedenen Institutionen und dem hiesigen Gemeinwesen. Sie sagte uns:

Ich erlebe Flüchtlinge immer wieder als aufgeschlossene und sehr freundl
iche Menschen, die uns mit ihren Erfahrungswerten und kulturellen Hintergründen bereichern können, wenn wir dies zulassen. (Flasche Sekt überreichen).

Jochen:
Ich darf Ihnen Herrn Hauser kurz vorstellen: Herr Hauser ist Mitarbeiter des Caritasverbandes für den Landkreis Emmendingen. Er betreut als Sozialarbeiter 103 Flüchtlinge, die im Hotel Bauer leben. Die 103 Flüchtlinge sprechen dreizehn verschiedene Sprachen, Herr Hauser - zwei. Er stellt fest:

Jürgen:
Flüchtlinge sind keine besonderen Menschen, aber sie sind in einer besonderen Lebenslage, einer besonders schwierigen. Das ist mit unserer Erfahrung kaum zu erfassen, aber es gibt eine gute Formel für den Umgang miteinander: Respekt. An diesem Respekt gegenüber Flüchtlingen und Fremden herrscht in unserer Gesellschaft oft großer Mangel. (Jochen überreicht eine Flasche Wein). Victoria:

Sehr herzlich möchten wir Konfirmanden uns mit Frau Kümmerer und Herrn Pfarrer Schneider auch bei Adnan Alisa, einem kurdischen Flüchtling aus Syrien bedanken, der bei unserem Besuch im Hotel Bauer als ein Betroffener engagiert dabei war und uns unsere Fragen beantworten half:

Überreichung eines kleinen Geschenkes ...
Wenn noch Zeit ist, dann Rückfragen aus der Gemeinde an die KonfirmandInnen und umgekehrt zulassen .....

Pfr.:
Geht nun hin im Frieden des Herrn:

Lied: 421, 1
Verleih uns Frieden ...

Pfr.:
Gott erhalte uns in gegenseitiger Liebe und schenke uns Freunde und Frieden mit allen Menschen.
Gott segne uns als Boten seiner Liebe, damit alle Welt ein glaubwürdiges Zeugnis unseres Glaubens erfahren kann.
Gott sei bei uns und unseren Familien in guten und an schweren Tagen.
Es segne und behüte euch Gott, der Allmächtige und Barmherzige. Der Vater, der Sohn, und der Heilige Geist.

Gem.:
Amen

Postludium
 

Letzte Änderung: 10.06.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider