Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

1. Sonntag nach Epiphanias,
Matth. 3,13-17: Die Taufe Jesu

Begrüßung:

Liebe Gemeinde!

Weihnachten, der Urlaub und die Ferien sind nun vorbei und wir sind in einem neuen Jahr unseres Lebens angekommen. Was wird es uns bringen, all jenen, die uns nahe stehen? Was wird an Gelingen oder Misslingen auf uns zukommen, an Streit oder Versöhnung, Krieg oder Frieden, was wird auch durch uns selbst möglich oder vergeblich sein? Was also wird uns an Freude geschenkt oder an Leid auferlegt werden? Lassen wir uns dazu einladen, mit guten Gedanken an unsere Zukunft heranzugehen - gegen allen Pessimismus und destruktiven Zweifel. Noch einmal werden wir heute hören, dass Jesus selbst sich der Welt stellt, in dem er sich von Johannes taufen lässt, und was das für Konsequenzen bis in unsere Gegenwart hinein hat. Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder (Röm. 8,14).

Gebet:

Herr, guter Gott! Mit unserer Taufe lässt du auch uns wissen, dass wir, als Geschwister Jesu, deine Kinder sein dürfen. Das macht uns mitverantwortlich für das Gesicht unserer Welt. So bitten wir dich am Anfang dieses Jahres für deine Kirche und unsere Gemeinde. Lass uns wissen, wozu wir mit unserem Glauben da sind. Wir danken dir für alle Mitmenschen - gerade auch in unserer Mitte - die ihren Glauben unter uns leben und ihn nicht verstecken.

Herr, wir bitten dich für alle Menschen, die allein nicht mehr zurecht kommen: für die Kranken und Pflegebedürftigen, für die Einsamen und Alleingelassenen, für die Ratlosen und Zweifelnden. Wir bitten dich für unsere Kinder und Jugendlichen, die Schülerinnen und Schüler, Konfirmandinnen und Konfirmanden, lass sie spüren, was es bedeuten kann, seinen Glauben leben zu dürfen. Wir bitten dich für die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft, der Wirtschaft und den politischen Parteien. Wir bringen vor dich den Gemeinderat unserer Stadt, unseren Bürgermeister, unsere katholischen Mitchristen und die Verantwortlichen in unseren Gemeinden.

Vor dir bringen wir voller Dankbarkeit alle Menschen aus unserer Mitte in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind. Herr, so beten wir für uns und unsere ganze Welt.
Amen.

Predigttext:

Jesus lässt sich von Johannes taufen

Um diese Zeit kam Jesus von Galiläa her an den Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. Johannes versuchte, ihn davon abzubringen, und sagte: »Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?« Aber Jesus antwortete: »Zögere nicht, mich zu taufen! Das ist es, was wir jetzt tun müssen. So eröffnen wir den Weg, auf dem der Wille Gottes ohne Abstriche erfüllt wird.« Da gab Johannes nach.

Sobald Jesus getauft war, stieg er aus dem Wasser. Da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sagte: »Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt.«

Matth. 3, 13-17


Liebe Gemeinde!

Was hat ein Mensch nötig? Die Frage scheint mir angesichts der Stimmung im Land mehr als berechtigt, denn ist es nicht wirklich so, wie unser Bürgermeister, Herr Guderjan, es beim Neujahrsempfang zum Ausdruck brachte, dass wir immer noch auf einem ausgesprochen hohen Niveau leben, auf einem dankenswert hohen Niveau? Das Institut der deutschen Wirtschaft stellte ja gerade fest, dass unsere Kinder "so viel Geld wie noch nie in ihren Taschen" haben. Darüber hinaus ist es ja ganz sinnvoll, gerade am Anfang eines neuen Jahres danach zu fragen, was ein Mensch eigentlich braucht, um menschenwürdig leben zu können? Schaut man sich um, so hat es den Anschein, dass uns heute ein wenig Verstand, genug Geld und eine ausreichende Gesundheit reichen könnten. Doch reicht das wirklich?

Was nutzt mir mein Verstand, wenn ich dann doch nicht über den Tag hinaus denke, was mein ganzes Geld, wenn ich es nicht sinnvoll einbringe, was die Gesundheit, wenn ich mir ihrer gar nicht richtig bewusst und dankbar für sie bin? Wie steht es denn eigentlich um die berühmten letzten Fragen: die Frage nach dem Sinn meiner einmaligen Existenz, nach dem Woher und Wohin meines Lebens, den Möglichkeiten und Grenzen, der Frage nach dem, was kommt, wenn mein irdisches Leben einmal zu Ende ist? Wie also lebe ich als ein ganzheitlicher Mensch mit Verstand und Gefühl, Leib und Seele?

Unser Text über die Taufe Jesu sieht vordergründig lediglich nach einem kleinen, unscheinbaren Detail aus dem Leben Jesu aus, geht theologisch aber weit darüber hinaus. Hat Jesus es denn eigentlich "nötig", sich taufen zu lassen? Der Disput mit Johannes zeigt: Jesus will getauft werden, er meint, seine Taufe sei nötig, um Gottes Willen zu erfüllen. Mit dieser bewussten, gewollten Taufe geschieht ein Perspektivenwechsel, die Änderung des Blickwinkels. Die Taufe des Johannes ist eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Mit der Taufe Jesu durch Johannes wird der Täufling in eine ganz besondere, exklusive Beziehung zu Gott hineingenommen, es öffnet sich - wie könnte man es schöner sagen - buchstäblich der Himmel über diesem Menschen. Gott selbst ist der Handelnde, er bewegt sich auf den Menschen zu und kommt nun auch so in diese scheinbar gottverlassene Welt.

Jesus hört hier bei seiner Taufe, dass er der Sohn dieses Gottes ist, dem alle Liebe gilt. Und eben das wird er dann am Ende seines irdischen Weges, an seine Jünger und an alle Menschen weitergeben, die in einer eben solchen Beziehung zu Gott stehen möchten. Hört Jesus hier ganz subjektiv seinen göttlichen Vater mit den Worten: "Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt ...", so dort "Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ..." Dazwischen liegt der Teil des Lebens Jesu, in dem er seine göttliche Berufung lebt.

Wie das aussieht, dass sich der Himmel zur Erde hin öffnet, dass Menschen anders leben können, wenn sie nur wollten, das wird am Leben Jesu deutlich, an seinen Worten und Handlungen. In seinem ganzen Leben zeigt sich die Gerechtigkeit Gottes, der sich allen Menschen zuwendet, der ein ebenso väterlicher, wie mütterlicher Gott aller Menschen ist - unteilbar und ohne jedes Ansehen der Person. Die Taufe ordnet den Menschen ein, sie ordnet ihn Gott zu, so, wie sich Jesus seinen Mitmenschen mit der eigenen Taufe an die Seite stellt.

Daher entscheidet sich hier auch sehr viel mehr, als uns oftmals heute (noch) bewusst ist. Wir lassen unsere Kinder oft aus sehr traditionellen Gründen taufen, ohne noch ernsthaft darüber nachzudenken, was sie für ein sinnerfülltes Leben eigentlich "nötig" haben, weshalb die Taufe letztendlich keine existentielle Rolle mehr in ihrem Leben spielt. So, wie ich einem Verein beitrete, einer Organisation, einer Partei, so werde ich eben auch durch den Willen meiner Eltern (m)einer Kirche beigetreten.

Einerseits gilt, dass wir sinnvolle und bedachte Traditionen nicht einfach gering schätzen sollten. Sie haben ihren unschätzbaren Wert und Sinn für ein jedes Leben; dennoch gilt auch, dass Eltern, die ihr Kind zur Taufe bringen, eine sehr ernsthafte Verantwortung damit übernehmen. Dass früher nur "Erwachsene" getauft wurden, hängt ja mit der Missionssituation zusammen, in der sich das Taufverständnis bewegte: eine Taufe zur "Vergebung der Sünden", konnte eben nur von Menschen gewollt sein, die eine eigene Entscheidung treffen konnten. Sehr bald wurde aber schon die "Kindertaufe" praktiziert, weil Eltern, die sich zum Christentum bekannten, ihre Kinder ebenfalls in ihrem eigenen Glauben geborgen wissen wollten. Dafür übernahmen sie gern die Verantwortung zu einer entsprechenden Erziehung.

Von daher bekommt dann der Konfirmandenunterricht heute seine ganz eigene Bedeutung. Ich selbst setze mich als Jugendlicher mit Fragen des Glaubens auseinander und kann dann für mich entscheiden, ob der Glaube meiner Eltern mir ein Vorbild war und die Entscheidung zur Kindertaufe glaubwürdig, und ob dies daher nun auch mein Glaube sein soll. Calvin, der Reformator der Schweiz, gibt 1536 in seiner Bekenntnisschrift die "Institutio" der öffentlichen Glaubensprüfung von Zehnjährigen den Charakter eines Glaubensbekenntnisses. Ende des 17. Jahrhunderts wird mit der erstmaligen Zulassung zum Abendmahl schließlich auch die Entlassung aus der "Volksschule" verbunden. [1]

So wird schließlich der Auftrag Jesu: "Darum gehet hin und lehret alle Völker ..." (Matth. 28, 19) aus dem Tauf- und Missionsbefehl aufgegriffen und in der Konfirmation der evangelischen Kirche - analog zur katholischen Firmung - umgesetzt.

Was haben wir nötig, so fragten wir eingangs und ganz sicher ist doch, dass wir sehr viel mehr in unserem Leben brauchen, als ein wenig Verstand, einen gewissen Wohlstand und eine Gesundheit, die uns aktiv und handlungsfähig bleiben lässt. Nein, es gibt wirklich mehr im Leben und darüber gilt es nachzudenken.

Mit unserem Text wird der Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu markiert. Erst jetzt tritt er auf, lehrt und handelt, lebt also, was Gott von einem Gotteskind erwartet, von einem Menschen, der sich von Gottes Geist erfüllt in der Welt bewegt. Die Sohnschaft Jesu wird durch sein Leben, sein Reden und Handeln bezeugt. Sie gibt er an seine Jünger weiter, was im Vaterunser deutlich wird, in dem er sich selbst zum Bruder für sie macht und sie so in eine entsprechende Beziehung zu seinem und nun auch zu ihrem "Vater" setzt. Daher heißt es im "Vaterunser" ja auch "unser Vater ..." Wir sind in unserer Geschwisterlichkeit zu Jesus selbst und nun zu allen Menschen gemeint, weil es niemanden gibt, geben darf, der sich nicht in dieser Beziehung zu Gott sieht. Dabei ist es wohl ganz gleich, welche Namen die Menschen weltweit einmal für ihren Gott gelernt haben. Gott ist wohl größer, als die Namen, die wir Menschen ihm geben könnten.

Wenn das so ist - und das Neue Testament - lässt daran ja keinen Zweifel, wie steht es dann aber um unsere Kindschaft, um unser Verhältnis zu Gott - und damit in gleicher Weise auch zur Welt? Wie spiegelt sich die Liebe Gottes, seine Zuwendung zur Welt, in unserem Verhalten, ja auch in politischen Fragestellungen wieder? Muss es den Krieg gegen den Irak - oder wäre nicht ehrlicher zu sagen - gegen Saddam Hussein denn wirklich geben, wenn es doch weltweit noch ganz andere Diktatoren mit gefährlichen Waffensystemen in ihren Arsenalen gibt? Wollen wir nun gegen die ganze Welt in den Krieg ziehen oder gäbe es nicht doch noch ganz andere Mittel und Möglichkeiten, einerseits den Frieden zu erhalten, andererseits das Völkerrecht politisch durchzusetzen?

Gerade konnten wir in unserer Tageszeitung vor nur wenigen Tagen lesen: "Nordkorea droht jetzt mit Krieg ... Sanktionen bedeuten Krieg, und der Krieg kennt keine Gnade ..." [2] Welche Interessen vertreten aber auch wir selbst für unser Leben; wie setzen wir es ein, unseren Verstand, unseren Wohlstand, unsere Gesundheit, damit unsere Welt ein menschlicheres Gesicht erhält? Oder meinen wir wirklich, dass so wie wir unser Leben erfahren, tatsächlich alles richtig und in Ordnung ist und der gottgewollten Würde des Menschen entspricht? Zeigt sich in unseren Lebensbezügen noch so etwas wie die Kindschaft Gottes und die Geschwisterlichkeit unter uns Menschen?

Martin Luther schrieb 1520 seine große Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen". Er sagt dort etwas sehr Wesentliches über unser Christsein mit der paradox klingenden Aussage: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan," und stellt sofort den anderen Gedanken dagegen: "Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan ..." Er spürt zu Recht, dass der Glaube etwas mit der Freiheit zu tun haben muss, diese aber an die Verantwortung des Glaubenden gebunden ist, soll der Glaube auch wirklich glaubwürdig sein. Und so schließt er seine Schrift mit den Worten:

Aus dem allen ergibt sich die Folgerung, dass ein Christenmensch nicht in sich selbst lebt, sondern in Christus und in seinem Nächsten; in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe ... Sieh, das ist die rechte, geistliche, christliche Freiheit, die das Herz frei macht ... Das gebe uns Gott recht zu verstehen und zu behalten. Amen. [3]
Liebe Gemeinde! Ich denke, dass wir von diesem Geist, der sich in der Taufe Jesu und in unserer eigenen begründet, weit mehr in der Welt brauchen. Er bleibt die große Herausforderung an unseren eigenen Glauben und an unsere Glaubwürdigkeit als Christen. Ist es nicht das, was wir heute wieder einmal mehr nötig hätten - über all das hinaus, was uns ohnehin mit unserem Leben an Möglichkeiten geschenkt ist? So dürfen wir von der Taufe ausgehend unser Leben geistvoll leben, um mit dafür Sorge zu tragen, dass Himmel und Erde sich immer wieder einmal berühren, nicht irgendwo, sondern hier bei uns: in unserem eigenen Leben, in unserer Gemeinde, in unserer Stadt.
Amen.

Literatur:

  1. Gunkel, H., Hsrg., Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Handwörterbuch für
    Theologie und Religionswissenschaft, III. Band, Tübingen2, 1929, S. 1191f
  2. Badische Zeitung, Breisgau/Kaiserstuhl, Mittwoch, 8. Januar 2003, S. 1
  3. Martin Luther, Ausgewählte Schriften Band I,
    Hrsg., K. Bornkamm und G. Ebeling, Frankfurt 1982, S. 263
außerdem: Letzte Änderung: 15.01.2003
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider