War Mozart fromm?
Zugunsten des Förderkreises der evangelischen Kirchengemeinde Kenzingen hielt Pfarrer Hanns-Heinrich Schneider einen Vortrag zum oben genannten Thema.
Einerseits geht es um die Frage nach der Religiosiät Mozart, andererseits wird der Versuch unternommen, Mozarts Frömmigkeit u.a. einmal aus theologischer Sicht darzustellen. Eingebettet sind diese Überlegungen in eine knappe Darstellung über Leben und Werk Mozarts.
Musikalisch wird dieser Abend durch Frau Brigitta von Wilpert, Gertrud von Wilpert und Julia Arnegger gestaltet
im Festsaal des Kreisaltenheims St. Maximilian Kolbe Offenburger Str. 10 in Kenzingen, am Donnerstag, den 23. April 1998 um 20 UhrWir danken Herrn Orgelbaumeister Berthold Hess aus Malterdingen für die kostenlose Überlassung eines geeigneten Instrumentes zum Musizieren.
Von der Musik aber ist zu sagen, daß nach dem heiligen Wort Gottes nichts so hoch zu rühmen ist, weil sie aller Bewegung des menschliches Herzens mächtig und gewaltig ist. Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Verzagten herzhaft, die Hoffärtigen demütig zu machen, die Hitzigen zu dämpfen, den Haß zu mindern. Der Heilige Geist ehre selbst diese edle Kunst als seines Amtes Werkzeug ... [Bainton, Martin Luther, 309]
2. Wolfgang Amadeus Mozart
Ich kann nicht Poetisch schreiben; ich bin kein dichter. ich kann die redensarten nicht so künstlich eintheilen, daß sie schatten und licht geben; ich bin kein mahler. ich kann sogar durchs deüten und durch Pantomime meine gesinnung und gedanken nicht ausdrücken; ich bin kein danzer. ich kann es aber durch töne; ich bin ein Musikus ... [Gagelmann, Mozart hat nie gelebt, 260]
3. Karl Barth
Ich möchte sagen: Was ich höre bei Mozart, ist ein letztes Wort über das Leben, soweit es von Menschen ausgesprochen werden kann. Vielleicht ist es kein Zufall, daß es gerade ein Musiker gesagt hat. Aber ich höre ein letztes Wort, das sich bewährt ( ...), ein Wort, das durchhält, auf das man zurückkommen, mit dem man immer wieder anfangen kann. Denn wir müssen schließlich alle jeden Morgen wieder neu anfangen - und das Neu-Anfangen mache ich am besten, wenn ich Mozart höre, nicht wahr? ... [Barth, Letzte Zeugnisse, 13f]
"Ein kurzes Bekenntnis zu Mozart soll ich ablegen? Ein Bekenntnis zu einem Menschen und seinem Werk ist eine persönliche Sache. So bin ich froh, persönlich reden zu dürfen. Musiker oder Musikwissenschafter bin ich ja nicht. Aber zu Mozart bekennen kann und muß ich mich wohl ... Er wurde mir je länger je mehr zu einer Konstanten meines Daseins ... Ich habe zu bekennen, daß ich (dank der nicht genug zu preisenden Erfindung des Grammophons) seit Jahren und Jahren jeden Morgen zunächst Mozart höre und mich dann erst (von der Tageszeitung nicht zu reden) der Dogmatik zuwende. Ich habe sogar zu bekennen, daß ich, wenn ich je in den Himmel kommen sollte, mich dort zunächst nach Mozart und dann erst nach Augustin und Thomas, nach Luther, Calvin und Schleiermacher erkundigen würde ..." [Barth, Wolfgang Amadeus Mozart, 7]Mit seinem "Bekenntnis zu Mozart" ist Karl Barth im Mozartjahr 1956 neben einigen anderen Veröffentlichungen an die Öffentlichkeit herangetreten. Barth kannte und liebte Mozart. Er blieb ihm treu bis an den letzten Tag seines Lebens, war sein Lebensweg ansonsten ja durchaus auch dadurch gekennzeichnet, daß alte Freunde und Weggefährten seinen Weg des Denkens nicht auf diese Weise begleiten konnten. Wie der Mensch, so blieb und war auch seine Theologie eine ständige Herausforderung.
Im gleichen Jübiläumsjahr wurde Barth aufgefordert, einen "Dankbrief an Mozart" zu schreiben, was er dann reichlich 'kopfschüttelnd' auch tat. Er schrieb dort an Mozart: "Was ich Ihnen danke, ist schlicht dies, daß ich mich, wann immer ich Sie höre, an der Schwelle einer bei Sonnenschein und Gewitter, am Tag und bei Nacht guten, geordneten Welt versetzt und dann als Mensch des 20. Jahrhunderts jedes Mal mit Mut (nicht Hochmut!), mit Tempo (keinem übertriebenen Tempo!), mit Reinheit (keiner langweiligen Reinheit!), mit Frieden (keinem faulen Frieden!), beschenkt finde. Mit Ihrer musikalischen Dialektik im Ohr kann man jung sein und alt werden, arbeiten und ausruhen, vergnügt und traurig sein, kurz: leben ... [ a.a.O., 12]
Wie es mit der Musik dort steht, wo Sie sich jetzt befinden, ahne ich nur in Umrissen. Ich habe die Vermutung, die ich in dieser Hinsicht hege, einmal auf die Formel gebracht: ich sei nicht schlechthin sicher, ob die Engel, wenn sie im Lobe Gottes begriffen sind, gerade Bach spielen ich sei sicher, daß sie, wenn sie unter sich sind, Mozart spielen und daß ihnen dann auch der liebe Gott besonders gerne zuhört" ... [a.a.O., 13]
Das Mozartjahr 1991 fordert dazu heraus, Stellung zu nehmen, sich mit diesem ganz besonderen Musiker wie immer schon, oder auch wieder einmal neu auseinanderzusetzen. Wer Musik liebt, wird auch heute noch kaum um Mozart herumkommen. Und ich wage schon hier die Behauptung: "Gott liebt Musik", was mit diesem theologischen Beitrag zum Mozartjahr noch einmal ein wenig untersucht und begründet werden soll.
So zwiespältig Mozart auch gesehen wird, schillernd und
in seinem Menschsein, trotz der Fülle der Literatur über
ihn, kaum auszumachen, so sehr findet er dennoch durch
die Zeiten hindurch tiefe Verehrung bei Musikern, Künstlern,
Literaten, bei Sachverständigen und nicht-Sachverständigen,
bei jungen und alten Menschen, die Mozart nur
und ausschließlich nur, sich im Himmel als der Gegenwart
Gottes vorstellen können.
"Das Unternehmen stieß
auf Schwierigkeiten. Indem er von
ihnen berichtet, schreibt der Vater, es gehe ihm darum,
'der Welt ein Wunder zu verkündigen, welches Gott in
Salzburg hat lassen geboren werden.
Ich bin diese Handlung dem allmächtigen Gott schuldig, sonst wäre ich die
undankbarste Kreatur ...
Nun habe ich einmal in meinem
Leben ein Wunder gesehen ...' "
[a.a.O., 33]
Mozart, das Genie! Mozart, das Wunder! Solange er ein Kind
war, mochte dies gelten, und der Vater wußte ja nur allzugenau,
daß auch die Sterne von Wunderkindern verblassen,
wenn aus dem Kind erst einmal ein Mann geworden ist. Und
so nutzt er die Zeit seines jungen Sohnes - auch zur Sanierung
der Familienfinanzen und zum Ruhme der Familie Mozart.
"Sofern sich auf diesem Gebiet überhaupt ein Bild ergibt,
so das einer gewissen Willkür und Unberechenbarkeit, Unpünktlichkeit,
Ungeduld. Überdies berichten seine Schüler
und Freunde von chaotischen Zuständen zwischen seinen Papieren und Noten.
Manchmal mußte er seine Kompositionen
aus dem Gedächtnis kopieren, da er die Originale nicht
finden konnte und das Suchen ihm weit lästiger war als
die Abschrift (Anm.: aus dem Kopf!), was bei ihm viel
heißen will ...
[Hildesheimer, Mozart, 287f]
Man hat behauptet, es habe keine waagrechte Fläche,
keinen Tisch, kein Fensterpolster gegeben,
auf denen er nicht sofort Klavier spielte. Hier sehen wir
ihn, den quecksilbrig-unruhigen Mann, wie er uns zur Verzweiflung hätte
bringen können ..."
[a.a.O., 280]
Übereinstimmend wird berichtet, daß Mozart sich beim
Klavierspielen verändert habe. Da wurde er ruhig, da kam er
wohl ein stückweit zu sich selbst. Seine Stimme war eher
sanft und hell und wie es Wolfgang Hildesheimer darstellt,
soll er ein 'akzeptabler Violinist gewesen sein', wobei
das Klavier jedoch sein eigentliches Instrument war und
blieb.
"Mozarts Äußeres war unscheinbar. Seine Physis wandelte
sich in den letzten Lebensjahren zum Unattraktiven. Er
hatten Blatternnarben im Gesicht, seine Haut wurde gelblich und gedunsen,
gegen Ende seines Lebens bildete sich
ein Doppelkinn. Der Kopf war zu groß für den Körper, die
Nase überdimensioniert. Seine Augen traten immer stärker
hervor, er wurde dicklich ..."
[a.a.O., 291]
Doch: Sehen wir Mozart
so, wenn wir seine Musik heute
immer noch und immer wieder neu hören?
1781 wird der 'Idemeneo' aufgeführt in München. 1783 macht
Mozart die Bekanntschaft mit dem Liberettisten Lorenzo Da
Ponte. 1782 heiratet Mozart die Mannheimerin Constanze Weber. 1783 Geburt
seines ersten Sohnes 'Raimund Leopold'.
1784 tritt Mozart in die Freimaurerloge "Zur Wohltätigkeit" ein.
1785 arbeitet Mozart an seiner Oper "Hochzeit des Figaro",
die 1786 erstmals aufgeführt wird. In Wien fand die Oper
wenig Beachtung, in Prag dagegen sehr. Man pfiff die Melodien auf den Gassen.
1784 wird Mozarts zweites Kind 'Karl
Thomas' geboren. 1786 Geburt von 'Johann Thomas Leopold'
und Tod. 1787 Erstaufführung des 'Don Giovanni'.
1788 stirbt die einjährige Tochter 'Theresia Constancia'.
1789 Vollendung der Krönungs-Messe. Geburt und Tod der
Tochter 'Anna Maria'.
1790 Aufführung von 'Cosi fan tutte'. 1791 Erstaufführung
der Oper 'La Clemenza di Tito'. Sein Sohn 'Franz Xaver
Wolfgang' wird geboren. 1791 Komposition und Erstaufführung der
'Zauberflöte' in Wien. Das Requiem bleibt unvollendet.
Mozart stirbt am 5. Dezember in Wien.
Seit 1788 nehmen bei Mozart die Geldsorgen zu, trotz dessen, daß
er im Grunde immer genug Geld verdiente. Mozart
"sah-Musik, empfand-Musik, dachte-Musik. Andere drücken
sich in Musik aus; Mozart empfängt-Musik, denkt-Musik ...
..."
[Ringenbach, Gott ist Musik, 39]
Mozart schrieb schnell und praktisch fehlerlos.
Für diesen Vorgang benötigte er auch keinerlei Konzentration
und Ablenkung war ihm sogar willkommen. Musik in der
Nachbarschaft, der Gesang des Vogels oder die Erzählung
seiner Frau stören ihn keineswegs. Sein Niederschreiben
einer Partitur war im Grunde nichts anderes als ein Abschreiben, indem
er nur noch das zu Papier brachte, was in
ihm bereits fertig war. Der schöpferische Akt war für Mozart
also bereits abgeschlossen, wenn er zu Papier und Feder griff ...
[Gagelmann, Mozart, 275]
Mozart war nach Berechnungen ein gutes Viertel seines
Lebens unterwegs, zehn Jahre, zwei Monate und acht Tage.
Damit zählte er zu den meistgereisten Menschen des achtzehnten
Jahrhunderts. Trotz seiner Reisetätigkeit und der
Kürze seines Lebens, war Mozart unglaublich produktiv:
Hier nur eine kleine Auswahl aus seinem Werk: Sechs späte
Opern aus der Wiener Zeit. Bei den Sinfonien sind vor allem die
'Haffner' und Parisersinfonie' zu nennen. Er komponierte siebenundzwanzig
Klavierkonzerte sowie
Violin-
und Bläserkonzerte. Er komponierte Serenaden, Divertimenti
und Casstionen. Mozart komponierte Kammermusik: Streichquartette
und Streichquintette, beides ebenfalls für Klavier. Allein achtzehn
Klaviersonaten sind bekannt, neben
seiner Kirchenmusik, vor allem aus der Salzburger Zeit.
Hier die fünfzehn Salzburger Messen und aus der Wiener
Zeit die unvollendete c-moll Messe sowie das Requiem.
(s. Zeitschrift 'VITA', Merian I, 1991, 106f)
Wolfgang Amadeus Mozart wurde im Laufe der Zeit unterschiedlichst
interpretiert und für jeden Geschmack aufgearbeitet. Wolfgang Schreiber, ein Musikkritiker stellt
fest, Mozart ist "leicht und schwer zugleich ..."
[Schreiber, Merian I, 1991, 114]
Es ist
"daher kaum zu glauben, daß die kleine Nachtmusik und Don
Giovanni nicht nur von demselbst Komponisten geschrieben
wurden, sondern auch noch fast zur gleichen Zeit, im Sommer 1787 ..."
[ebda.]
Mozart war für die Kunst ebenso Gegenstand wie für die Literatur.
So gibt es über dreizehntausendsechshundert Werke
über Mozart und etwa fünfzig Bühnenwerke vor allem aus dem
neunzehnten Jahrhundert. Bekannte Schriftsteller und Dichter wie: Goethe,
Mörike, Grillparzer, Kierkegaard, Hesse
oder Bloch, um nur einige wenige zu nennen, haben sich mit
Mozart befaßt. In der Nahrungsmittel- und Genußindustrie
ist Mozart durch die 'Mozartkugel' verewigt. Und was wären
Salzburg und Wien ohne Mozart als musikalische und touristische Attraktion?
"Er lernte von klein auf, sich in Höfischer
Manier zu kleiden, Perücke mit eingeschlossen, lernte wohl
auch, in der richtigen Weise zu schreiten und Komplimente
zu machen. Aber man könnte sich denken, daß der Spitzbube
in ihm schon früh begann, sich über das Gehabe und Getue
zu mokieren ..."
[a.a.O., 33 ]
"Leopold Mozart hatte seinen Sohn darauf
trainiert, eine Karriere als Musiker in der höfischen Gesellschaft
zu machen ..."
[Gagelmann, Mozart, 194]
Doch der Sohn spielte nicht
mehr mit.
Mozart lehnt sich auf, rebelliert gegen die Bevormundung
durch seinen Erzbischof und trennt sich schließlich 1781
von diesem. Dies war ein ganz und gar ungewöhnlicher
Schritt, und Mozart wurde damit zu einem der ersten freischaffenden
Musikkünstlern der Geschichte überhaupt. Der
Grund für den Bruch lag darin, daß Mozart sich seine Art
von Musik nicht vorschreiben lassen wollte, daß er reisen
wollte, ohne sich abmelden zu müssen, daß er der Enge
Salzburgs schlicht entfliehen wollte. Damit traf er aber
zugleich auch den Vater.
Ein weiterer Schritt Mozarts in die persönliche Freiheit
war seine Heirat mit Constanze Weber. So schreibt er dem
ärgerlichen Vater: "Liebster, bester vatter" - ich muß sie
bitten, um alles in der Welt bitten; geben sie mir ihre
Einwilligung daß ich Meine liebe constanze heyraten kann
... mein herz ist unruhig, mein kopf verwirrt ..."
[a.a.O., 209]
Hartmut Gagelmann stellt in seinem Mozartbuch dazu fest:
"Mozarts Trennung von seinem Vater ist durch nichts besser
dokumentiert als durch seine Opern "Idomeneo" und
"Entführung". Zwischen beiden lag Mozarts Bindung
an Constanze und seine Befreiung von Colloredo (Anm.: dem Erzbischof
von Salzburg). Das alles stand zugleich für seine
Befreiung vom Vater.
Mozart hatte sich damit (Anm.: erst um 1781/1782) die Bedingungen
geschaffen, unter denen er als Mensch weiterleben und als Künstler
weiter arbeiten konnte ...
[Ringenbach, Gott ist Musik, 31]
Wir sehen, wenngleich auch nur kurz angedeutet, wie notwendig die Freiheit
für Mozart war. Sie ist aufgenommen in
den großen Opern und greift hier schon etwas vom Geist der
französischen Revolution auf.
Seine Musik lotet die Abgründe der Verzweiflung des Menschen, seines
Leidens, seiner fundamentalen Einsamkeit
aus; doch auch hier, ohne Gefallen daran zu zeigen und
ohne jemals diese strahlende Schönheit zu verlieren. So
ist sie allerletzte Stütze der Hoffnung, die neu durchbrechen will ...
[a.a.O., 33]
Von daher fragt der Dominikaner: "Ob Mozart Musik im gewöhnlichen
Sinne des Wortes gemacht hat? Ich frage mich
ohne eine Antwort zu wagen, ob nicht die Musik es war, die
ihn zu Mozart gemacht hat? ..."
[a.a.O., 38]
Sicher ist, daß das Kind
Wolfgang Amadeus bei seinem Vater eine ebenso strenge, wie
liebevolle Schule durchlaufen hatte, doch der Vater baute
auf dem auf, was in dem Kind selbst steckte. Er forderte
und förderte seinen Sohn.
Viel ist darüber diskutiert worden, ob Mozart ein "Genie"
war, oder nicht. "Mozarts Leben fällt genau in die
Übergangsphase, in der das Genie vom Gottbegnadeten zum
überragend Begabten wird ..."
[Gagelmann, Mozart, 257]
Mozart komponierte, wo immer er war und bei allem, was er tat. Die Melodien waren
dann abrufbereit in seinem Kopf, und so schrieb er sie
dann fehlerlos und ohne weitere Korrekturen vorzunehmen
auf. Komponieren war so für ihn eigentlich keine Tätigkeit,
die 'Konzentration oder Anstrengung' gebraucht hätte
(H. Gagelmann). Alle Zeugnisse und spätere Arbeiten über
ihn zeigen, daß der Mensch Wolfgang Amadeus Mozart immer
wieder hinter sein eigenes Werk zurücktrat.
Ganz gleich, ob wir vom Renaissancebegriff des Genies -
als dem von Gott Besessenen oder Getriebenen - ausgehen,
oder von der Auffassung des Barock - in der das Genie von
Gott unabhängig herausragende begabt ist - muß festgehalten
werden, daß Mozart in einer unfaßbaren Weise begabt
war. In wie weit aber seine Begabung auch mit Gott zu tun
hat, werden wir weiter zu untersuchen haben.
In seinem Aufsatz "Freiheit zur Musik" schreibt Hartwig
Drude in der Festschrift zu Karl Barths achtzigsten Geburtstag am 10. Mai 1966:
"Daher entscheidet sich das Verhältnis von Musik und Kirche überhaupt
nicht auf dem Boden der Musik, sondern nur auf dem des Glaubens. Die
Frage nach dem Glaubensstand der Künstler ist ausgeschlossen.
Die Kirche hat über diesen so wenig zu befinden wie über
ihren eigenen. Vielmehr ist ihr eigener Glaube gefragt, ob
er sie freimache im Umgang mit dieser Welt, ob er ein Wagnis ertrage, ob er
Hoffnung bei sich habe. Die Christenheit ist gefragt, ob sie es Gott
glaube, daß er die eine
Welt geschaffen hat (ohne Grenze zwischen heilig und profan) und daß
er sie trotz ihres Widerspruchs gegen seine
Herrschaft erhält ...In der heutigen Lage kommt - gerade
von ihrer Geschichte her gesehen - alles auf eine freie,
wagende Begegnung von Kirche und Musik an. Der Glaube hat
dabei nichts zu fordern und kein Gesetz aufzurichten, sondern nur zu
bezeugen und zu hoffen ..."
[Barth, Zum Achtzigsten Geburtstag, 443]
Wie anders hat Mozart seine Kirche erlebt und all jene,
welche das Monopol für die Musikkunst besaßen. Natürlich
können wir uns kein Urteil darüber erlauben, ob Mozart
fromm war oder nicht. Doch allzusehr wird auch heute noch
vermutet, daß Mozart, der eine solche Musik schreiben
konnte, fromm gewesen sein muß. Hier wird vom Werk auf den
Glauben zurückgeschlossen, - ein Weg, der sich in diesem
Fall verbietet. Wer würde es von uns denn schon gut finden,
wenn von dem, was man tut, zurückgeschlossen würde
auf den persönlichen Glauben?
Mozart hat sich wohl ganz und gar im Rahmen der Frömmigkeit
seiner Zeit bewegt. Er war katholisch und verdiente
lange Zeit sein Geld durch diese Kirche. Die evangelische
Kirche war ihm fremd. Hildesheimer stellt zu recht in seinem
Mozartbuch fest, daß wir uns 'Mozart so wenig andersgläubig
vorstellen können wie Bach als
Katholik' [ Hildesheimer, Mozart, 372]
Mozart
glaubte Gott im Rahmen der Frömmigkeit seiner Zeit. Große
theologische Gedanken machte er sich dabei kaum, jedenfalls sind
diese nicht überliefert. "Andacht war seine
Sache nicht, der Verlobten, Constanze, schrieb er ins Gebetbuch:
'seyn Sie nur nicht allzu andächtig ...' (Wien
1781). Wir haben keinerlei Zeugnis, daß Mozart nach 1782,
außer zur Aufführung eines eigenen liturgischen Werkes,
überhaupt noch jemals zur Kirche ging. Von jeher war die
Messe für ihn eine Verrichtung gewesen, die er zu
erledigen hatte, bevor er zum Kegeln oder zum Tarockspiel ging
... Seine häufigen brieflichen Ausrufe 'O Gott' haben mit
Gott nichts zu tun ... Mozart war Musiker und Dramatiker;
seine Musik beantwortet die Frage seiner Gläubigkeit
nicht. Seine Messen mögen bei Gläubigen religiöse Inbrunst
hervorrufen, sie waren bewußt darauf angelegt, doch nicht
vom Glauben eingegeben, sondern vom Willen, ihn darzustellen ..."
[a.a.O., 374]
Da unzählige Menschen durch die Musik Mozarts angesprochen, ja
bewegt waren, durch die Zeiten hindurch, ist es
wohl legitim, einmal danach zu fragen, ob hier nicht Gott
selbst, als der Gott der Schöpfung, durch dieses Werk zu
uns spricht. So kommt es dann nicht darauf an, danach zu
fragen, in wie weit ein Mensch, wie Mozart, fromm war, die
hat allenfalls ein biographisches Interesse, als vielmehr,
in wie weit eine solche Musik den Gott der Schöpfung
selbst verkündigt, der aus ihr und durch sie spricht. Hier
kommt Gott auf einen Menschen zu, begabt ihn mit einer besonderen
Gabe und läßt sich auf diese Weise musisch verkündigen.
In seinem Brief an Nannerl
nach dem Tod des Vaters, den er als persönliche Befreiung
empfunden haben muß, kommt er direkt zur Erbschaftsfrage.
Hier wird Gott nicht einmal erwähnt. Doch angesichts einer
Krankheit des Vaters, von der er hört, schreibt er am
4. April 1778: " ...nun höre ich aber, daß sie wirklich
krank seyen! wie sehnlich ich einer Tröstenden Nachricht
von ihnen selbst entgegensehe, brauche ich ihnen doch wohl
nicht zu sagen und ich hoffe es auch gewiß - obwohlen ich
es mir zur gewohnheit gemacht habe, mir immer in allen
Dingen das schlimmste vorzustellen - da der Tod: genau zu
nehmen der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich
mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des
Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht
allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern
recht viel beruhigendes und tröstendes! ...- ich lege mich
nie zu bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht so jung
als ich bin den anderen Tag nicht mehr seyn werde - und es
wird wohl kein Mensch von allen die mich kennen sagn können
daß ich im Umgang mürrisch oder traurig
wäre ..."
[Gagelmann, Mozart, 180/182]
Dieser Brief ist wohl die bekannteste Äußerung Mozarts zum
Tod. Man wird ihn nicht überzubewerten haben.
Er schreibt seinem kranken Vater und bleibt damit - für
seine Zeit und den Zeitgeschmack - im üblichen Rahmen.
Dennoch ist es ein Dokument, das zeigt, in wie weit er
sich mit dem Tod befaßt hat und wohl kaum reale Ängste
kannte.
Es ist viel darüber spekuliert worden - bis hin zu
verschiedenen Mordtheorien - in wie weit die Zauberflöte mit
Mozarts Logenzugehörigkeit zu tun hat, in wie weit sie
Motive der Freimaurerei aufnimmt und musikalisch verarbeitet.
Anklänge finden sich in jedem Fall, wie auch Gedanken der
Aufklärung in ihr verarbeitet sind.
Es ist inzwischen bekannt, daß die Zauberflöte (im letzten
Lebensjahr 1791 komponiert und uraufgeführt) weder von den
Freimaurern initiiert, noch für diese geschrieben worden
war. Mozart bedient sich eines vorhandenen Librettos von
Emanuel Schickaneder und anderen. Vermutlich wurde Mozart
Freimaurer, weil er sich ganz schlicht einen vergrößerten
Freundeskreis davon versprach und damit sicher auch die
Möglichkeit weiterer finanziellen Unterstützung in seiner
zunehmend finanziellen Misere.
Es ist bekannt, daß er Logenbrüder um Kredite anging. Es
ist aber kaum anzunehmen, daß Mozart sich dem Gedankengut
der Freimauererei in besonderer Weise geöffnet hätte. Sein
Interesse galt nun einmal der Musik und nichts anderem
wirklich ernsthaft ...
Das Komponieren aber war bei den Kleinen und bei den Grossen
dieser Zeit nur eine Anwendung, Erweiterung, Vertiefung eben
des Musizierens als eines Faches, der Beweis des
vollendeten Könnens, das hier wie überall den
Meister ausmacht. Nicht Empfindung, nicht Erlebnis, nicht Mystik und
nicht Protestantismus, sondern Kunst als Können, als Fertigkeit
in der Handhabung strengster Regeln ..."
[Barth, Die protestantische Theologie, 17 und 50f]
Und Karl Barth beendet diese Überlegungen mit einigen Gedanken
zu Mozart. Er schreibt: "Es gibt einen Musiker, der
Alles auch hatte, was jene auszeichnete vor denen, die
nach ihnen kamen. Er hatte aber darüber hinaus noch etwas
für sich: Die Wehmut oder das Entsetzen des Wissens um die
Grenze, vor der als Glücklicher Unwissender auch und gerade
der absolutistische Mensch in seiner schönsten Gestalt
steht. Er hörte, wie sein Don Juan, den Schritt des
steinernen Gastes. Er ließ sich aber, wie sein Don Juan, nicht
irre machen darin, rein weiter zu spielen in Gegenwart des
steinernen Gastes. Er gehörte noch ganz dem 18. Jahrhundert
an und war doch auch schon einer von den Menschen des
Übergangs ... Wolfgang Amadeus Mozart ..."
[a.a.O., 53]
Im Blick auf Karl Barths Überlegungen faßt Thomas Erne
zusammen:
In seinem Aufsatz 'Freiheit zur Musik' stellt Hartmut
Drude fest: "Kunst und Kultur gehören für ihn (Anm.: D.F.
Schleiermacher) zum 'darstellenden Handeln', welches als
eine ethische Kategorie den Gegenbegriff zum 'wirksamen'
Handels bildet. Weder Künste noch Kultus sollen etwas
bewirken wollen. Sie haben darzustellen: Die Kunst, das
unmittelbare Selbstbewußtsein der Individualität in einer
bestimmten Tätigkeit, der Kultus, das religiöse
Selbstbewußtsein der versammelten Gemeinde. Dieses
Bewußtsein gründet sich nach Schleiermacher
in dem allen Menschen vorgegebenen Gefühl der
schlechthinnigen Abhängigkeit, welches im
Christentum als ein durch Christus bedingtes uns näherbestimmtes
erfahren wird ...
[Barth, Zum achtzigsten Geburtstag, 436]
Der Gottesdienst, ja der Glaube überhaupt, dienst
der 'Erbauung'. Die Form des Gottesdienstes sollte ein
ästhetisches Kunstwerk sein, das der Erbauung zu dienen hat.
Schleiermacher versucht für den Glauben zu retten, was zu
retten ist, wenn er mit seiner Theologie einen Brückenschlag
zwischen der persönlichen Frömmigkeit des Einzelnen
und der Theologie versucht. Auf dem Hintergrund des Denkens
seiner Zeit, die ja aufklärerisch geprägt ist, versucht er
gerade den 'Gebildeten' ein Gesprächspartner zu sein. In
seiner Schrift 'Über Religion - Reden an die Gebildeten
unter ihren Verächtern' plädiert er für eine persönliche
und reale Erfahrung von Glaube im Gegenüber zu Denken und
Handeln (1799). Wie kaum ein anderer hat gerade Schleiermacher die
Theologie und Frömmigkeit des 19. Jahrhundert
bestimmt.
Einem solchen Denken, das den Glauben von der persönlichen
Anschauung und dem Gefühl abhängig macht, mußte
ein Theologe wie Karl Barth radikal widersprechen, gerade weil es dem
Glauben seinem Grunde nach um etwas ganz anderes gehen muß
und er auf diese Weise zu einem Teilbereich des Kultur degradiert wurde.
"Mit seinem Don Juan tritt Mozart in die kleine unsterbliche
Schar jener Männer ein, deren Namen, deren Werke die
Zeit nicht vergessen wird, da die Ewigkeit sich ihrer erinnert ...
Ich bin wie ein kleines Mädchen in Mozart verliebt und muß
ihn obenan stehen haben, koste es, was es
wolle. Und ich will zum Küster und zum Pfarrer, zum Probst
und zum Bischof und zum ganzen Konsistorium laufen, und
ich will sie anflehen und beschwören, sie möchten meine
Bitte erfüllen, und ich will die ganze Gemeinde um dasselbe
anrufen, und will sie meine Bitte nicht erhören, so
trete ich aus der Gesellschaft aus, so separiere ich mich
vor ihrem Gedankengut, so bilde ich eine Sekte, die Mozart
nicht allein obenan setzt, sondern gar keinen anderen hat
als Mozart ... Unsterblicher Mozart! Du, dem ich alles verdanke,
dem ich verdanke, daß ich den Verstand verlor, daß
meine Seele erstaunte, du, dem ich verdanke, daß ich nicht
durchs Leben gegangen bin, ohne daß etwas imstande gewesen
wäre, mich zu erschüttern, du, dem ich es danke, daß ich
nicht gestorben bin, ohne geliebt zu haben ...
[Kierkegaard, Entweder-Oder, 58f ]
Ich zumindest fühle mich unbeschreiblich glücklich
darüber, Mozart,
wenn auch nur von ferne, verstanden und sein Glück geahnt
zu haben, wieviel mehr dann die, die ihn vollkommen verstanden
haben, wieviel mehr müssen die sich glücklich
fühlen mit dem Glücklichen ..."
[a.a.O., 163 ]
Hier geht es mehr als nur um eine ästhetische Erfassung des
Don Juan, mit dem Kierkegaard sich auseinandersetzt. In
diesen Sätzen wird Kierkegaard mit seiner ganzen Existenz
erlebbar. Er, der sein Leben lang ein Fühlender, Leidender
und Suchender war, der sich immer wieder in einen Widerspruch
zur Gesellschaft seiner Zeit setzte, findet, was ein
Mensch zum Leben braucht, bei Mozart. Erstaunlich auch, daß
er es ausgerechnet in dem durchaus zwielichtigen Don Juan
findet, der ja ebenfalls ein Suchender ist und bleibt,
wenngleich auf eine ganz andere Artt und Weise. Kierkegaard
geht es um eine Freiheit, die den Glauben wagt, Don Juan um
die Freiheit einer Erotik ohne Bindung. Mozart bekommt bei
Kierkegaard fast eine religiöse Dimension.
In seiner Ansprache zu Mozarts zweihundertsten Geburtstag
sagt Barth 1956 unter der Überschrift 'Mozarts Freiheit':
"Wer Mozart hört, bekommt in seiner Musik die des ganzen
19. Jahrhunderts zu hören. Hat es wohl je einen Musiker
gegeben, der auf allen Stufen seines Weges für die
Versuche und Leistungen seiner älteren und gleichzeitigen,
größeren und kleineren Mitmusiker, aber auch für die
ganze Welt der Töne seiner Umgebung vom kirchlichen Choral
bis hinunter zum Wiener Gassenhauer von damals so offen
war wie er? ...
[Barth, Wolfgang
Amadeus Mozart, 35]
Der Mann war schöpferisch, auch indem er
und gerade er nachahmte. Er hat ja wahrhaftig nicht nur
nachgeahmt. Er hat sich im Rahmen der Gesetze der Kunst
seiner Zeit von Anfang an frei und dann immer freier
bewegt. Er revoltierte aber nicht gegen sie. Er durchbrach
sie nicht. Er suchte und hatte seine Größe darin, gerade
in der Bindung an sie er selbst zu sein ..."
[a.a.O., 36]
Und im Blick auf Schleiermacher stellt Barth fest, daß
Mozart mit seiner Musik in einer ganz anderen und umfassenden
Weise einen Gleichklang musiziert, als dies der Theologie
Schleiermachers angedacht ist: Es geht eben nicht nur
um ein vermittelndes Prinzip, das schließlich in
der Indifferenz endet. "Es ist gerade die Abwesenheit aller Dämonen,
gerade das Anhalten vor den Extremen, gerade die weise
Konfrontierung und Mischung der Elemente, was noch
einmal: Die
Freiheit ausmacht, in der Mozarts Musik die echte
vox humana in der ganzen Skala ihrer Möglichkeiten ungedämpft, aber
auch unverbogen und krampflos zur Sprache kommt. Wer ihn
recht hört, der darf sich als Mensch, der er ist - als der
schlaue Basilio und als der zärtliche Cherubino als Don
Juan, der Held, und als der Feigling Leporello, als die
sanfte Pamina und als die tobende Königin der Nacht, als
die alles verzeihende Gräfin und als die entsetzlich
eifersüchtige Elektra, er darf sich als der weise Sarastro und
als der närrische Papageno, die in uns allen stecken - er
darf sich als der dem Tod Verfallene und als der noch Lebende,
die wir ja alle sind, verstanden und selber zur
Freiheit berufen fühlen ..."
[a.a.O., 44f]
"So bringt die Musik Mozarts nach Barth eine Sicht der
Wirklichkeit zur Geltung, die sowohl Kierkegaards
Existenzdialektik, als auch Schleiermachers
Vermittlungsprinzip überbietend, das Leben
in seiner Wahrheit musiziert. In dieser Hinsicht
tut sie es dem Theologen Karl
Barth gleich, der die Welt als Einheit von Evangelium und
Gesetz unter dem positiven Vorzeichen des Evangeliums
interpretiert ..."
[Erne, Barth und Mozart, 245]
Und der katholische Theologe Hans Urs von Baltharsar
schreibt in seinem Buch über Karl Barth zum Verhältnis
Kierkegaard - Barth im Blick nun aber auf Mozart: "Wie das
Christentum im ganzen, so ist Barth, der es nachzeichnet,
die Widerlegung der kierkegaardschen Grundthese von der
Trennung zwischen dem Ästhetischen und dem
Religiös-Ethischen. Das Religiöse ist
darum ästhetisch, weil es in sich
das Echteste ist ...Für Kierkegaard ist das
Christentum unweltlich, asketisch, polemisch.
Für Barth ist es die ungeheure, über
aller Natur aufstrahlende und alle Verheißung
erfüllende Offenbarung des ewigen Lichtes, das ewige Ja und
Amen Gottes zu sich selbst und zu seiner Schöpfung. Nichts
dürfte kennzeichnender sein als die Art, wie beide zu
Mozart stehen. Für Kierkegaard ist Mozart der Inbegriff des
Ästhetischen und deshalb des Gegensatzes zum Religiösen.
Er muß ihn dämonisch interpretieren, unter dem
Gesichtspunkt des Don Juan. Ganz anders (Anm.: wie wir sahen) der
Mozartliebhaber Karl Barth ..."
[Baltharsar von, Karl Barth, 36]
In diesem Zusammenhang folgt nun eine lange Passage zu
Mozart, aus der ich nur einen kleinen Ausschnitt zitieren
kann, um die theologische Verknüpfung deutlich zu machen:
"Ich muß hier wieder einmal auf Wolfgang Amadeus Mozart zu
sprechen kommen. Warum und worin kann man diesen Mann
unvergleichlich nennen? Warum hat er für den, der
ihn vernehmen kann, das mit jedem Takt, der ihm durch den Kopf
ging und den er aufs Papier brachte, eine Musik
hervorgebracht, für die 'schön' gar kein Wort ist: Musik, die dem
Gerechten nicht Unterhaltung, nicht Genuß, nicht Erhebung,
sondern Speise und Trank ist, Musik voll Trost und
Mahnung, wie er sie braucht, nie ihrer Technik verfallene und
auch nie sentimentale, aber immer 'rührende', freie und
befreiende, weil weise, starke und souveräne Musik? Warum
kann man dafür halten, daß er in die Theologie (speziell
in die Lehre von der Schöpfung und dann wieder in die
Eschatologie) gehört, obwohl er kein Kirchenvater und dem
Anschein nach nicht einmal ein besonders beflissener
Christ - und überdies auch noch katholisch! - gewesen ist
...? Man kann darum dafür halten, weil er gerade in dieser
Sache, hinsichtlich der in ihrer Totalität guten Schöpfung
etwas gewußt hat, was die wirklichen Kirchenväter
samt unserer Reformatoren ... so nicht gewußt oder jedenfalls nicht
zur Aussprache und Geltung zu bringen gewußt haben ...
Mozart hatte hinsichtlich des Theodizeeproblems den Frieden
Gottes, der höher ist als alle lobende, tadelnde,
kritische oder spekulative Vernunft ... Und es war bei ihm auch
das von Grund aus in Ordnung, daß er nicht etwa einen
mittleren, neutralen Ton, sondern den positiven stärker
hörte als den negativen. Er hörte diesen nur in und mit
jenem. Aber er hörte in dieser ungleichen Verteilung doch
beide zusammen ...
Und indem er die Geschöpfwelt ganz und ohne Ressentiments
und unparteiisch hörte, brachte er eigentlich nicht seine,
sondern ihre eigene Musik hervor, ihr doppeltes nie sich
selbst äußern und produzieren, weder seine Vitalität noch
seinen Herzenskummer noch seine Frömmigkeit noch irgendein
Programm. Er war wunderbar frei von dem Krampf, selber
durchaus etwas sagen zu müssen oder zu wollen ... Er starb
als eine Art unbekannter Soldat in der Misere und hat mit
Calvin und in der biblischen Geschichte mit Mose dies gemeinsam,
daß niemand weiß, wo er begraben wurde. Aber was
hat das zu bedeuten? Was ist schon ein Grab, wo ein Leben
diesen Dienst leisten, die gute Schöpfung Gottes, zu der
auch des Menschen Grenze und Ende gehört, so ...
zur Sprache bringen durfte? ...
Mozart macht hörbar, daß die Schöpfung auch nach dieser
Seite und also in ihrer Totalität ihren Meister lobt und
darum vollkommen ist ..."
[a.a.O., 337ff]
Also mitten in der Lehre von der Schöpfung in ihrer ganzen
Breite findet die Musik Mozarts ihren Platz und zwar ganz
und gar theologisch reflektiert und begründet.
So 'unvergleichlich' Barth Mozart beurteilt, so unvergleichlich
dürfte es theologiegeschichtlich sein, wie Mozart hier gewürdigt wird.
Das bringt es nun aber mit sich, daß seine Musik in einer
ganz ungemeinen Weise frei ist von aller Übersteigerung,
von allen prinzipiellen Brüchen und Entgegensetzungen.
Die Sonne scheint, aber sie blendet nicht, verzehrt, verbrennt
nicht. Der Himmel wölbt sich über der Erde, aber er
lastet nicht auf ihr, er erdrückt und verschlingt sie
nicht. Und so ist und bleibt die Erde, die Erde, aber ohne
sich in einem titanischen Aufruhr gegen den Himmel behaupten
zu müssen. So machen sich auch die Finsternis, das
Chaos, der Tod und die Hölle bemerkbar, sie dürfen aber
keinen Augenblick überhand nehmen. Mozart musiziert,
wissend um alles, aus einer geheimnisvollen Mitte heraus, und
so kennt und wahrt er die Grenzen nach rechts und auch
links, nach oben und nach unten ..."
[Barth, Wolfgang Amadeus Mozart, 43,
hier: Mozarts Freiheit, 33ff]
Nach Barth ist Mozart ein überaus begnadeter Musiker, der
die Freiheit besaß, das menschliche Leben in all seinen
Schattierungen zu musizieren. Dabei hätte ja gerade
ein Mozart allen Grund gehabt, ganz andere Stimmungen
nachzugeben, nur allzuoft wurde gerade er in seinen Erwartungen
enttäuscht. Ich fasse stichwortartig Mozarts Freiheit noch
einmal so zusammen, wie Klaus Danzeglocke er sehr konzentriert versucht hat:
Jürgen Uhde schreibt in einem Beitrag zum siebzigsten
Geburtstag von Karl Barth zum Thema: Zeit und Musik:
"Wie Gott Herr aller Zeit ist, so ist der schaffende
Musiker Herr eines kleinen Stückchens Musikzeit., Wie die
große Zeit Gott gehorcht, so gehorcht ein winziges Stück
musikalischer Zeit dem Komponisten. Wie alles, was in der
Zeit geschieht, geschehen ist, geschehen wird, vor Gott
gegenwärtig ist, so ist dem Musiker jeder Ton, jeder
Rhythmus, jede Melodie und jede Harmonie seiner Musikzeit
gegenwärtig. So darf er sozusagen Lenker eines kleinen
Stückes Zeit sein, wie Gott Zeit und Ewigkeit lenkt ..."
[Barth, Antwort, Karl Barth zum siebzigsten Geburtsgtag, 761]
Auch hier sehen wir eine weitere Verknüpfung zwischen
grundlegenden Voraussetzungen der Musik auf der Seite des
Menschen und Gott selbst, der ja den Menschen mit seinen
Möglichkeiten zur Gestaltung der Welt so bejaht und gewollt
hat. Von hier aus darf nun noch einmal gefragt werden, wie
es um Mozart steht? Bewegt er sich auf Gott zu, macht er
gar eine göttliche Musik? Oder müssen wir nun nicht doch
umgekehrt festhalten, daß es ja gerade Gott ist, der sich
durch diesen Menschen und mit dessen Mitteln und
Möglichkeiten der Musik uns zu Gehör bringt.
Mozarts Spiel ist eine unter vielen Arten der Verkündigung,
durch die Gott den
Menschen anspricht und sich umgekehrt auch mit dieser loben
läßt.
Schauen wir auf die großen Themen Mozarts, so stoßen wir
immer wieder auf Kernbegriffe des christlichen Glaubens:
Liebe - Mitleid - Vergebung und Dank. Wir finden die
Vergebung und den Dank für diese Vergebung in der 'Entführung
aus dem Serail'. Die angebotene aber zurückgewiesene
Vergebung bei 'Don Giovanni'. Die zurückgewiesene,
dann aber erflehte Vergebung in der 'Hochzeit des Figaro' und in der
'Zauberflöte' wieder die Liebe und die Vergebung (R. Ringenbach).
Ganz zu schweigen davon, wie diese Themen in Mozarts Messen
zum Ausdruck gebracht werden.
Gott liebt Musik als einen ganz besonderen Ausdruck
menschlicher Schaffenskraft. Er liebt Musik, weil hier sein
Mensch selbst Anteil hat am Schöpfungswerk Gottes. Ihm ist
es in aller Freiheit an die Hand gegeben, mit seinem Werk
Menschen eine Freude zu machen und Gott zu loben -
ausgesprochen oder unausgesprochen - oder aber umgekehrt auch
das Gegenteil davon zu tun, es liegt bei ihm, dem
Komponisten, dem Musiker, dem Künstler.
"Indem wir musizieren oder Musik verstehen, leben wir nicht
in der erfüllten Zeit. Aber wir sind durch die Musik auf
die erfüllte Zeit hingewiesen ...Denn unsere menschliche
Musik ist nur ein ferner Widerklang des kosmischen
Lobgesanges, von dem die Psalmen singen. Und dieser Lobgesang
ist wieder nur eine unangemessene Antwort auf den
unendlichen Jubel in Gott selbst ..."
[a.a.O., 767]
Hören wir Mozart?!
Wer war Wolfgang Amadeus Mozart?
Die Anzeige des Vaters
Leopold Mozart, der ehrgeizige Vater einer musisch begabten
Tochter "Nannerl" und dem jetzt siebenjährigen "Wolferl",
war mit seinen beiden Kindern dreieinhalb Jahre
unterwegs durch Europa, als er sie nun auch in der Kaiserstadt Wien
vorstellen möchte. Doch:
Das überlieferte Mozartbild
Wolfgang Amadeus Mozart bleibt als Mensch merkwürdig unzugänglich.
Er tritt ganz und gar hinter sein Werk zurück.
Bald schon nach seinem Tod wurde er idealisiert,
womit das
ganze Mozartbild dann von der Romantik beeinflußt wurde.
Es gibt keine Darstellung Mozarts, die einer anderen gleichen
würde. Es ist bekannt, daß Mozart gerne aß, besonders
gern Leberknödel mit Sauerkraut oder Forellen. Er ißt wohl
eher schnell und viel, als bedacht und mäßig. Er hatte
Hobbies, die er durchaus auch pflegte. So spielt er leidenschaftlich
gern Billard und besaß sogar einen wertvollen eigenen Billardtisch,
der dann später versteigert wurde, als das Geld knapp und die
Schulden immer größer wurden. Er konnte reiten und besaß
bis wenige Wochen vor seinem Tod ein eigenes Pferd. Er tanzte gern und wohl auch
sehr gut.
Leben und Werk
Am 27. Januar 1756 wird Wolfgang Amadeus Mozart in Salzburg geboren.
1760 spielt Mozart als Vierjähriger erste
Klavierstücke, was seinen Vater, Leopold Mozart, dazu ermutigt,
seine Sohn selbst auszubilden. 1761 beginnt Mozart
zu komponieren. Ab 1762 beginnt eine umfassende Reisetätigkeit,
die in eine dreijährige Europareise einmündet.
1770 verleiht der Papst Mozart den Orden vom goldenen
Sporn. Mozart darf sich nun 'Ritter' nennen.
Mozarts Ringen um Freiheit
Norbert Elias schreibt in seinem kleinen Mozartbuch 'Zur
Soziologie eines Genies': "Im Blick auf das menschliche
Verhalten und Empfinden schlug sein (Anm.: des Vaters)
Versuch, aus Mozart einen Mann von Welt zu machen, völlig
fehl..Obwohl er am Rande eines kleinen Hofes aufwuchs, und
später von einem Hof zum anderen reiste, eignete er sich
nie den höfischen Schliff an, er wurde nie ein Weltmann ..."
[Elias, Mozart, 28]
Das musikalische Genie
Reginald Ringenbach schreibt in seinem Büchlein "Gott ist
Musik": Denn Mozarts Musik ist vielleicht nicht so sehr
Inhalt, sondern eher ein Weg. Daher ist Mozarts Musik im
Unterschied zu der von Bach keine Botschaft und im Unterschied zu der
von Beethoven kein Lebensbekenntnis. Er musiziert keine Lehren und erst
recht nicht sich selbst.
Mozart will nichts sagen, er singt und klingt nur eben. So
drängt er dem Hörer nichts auf, verlangt von ihm keine
Entscheidung und Stellungnahmen, gibt ihn nur eben frei.
Die Freude an ihm beginnt wohl damit, daß man sich das gefallen
läßt ...
[ebda.]
Werthaltungen: Glaube, Tod und Freimaurerei
Mozarts Glaube
War Mozart fromm?, so fragt Peter Bichsel in seinem Büchlein "Möchten
Sie Mozart gewesen sein?" Und er versucht
für sich folgende Antwort: "Die Zärtlichkeit, wie er mit
Musik die Worte des Benedictus (Anm.: aus der Credo-Messe
KV 257) streichelt, läßt darauf schließen. Aber die frage,
ob er fromm war, ist keine Frage an ihn, sondern an uns,
an mich ...Musik ist kein Argument, und Mozart argumentiert
nicht, und das macht es mir so leicht, hier mit den Frommen zusammen fromm zu sein.
Nein - ich bin nicht fromm -
ich weiß nur, daß es das gibt, und ab und an möchte ich es
gern sein ..."
[Bichsel, Möchten Sie ..., 28]
Mozart und der Tod
Vor allem im Zusammenhang mit der Todesfrage spricht
Mozart von Gott. "Über den Tod seiner Mutter schreibt er an
Bullinger (3. Juli 1778), 'Gott hat es so haben wollen',
aber es klingt halbherzig, wie immer, wenn er über den
Willen Gottes spricht ... [a.a.O., 66]
Mozart und die Freimaurer
Mozart war Freimaurer. 1784 tritt er in die Loge 'Zur
Wohltätigkeit' ein. Kontakte hielt er wohl bis 1786.
Danach erfährt man über Mozarts Logentätigkeit nichts
mehr, bis wenige Monate vor seinem Tod. Gerade in diesen
Jahren war die Freimaurerei großen Wandlungen unterworfen,
mal fand sie Zustimmung, mal wurde sie abgelehnt. Im Sommer 1791
dirigiert Mozart dann seine kleine Freimaurerkantate zur
Einweihung des 'Tempels' der Loge 'Zur neugekrönten Hoffnung'.
Von Sören Kierkegaard bis zu Karl Barth
Mozart als Mensch des 18. Jahrhunderts
Lassen wir zunächst einmal den großen evangelischen
Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts zu Wort kommen, den wir
schon mit seinem 'Bekenntnis zu Mozart' hörten. In seinem
Buch "Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert"
setzt sich Karl Barth auch mit der Frage der Kunst auseinander
und damit zugleich auch mit Mozart. Er schreibt dort
u.a.: "Ein klassisches Dokument der Aufklärung ist gewiß
auch Mozarts 1791 zum ersten Mal aufgeführte 'Zauberflöte',
in der der Symbolkreis Sonne-Licht-Finsternis ebenfalls eine
entscheidende Rolle spielt ...Ich würde es für
angemessen halten, von der Tatsache auszugehen, daß mit
allen kleinen auch und gerade die großen Meister des 18.
Jahrhunderts in ihrer eigenen Sicht, wie in der ihrer
Zeitgenossen nicht sowohl das gewesen sind, was wir heute
Künstler oder Komponisten nennen, als vielmehr ganz
einfach Handwerker dieses bestimmten, der Ehre Gottes und der
Ergötzung des Gemütes dienenden Faches ... Kunst
ist Fertigkeit, Kraft dieser Fertigkeit wurde Bach zuerst berühmt
..., Kraft dieser Fertigkeit ist noch der junge Mozart in
ganz Europa als ein Wunder bestaunt worden.
Diesen Hintergrund werden wir im Blick zu behalten haben,
wenn wir uns Mozart nun auch von der theologischen Seite
nähern wollen; wie aber auch die Vorwehen der französischen
Revolution zu beachten sind (1789).
Daniel Friedrich Schleiermacher 1768-1834
Für unsere weiteren Überlegungen ist es sinnvoll, uns kurz
mit dem großen evangelischen Theologen D.F. Schleiermacher
zu befassen, der in seiner Zeit die 'mehrschichtigen Beziehungen
zwischen Kunst und Kultur auf dem Boden eines theologischen
Ansatzes systematisch zu ordnen' versuchte
(H. Drude).
Sören Kierkegaard 1813-1855
In seinem Werk 'Entweder-Oder' setzt sich der dänische
Theologe und Philosoph S. Kierkegaard in einem Kapitel über
das 'Musikalisch-Erotische' mit Mozart und hier vor allem
mit dem Don Juan auseinander. Er schreibt:
Karl Barth 1886-1968
Rückfragen von Karl Barth an D. F. Schleiermacher und S. Kierkegaard
Bevor wir uns mit K. Barths Haltung zu Mozart weiter
beschäftigen, stellen sich gerade von Barths Theologie her
einige grundsätzliche An- und Rückfragen an die beiden
großen Theologen des 19. Jahrhunderts, die für
unsere Auseinandersetzung mit Mozart nicht unerheblich sind.
Mozart in der "Kirchlichen Dogmatik" Karl Barths
Es ist ja erstaunlich, daß ein katholischer Mensch wie
Wolfgang Amadeus Mozart in einer großen und beachtlicher
Dogmatik erscheint und dazu noch in der eines Reformierten
Theologen - eben Karl Barths. Die Kirchliche Dogmatik ist
das Hauptwerk Barths in dreizehn Bänden angelegt und
dennnoch unvollendet geblieben. Mehrfach findet Mozart
in diesem Werk Erwähnung. Doch es kommt, wie es Urs
von Baltharsar sehr einfühlsam sieht, mehr auf den
gemeinsamen Grundton an, der beide miteinander verbindet.
So stellt er in
seiner Auseinandersetzung mit Karl Barth fest:
"Man wird gut daran tun, Klänge Mozarts im Ohr zu behalten,
wenn man Barths Dogmatik liest, Mozarts Grundtenor
gegenwärtig zu haben, wenn man nach Barths Grundabsicht
forscht. Man lese etwa so gewappnet jene Stück, die sich
wie ungeheure Finale von Symphonien ausnehmen: Das Ende
der Erwählungslehre mit der schlechthin meisterlichen
'Schlußfuge' über Judas und Paulus (4, 508-563), oder die
ebenso strahlende Mündung der Schöpfungslehre in das Ja
Gottes zur Welt (5, 418-476), oder die drei Kapitel über
Gottes Vollkommenheit (3, 362- 764), oder jene Trippelfuge
über Glaube, Gehorsam und Gebet, die die Vorsehungslehre
beschließt (7, § 49), und man wird zugeben, daß
die Erinnerung an Mozart keinesweg zufällig oder
äußerlich ist. Ja
man möchte sagen: Wer Barth nicht mit diesen Ohren
zu hören vermag, der hat ihn schlechterdings nicht gehört. Es
geht bei ihm nicht um die Ausfeilung einzelner Sätze und
Begriffe ins immer kleinere und exaktere, sondern - bei
aller Genauigkeit im Detail, auch darin wieder
Mozart vergleichbar - um ein Öffnen ins
immer größere ..."
[Baltharsar, Barth, 38f]
In einem ganz unvermuteten Zusammenhang bringt Barth Mozart
in die Dogmatik ein, nämlich im § 50 'Gott und das Nichtige'.
Er sagt dort: " ...Es ist wahr, daß es in der Schöpfung
nicht nur ein Ja, sondern auch ein Nein gibt: Nicht nur Höhen,
sondern auch Tiefen, nicht nur Klarheiten, sondern
auch Dunkelheiten, nicht nur Förderung und Fortgang, sondern
auch Hemmung und Begrenzung des Lebens, nicht nur
Wachstum, sondern auch Abnehmen, nicht nur Reichtum, sondern
auch Armut, nicht nur Lieblichkeit, sondern auch
Düsternis, nicht nur Anfänge, nicht nur Werte, sondern auch
Unwerte. Und es ist wahr, daß es im Dasein des
Geschöpfes
und insbesondere des Menschen neben hellen auch dunkle
Stunden, Tage und Jahre gibt, neben Gelingen auch viel
Mißlingen, neben Lachen auch das Weinen, neben dem Jungsein
auch das Altwerden, neben Gewinn auch Verlust, neben dem
Geborenwerden auch das plötzliche oder langsame, aber so
oder so Sterbenmüssen. Und es ist wieder wahr,
daß die Anteile, die die einzelnen Kreaturen und Menschen an dem
allem haben, sehr ungleich, nach einer sehr wunderlichen,
oder sagen wir besser: nach einer sehr verborgenen
Gerechtigkeit verteilt sind. Es ist aber auch noch wahrer, daß
eben die gute Schöpfung, das gute Geschöpf,
auch darin gut
ist, daß alles, was ist,m, in diesem Unterschied
und Gegensatz ist. In dem allem lobt sie - fern davon nichtig zu
sein - ihren Schöpfer und Herrn: auch auf ihrer
Schattenseite, auch in ihrem negativen Aspekt, in welchem sie dem
Nichtigen benachbart ist ...."
[Barth, Kirchliche Dogmatik III/3, 336]
Mozarts Freiheit
Wie wir gehört haben, überschreibt Karl Barth auf diese
Weise seinen Festvortrag zu Mozarts zweihundertsten Geburtstag im
Jahr 1956. Mozarts Freiheit - eine bloße Behauptung oder eine
begründete Annahme? Barth beschreibt es
so:
" ... Er hat in der Natur- und Geisteswelt gerade nur seine
musikalischen Gelegenheiten, Stoffe und Angaben gesucht
und gefunden. Gott, die Welt, die Menschen, sich selbst,
den Himmel und die Erde, das Leben und vor allem den Tod
vor Augen, in den Ohren und im Herzen, war er ein im tiefsten
unproblematischer und so ein freier Mensch: in einer
ihm, wie es scheint, erlaubten und offenbar gebotenen und
so exemplarischen Weise.
Wir kommen damit zum Schluß, in dem wir noch einmal die
Aussage wagen: 'Gott liebt Musik'.
Gott liebt Musik
Der Titel 'Gott liebt Musik', wie es Reginald Ringenbach
zum Ausdruck zu bringen versucht, ist mir nun doch ein wenig
zu steil, zu gewagt. Es dürfte schwer sein, einen
solchen Titel aus dem biblischen Wort selbst abzuleiten.
Dennoch ist die Bibel voll von Singen und Musizieren, so
daß deutlich wird, daß Gott selbst in dieser Weise gelobt
und verehrt werden will: David singt und spielt Harfe. In
den Psalmen wird mit allen verfügbaren Instrumenten
musiziert. Mose singt und mit ihm manch ein Mensch des Alten
Testamentes. Und im Neuen Testament - um auch hier nur
einige wenige Beispiele zu nennen - singen Maria und
Zacharias, man pfeift auf den Gassen und spielt auf,
zur Heimkehr des verlorenen Sohnes.
Literaturverzeichnis
Die zitierten Quellen:
Die nichtzitierten Quellen in Auszügen:
Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1967
EVZ-Verlag, Zürich 1956
Frankfurt 1977
München 1986
TVZ-Verlag, Zürich 1991
Karl Barth: Zum Achtzigsten Geburtstag, EVZ-Verlag,
Zürich 1966
TVZ-Verlag, 4. Aufl. Zürich 1981
in: Zeitschrift für Dialektische Theologie,
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Evangelischer Verlag A.G., Zollikon-Zürich 1950
Evangelischer Verlag A.G., Zollikon-Zürich 1951
Materialien 4/91, Evangelische Kirche im Rheinland,
Düsseldorf 1991
Karl Barth zum siebzigsten Geburtstag am 10. Mai 1956,
Evangelischer Verlag AG., Zollikon-Zürich 1956
hier: UHDE, Jürgen, Zeit und Musik
Reclam, Stuttgart 1990
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider
Zürich 1991
Das große Lexikon der Musik, Herder, Freiburg 1981
Mozart auf Reisen, Bertelsmann, München 1991
Letzte Änderung: 06.09.2000