Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

18. Sonntag nach Trinitatis, Goldene Konfirmation

Begrüßung:

Sehr herzlich begrüße ich Sie in diesem Gottesdienst zur Eisernen, Diamantenen und Goldenen Konfirmation, vor allem alle, die heute unsere Jubilare oder Gäste in unserer Mitte sind. Wir freuen uns mit Ihnen über diesen Tag in Ihrem Leben, der uns einlädt, zur Ruhe zu kommen und gemeinsam zu bedenken, was war und was vielleicht auch noch an Höhen oder Tiefen, an Gelingen oder Versagen kommen wird?

Unser Leben kennt; wie der Sport, Starts und Ziele. Daher ist es gut, einmal darüber nachzudenken, wie wir mit unserem Leben vom Start zum Ziel gelangen? Paulus sagt, und darüber wollen wir dann auch in der Predigt miteinander nachdenken:

Ich bilde mir nicht ein, Brüder und Schwestern, dass ich es schon geschafft habe. Aber die Entscheidung ist gefallen! Ich lasse alles hinter mir und sehe nur noch, was vor mir liegt. Ich halte geradewegs auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen. Dieser Preis ist das ewige Leben, zu dem Gott mich durch Jesus Christus berufen hat.

Gebet:

Du Gott, dich, suchen wir, suchen dein menschliches Gesicht. Wende dich uns gerade heute zu, wie ein Spiegel. Lass uns darin erkennen, wer wir sind und wer wir sein könnten. Gestalte vom Anfang des Lebens bis zu seinem Ende, vom Start bis zum Ziel mit uns, dein gutes Bild.

Herr!
Wir danken dir für diesen Gottesdienst, für dieses Fest in unserer Gemeinde, das uns noch einmal an das erinnert hat, worum es zwischen dem Anfang und dem Ende unseres Lebens, dem Start und dem Ziel für uns geht. Lass uns erleben, dass wir einander zu einem Segen werden, weil wir erneut gelernt haben, unseren Glauben zu trainieren.

Schenke uns gute Einfälle und Gedanken, damit alles, was wir von dir hören, unser Denken und Tun bestimmen kann und unsere Gemeinschaft festigt. So beten wir für alle Bedrückten und Traurigen, die Behinderten und Verlassenen, die Kranken und Sterbenden, für alle, die plan- und sinnlos zwischen Start und Ziel in ihrem Leben dahinleben. Gott, so bleibe uns allen zugewandt und schenke uns deinen guten Geist.
Amen.

Predigttext:

Ich bilde mir nicht ein, Brüder und Schwestern, dass ich es schon geschafft habe. Aber die Entscheidung ist gefallen! Ich lasse alles hinter mir und sehe nur noch, was vor mir liegt. Ich halte geradewegs auf das Ziel zu, um den Siegespreis zu gewinnen. Dieser Preis ist das ewige Leben, zu dem Gott mich durch Jesus Christus berufen hat.
Philipper 3, 13b - 14

Liebe Gemeinde!

Sie wissen gern, wer Schuld hat, die Deutschen ... Franziska van Almsick hat immer gut als Symbol funktioniert. 1992 in Barcelona galt sie als das Wunderkind der deutschen Einheit. Sie war niedlich, schlagfertig und lachte viel. Alles wird gut, sagte dieses Mädchen. Als sie (vorige Woche) auf ihrer Lieblingsstrecke über 200 Meter Freistil im Halbfinale ausschied, brach alles über ihr zusammen. Die Boulevardjournalisten schrieben, sie sei zu reich und zu dick ... Irgendetwas löste sich und fiel ihr auf den Kopf. Das hatte nicht nur mit ihr zu tun. Aber auch mit ihr. Denn sie selbst hat natürlich in den letzten acht Jahren die Relationen verloren. Sie nahm, was sie kriegen konnte ...

Als sie nach ihrer Niederlage aus dem Wasser stieg, rannte sie einen Trainer um, sie gab keine Interviews, sie floh aus dem olympischen Dorf ... In der Nacht, als die deutsche Freistilstaffel die Bronzemedaille gewann, saß sie mit versteinertem Gesicht hinter den Startblöcken. Sie weinte und tauchte anschließend ins Sprungbecken, als wolle sie für immer verschwinden ... Kurz vor Mitternacht saß Kerstin Kielgaß auf der Bühne, aber niemand hatte eine Frage an sie. Kerstin Kielgaß hat ihr Leben lang gegen Franziska van Almsick gekämpft und immer verloren. Kielgaß hat inzwischen verstanden, dass sie dagegen nichts mehr machen kann. Sie war die beste Schwimmerin in der Staffel und auch im Einzelrennen, aber das heißt nichts ... Das konnten wir in einem Artikel unter der Überschrift lesen: "Der lange Abschied".[1]

So ist das im Sport, denn jeder Sportler kämpft auf ein Ziel hin, nämlich den Sieg zu erringen, nur die Ersten, die Sieger zählen letztendlich oder all jene, welche die öffentliche Meinung dazu macht. Paulus kennt aus seiner Zeit die olympischen Spiele, daher greift er ein Bild aus dem Sport auf und überträgt es auf das Christsein. Er weiß, wer den Sieg erringen will, der muss etwas tun, etwas dafür leisten, lernen, zu verzichten und vieles hinter sich zu lassen, was anderen Menschen wichtig ist.

Auch wenn ein Sportler ja nicht vier Jahre lang jeden Tag an die nächste Olympiade denken kann, tut er eben doch unendlich viel dafür, dabei zu sein und dort zu siegen. Sein Ziel ist ihm mal bewusst, mal unterbewusst immer vor Augen. Und wenn es dann endlich so weit ist, dann gibt es einen Start und ein Ziel, die Strecke, welche vor einem liegt, die Zeit, die Weite, die Höhe und alles andere bleibt zurück. Vergessen sind die Unbequemlichkeiten des Trainings, hat man erst einmal den Erfolg vor Augen.

Wir feiern heute Ihre Goldene-. Diamantene- und Eiserne Konfirmation, was für ein Tag? Erinnerungen werden wach und sicher von Ihnen ausgetauscht. Vermutlich denken Sie an manches, was es an Herausforderungen in Ihrem Leben gab und welche vielleicht noch vor Ihnen liegen? Was war vor 50, 60 oder 70 Jahren, was bewegte Sie damals, als Sie konfirmiert wurden? Welche Pläne, Ziele setzten Sie sich für Ihre Zukunft nach dem Krieg? Welche erreichten sie, welche dagegen blieben unerreichbar?

Wenn wir heute mit Ihnen zusammen in unserer Gemeinde dieses Konfirmationsjubiläum feiern, so tun wir es voller Dankbarkeit, doch wohl auch mit großer Nachdenklichkeit. Denn Paulus hilft uns mit seinem Bild aus dem Sport einmal selbst danach zu fragen, was uns denn in unserem Leben wichtig und für unsere Zukunft bedeutsam sein wird?

Unser Leben hatte ja, wie jeder sportliche Wettstreit, einen Start, einen Anfang, doch welche Ziele haben Sie sich gesteckt, und wo kamen Sie an, wie sieht das für uns alle in unserem Leben aus mit den erreichten und unerreichten Zielen? Vermutlich wird ein jeder von uns um Dinge im Leben wissen, die wir zurücklassen mussten, die missglückten, einfach nicht geklappt haben, Versäumtes, vielleicht sogar Schuld.

Wie bei einem Sportler, sagt Paulus nun, dass man auch zurücklassen können muss, dass es entscheidend ist, sich nach vorne zu orientieren, denn dort ist das Ziel. Wo bliebe ein Sportler, der sich an seine vergangenen Misserfolge klammern würde, sie zum Lebensziel erklärte? Nie mehr würde er einen Sieg erringen, daher trainiert er sich Tag um Tag auf den nächsten Wettkampf, den erhofften Sieg zu. Wer sich ein Ziel setzt, muss auch mit dem Scheitern rechnen, deshalb sagt Paulus: "ich lasse alles hinter mir und sehe nur noch das, was vor mir liegt." Er richtet sein Denken, seinen Glauben auf die Zukunft aus. Er trainiert sich für den Siegespreis.

Doch der Preis, den er sich erwünscht, sieht ganz anders aus als bei Sportlern. Es geht ihm nicht um einen ersten Platz, die eine oder andere Medaille, ihm geht es um das Leben in der Gegenwart Gottes, so, wie es uns von Jesus Christus mit auf den Weg unseres Christseins gegeben wurde.

Die Zielsetzungen, die wir uns geben, werden für uns alle sehr unterschiedlich aussehen, so unterschiedlich, wie das Training, um ein Ziel zu erreichen. Sie haben alle eine ganz unterschiedliche Bedeutung und Gewichtung, was uns dazu herausfordert, uns entscheiden zu müssen, welchen Zielen wir nachjagen möchten und mit welchem Einsatz? Auch wenn für uns der Start ins Leben, der Start in den Glauben, der Start zu dieser oder jener Aktion, der Start in die Liebe, der Start in die Ehe, der Start in den Beruf unterschiedlich gewesen sein mögen, kommt es doch sehr darauf an, welche Ziele wir einmal anstrebten, was wir erreichen wollten?

Wenn Sie sich heute an den Tag Ihrer Konfirmation zurückerinnern, was war es denn damals, was Sie sich von Ihrem Glauben, Ihrer Kirche erhofften, zu dem Sie vor so vielen Jahren Ihr persönliches Ja sagten, Ihr Start-Tag eines mündigen Christen, und was wurde daraus? Was gilt für uns alle, wofür sind wir bereit, uns täglich neu einzusetzen, einmal bis an die Schmerzgrenze zu gehen, für das, was ich als Ziel erkannt habe - bis in den Glauben hinein? Was bedeutet es uns, was wir eben von diesen Siegerinnen hörten und ihren Empfindungen im Verlieren, immerhin ein Bild, das ja auch übertragbar ist, auf unseren Glauben, unser Christsein.

Da uns das Scheitern auch in Glaubenfragen ja nur allzu gut bekannt ist, kommt es also auf das regelmäßige Training an. Was tun wir für unseren Glauben, unsere Gemeinde, die Kirche und wie trainieren wir uns auf Gott zu? So sehr uns der Glaube einerseits wirklich unverfügbar geschenkt ist, wie eine der vielen anderen Gaben, Be-gabungen in unserem Leben, so sehr fordert er uns. Er muss wachsen und reifen, auf seine Verlässlichkeit hin erprobt werden. Das alles ist ja nur möglich, wenn ich mich einübe, eben: trainiere. Gott fällt uns gedanklich ja nicht einfach in unseren Kopf, in unser Gefühl. "Die Entscheidung ist gefallen", sagt Paulus, das zeigt uns, dass es für den Glauben wichtig ist, sich bewusst zu machen, worin ich mich üben möchte, so dass dann andere Dinge vielleicht auch einmal zurückstehen müssen.

Heute am Tag Ihres Konfirmationsjubiläums sind wir alle eingeladen, neu darüber nachzudenken, was für ein Ziel wir neben den vielen Zielsetzungen im Leben in unserem Glauben erreichen möchten und was wir dann aber auch bereit sind, dafür an Zeit, Nachdenklichkeit, Empfindsamkeit, Solidarität oder Menschlichkeit einzusetzen. Wo also ist unser Platz in unserer Gemeinde, in unserer Kirche, im Gottesdienst? Wie und wo hören wir das Wort Gottes, und welche Bedeutung hat es für uns?

Wer in seinem Leben so fragt, kann zurücklassen, was ihm fraglich geworden ist, und er bekommt einen neuen Startplatz geschenkt. Mit unserem biblischen Wort aus dem Hebräerbrief sind wir alle eingeladen, wie ein Sportler unseren Glauben trainieren zu lernen. Von den beiden Sportlerinnen haben wir eben gehört, wie es ist, zu gewinnen oder zu verlieren. Gerade Paulus hat genug Menschen erlebt, die mit ihrem Glauben gescheitert sind, darum hilft nur, dass wir einander anspornen und ermutigen, mit ihm jeden Tag neu zu beginnen, ohne jemals fertig zu werden.

Sind wir nicht denn nicht wirklich viel zu oft in unserem Glauben konditionslos herumgelaufen, ohne unser Ziel überhaupt zu erkennen? Zunächst einmal müssen wir ja Glauben wollen, er muss uns so wichtig werden, dass wir bereit sind, uns einzuüben. Doch wie sieht das ganz praktisch aus, was können wir denn tun, was trainieren? Nehmen wir als Trainer für unser Ziel im Glauben die Bibel wieder einmal in die Hand, suchen wir mit dem Gottesdienst die Gemeinschaft mit Gott und den Mitchristen, denken wir darüber nach, was Taufe und Abendmahl bedeuten und wie unser Leben als Christen aussehen kann? Werden wir endlich wieder zu einer interessanten Alternative in der Auffassung unterschiedlicher Lebensentwürfe.

So ein Fest ist doch ein guter Anlass, sich ganz neu auf sein Ziel hin zu orientieren. Dann aber wird es Zeit, dass wir uns auf den Weg zum Training machen, damit auch uns der Siegespreis geschenkt ist: das Leben in der endgültigen Gegenwart Gottes. Dazu sind wir als Christen eingeladen, das ist das Ziel, das alle unsere menschliche Vernunft übersteigt, und gerade darum bleibt aller Glaube immer ein Anfang.

Lassen wir uns ruhig noch einmal an den Start stellen, das Ziel vor Augen und trainieren wir um unser Leben, dann wird auch uns der Sieg geschenkt sein. So hat unser Leben seinen Sinn, seinen Wert vor Gott und für unsere Mitmenschen erhalten. Starten wir, das Ziel vor Augen, denn die Trainingszeit ist begrenzt, und im Wettstreit des Glaubens sind wir ja alle täglich neu gefordert.
Amen.


[1] DER SPIEGEL, Der lange Abschied, Nr. 39/25.9.2000, S. 288ff

Letzte Änderung: 25.10.2000
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider