Begrüßung:
Liebe Gemeinde! Wir feiern heute einen ganz besonderen Gottesdienst, weil wir uns auf etwas besinnen wollen, was wir tagtäglich in unserer Gemeinde als etwas ganz selbstverständliches hinnehmen, nämlich die Mitarbeit unzähliger ehren-, neben- und hauptamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Theoretisch wissen wir alle, dass eine Gemeinde, ja die Kirche überhaupt von ihren Mitarbeitern lebt, von all denen, deren Taufe mit Leben erfüllt wird und für welche die zurückliegende Konfirmation kein Abschied aus der Kirche war.
So wollen wir mit und in diesem Gottesdienst zunächst einmal Gott selbst dafür danken, dass er uns alle in unserer Gemeinde füreinander in den Dienst genommen hat und wir uns je nach unseren Fähigkeiten, Möglichkeiten und Begabungen einbringen dürfen. Dann aber wollen wir Ihnen allen für Ihre Mitarbeit in unserer Gemeinde danken, eine Mitarbeit, die eben nicht selbstverständlich ist.
Der dich kennt, Gott, ist gut dran, der wird dein Lob vermehren täglich.
Gebet:
Herr, guter Gott, wir sagen dir Dank! Dank für unsere Gemeinde und einen jeden einzelnen in ihr, der sich auf seine eigene Weise einbringt, mit seinen Fähigkeiten, Begabungen aber auch mit seinen Grenzen, seinen finanziellen oder ideellen Möglichkeiten, seiner ganzen Kraft oder auch in seiner körperlichen Schwäche, seiner Phantasie und Kreativität. Wir danken dir für alle, die uns mit Geduld und Großzügigkeit begegnen und beten für all jene, die mit ihrer eigenen Unzufriedenheit und Unzulänglichkeit leben müssen, die andere schnell und gern kritisieren. Lass auch sie spüren, dass sie dennoch zu uns gehören, so, wie sie eben sind.
Herr, wir danken dir für alle Menschen unter uns, die uns mit ihrem Glauben ein Vorbild sind. Vor dir bringen wir nun auch voller Dankbarkeit alle in Erinnerung, die uns den Weg zu dir vorangegangen sind - und beten für uns, unsere Gemeinde, die Stadt und unsere ganze Welt. Amen.
Predigttext:
Gott ist bei dir!
»Ich blicke hinauf zu den Bergen:
Woher wird mir Hilfe kommen?«
»Hilfe kommt von dem HERRN,
der Himmel und Erde gemacht hat!
Und du sollst wissen:
Der HERR lässt nicht zu, dass du zu Fall kommst.
Er gibt immer auf dich acht.
Er, der Beschützer Israels,
wird nicht müde und schläft nicht ein;
er sorgt auch für dich.
Der HERR ist bei dir,
hält die Hand über dich,
damit dich die Hitze der Sonne nicht quält
und der Mond dich nicht krank macht.
Der HERR wendet Gefahr von dir ab
und bewahrt dein Leben.
Auf all deinen Wegen wird er dich beschützen,
vom Anfang bis zum Ende,
jetzt und in aller Zukunft!«
Liebe Gemeinde!
Was wären wir Menschen ohne Feste in unserem Leben? Feste führen zusammen, verbinden, schaffen Gemeinschaft, ermutigen zum Alltag, zur Zukunft. Dieser Gottesdienst soll ein solches Fest sein; sicher, keines der großen Feste der Kirche, wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten, aber eben ein kleines Fest unserer Gemeinde, unserer Gemeinschaft. Natürlich haben alle Feste einen Grund, das unterscheidet sie ja von einem ganz normalen Tag im Jahr. Der Grund unseres Festes heute ist, dass wir einerseits Gott für alle Menschen danken wollen, die sich auf welche Weise auch immer, in unserer Gemeinde engagieren. Andererseits möchten wir Ihnen allen sehr herzlich dafür danken, dass Sie sich mit Ihrer Zeit in unsere Gemeinde einbringen, Ihrem Mitdenken, ihren finanziellen oder ideellen Mitteln und Möglichkeiten, Ihrer Solidarität. So etwas ist heute eben nicht mehr selbstverständlich und das soll mit diesem Gottesdienst zum Ausdruck kommen und gewürdigt werden.
"Alles wirkliche Leben ist Begegnung" [1] hat Martin Buber, der jüdische Religionsphilosoph und Theologe einmal gesagt. Nur wo Menschen sich begegnen, da kann sich auch etwas bewegen, da kommt es - wie in unserer Gemeinde - zum Gespräch über die Bibel, über Gott und die Welt, - da wird Gott zur Ehre und uns allen zur Freude gesungen und musiziert, - da begegnen sich ältere und junge Menschen und verbringen ihre Freizeit miteinander, - da werden Besuche gemacht, um Menschen zum Geburtstag oder weil sie neuzugezogen sind, die Grüße unserer Gemeinde zu überbringen, - da finden Kinder aus unserer Stadt eine Heimat im Kindergarten. Gemeindeglieder übernehmen als Kirchengemeinderäte Verantwortung für das Leben in unserer Mitte, andere sorgen dafür, dass unsere Kirche festlich geschmückt, die Kerzen angezündet, die Blumen in der Vase stehen und die Glocken läuten - und es gibt die vielen Gemeindeglieder, die sich punktuell einbringen, sei es, Gemeindebriefe zu schreiben oder auszutragen, bei einem Gemeindefest behilflich zu sein oder weil es sonst irgendwo brennt und Hilfe notwendig ist.
Wir sagen Dank, einen ganz herzlichen Dank für alle Begegnung, die in unserer Gemeinde möglich ist, für alles, was sich durch die vielen Gemeindeglieder im Stillen oder ganz offensichtlich bewegen lässt. Das alles - wir wissen es - ist heute eben nicht mehr selbstverständlich, aber gerade durch dieses vielfältige Engagement lebt eine Gemeinde, lebt die Kirche. Durch diese vielfachen Begegnungen, deren Mitte der Gottesdienst ist, wird der Glaube in die Welt hinein getragen, erlebbar und einladend. Es kommt also nicht auf irgendjemanden in der fernen Welt, sondern es kommt auf uns, auf mich, auf Sie, auf Euch an, wie man uns in unserer Stadt wahrnimmt, sieht und hört und was wir als Kirchengemeinde durch unseren Glauben, unsere Phantasie und Kreativität in Bewegung setzen.
Als ich am vergangenen Sonntag aus der Kirche ging, sprach mich ein Kirchengemeinderat auf ein Psalmwort an, das ich häufiger als Schlussspruch beim Abendmahl verwende. Unser Gespräch machte deutlich, dass es sinnvoll wäre, über dieses bekannte Wort einmal zu predigen. Gerade das "Jahr der Bibel" lädt ja dazu ein, Anregungen aus der Gemeinde aufzugreifen und Bibelworte - auch jenseits der Predigtordnung - auszulegen, die andere sich wünschen. So sind wir für diesen Gottesdienst auf ein Psalmwort gestoßen, das in unterschiedlicher Weise etwas mit Begegnung und Bewegung zu tun hat.
Wir haben eben den 121. Psalm in zwei unterschiedlichen Variationen gehört. Lebendig wird dieses Wort der Bibel vor allem dann, wenn man es aus seiner Zeit und Umwelt heraus versteht. Für die Bibelausleger lässt sich zumindest erahnen, in welch einem Zusammenhang dieses Bibelwort entstanden sein könnte.
Da gibt es Menschen im alten Israel, die sich mindestens einmal im Jahr auf den Weg machen, um ihren Gott, den Gott Israels, im Tempel in Jerusalem anzubeten. Das war damals sehr viel komplizierter, als wir es uns heute vorstellen. Wir ärgern uns vielleicht über die Bahnpreise, verspätete Verkehrsmittel oder verstopfte Autobahnen, doch damals musste man sich oft tagelang auf den Weg machen, um ein Ziel zu erreichen. Die Verkehrswege waren holprig, staubig und gefährlich, von Wegelagerern gut bewacht, die immer auf eine schnelle Beute aus waren. So schloss man sich in Reisegruppen zusammen, die von Reiseleitern angeführt wurden.
Menschen sind unterwegs, sie sind einerseits voller Freude und Dankbarkeit, werden sie doch bald in ihrem Tempel, dem Haus Gottes, Gottesdienst feiern können, andererseits bewegen sie Ängste: werden wir auch heil und unversehrt ankommen, unser Ziel Jerusalem und den Tempelberg erreichen? Ich selbst habe noch Wege in Israel kennen gelernt, die erst in den vergangenen Jahrzehnten durch die jordanischen Könige von Wegelagerern befreit wurden, die nur allzu gern Touristen angriffen, um sie auszuplündern.
Wir sehen einen Karawanenführer vor uns, der nun, nach langer Reise, auf dem Tempelberg Morija angekommen ist unddurch eines der Fenster oder Tore des Tempels in die Bergwelt um Jerusalem herum schaut: nachdenklich, besorgt. Sicher, er ist mit den ihm anvertrauten Menschen angekommen, doch er weiß natürlich, dass er sie auch sicher wieder heimführen muss. Und in dieser Situation hören wir die Worte: "Ich blicke hinauf zu den Bergen: Woher wird mir Hilfe kommen?"
Wir haben es ja schon häufiger gehört, dass Bilder, gerade biblische Bilder oft vieldeutig sind. So schaut unser Reiseleiter oder Karawanenführer in die Hügellandschaft hinein, die Jerusalem umgibt. In den Bergen lauern viele Gefahren, man kann vom befestigten Weg abkommen, von Wegelagerern überfallen oder von wilden Tieren angegriffen werden. Doch er fühlt in sich zugleich auch die ganz anderen Berge, physische und psychische, die ihm Sorgen machen, die ihn belasten und die ihn nun nach "Hilfe" suchen, ja fragen lassen. In dieser Situation hört er vermutlich die Stimme eines Priester des Tempels oder die eines Freundes, der ihm in sein Nachdenken hinein zusagt: "Hilfe kommt von dem HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat!
Was nun weiter in unserem Psalm zu hören ist, ist die Fortführung der Antwort auf die eingangs gestellte Frage: "Ich blicke hinauf zu den Bergen: Woher wird mir Hilfe kommen?" Hinter den nun folgenden Gedanken steht die Lebenserfahrung des Volkes Israel durch seine ganze Geschichte hindurch, eine Erfahrung, die sich nicht loslösen lässt von diesem einen und ganz bestimmten Gott. Unser nachdenklicher Beter hört jetzt die Worte:
"Und du sollst wissen:
Der HERR lässt nicht zu, dass du zu Fall
kommst.
Er gibt immer auf dich acht.
Er, der Beschützer Israels,
wird nicht müde und schläft nicht ein;
er sorgt auch für dich.
Der HERR ist bei dir,
hält die Hand über dich,
damit dich die Hitze der Sonne nicht quält
und der Mond dich nicht krank macht.
Jeder von uns weiß, was die Menschen damals ja auch erfahren mussten, dass es ein unglücksfreies Leben nicht gibt. Wo Menschen leben, da werden sie auch Gefahren ausgesetzt sein, den Sorgen um die Gegenwart und Zukunft, einer Krankheit, dem Altwerden, dem Tod. Auf seiner Lebensreise erfährt sich der Mensch in Höhen und Tiefen, auf Bergen und in tiefen Tälern. Dabei wird aber nur, wer sich auf den Weg macht, die Fülle und den Reichtum eines erfüllten Lebens erfahren. Nur auf dem Weg können sich Menschen begegnen, Gemeinschaft, Partnerschaft und Liebe erfahren, - nur auf dem Weg können Menschen Freude und Leid teilen, - nur in dem sie sich auf den Weg machen, werden sie dann schließlich auch Gott begegnen. Wir Menschen brauchen uns und wir brauchen Gott, um den ganzen Reichtum des Lebens auskosten zu können. Alles andere wäre ein verkürztes, ja verhindertes Leben.
Martin Luther sagt in seiner Auslegung zu unserem Psalm: "... Ob du ruhst oder tust, so ist der Herr gegenwärtig. Zu keiner Zeit also, an keinem Ort, vor keiner Person und keinem Dienst sollst du erschrecken und sorgen. Das heißt den Sinn des ganzen Psalms in universaler Kürze zusammengezogen, als wollt er sagen: ich bin der Schöpfer (des) Himmels und der Erde und darum auch der Hüter deines Leibes und deiner Seele Tag und Nacht und Vertreiber alles Unglücks. Das heißt den Glauben lehren, der nicht als eine kalte Qualität in der Seele liegt ..." [2]
Ganz behutsam wird hier auf dem Tempelberg, im Tempel, mit dem besorgten Beter geredet. Da kommt Gott nicht mit Blitz und Donner in das Leben eines Menschen, sondern er wird wie ein wohltuender Schatten erfahren, der vor der Tageshitze bewahrt oder vor dem trügerischen Licht der Nacht. So begegnen sich vermutlich zwei Menschen im Tempel, sie stehen vor Gott füreinander ein, sie teilen miteinander den Gottesdienst, das Gebet, die Fürsorge, das Mitdenken und so den Dienst am Nächsten. Darum schließt unser Psalm ganz folgerichtig mit einem Segenswort. Es ist das Wort, das uns auch auf dem Friedhof bei einer Beerdigung zugesprochen wird, bevor wir mit dem Verstorbenen seinen letzten Weg zum Grab gehen. Auf diese Weise wird hier der Beter auf seinen Weg in die offene, unbekannte, ja dunkle Zukunft entlassen, aber er darf Gott neben sich, vor sich, hinter sich, über oder unter sich wissen, eben von allen Seiten hoffnungsvoll umgeben:
Der HERR wendet Gefahr von dir ab
und bewahrt dein Leben.
Auf all deinen Wegen wird er dich beschützen,
vom Anfang bis zum Ende,
jetzt und in aller
Zukunft!"
Mit einem Segenswort werden auch wir aus
jedem Gottesdienst entlassen und gemeinsam
auf den Weg in unser Leben hinein geschickt,
ein jeder für sich selbst, ein jeder von
uns in dieser gottesdienstlichen Gemeinschaft.
Liebe Gemeinde, wir feiern ein Fest! Ein
Fest des Dankes füreinander und der Begegnung.
Wenn uns am Schluss bei der Feier des Abendmahles
wieder einmal zugesagt wird:
»Ich blicke hinauf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe?« »Hilfe kommt von dem HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat!",
dann dürfen wir dieses Wort ganz persönlich
auf uns beziehen mit all den Bergen, die
sich uns in unseren Lebensweg stellen und
Gott dennoch an unserer Seite wissen. Nehmen
wir dieses wunderschöne Psalmwort mit auf
unseren gemeinsamen Weg, auch in das Leben
und Zusammenleben unserer Gemeinde hinein
und in den Dienst, zu dem wir berufen sind.
Gott selbst stellt sich darin an unsere
Seite, er bewegt uns in unser Leben hinein,
zur Gemeinschaft und zum Dienst hier in
unserer Gemeinde.
Amen.