Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Konfirmation
Samstag, 11. Mai und
Exaudi, 12. Mai 2002

Begrüßung:

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, Eltern, Familienangehörige und Gäste, liebe Gemeinde!

Gerade in einer säkularen Gesellschaft, in einer also, die sich dem christlichen Glauben und der Kirche doch ein stückweit entfremdet hat, ist und bleibt die Konfirmation ein ganz herausgehobener Schwellenritus. Auf dem Weg vom Kind zum jungen Erwachsenen seid Ihr nun selbst und sehr persönlich nach Eurem Glauben und Eurer Beziehung zu Eurer und unserer Kirche gefragt und mit Euch ja auch Eure Eltern, Eure Familien, die Euch auf Eurem Weg auf welche Weise auch immer begleitet haben.

Es hat ja keinen Sinn und hilft niemandem, die schlechte Welt zu beklagen, Orientierungslosigkeit und Sinnkrise bei jung und alt, wenn wir nicht bei uns selbst anfangen, orientiert, sinnvoll und dann auch glaubwürdig zu leben. Und dazu diente der Konfirmandenunterricht. Was nun kommt und Ihr damit anfangt, liegt an Euch selbst, an Euren Eltern und Geschwistern, die Euren Lebensweg ja noch eine ganze Zeit begleiten werden.

So lade ich uns mit dieser Konfirmation sehr herzlich dazu ein, noch einmal Gott und die Welt, unseren eigenen Glauben und unseren Bezug zu unserer Kirche zu bedenken. Was Gott tun wird, das hat er in Eurem Konfirmationsspruch so zum Ausdruck gebracht:

Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen, auf allen deinen Wegen.
(Psalm 91, 11)

Seitenaltar mit St. Anna

Seitenaltar mit St. Anna, Joachim &
Maria kniend im Vordergrund,
Evangelische Kirche Kenzingen

Gebet der Eltern:

Lasst uns beten:

Herr, Vater im Himmel wir danken dir für alles, was du bis heute an unseren Kindern getan hast. Durch die Taufe hast du sie als deine Kinder angenommen. Sie haben sich in ihrer Konfirmandenzeit mit dem Christsein auseinandergesetzt. Hilf, dass sie nicht aufhören nach dir zu fragen. Lass sie fröhlich und geborgen aufwachsen. Zeige ihnen, wo sie gebraucht werden, um Vertrauen zu stiften und Halt zu geben. Sei unter ihnen mit deinem Geist und segne sie auf all ihren Wegen.
Amen.


Konfirmanden 2002

Liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden,
liebe Eltern, liebe Paten,
liebe Gemeindemitglieder,

ich begrüße Sie alle sehr herzlich zum Einsegnungsgottesdienst der Konfirmation in unserer/dieser Kirche.

Liebe Konfirmandinnen,
liebe Konfirmanden,

der heutige Tag ist Euer Tag. Es soll ein schöner Tag sein - ja ein himmlischer Tag ! Es gibt Tage und Zeiten, da kribbelt es so ein bisschen im Bauch. Nicht nur vor Aufregung, sondern gerade auch weil sich etwas Wundersames und Geheimnisvolles an Euch ereignet. An solchen Tagen stimmt einfach alles! Es sind herrliche Tage, und es ist dann gar nicht so schwer, sich den Himmel vorzustellen. Das Leben kann so wunderbar sein, einfach schön, total easy, herzlich und menschlich, voll cool und doch voller Wärme und Güte.

Wir alle, auch wir Erwachsenen, brauchen dringend solche Tage, Tage voller Wärme und Güte, Tage, an denen der Himmel uns ganz nahe erscheint. Manchmal wünschen wir uns dabei, das müsste immer so sein. Dass dies bei uns leider nicht immer der Fall ist, das wissen wir alle. Das Leben kennt eben auch viele andere Tage.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die uns oft für unerklärlich erscheinen. Sie übersteigen unseren Verstand und bleiben ein Geheimnis auf ewige Zeit. Wir sind aber nicht alleine in unserem Leben. Jeder von uns braucht einen Engel, der uns den Weg zeigt und uns zu demjenigen führt, der immer für uns da ist, der uns auffängt und uns die Kraft gibt die unterschiedlichen Unwägbarkeiten unseres Lebensweges zu bewältigen. Wenn wir fest daran glauben, dann ist dieser Engel auch bei einem jeden von uns, Stunde für Stunde, Tag für Tag, ein ganzes Leben lang ... und darüber hinaus.

Ich möchte Euch auch im Namen aller Eltern, Paten und Gemeindeglieder ermutigen, den Weg des Glaubens weiterzugehen. Gott begleitet uns, selbst durch unsere Lebensgrenzen hindurch. Seine Liebe kennt keine Grenzen - wirklich nicht! In diesem Sinne freuen wir uns auf das, was wir im Verlauf dieses Einsegnungsgottesdienstes erleben werden und bitten Gott, dass er mitten unter uns ist und Eure Konfirmation zu seiner Segenshandlung werden lässt.

Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen auf allen deinen Wegen!

Psalm 91, 11

Liebe Familien, Gäste, Freunde und Gemeindeglieder,
liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Nun ist es also so weit! Der Tag, für den Ihr jeden Mittwoch zusammen gekommen seid, ist da, wir feiern Eure Konfirmation, den Abschluss Eurer Konfirmandenzeit. Was konntet Ihr für Euer persönliches Leben erfahren? Ihr habt uns einige Dinge benannt, die Euch wichtig waren: zum Beispiel die Auseinandersetzung mit Gott, der Moscheebesuch nach dem 11. September 2001 als eine Auseinandersetzung mit anderen Religionen. So waren auch unsere gemeinsamen Projekte "super und interessant" für Euch, weil man Einblicke in die Arbeitswelt bekommen, Kenzingen und unterschiedliche Berufswelten besser kennen lernen konnte. Was wird nun aber über diese Begegnungen und einige auswendig gelernte Bibelsprüche und Texte für Eure Zukunft bleiben?

Das, was heute in der Mitte unserer Gemeinde geschieht, hat eine weiterreichendere Bedeutung, als es Euch selbst vielleicht scheinen mag. Ihr freut Euch mit Recht auf Eure Geschenke, auf einen schönen Tag im Kreis Eurer Familien und Freunde, darauf, einmal im Mittelpunkt stehen zu dürfen und ganz sicher auch darüber, dass der Mittwochnachmittag nun wieder zu Eurer freien Verfügung steht. So schön das alles sein mag, das kann doch aber letztendlich nicht alles gewesen sein?

Formal werdet Ihr heute in die Gemeinde der Erwachsenen aufgenommen. Doch auch das wäre mir zu wenig, für einen Tag wie diesen. Von Eurem Alter, Eurer Entwicklung her steht Ihr irgendwie dazwischen: Ihr seid keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachsenen - und doch habt Ihr Euren Kopf, Eure eigenen Vorstellungen, Ihr könnt Ja oder Nein sagen und sagt es auch oft genug. Ihr trefft Entscheidungen, verliebt oder trennt Euch. Gerade in dieser Situation seid Ihr einerseits nach Eurem Ja zu Glaube und Kirche gefragt, andererseits wollen wir Euch den Segen Gottes mit auf Euren Lebensweg geben, wobei Euch Euer Konfirmationsspruch begleiten, ja wie zu einem Wegweiser werden darf:

Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen auf allen deinen Wegen!
Ihr seht hier die Figuren im Altarraum, Engel in menschlicher Gestalt und doch irgendwie unfasslich dargestellt. Sie weisen - Wegweisern an Straßenkreuzungen ähnlich - in unterschiedliche Richtungen. Engel begegnen uns heute sehr weltlich in Büchern, wie z.B. "Opas Engel", - in Filmen, wie "Stadt der Engel", - als Reklame, z.B. für den Frischkäse "Philadelphia" oder sogar als Name der Pop-Gruppe "No Engels". Da stellt sich die Frage, ob wir heute wirklich noch eine innere Antenne für sie entwickeln können? Es gibt ja so unendlich viel, was wir Menschen nicht in der Hand haben und auch nicht produzieren, machen oder leisten können, sondern, was uns von Gott aus oft unbegreiflich in unser Leben hineingestellt ist und nur dann erfahren werden wird, wenn wir unsere Antennen dazu ausfahren, bereit, nachdenklich und nicht nur in den Tag hineinzuleben.
Engel!? Die Bibel selbst, als das Fundament des Glaubens, sieht Engel sehr unterschiedlich: mal versperrt ein Engel den Zugang zum Paradies, ein anderes Mal rettet er Menschen vor dem sicheren Tod; er zieht einem Volk in gefährlicher Zeit durch die Wüsten des Lebens voran; er verkündigt einen unglaublichen Frieden in der Erfahrung tiefster Gefährdung und fraglichster Bindung. Immer wieder aber ist der Engel oder sind die Engel `Boten’ Gottes, die das Leben von Menschen in ganz bestimmten Lebenssituationen begleiten, wie sie ja auch auf den Seitenaltären in unserer Kirche dargestellt sind.

"In allen Botschaften geht es um die Überbrückung von Abständen. Bei den Engeln Gottes geht es um den größten aller Abstände: sie haben die Gottesferne zu überbrücken. Der Engel ist eigentlich nicht eine Gestalt neben oder unter Gott, sondern in dem Engel berührt Gottes Reden und Handeln die Erde. Gott ist im Engel gleichsam gegenwärtig ..." [1], so schrieb es ein alter Freund von mir in seinem Buch "Ein Plädoyer für Engel." Und so ist Euer Konfirmationsspruch auch gemeint: es ist ein Wort, das Euch an den Kreuzungen Eures Lebensweges gedanklich begleiten und mit Gott verbinden soll. Die Initiative dazu geht aber zunächst einmal von Gott aus: Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen auf allen deinen Wegen!

Wir können uns heute recht gut vorstellen, wie Euer Konfirmationsspruch entstanden sein könnte. Menschen kommen in den alten Tempel in Jerusalem, dorthin also, wo die Gegenwart Gottes in ganz besonderer Weise geglaubt wird. Sie kommen mit all ihren Alltagssorgen und Fragen, mit ihren menschlichen Erwartungen an die Gegenwart und Zukunft ihres Lebens. Und in diese Situation hinein erzählt ihnen ein Priester des Tempels von den großen Taten Gottes, worauf die Pilger mit einem Dankgebet antworten.

Was wir tun können, ist diesem Wort zu vertrauen, es in die Höhen und Tiefen unseres Lebens mitzunehmen. Doch wie verlässlich ist eigentlich ein solches Wort? Sind wir denn nicht alle tief bewegt von diesem Jugendlichen, der aus heller Verzweiflung 16 Menschen in einer Schule in Erfurt tötete und danach auch noch sich selbst? Was bedeuten uns Worte, wie die des Bundespräsidenten, wenn er bei der Trauerfeier sagte: "Wir müssen einander achten, und wir müssen aufeinander achten. Jeder ist wertvoll durch das, was er ist und nicht durch das, was er kann ..." [2] Wo war da Gott und wo war sein Engel, der den jugendlichen Mörder vor seiner Tat, die Lehrer, die Sekretärin der Schule, die Schüler und den Polizisten vor diesem Mord schützte?

Einerseits wissen wir keine Antwort darauf, warum etwas im Leben geschieht, doch wozu etwas geschieht, darauf dürfen wir Antworten wagen. Zunächst einmal möchte ich glauben, das heißt, darauf vertrauen, dass Gott in jener Situation bei diesem Jugendlichen dort in Erfurt war, wie bei allen, die er tötete. Fand hier denn nicht das seinen Ausdruck, was der dänische Philosoph und Theologe Sören Kierkegaard "Die Krankheit zum Tode" nannte? So bewusst das alles geplant war, so sehr war dieser Jugendliche von allen guten menschlichen Geistern verlassen. Er hatte niemanden mehr, mit dem er hätte reden, sein Vorhaben bedenken können. Er war in sich verschlossen, vereinsamt und daher auf dem Weg zum Tod. Wo, wenn nicht gerade hier bei dem Mörder und seinen Opfern, sollte Gott wohl sein, auch, wenn sie scheinbar kein Engel mehr erreichen und auf ihrem leidvollen Weg beschützen konnte? Wenn Gott wirklich Gott ist, dann doch in der Tiefe, den Dunkelheiten unserer Existenz, denn darauf verweist uns ja das Kreuz Jesu.
Und wozu wir eine solche Erfahrung nutzen dürfen, das liegt auf der Hand: um besonnen zu leben, sich bewusst zu machen, was es heißt, dass Gott selbst seinen Engeln befohlen hat, uns auf allen unseren Wegen zu beschützen ... Auch wenn wir es mit unseren Mitteln und Möglichkeiten einmal nicht sehen, hören, fühlen oder spüren können, so werden wir dennoch von Gott begleitet, oft sogar von Engeln in sehr menschlicher Gestalt. Sagen wir denn nicht oft genug: Du bist ein Engel und meinen damit etwas ganz Unfassliches, Unbegreifliches? Wo werden vielleicht wir selbst einmal anderen zu einem Engel, zu einem Geschenk Gottes mitten an einer Kreuzung im Leben?

Was nutzen Worte großer Politiker, staatstragende Sonntagsreden, eine Konfirmation, wenn Worte eben nur gehört, aber nicht mit Leben erfüllt werden? Wir hören die gut gemeinten Appelle für ein sinnvolles Leben, doch wer fängt damit an, sie auch zu leben? Es nutzt leider gar nichts, den Werteverlust der Zeit zu beklagen, wenn ich mir selbst gar keine Rechenschaft mehr darüber ablege, zu welchen Werten ich mich bekenne, einmal bekannt habe. Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: hier geht es um Euch, um Eure eigene Glaubwürdigkeit, um Euer Ja oder Nein, das gelebt oder unglaubwürdig wird, so, wie es auch um unsere Glaubwürdigkeit geht.

Die bekannte Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz schrieb 1949 in die dunkle Zeit nach dem zweiten Weltkrieg die kleine Geschichte: `Adam und Eva’, dort erzählt sie:

"Die Kinder, sagte Adam streng, sind träge und leichtsinnig. Sie wissen nicht, was arbeiten heißt, und werden elend zugrunde gehen. Es wird schon noch etwas aus ihnen werden, sagte Eva. Und was wird aus uns? fragte Adam und stützte seinen Kopf auf die Hand. Wir bleiben zusammen, sagte Eva. Wir gehen zurück in den Garten. Und sie legte ihre Arme um Adams Hals und sah ihn liebevoll an. Ist er denn noch da, fragte Adam erstaunt. Gewiss, sagte Eva. Wie willst du das wissen? fragte Adam mürrisch. Woher, meinst du, fragte Eva, dass ich die Reben hatte, die ich dir gebracht habe, und woher meinst du, dass ich die Zwiebel der Feuerlilie hatte, und woher, meinst du, hatte ich den schönen, funkelnden Stein?

Woher hattest du das alles? fragte Adam. - Die Engel, sagte Eva, haben es mir über die Mauer geworfen. Wenn wir kommen, rufe ich die Engel, und dann öffnen sie mir das Tor. Adam schüttelte langsam den Kopf, weil eine ferne und dunkle Erinnerung ihn überkam. Gerade dir, sagte er. Aber dann fing er an zu lachen, laut und herzlich, zum ersten Mal seit ach wie langer Zeit." [3]

Wir haben es zu akzeptieren, dass wir jenseits des Paradieses leben, aber diese kleine Geschichte erzählt uns etwas zutiefst Biblisches. Das Paradies - uns scheinbar oft verschlossen - ist noch da, es ist uns nicht verloren, auch Euch und Eurer Zukunft nicht. Immer wieder finden wir Spuren des Paradieses in den Wüsten unseres Lebens. Aber wir werden jeden Tag neu zu lernen haben, es als ein solches zu erkennen, vielleicht sogar an ihm zu arbeiten.

Ihr habt Euch einen großartigen Konfirmationsspruch herausgesucht: Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen auf allen deinen Wegen! Nun kommt es darauf an, ob Ihr Gott mehr zutraut als Euren Augen und Ohren und sehen und hören lernt, was andere nicht sehen und hören. Darum stellt Euch immer wieder an einen Anfang mit dem Glauben Eurer Kirche und vertraut darauf, dass "Gott seinen Engeln befohlen hat, dich (wirklich) zu beschützen auf allen deinen Wegen!" Das ist heute unser Wunsch für Euch und Euren Lebensweg, damit Ihr glücklich werden und immer wieder - auch trotz mancher Dunkelheiten im Leben - herzlich lachen dürft.
Amen.


Literatur:

  1. Wenberg, E., Ein Plädoyer für Engel, Freiburg, 19973, S. 19
  2. Badische Zeitung, Hunderttausend nehmen Abschied, Samstag, 4. Mai 2002, S. 1
  3. Kaschnitz, M.L., Erzählungen, Hrsg. Marcel Reich-Ranicki,
    Deutscher Bücherbund, Stuttgart, S. 57ff
außerdem: Letzte Änderung: 22.05.2002
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider