Evangelische Kirchengemeinde Kenzingen

Francesco Bernadone, genannt Franz von Assisi -
ein Leben predigt die Freude der Schöpfung

Eine Predigtreihe, 1998

In Dankbarkeit für unsere schöne alte Kirche, die 1659-62 als eine Klosterkirche des Franziskanerordens erbaut wurde - und für alle Gemeindeglieder, die in ihr Gottesdienst feiern.


Laetare, 22.3.1998, Hecklingen

Franz von Assisi (2)

Franziskus ist erfinderisch, phantasie- und humorvoll in der Gestaltung des eigenen Lebens und in der Bewältigung der Probleme seiner Zeit. Bei ihm finden wir Ernst und Freude, Radikalität und Gelassenheit, Fürsorge und Vertrauen, Härte und Milde in Einklang gebracht. Er ist so frei von allem Irdischen und doch so weltgewandt, so trunken von Gott und von Jesus und doch so nahe den Menschen, so einfach und doch so vielfältig, so sehr auf die Sache konzentriert und doch so universal.

Stichwortartig können wir ihn so charakterisieren:
spontan, doch nicht verletzend,
begeistert, doch nicht leichtsinnig,
radikal, doch nicht fanatisch,
konsequent, doch nicht rechthaberisch,
leidenschaftlich, doch nicht ungeduldig,
originell, doch nicht naiv,
frei, doch nicht rücksichtslos,
ernst, doch nicht langweilig,
fröhlich, doch nicht oberflächlich,
provozierend, doch nicht taktlos,
mitreißend, doch nicht aufdringlich,
zur Umkehr rufend, doch nicht verurteilend.
(Bernardino Greco)

Der Dialog

HHS:
Guten Morgen, Bruder Franziskus! Ich danke dir, dass du mir deine Zeit schenkst und auf einige meiner Fragen Antworten geben willst. Du kannst dir vorstellen, dass ich ein wenig nervös bin. Ich habe mich ja schließlich noch nie mit einem Heiligen unterhalten. Du weißt ja, dass wir Evangelischen die Heiligen etwas anders wahrnehmen als unsere katholischen Schwestern und Brüder. Doch nun sei uns zuerst einmal herzlich willkommen.
Franziskus:
Guten Morgen, lieber ... -? Ja, wie soll ich dich eigentlich ansprechen? Ich werde dich Bruder `Kenzingen’ nennen, weil du ja von mir Antworten erwartest gerade auch für deine Gemeinde, die Kenzinger - und so darf sich mit dir ein jeder angesprochen fühlen. Ich grüße euch alle sehr herzlich.
HHS:
Bruder Franziskus! Du beginnst dein Testament mit den Worten: `So gab der Herr mir, dem Bruder Franziskus, mit der Buße zu beginnen’..., das klingt so ganz anders, als wir dich bisher kennengelernt haben, ernst und streng, da hören wir weniger den uns vertrauten Franziskus, denn einen Bußprediger?
Franziskus:
Ich weiß, mein Lieber, dass `Buße’ kein sehr mitreißender Begriff für euch heute ist. Aber er bezeichnet für mein Leben die ständige Umkehr oder noch besser und genauer die gesammelte Hinkehr und stete Ausrichtung zu Gott. Das, was euer großer Reformator, Martin Luther, mit der `Gnade allein’ meint, das ist es. Unser Leben ist immer eine Antwort auf die Möglichkeiten, die Gott uns mit ihm schenkt.
HHS:
Mach’ uns das bitte noch ein wenig deutlicher:
Franziskus:
Gern, Bruder Kenzingen! Ich hätte in meinem Testament auch sagen können: Gott gab mir, statt mit der Buße, mit einem neuen Leben zu beginnen: Er hat mich in die verfallene Kirche San Damiano geführt. Er gab mir den Auftrag, seine Kirche wieder aufzubauen. Er hat mir geholfen, mich arm zu machen. Er hat mir meinen Weg gezeigt, in dem ich sein Wort hören und leben lernte. Immer war Gott selbst es, der etwas an mir tat, und so veränderte sich mein Leben. Das verstehe ich unter Umkehr, Buße. Durch sie wurde mein Leben reich und schön.
HHS:
Bruder Franziskus du wirst schon 1228, also nur zwei Jahre nach deinem Tod durch Papst Gregor IX. `heilig’ gesprochen. Was war das Außergewöhnliche, das Heilige an dir?
Franziskus:
Da muss ich zuallererst ganz evangelisch antworten: Der Heilige allein schafft die Heiligen, und so hat Er mich erschaffen. Doch durch die Taufe ist ein jeder Mensch geheiligt. Nun kommt alles darauf an, dass sich das auch in seinem Tun und Lassen widerspiegelt. Dann wird der Welt auch eure eigene Heiligkeit sichtbar werden, und ihr werdet das Wunder der `Gemeinschaft der Heiligen’ selbst erleben.
Seit ich meinem Vater die Kleider zurückgab, und zum `Poverello’, zum `kleinen Armen’ wurde, war ich frei für Gott. Alles, was ich nun bekam, empfing ich, um es weiterzugeben, und mit allem, was ich verschenkte, wurde ich immer reicher und alle meine Schwestern und Brüder mit mir.
Weshalb der Papst mich `heilig’ sprach, liegt wohl daran, dass ich mit meinem Leben versucht habe, die Fundamente der Kirche wieder freizulegen, die Christus begründet hat, die inzwischen aber verschüttet waren. Ich lebte als Protestant und blieb meiner Kirche dennoch treu, ich reformierte, aber nichts konnte mir meine Solidarität zu ihr nehmen. Ich habe gezeigt, mit allen Brüdern und Schwestern, dass wir mitten in der Welt dennoch nach dem Evangelium leben können.
HHS:
Was ist der Grund dafür, dass du heute noch oder wieder so aktuell bist? Hast du eine Ahnung?
Franziskus:
Ich denke, dass viele Menschen eine Art `Heimweh’ beschleicht, wenn sie an mich denken, an meine Art zu leben und zu lieben. Mein Vorbild schenkt den Menschen Impulse für ihr Leben: Für ein Leben das sich bescheiden kann in all dem Konsum, der heute möglich ist, in Bezug auf einen Frieden, der durch Güte und Geduld entwaffnet, statt durch Waffen und Abschreckung und auf einen empfindsameren Umgang mit der Natur und der Kreatur.
HHS:
Aber was sollen wir tun? Wir können doch nicht alle Franziskaner werden, wo bleibt da die Wirtschaft: die Industrie, der Mittelstand, die Dienstleistungsunternehmen, der Staatsapparat? Woher soll das Geld kommen - auch für unsere kirchlichen Haushalte, für die Diakonie?
Franziskus:
Du hast recht. Ihr könnt natürlich nicht alle arme Schwestern und geringe Brüder werden. Aber wir leben euch exemplarisch vor, wie es aussehen kann, sich freiwillig zu begrenzen, zu beschränken, Zeit und Ruhe zu finden für Gott. Der Mensch braucht viel weniger, als man meint, und es wird gerade so ein befreiteres, ja ein wertvolleres Leben sein.
Ihr sollt euer Leben so führen, dass ihr damit auch anderen Menschen, der Natur und Kreatur dient. Ich habe meinen Brüdern einmal gesagt: `Nichts habt ihr, weder in dieser noch in einer zukünftigen Welt, dabei glaubt ihr, lange die Nichtigkeiten dieser Welt zu besitzen. Aber ihr täuscht euch!’
Was Euch modernen Menschen fehlt - aber das war ja in keiner Generation der Weltgeschichte anders - ist die Einsicht und Bereitschaft, so zu werden, wie Gott euch haben will, nicht wie ihr euch mit euren überzogenen Ansprüchen haben wollt: Darum lebt ihr auf Kosten eurer Zukunft und der eurer Kinder, darum strebt ihr von unten nach oben und tretet von oben nach unten, darum nehmt ihr - gegen euer besseres Wissen - so wenig Rücksicht auf die Natur und deren Ressourcen, darum verschwinden tagtäglich immer mehr Pflanzen und Tierarten. Dabei habt ihr heute alle Möglichkeiten, Wirtschaft und Industrie so zu gestalten, dass die Schöpfung nicht weiter unnötig geschädigt wird.
HHS:
Das klingt politisch, alternativ, ziemlich grün?
Franziskus:
Vermutlich hat es aus eurer Sicht damit wohl etwas zu tun, aber ich meine es ja nicht politisch in eurem Sinne, sondern mir geht es um die Schöpfung und so zugleich um den Schöpfer-Gott. Daran will ich erinnern. Mein Glaube hat sich nicht von der Welt wegbewegt, sondern Gott in alle Dinge der Welt hineingeglaubt. Darum meine Ehrfurcht vor allem Leben, vor allem Dasein, das mir in der Welt begegnet, in all dem finde ich Gott.
Vergesst niemals, dass fragwürdiger Besitz euch von anderen Menschen trennt. Sicher, ihr könnt euch wirklich nicht einfach arm machen: Aber ihr könnt euch fragen, was ist mir für mein Leben zentral wichtig, was entscheidet über den Sinn meines Lebens? Das darf dann niemals etwas sein, was ihr verlieren könnt. Fangt mit Gott an, und hört mit Gott auf, dann wird alles, was euch begegnet, richtig zu- und eingeordnet sein.
Ich habe gelernt, dass meine Berufung zur Armut, der ich stets gefolgt bin, mich frei gemacht hat, frei von Geldgier, Macht- und Konkurrenzdenken, frei von materiellen Sorgen, frei von jeder Art hektischem Leben. So lernte ich frei zu sein und Zeit zu haben für Gott, für seine Gaben und Aufgaben.
HHS:
Wie siehst du denn heute unsere Kirchen aus deiner himmlischen Distanz? Für dich gab es ja nur die katholische Kirche, die evangelische existierte zu deiner Zeit noch gar nicht.
Franziskus:
Ich freue mich darüber, wie herzlich oft die Beziehungen zwischen katholischen und evangelischen Christen sind. Ich weiß, dass dies nicht immer so war. Martin Luther, ein katholischer - evangelischer Protestant, ähnlich wie ich, wollte die Kirche seiner Zeit auch zu einer neuen Erkenntnis des Evangeliums aufrütteln. Jede Zeit braucht solche Menschen, gerade auch in der Kirche.
Aber, Bruder Kenzingen, gehen wir doch einfach einmal in eure Kirche hinein, die meine Brüder vor Jahrhunderten erbaut haben. Schau auf den Altar, was siehst du?
HHS:
Ich sehe das alte Kruzifix an der Wand, darunter den Altartisch mit Blumen, Kerzen und der aufgeschlagenen Bibel.
Franziskus:
Richtig! Die Wand, die Wand ist euer Problem. Sie trennt ja nicht allein eure Kirche von der katholischen Spitalkapelle, sondern sie ist zugleich ein Bild vieler Wände in euren Köpfen, die euch nach wie vor voneinander trennen. Reißt die Mauer ein, und macht dies zu einem Symbol dafür, dass ihr auch die unsichtbaren Mauern, welche eure Konfessionen unnötig belasten, einreißen wollt. Damit setzt ihr ein Zeichen geschwisterlicher Liebe.
Ansonsten sage ich euch: Wenn ihr das geschafft habt, freut euch an euren Konfessionen. Sie sind ein Bild der vielen Möglichkeiten, die Gott schenkt, seinen Glauben leben zu dürfen. So, wie es in der Schöpfung nicht nur eine Pflanzensorte gibt, nicht nur eine Tierart, so darf es auch verschiedene Arten geben, Gott zu loben und zu ehren. Seid dabei offen füreinander, helft euch, so wie ihr es ja ohnehin schon tut, und bleibt miteinander auf dem Weg, auf dem Weg zu Gott.
HHS:
Jetzt bist du politisch geworden, kirchenpolitisch!
Franziskus:
Hattest du denn wirklich eine andere Antwort von mir erwartet, sei ehrlich? Du hast dich doch nun lange genug mit meinem Leben und Werk befaßt.
HHS:
Ich habe deine Antwort geahnt, Franziskus. Wir werden darüber nachdenken.
Franziskus:
Lieber Bruder Kenzingen! Ich muss mich nun wieder auf meine himmlische Aufgabe konzentrieren. Darum ein letztes Wort an Euch.
HHS:
Was ist das für eine Aufgabe, Franziskus?
Franziskus:
Meine `himmlische Aufgabe’: Das ist das unendliche Lob Gottes, in dem alle Sehnsucht des Menschen und der Kreatur ein Ende gefunden hat. Mensch und Tier dürfen angekommen sein und stimmen darum in dieses Lob Gottes ein.
Aber nun ein letztes Wort: Versucht nicht so zu leben, wie ich es für mich versucht habe, ihr heißt nicht Franziskus. Hört in euch hinein und beachtet, wozu Gott euch berufen hat. Habt Vertrauen in euren eigenen Weg, und setzt euch für alles ein, was dem Leben dient und seiner Zukunft. Lebt leidenschaftlich, voller Zuwendung, wo immer ihr der Schöpfung und damit Gott in ihr begegnet. So werdet ihr euren Frieden finden.

Du hast deine Fragen vorhin mit dem Anfang meines Testamentes begonnen. So möchte ich mit seinem Ende schließen:
Ich, Bruder Franziskus, euer armseliger Diener, stärke euch innerlich und äußerlich, so sehr ich es kann, mit diesem heiligen Segen:
Im Himmel werde jeder erfüllt vom Segen des höchsten Vaters.
Auf der Erde werde jeder erfüllt vom Segen seines geliebten Sohnes zusammen mit dem Heiligen Geist, dem Tröster, mit allen himmlischen Kräften und allen Heiligen.
Amen.

Weiterreichende als die bisher benannte Literatur:

Letzte Änderung: 29.06.2001
Pfr. Hanns-Heinrich Schneider